BT-Drucksache 18/12055

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/8724 - Wochenhöchstarbeitszeit begrenzen und Arbeitsstress reduzieren b) zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Brigitte Pothmer, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/8241 - Mehr Zeitsouveränität - Damit Arbeit gut ins Leben passt

Vom 24. April 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12055
18. Wahlperiode 24.04.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Herbert
Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksachen 18/8724 –

Wochenhöchstarbeitszeit begrenzen und Arbeitsstress reduzieren

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Brigitte
Pothmer, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksachen 18/8241 –

Mehr Zeitsouveränität ‒ Damit Arbeit gut ins Leben passt

A. Problem
Zu Buchstabe a

Die unterschiedlichen Interessen von Beschäftigten und Arbeitgebern treffen nach
Einschätzung der Fraktion DIE LINKE. auf eine große Diskrepanz zwischen ver-
traglich festgelegten und tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten. Vollzeitbeschäf-
tigte arbeiteten immer länger, der Arbeitstag kenne für viele kein Ende. Gleich-
zeitig verdichte sich der Arbeitsalltag für viele Beschäftigte so sehr, dass sie keine
andere Möglichkeit hätten, als auch in ihrer Freizeit für den Arbeitgeber erreich-
bar zu sein. Festgelegte Zeiten für Erholung würden unterlaufen und psychische
Fehlbelastungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nähmen zu.

Zu Buchstabe b

Nicht einmal jeder zweite Beschäftigte ist nach den Angaben der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN heute mit seinem Arbeitszeitumfang zufrieden. Vollzeit-
beschäftigte wollten oft reduzieren, Teilzeitkräfte aufstocken. Oft gelinge es aber

Drucksache 18/12055 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
nicht, Arbeitszeiten zu vereinbaren, die den Bedürfnissen der Menschen gerecht
würden. Gleichzeitig nähmen die Belastungen am Arbeitsplatz zu: Der Alltag vie-
ler Menschen sei von Zeitdruck geprägt, mobile Kommunikationsmittel ließen die
Grenze zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen. Knapp zwei Drittel der Be-
schäftigten in Deutschland arbeiten länger, als im Arbeitsvertrag vereinbart.

B. Lösung
Zu Buchstabe a

Die Fraktion DIE LINKE. fordert, die gesetzliche Wochenhöchstarbeitszeit im
Arbeitszeitgesetz von 48 auf 40 Stunden zu senken, ein Recht auf Nichterreich-
barkeit und eine Dokumentationspflicht für jede Stunde Arbeit sowie verbindliche
Ausgleichsregelungen für Mehrarbeit festzuschreiben. Ferner müsse eine Anti-
Stress-Verordnung erlassen werden, um psychischen Belastungen entgegenzu-
wirken.

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/8724 mit den Stimmen der Frak-
tionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen
der Fraktion DIE LINKE.

Zu Buchstabe b

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN strebt gesetzliche Rahmenbedingun-
gen an, die den Beschäftigten mehr Arbeitszeitsouveränität ermöglichen und vor
entgrenzter Arbeit schützten. Dabei sollten die Beschäftigten mehr Mitsprache
über Umfang, Lage und Ort ihrer Erwerbstätigkeit erhalten. Im Teilzeit- und Be-
fristungsgesetz solle ein Vollzeitkorridor mit Wahlarbeitszeiten geschaffen wer-
den u. a. m.

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/8241 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD und gegen die Stimmen der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.

C. Alternativen
Annahme eines Antrags.

D. Kosten
Kostenberechnungen wurden nicht vorgenommen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12055
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Antrag auf Drucksache 18/8724 abzulehnen;

b) den Antrag auf Drucksache 18/8241 abzulehnen.

Berlin, den 29. März 2017

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Kerstin Griese
Vorsitzende
Gabriele Schmidt (Ühlingen)
Berichterstatterin
Drucksache 18/12055 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Gabriele Schmidt (Ühlingen)

I. Überweisung

1. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 18/8724 wurde in der 191. Sitzung des Deutschen Bundestages am 23. September
2016 dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur federführenden und dem Ausschuss für Wirtschaft und Energie,
dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie dem Ausschuss für Gesundheit zur Mitberatung
überwiesen.

Der Antrag auf Drucksache 18/8241 wurde in der 167. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. April 2016
beraten und dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung sowie dem Ausschuss für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend zur Mitberatung überwiesen.

2. Voten der mitberatenden Ausschüsse

Zu Buchstabe a

Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie, der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie
der Ausschuss für Gesundheit haben den Antrag auf Drucksache 18/8724 in ihren Sitzungen am 29. März 2017
beraten und mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stim-
men der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung empfohlen.

