BT-Drucksache 18/12008

Haltung der Bundesregierung zu Vorwürfen der türkischen Regierung gegenüber der Gülen-Bewegung

Vom 10. April 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12008
18. Wahlperiode 10.04.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan van Aken, Christine Buchholz, Andrej Hunko,
Niema Movassat und der Fraktion DIE LINKE.

Haltung der Bundesregierung zu Vorwürfen der türkischen Regierung gegenüber
der Gülen-Bewegung

Am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2017 übergab der
Chef des türkischen Geheimdienstes MIT, Hakan Fidan, dem Präsidenten des
Bundesnachrichtendienstes (BND) Bruno Kahl ein Dossier über Anhänger und
Institutionen der Gülen-Bewegung in Deutschland. Hakan Fidan erhoffte sich
Beihilfe der deutschen Sicherheitsbehörden bei der Verfolgung der Gülen-Bewe-
gung, die in der Türkei als terroristische Vereinigung gilt und für den Putschver-
such gegen Recep Tayyip Erdoğan im Juli 2016 verantwortlich gemacht wird.
Auf der Liste finden sich Namen von rund 300 in Deutschland lebenden Personen
einschließlich Meldeadressen, Handy- und Festnetznummern und in vielen Fällen
auch Fotos der Betroffenen sowie von rund 200 der Gülen-Bewegung zugerech-
neten Vereinen, Schulen und Institutionen. BND-Präsident Bruno Kahl übermit-
telte die Liste an die Bundesregierung und das Bundesamt für Verfassungsschutz.
Das Bundeskriminalamt und die Generalbundesanwaltschaft wurden informiert,
ebenso die Landesverfassungsschutz- und die Landespolizeibehörden. In einigen
Bundesländern warnten Sicherheitsbehörden die Betroffenen in sogenannten Ge-
fährdeten-Ansprachen vor möglichen Repressalien im Falle von Türkei-Reisen
aber auch beim Betreten türkischer diplomatischer Einrichtungen in Deutsch-
land (www.sueddeutsche.de/politik/exklusiv-tuerken-in-deutschland-werden-
ausspioniert-1.3438995). Nach Ansicht des Bundesministers des Innern,
Dr. Thomas de Maizière, könnte die Absicht hinter der Übergabe der Liste auf
einen Plan zurückgehen, durch „Provokation vielleicht“ zur Belastung der Bezie-
hungen zwischen Deutschland und der Türkei beizutragen (www.tagesspie-
gel.de/politik/spionageliste-de-maiziere-haelt-gezielte-provokation-der-tuerkei-fuer-
moeglich/19590322.html).
Gegenüber dem Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“ widersprach BND-Präsi-
dent Bruno Kahl der türkischen Darstellung von einer Verantwortung der Gülen-
Bewegung für den Putschversuch. Die türkische Regierung habe auf verschiede-
nen Ebenen versucht, die Bundesregierung von der Rolle der Gülen-Bewegung
beim Putsch zu überzeugen. „Der Putsch war wohl nur ein willkommener Vor-
wand“, erklärte Bruno Kahl gegenüber dem „SPIEGEL“ über die massive Säu-
berungs- und Verhaftungswelle in der Türkei. Dies sei ihr nicht gelungen. Die
Gülen-Bewegung sei nicht terroristisch oder islamisch-extremistisch, sondern „eine
zivile Vereinigung zur religiösen und säkularen Weiterbildung“, so Bruno Kahl
(www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkei-putschversuch-laut-bnd-chef-wohl-nur-
vorwand-fuer-radikalen-kurs-erdogans-a-1139271.html).

Drucksache 18/12008 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Kritikerinnen und Kritiker beschuldigten die Gülen-Bewegung indessen bereits
während ihres bis zum Jahr 2013 andauernden engen Bündnisses mit der türki-
schen Regierungspartei AKP, ihren damaligen Einfluss auf Polizei und Justiz zur
massenhaften Inhaftierung Tausender politischer Gegnerinnen und Gegner ge-
nutzt und dazu Ermittlungsverfahren manipuliert, Beweise gefälscht und ihre Me-
dien zur politischen Diffamierung missbraucht zu haben (www.swp-berlin.org/
fileadmin/contents/products/studien/2013_S23_srt.pdf; www.nzz.ch/feuilleton/
medien/die-psychische-belastung-war-enorm-1.18582876; www.spiegel.de/po-
litik/ausland/guelen-bewegung-in-der-tuerkei-die-unheimliche-macht-des-imam-a-
754909.html).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Auf welchen Wegen und Ebenen hat die türkische Regierung versucht, die