Zu Buchstabe b

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat den Antrag auf Drucksache 18/8241 in seiner
Sitzung am 29. März 2017 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD und gegen die
Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. die Ableh-
nung empfohlen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

Zu Buchstabe a

Die Frage nach mehr Zeitsouveränität sei ein zentraler Punkt in der Arbeitszeitdebatte, heißt es in der Antragsbe-
gründung der Fraktion DIE LINKE. Die Ergebnisse einer Beschäftigtenbefragung der IG Metall zeigten, dass
82 Prozent der Befragten ihre tägliche Arbeitszeit kurzfristig an private Bedürfnisse anpassen wollten und 78 Pro-
zent den Wunsch hätten, die Arbeitszeit für Kinder und Pflegebedarfe abzusenken. Eine Betrachtung der realen
Arbeitszeiten zeige, dass die Schere zwischen der tarif- oder arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit und der
tatsächlichen Arbeitszeit auseinandergehe. Viele Beschäftigte arbeiteten mehr als vertraglich vereinbart. Die Wo-
chenarbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten steige, überlange Arbeitszeiten nähmen zu und die Zahl der bezahlten
und unbezahlten Überstunden sei enorm: Die gewöhnliche Wochenarbeitszeit (die in der Regel sowohl die ver-
traglich vereinbarte als auch die üblicherweise geleisteten Überstunden umfasse) von Vollzeitbeschäftigten sei
von ihrem niedrigsten Wert im Jahr 2003 mit rund 39,5 Wochenarbeitsstunden auf knapp 40,5 Stunden im
Jahr 2014 gestiegen. Vollzeitbeschäftigte arbeiteten immer länger.

Diese Entwicklung sei problematisch. Einer systematischen Untersuchung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz
und Arbeitsmedizin (BAuA) nehme das Risiko von gesundheitlichen Beeinträchtigungen physischer und psychi-
scher Art bei langen Arbeitszeiten zu. Zudem erschwerten entgrenzte und überlange Arbeitszeiten die Vereinbar-
keit von Arbeit und privatem Leben. Daher müsse der Entgrenzung von Arbeitszeit entgegengewirkt werden. Ein
entscheidender Schritt hierfür sei die Reduzierung der zulässigen Höchstarbeitszeit.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12055
Zu Buchstabe b

Die Ansprüche an Arbeit und Leben wandelten sich, heißt es in der Antragsbegründung der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN. Viele Beschäftigte forderten mehr Zeitsouveränität, um Arbeit und private Anforderungen
besser unter einen Hut zu bekommen. Ihre Wünsche seien dabei so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Viele
Teilzeitbeschäftigte wollten ihre Arbeitszeit ausweiten, vollzeiterwerbstätige Väter und Mütter wünschten sich
eher kürzere Arbeitszeiten. Andere seien mit dem Umfang zufrieden, aber wünschten sich beweglichere Arbeits-
zeiten. Diese Bedürfnisse änderten sich zudem im Lebensverlauf. Wer Kinder bekomme, wolle anders arbeiten
als ein Berufseinsteiger. Ein einziges Arbeitszeitmodell für ein ganzes Erwerbsleben reiche für diese unterschied-
lichen Bedürfnisse nicht aus. Das werde auch den veränderten Partnerschaftsmodellen nicht gerecht: Viele Frauen
wollten sich nicht mehr aufs berufliche Abstellgleis stellen lassen und auf eine eigenständige Existenzsicherung
verzichten, weil sie sich für Kinder entschieden; gleichzeitig wollten viele Männer nicht mehr nur Feierabend-
und Wochenendväter sein, sondern sich gleichberechtigt an der Kindererziehung beteiligen.

Eine neue Arbeitskultur liege auch im Interesse der Arbeitgeber selbst. Gerade kleine Unternehmen könnten durch
flexible Arbeitszeiten qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an sich binden und mit weniger Fluktuation,
zufriedeneren, eigenständigeren und produktiveren Beschäftigten rechnen.

III. Öffentliche Anhörung von Sachverständigen

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Beratung des Antrags auf Drucksache 18/8724 in seiner 86. Sit-
zung am 28. September 2016 aufgenommen und die Durchführung einer öffentlichen Anhörung von Sachverstän-
digen beschlossen.

Die Einführung in den Antrag auf Drucksache 18/8241 sowie die Beschlussfassung über eine öffentliche Exper-
tenanhörung fand in der 85. Sitzung am 21. September 2016 statt, die Anhörung zu beiden Anträgen in der
108. Sitzung am 20. März 2017.

Die Teilnehmer der Anhörung haben schriftliche Stellungnahmen abgegeben, die in der Ausschussdrucksache
18(11)947 zusammengefasst sind.

Folgende Verbände, Institutionen und Einzelsachverständige haben an der Anhörung teilgenommen:

Deutscher Gewerkschaftsbund

Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)

ver.di Bundesverwaltung

Zentralverband des Deutschen Handwerks e. V. (ZDH)

Handelsverband Deutschland - HDE e. V.

Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e. V. (DEHOGA)

DIE FAMILIENUNTERNEHMER e. V.

BASF SE

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)

Lena Hipp, Ph. D.

Dr. Yvonne Lott

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bescheinigt den Anträgen, dass sie die bekannten Probleme und Her-
ausforderungen der heutigen Arbeitswelt wie die Zunahme längerer Arbeitszeiten und atypischer Arbeitszeiten
sowie hohes Maß an Arbeitsverdichtung beschrieben. Besonders problematisch sei die zunehmende Auflösung
der Grenze zwischen Arbeitszeit und Freizeit. Regelungen zum sog. Home-office, zur mobilen Arbeit, zur Ver-
trauensarbeitszeit und zur Arbeit auf Abruf müssten den Schutz der Beschäftigten stärker berücksichtigen. Die in
den Anträgen formulierten Reformvorschläge gingen in einzelnen Aspekten in die richtige Richtung und müssten
auch für Beamtinnen und Beamte gelten. So entspreche die Forderung nach einem Rückkehrrecht auf Vollzeit

Drucksache 18/12055 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
bzw. in die vorherige Arbeitszeit durch ein Recht auf zeitlich befristete Arbeitszeitreduzierung im Grundsatz der
Position des DGB. Auch die Erweiterung der Mitbestimmungsrechte bezogen auf Arbeitsmenge und Leistungs-
vorgaben sei richtig. Gerade die Verdichtung von Arbeit, d. h. die Erhöhung der Arbeitsmenge bei gleich blei-
bender Arbeitszeit, führte zu hohem Termin- und Leistungsdruck. Kritisch anzumerken bleibe allerdings, dass
beide Anträge sich nicht ausreichend mit der durch Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz garantierten Funktion von
Tarifvertragsparteien und insbesondere von Gewerkschaften auseinandersetzten - denn beide Fraktionen forderten
in Bereichen der Arbeitszeitgestaltung, die klassische Felder gelebter Tarifautonomie beträfen, individualrechtli-
che Regelungen, ohne die Bedingungen ihrer Durchsetzung im Betrieb zu berücksichtigen. So falle bisher die
Frage etwa von Arbeitszeitkorridoren und Wahlarbeitszeiten vorrangig in die Zuständigkeit der Tarifvertragspar-
teien.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) lehnt beide Anträge ab. Die Antragsteller
(DIE LINKE). implizierten z. B. bei ihrer Forderung nach Senkung der Wochenhöchstarbeitszeit von 48 auf
40 Stunden, dass die Beschäftigten heute regelmäßig und in großem Umfang die im Arbeitszeitgesetz (ArbZG)
vorgesehene wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden ausschöpften. Die durchschnittlich geleistete Wo-
chenarbeitszeit der Beschäftigten habe im Jahr 2015 in Deutschland aber 35,2 Stunden pro Woche betragen und
sei damit im Vergleich zum Vorjahr leicht rückläufig gewesen. Es entspreche den Bedürfnissen der Unternehmen
und ihrer Mitarbeiter, die arbeits- oder tarifvertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit in den Grenzen des ArbZG
flexibel verteilen zu können. Deshalb müsse es z. B. möglich sein, auch einmal über die vereinbarte Arbeitszeit
hinauszugehen. Unternehmen mit innovativen flexiblen Arbeitszeitmodellen zeigten, dass auch Arbeitnehmer die
Möglichkeit wahrnähmen, in Einzelfällen und aus unterschiedlichen privaten Gründen die mit dem Arbeitgeber
vereinbarte Wochenarbeitszeit zu überschreiten. Vor diesem Hintergrund sei kein Bedarf ersichtlich, den von der
EU-Arbeitszeitrichtlinie eröffneten Spielraum, der eine Wochenhöchstarbeitszeit von 48 Stunden vorsehe, weiter
zu begrenzen. Vielmehr sollte der deutsche Gesetzgeber diesen Spielraum nutzen, um das Arbeitszeitrecht an die
zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt anzupassen. Am Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
kritisiert der BDA z. B. die Forderung nach einem Vollzeitkorridor mit Wahlarbeitszeiten: Dauerhaft und ohne
Anbindung an eine besondere familiäre Verantwortung eine wöchentliche Arbeitszeit von nur 30 Stunden zu er-
möglichen, beweise vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels fehlendes Problembewusstsein in einer Zeit, in
der Menschen in Beschäftigung gehalten werden müssten. Das Modell einer Wahlarbeitszeit sei schon im Ansatz
verfehlt. Die Vereinbarung der Arbeitszeit ist ein wesentliches Merkmal des beidseitig verhandelten Arbeitsver-
trags, auf deren Grundlage der Arbeitgeber den Betrieb organisiere und strukturiere. Im Einzelfall könnten die
Parteien im Wege der Vertragsfreiheit gemeinsam abweichende Vereinbarungen treffen. Ein Übermaß an ständig
wechselnden Arbeitszeiten und Arbeitsausfällen könnte kleine und mittlere Betriebe unmittelbar in ihrer Existenz
bedrohen.

Die ver.di Bundesverwaltung unterstützt beide Initiativen im Grundsatz. Man selbst folge dem arbeitszeitpoliti-
schen Leitbild einer „kurzen Vollzeit bei vollem Personal- und Lohnausgleich“. Insofern griffen beide Anträge
übereinstimmend ein Thema auf, das auch ver.di zunehmend in den Mittelpunkt der tarifpolitischen Arbeit stelle.
Damit reagiere man auf die zunehmende physische und psychische Belastung der Beschäftigten im Rahmen ihrer
Erwerbsarbeit, die vor dem Hintergrund der mit der Digitalisierung verbundenen Umbrüche in der Arbeitswelt
einen zusätzlichen Schub erhalten habe. Im Rahmen tarifvertraglicher Regelungen versuche ver.di seit langem
hier Verbesserungen zu erzielen. Dies sei in einer Reihe von Tarifverträgen (TV) gelungen. Gleichzeitig müssten
aber auch immer wieder Versuche der Arbeitgeber abgewehrt werden, Arbeitszeiten zu verlängern und weiter zu
flexibilisieren. Ohne dass dies nach außen hin sichtbar werde, stelle vor diesem Hintergrund eine Festschreibung
des bestehenden Arbeitszeitregimes schon einen gewerkschaftlichen Erfolg dar. Das Ergebnis tariflicher Rege-
lungen spiegele allerdings immer das bestehende Machtverhältnis in den konkreten Tarifauseinandersetzungen
wider. In vielen Branchen und Betrieben seien die Gewerkschaften nur noch beschränkt durchsetzungsfähig. Die
deutlich zurückgegangene Tarifbindung führe zudem dazu, dass es immer größere tariflose Bereiche in Deutsch-
land gebe. Da die tarifungebundenen Bereiche durchweg schlechtere Arbeits- und Entlohnungsbedingungen auf-
wiesen, sei dies nicht nur für die betroffenen Beschäftigten ein großer Nachteil. Daher sei es wichtig, dass die
Verbreitung von als allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen wieder stärkere Bedeutung erlange. Vor die-
sem Hintergrund befürworte ver.di grundsätzlich die mit den beiden Anträgen angestoßenen Initiativen, die eine
Begrenzung der Wochenhöchstgrenzen, eine Reduzierung von Arbeitsstress und mehr Zeitsouveränität der Be-
schäftigten zum Ziel hätten. Im Einzelnen unterstütze man besonders die Forderungen nach Absenkung der ge-
setzlichen Wochenhöchstarbeitszeit im Arbeitszeitgesetz von 48 auf 40 Stunden; bei einer durch gesetzliche Vor-
gaben notwendigen Reduzierung individueller Arbeitszeiten dürfe es jedoch zu keiner Entgeltkürzung kommen;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/12055
nach Schaffung eines Vollzeitkorridors im Bereich von 30 bis 40 Stunden pro Woche mit Wahlarbeitszeiten; die
konkrete Umsetzung müsse allerdings tarifvertraglichen Regelungen vorbehalten bleiben; nach einem Recht auf
Nichterreichbarkeit u. a.m.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) lehnt die Anträge ab. Die darin formulierten Forderun-
gen entzögen den Handwerksbetrieben die souveräne Ausgestaltung der Arbeitszeit und würden die Personalein-
satzplanung erschweren. Bereits die gegenwärtigen Möglichkeiten der Arbeitnehmer zur Arbeitszeitgestaltung,
stellten vor allem kleine und mittelständische Arbeitgeber vor große Herausforderungen. Mit der Normierung
weiterer einseitiger Arbeitszeitflexibilisierungsinstrumente zugunsten der Arbeitnehmer drohe eine unnötige zu-
sätzliche Belastung vieler Handwerksbetriebe. Ansprüche auf mehr Arbeitszeitsouveränität stellten den Arbeitge-
ber vor das Dilemma, abwägen zu müssen, welchen Arbeitszeitflexibilisierungsinteressen seiner Arbeitnehmer er
im Zweifel den Vorrang gewähren solle. Innerbetriebliche Konflikte seien programmiert. Vereinbarungen zur
Arbeitszeitflexibilisierung auf einvernehmlicher Basis sei ein besserer und praktikablerer Weg, um die unter-
schiedlichen Interessenlagen der Beschäftigten in Einklang zu bringen.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) spricht sich gegen die Forderungen der Antragsteller aus. Ein Ausbau
der Arbeitszeitsouveränität der Arbeitnehmer sei abzulehnen, weil es sich dabei um einen einseitigen Eingriff in
das Austauschverhältnis der Arbeitsvertragsparteien handele. Durch die Einführung einer allgemeinen befristeten
Teilzeit würde die Umwandlung von Vollzeitstellen in Teilzeitstellen stark gefördert werden. Der Wandel der
Arbeitswelt durch die Digitalisierung führe allerdings in der Tat dazu, dass einige arbeitszeitrechtliche Vorschrif-
ten veraltet seien und der Überarbeitung bedürfen. Das gelte vor allem für die im Arbeitszeitgesetz vorgesehene
elfstündige tägliche Ruhezeit sowie für das Konzept einer täglichen Höchstarbeitszeit. Der Gesetzgeber solle den
Flexibilisierungsspielraum nutzen, den ihm das EU-Recht hier eröffne. Eine Verpflichtung für Arbeitnehmer stän-
dig erreichbar zu sein, existiere in Deutschland hingegen nicht. Ferner führten zusätzliche Aufzeichnungsver-
pflichtungen für verrichtete Arbeitsstunden zu mehr Bürokratie und seien abzulehnen. Für Arbeitgeber müsse
vielmehr die Möglichkeit geschaffen werden, sich zu exkulpieren, sofern sie ihre Aufzeichnungspflichten auf die
Arbeitnehmer übertragen hätten, die diese jedoch nicht ordnungsgemäß erfüllten. Darüber hinaus gebe es keinen
Grund für den Erlass einer Anti-Stress-Verordnung. Im Arbeitsschutzgesetz werde bereits gesetzlich klargestellt,
dass bei einer Gefährdungsbeurteilung auch psychische Belastungen zu berücksichtigen seien.

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) lehnt beide Anträge ab. Die Forderungen der An-
tragsteller, die Wochenhöchstarbeitszeit zu reduzieren, würden Normalarbeitszeit und Höchstarbeitszeit nahezu
vollständig annähern und im Ergebnis zu weniger Flexibilität führen. Die Einführung eines Anspruchs für Be-
schäftigte, den Arbeitszeitumfang anzupassen, stelle eine einseitige Verschiebung der Vertragsanpassungsmög-
lichkeiten dar und sei demnach abzulehnen. Ebenso abzulehnen seien ein Rückkehrrecht auf den früheren Stun-
denumfang und ein Anspruch auf Schichtwechsel. Der Erlass juristischer Einzelansprüche sei nicht zielführend.
Vielmehr bedürfe es zur Lösungsfindung des Dialogs mit dem Arbeitgeber. Die pauschale Forderung im Antrag,
Arbeit zu „atypischen“ Zeiten stärker zu begrenzen, sei rückwärtsgewandt, wachstumsfeindlich und undifferen-
ziert, da man angesichts von Globalisierung und Plattformökonomie mehr Flexibilität benötige. Das Instrument
des Arbeitsschutzgesetzes zur Ermittlung von Gefährdungen und geeigneter Gegenmaßnahmen sei die Gefähr-
dungsbeurteilung. Eine gesonderte Anti-Stress-Verordnung habe demgegenüber keinen Mehrwert und sei dem-
nach ebenfalls abzulehnen. Stattdessen fordere der DEHOGA die Umstellung von der täglichen auf die wöchent-
liche Höchstarbeitszeit.

DIE FAMILIENUNTERNEHMER lehnen die Anträge ebenfalls ab. Die Fähigkeit, auch im Bereich der Ar-
beitszeiten Lösungen auf individueller betrieblicher Ebene zu finden, mache gesetzliche Regelungen in dieser
Hinsicht überflüssig. Unternehmer könnten es sich nicht erlauben, die Wünsche ihrer Arbeitnehmer zu ignorieren
und die Beschäftigten mit überbordender Arbeit zu überlasten. Kompromisse zwischen Arbeitgeber und Arbeit-
nehmer seien demnach höher einzuschätzen als starre gesetzliche Regelungen. Die beiden Anträge trügen nicht
zur Verbesserung der Situation der Betroffenen bei. Vor allem in kleinen und mittleren Betrieben hätte die Um-
setzung dieser Vorschläge, insbesondere die Einführung eines Rechts auf Rückkehr in Vollzeitbeschäftigung,
personalpolitisches Chaos zur Folge. Auch den Erlass einer Anti-Stress-Verordnung, sowie ein Recht auf Nicht-
erreichbarkeit während der Freizeit lehne man ab. Die aktuellen Regelungen im Arbeitsschutzgesetz reichten aus.
Eine Reform des Arbeitszeitgesetzes scheine allerdings an anderer Stelle geboten, um dem Wandel in der Arbeits-
welt im Zuge der Digitalisierung zu entgegen. Beim Thema „gesetzliche Ruhezeiten“ müsse man beispielsweise
bestehende Rechtsunsicherheiten beseitigen.

Drucksache 18/12055 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Die BASF SE unterstützt nach eigenem Bekunden Bestrebungen, die Flexibilität von Arbeitszeit und Zeitsouve-
ränität dort zu erhöhen, wo die Arbeitsprozesse eine solche Flexibilisierung zuließen und die Situation in den
internationalen Märkten sie erforderten. Flexibilisierung dürfe allerdings nicht um ihrer selbst willen erfolgen,
sondern müsse dazu beitragen, dass die deutschen Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit in globalen Märkten
erhielten und ausbauen könnten. Die Vorschläge in den vorliegenden Anträgen werden weitgehend abgelehnt.
Die pauschale Forderung nach Reduzierung von Nacht- bzw. Schicht- oder Wochenendarbeit werde den Arbeits-
prozessen nicht gerecht und sei demnach abzulehnen. Eine Verkürzung der Arbeitszeit führe nicht zu einer Re-
duzierung der Arbeitsbelastung. Die vorgeschlagenen Lösungen gegen Stress am Arbeitsplatz seien überflüssig,
da bereits im Rahmen der heutigen gesetzlichen Regelungen bei der Gefährdungsbeurteilung auch psychische
Belastungen zu berücksichtigen seien. Ein allgemeines Recht auf befristete Teilzeit würde zu erheblicher Pla-
nungsunsicherheit für Arbeitgeber und damit zu Einschränkungen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit
führe. Daher ist die Forderung abzulehnen. Erweiterungen über die derzeitige Rechtslage hinaus hinsichtlich eines
Initiativrechts von Betriebs- und Personalräten bedürfe es ebenfalls nicht.

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) stellt zusammenfassend fest, arbeitswissen-
schaftliche Erkenntnisse zeigten, dass der Arbeitszeitgestaltung eine zentrale Rolle für die Gesundheit und die
Work-Life-Balance von Beschäftigten zukomme. Die vorliegenden Anträge zielten insbesondere auf eine Stär-
kung der Zeitsouveränität von Beschäftigten sowie den Schutz der Beschäftigten vor zu hoher zeitlicher und men-
genmäßiger Belastung durch die Arbeit ab. Forschung zur Arbeitszeit habe wiederholt gezeigt, dass die Gestaltung
der Arbeitszeit mit verschiedenen Aspekten der Gesundheit, Work-Life Balance und Leistung von Beschäftigten
zusammenhänge. Insbesondere Arbeitszeiten, die ausreichende Erholung verhinderten oder erschwerten - z. B.
überlange Arbeitszeiten - oder sozial wertvolle Zeiten besetzten – z. B. Abende oder das Wochenende, sollten
demnach vermieden werden. In Bezug auf Arbeitszeitflexibilität zeigten wissenschaftliche Befunde, dass es in
erster Linie wichtig sei, dass Arbeitszeiten für die Beschäftigten vorhersehbar seien, um ihnen Planungssicherheit
zu geben. Flexibilitätsanforderungen, wie Änderungen der Arbeitszeiten oder Arbeit auf Abruf, sollten Arbeitge-
ber deshalb möglichst vermeiden. Seien diese jedoch unvermeidbar, sollten sie zumindest möglichst lange im
Voraus angekündigt werden. Größere Zeitsouveränität bzw. Flexibilitätsmöglichkeiten für Beschäftigte hätten
dagegen eher positive Effekte auf Gesundheit und Work-Life-Balance. Daher sollte die Gewährung von Einfluss-
möglichkeiten der Arbeitnehmer auf ihre Arbeitszeit ermöglicht bzw. ihre Wünsche in der Arbeitszeitgestaltung
berücksichtigt werden. Dies sollte jedoch immer mit ausreichender Sensibilisierung der Beschäftigten für gesund-
heitliche Auswirkungen von flexibler Arbeitszeitgestaltung einhergehen, um Selbstgefährdung zu vermeiden. Bei
der Arbeitszeitgestaltung sollten ferner auch Wechselwirkungen mit der Art der ausgeübten Tätigkeit bzw. wei-
teren Anforderungen des Arbeitsplatzes beachtet werden. Insbesondere bei Tätigkeiten mit hohem Risikopoten-
zial sollte die Arbeitszeit eher risikomindernd gestaltet sein, z. B. durch reduzierte tägliche Arbeitszeiten oder
angemessene Pausenregelungen. Auch könne Arbeitszeit nur gesundheitsgerecht gestaltet sein, wenn eine gute
Passung von Arbeitsmenge und personellen Kapazitäten gegeben ist. Dies dient dem Schutz der Beschäftigten
vor zu hoher zeitlicher und mengenmäßiger Überlastung u. a. m.

Die Sachverständige Lena Hipp (PhD) argumentiert, dass im Zuge eines sich abzeichnenden Fachkräfteman-
gels, einer weiterhin steigenden Frauenerwerbsquote und der Einführung neuer Technologien, die Erwerbsarbeit
zusehends vom Arbeitsort entkoppelten, das Thema „Arbeitszeiten“ gesellschaftlich und politisch weiter an Wich-
tigkeit gewinne. Dauer, Lage und Verteilung von Erwerbsarbeitszeiten seien zentral für die Vereinbarkeit von
Erwerbsarbeit mit anderen, gesellschaftlich sinnvollen Tätigkeiten wie Kinderziehung, Pflegetätigkeiten, bürger-
schaftlichem Engagement oder Weiterbildungen. Vorschläge und Maßnahmen, die Beschäftigten mehr Zeitsou-
veränität ermöglichten und den spezifischen Zeitbedarfen im Lebenslauf Rechnung trügen, seien daher notwen-
dig, bedürften jedoch einer differenzierten Bewertung hinsichtlich ihrer Zielerreichung. Die Forderung beider
Anträge, nach einer zeitweisen Arbeitszeitreduzierung auf einen Vollzeitarbeitsplatz zurückkehren zu können, sei
sinnvoll, ebenso wie die Stärkung einer Nichterreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeiten. Ob der Vorschlag einer
Begrenzung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit auf 40 Stunden der Realität und den Bedürfnissen aller Beschäf-
tigten entspreche, könne dagegen bezweifelt werden. Zur Forderung der Reduzierung atypischer Arbeitszeiten sei
anzumerken, dass diese nicht pauschal familienunfreundlich seien.

Die Sachverständige Dr. Yvonne Lott unterstützt die Forderung im Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, die Mitsprache der Beschäftigten über den Umfang, Lage und Ort der Erwerbstätigkeit zu stärken.
Dazu sei ein Vollzeitkorridor zwischen 30 und 40 Stunden wöchentlich sinnvoll; denn mehr als die Hälfte der

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/12055
deutschen Erwerbstätigen wünsche sich eine wesentliche Änderung ihrer Arbeitszeit. Die gewünschten Arbeits-
zeiten könnten aber oft nicht realisiert werden. Von Wahlarbeitszeiten könne noch längst nicht die Rede sein.
Insofern bestehe kein Anlass, auf gesetzliche oder tarifliche Regelungen einer Wahlarbeitszeit zu verzichten. Den
Arbeitszeitwünschen und Arbeitszeitbedarfen, die je nach Lebensphase und Lebenssituation von Beschäftigten
variieren könnten (Stichwörter: Familiengründung, Pflege von Angehörigen, Weiterbildungen, ehrenamtliche Tä-
tigkeiten), werde zurzeit nicht ausreichend Rechnung getragen. Ein Arbeitszeitkorridor zwischen 30 und 40 Stun-
den könne die Anpassung der Arbeitszeit an die Lebensphase und Lebenssituation von Beschäftigten erleichtern
und Beschäftigte bei der Realisierung ihrer Arbeitszeitwüsche und Arbeitszeitbedarfe unterstützen. Ein wesentli-
cher Grund für den hohen Anteil von Überbeschäftigung, d. h. für den großen Anteil an Beschäftigten mit dem
Wunsch nach kürzeren Arbeitszeiten, sei die Vollzeit als vorherrschende Arbeitszeitnorm in Betrieben. Aufgrund
der Vollzeitnorm bestehe eine Stigmatisierung von Teilzeit. Ein Arbeitszeitkorridor zwischen 30 und 40 Stunden
könne die Vollzeitnorm schwächen und zu einem neuen Vollzeitstandard oder zu verschiedenen „kurzen und
langen“ Vollzeitstandards – je nach Lebensphase oder Lebenssituation – führen. Der Arbeitszeitkorridor könne
zur Normalisierung von Teilzeit beitragen und so die Stigmatisierung von Beschäftigten mit kürzeren Arbeitszei-
ten verhindern. Zudem könne die Schaffung einer neuen Vollzeitnorm bzw. neuer Vollzeitnormen dazu beitragen,
dass die Teilzeit bis 20 Stunden gegenüber einer gesetzlich geförderten 30 Stundenwoche unattraktiv für Beschäf-
tigte werde u. v. a. m.

Weitere Einzelheiten können dem Protokoll der Anhörung sowie den Stellungnahmen auf Drucksache 18(11)947
entnommen werden.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die beiden Anträge in seiner 111. Sitzung am 29. März 2017 ab-
schließend beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. den Antrag auf Drucksache 18/8724 abzulehnen. Der Aus-
schuss empfiehlt auch den Antrag auf Drucksache 18/8241 abzulehnen, dies mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD und gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE.

Die Fraktion der CDU/CSU verwies auf die zahlreichen Gesetzesinitiativen der Koalition, die die Arbeitsbedin-
gungen von Beschäftigten bereits verbessert hätten. Die Arbeitgeber plädierten bekanntlich ebenfalls für mehr
Flexibilität der Arbeitszeit. Die vorliegenden Anträge aber seien wenig geeignet, den notwendigen Interessenaus-
gleich herbeizuführen. So sei die vorgeschlagene Begrenzung auf eine neue Wochenhöchstarbeitszeit nicht prak-
tikabel und auch nicht durchsetzbar. Dagegen sei der Vorschlag eines Korridors für die Wochenarbeitszeit auf
einer vollen Stelle schon hilfreicher. Bei der Setzung der Rahmenbedingungen müsse in jedem Fall auf die Be-
dürfnisse der Menschen Rücksicht genommen werden. Die Anträge enthielten in diesem Sinne zwar gute Einzel-
vorschläge. Insgesamt könne die CDU/CSU-Fraktion ihnen aber nicht zustimmen.

Die Fraktion der SPD begrüßte es, dass die Fragen der Arbeitszeiten und der Arbeitsgestaltung wieder in der
Diskussion stünden. Beides müsse sowohl an den Bedürfnissen der Beschäftigten wie auch der Firmen gemessen
werden. Mit Digitalisierung, Arbeitsverdichtung und den Veränderungen der Arbeitswelten insgesamt stellten
sich neue Herausforderungen, auf die auch der Gesetzgeber Antworten finden müsse. Die Vorschläge aus beiden
Anträgen seien in den Dialogprozess Arbeit 4.0 aufgenommen worden, in dem Antworten auf diese Fragen ge-
funden werden sollten. Der Eindruck sei, dass es ein einziges passgenaues Arbeits- und Arbeitszeitmodell für alle
nicht geben werde. Geklärt werden müsse vielmehr, für welche Themen eine gesetzliche, tarifvertragliche und
betriebliche Regelung nötig sei und was besser in individuellen Verträgen oder Absprachen geregelt werden
könne. Es gebe viel Sympathie für Möglichkeiten zur Arbeitszeitreduzierung. Es bleibe das Problem des Lohn-
ausgleichs. Für Erziehungs- und Weiterbildungszeiten jedenfalls sei ein finanzieller Ausgleich nötig, damit diese
Möglichkeiten nicht nur Wohlhabenden offen stünden. Angesichts der Arbeitsverdichtung würde zudem eine
Anti-Stress-Verordnung ein richtiges Signal setzen. Und an dem Thema Rückkehrrecht aus Teilzeit- in Vollzeit-
arbeit arbeite die SPD weiterhin „mit Volldampf“.

Die Fraktion DIE LINKE. kritisierte, dass trotz Verdichtung der Arbeitsbelastung in den letzten 30 Jahren am
Arbeitszeitgesetz wenig geändert worden sei. Der Wandel der Arbeitswelt spiegele sich darin nicht. Das Thema

Drucksache 18/12055 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Flexibilisierung spiele heute eine große Rolle. So versuchten die Arbeitgeber teilweise, u. a. die Arbeitszeitver-
kürzungen der Vergangenheit durch individuelle Arbeitsverträge zurückzufahren. Dabei legten die zwischenzeit-
lich erreichten Produktivitätssteigerungen vielmehr eine Verkürzung der Arbeitszeit nahe. Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer müssten mehr geschützt werden. Dazu müsse der Gesetzgeber seinen Beitrag leisten und nicht
einen noch größeren Rahmen für Flexibilität zulassen. Stattdessen solle die zulässige Wochenhöchstarbeitszeit
von bisher 48 auf 40 Stunden gekürzt werden. Besonders notwendig sei angesichts der neuen technischen Mög-
lichkeiten ein Recht des Arbeitnehmers auf Nichterreichbarkeit. Die Fraktion fordere darüber hinaus, einen zeit-
nahen Ausgleich von Mehrarbeit zu schaffen und – soweit als möglich – Nacht- und Wochenendarbeit zu redu-
zieren und eine Antistressverordnung auf den Weg zu bringen. All das diene auch dem Ziel, Arbeitnehmer und
Arbeitnehmerinnen vor Erkrankung und Burn-out zu schützen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betonte, dass die Beschäftigten mehr Zeitsouveränität forderten.
Aber eine starre Reduzierung der zulässigen Wochenhöchstarbeitszeit von 48 auf 40 Stunden, wie von den LIN-
KEN gefordert, sei darauf die falsche Antwort. Die Menschen verlangten mehr Flexibilität, die sie nach ihren
eigenen Interessen nutzen könnten. Das resultiere auch aus den neuen Lebensmodellen, bei denen Erziehungs-,
Pflegearbeit u. a. m. nicht mehr automatisch von der Hausfrau erbracht würden. Die Vereinbarkeit von Erwerbs-
arbeit und Familie regele sich nicht von allein. Auch in diesem Kontext sei eine neue Aufteilung zwischen Teil-
zeit- und Vollzeitarbeit notwendig. Bisher eröffne Teilzeit oft schlechtere Karrierechancen und führe zu geringe-
rer Bezahlung. Daher die Forderung der Fraktion, diese starren Grenzen abzubauen und für Vollzeitstellen einen
Zeitkorridor von 30 bis 40 Stunden zu schaffen. Zuerst aber sei die Forderung nach einem umfassenden Rück-
kehrrecht von Teilzeit- auf Vollzeitarbeit zu erfüllen.

Berlin, den 29. März 2017

Gabriele Schmidt (Ühlingen)
Berichterstatterin
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