Bundesregierung von der Rolle der Gülen-Bewegung beim Putschversuch
im Juli 2016 zu überzeugen?
a) Welche Unterlagen bezüglich einer möglichen Rolle der Gülen-Bewe-

gung beim Putschversuch hat die türkische Regierung der Bundesregie-
rung wann und zu welchen Gelegenheiten übergeben?

b) Welche Gespräche zwischen deutschen und türkischen Regierungs- oder
Behördenvertretern bezüglich einer möglichen Rolle der Gülen-Bewe-
gung beim Putschversuch fanden wann und zu welcher Gelegenheit statt?

c) Welche deutschen Regierungsstellen oder Behörden im Einzelnen haben
wann genau und mit welchem Ergebnis die von der türkischen Regierung
übergebenen Informationen und vermeintlichen Beweise für eine Beteili-
gung der Gülen-Bewegung am Putsch geprüft?

d) Inwieweit und unter welchen Bedingungen ist die Bundesregierung be-
reit, die von der türkischen Regierung gelieferten Informationen bezüg-
lich einer möglichen Beteiligung der Gülen-Bewegung am Putschversuch
dem Deutschen Bundestag bzw. den zuständigen Bundestagsausschüssen
zur Verfügung zu stellen?

e) Inwieweit und aufgrund welcher Erkenntnisse kann die Bundesregierung
mit Sicherheit eine Beteiligung Fethullah Gülens, der Gülen-Bewegung
oder von Teilstrukturen oder zentralen Exponenten dieser Bewegung an
dem Putschversuch ausschließen?

f) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung, inwieweit die Oppositions-
parteien im Parlament der Türkei, CHP, HDP und MHP, von einer Rolle
der Gülen-Bewegung beim Putschversuch ausgehen, und welche Schluss-
folgerungen zieht sie daraus?

g) Welche grundsätzlichen Erkenntnisse über die in den Putschversuch ver-
wickelten Kräfte hat die Bundesregierung?

2. Aufgrund welcher Erkenntnisse kommt der BND-Präsident Bruno Kahl zu
der Einschätzung, die Gülen-Bewegung sei „eine zivile Vereinigung zur re-
ligiösen und säkularen Weiterbildung“ (www.spiegel.de/politik/ausland/
tuerkei-putschversuch-laut-bnd-chef-wohl-nur-vorwand-fuer-radikalen-kurs-
erdogans-a-1139271.html)?
a) Inwieweit teilt die Bundesregierung diese Einschätzung des BND-Präsi-

denten bezüglich der Gülen-Bewegung?
b) Aus welchen konkreten Quellen speist sich das Wissen des BND-Präsi-

denten über die Gülen-Bewegung?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12008
c) Inwieweit sind dem BND-Präsidenten und der Bundesregierung die Un-
tersuchungen der türkischen Gülen-kritischen Autoren Ahmet Şik, Nedim
Sender und Hanefi Avci bezüglich der Gülen-Bewegung und ihrer Rolle
bei der Unterwanderung türkischer staatlicher Institutionen und der poli-
tischen Verfolgung von Oppositionellen bekannt, und welche Schlussfol-
gerungen ziehen die Bundesregierung und der BND-Präsident aus diesen
Untersuchungen?

d) Inwieweit sind dem BND-Präsidenten und der Bundesregierung die Ein-
schätzungen von Günter Seufert von der aus Bundesmitteln finanzierten
Stiftung SWP zur Gülen-Bewegung und ihrer Rolle beim Putschversuch
vom Juli 2016 bekannt, und welche Schlussfolgerungen ziehen die Bun-
desregierung und der BND-Präsident aus diesen Einschätzungen (https://
www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2013_S23_srt.pdf;
https://monde-diplomatique.de/artikel/!5313962)?

e) Inwieweit sind dem BND-Präsidenten die unterschiedlichen Einschätzun-
gen von Autorinnen und Autoren des von Friedmann Eißler von der Evan-
gelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen herausgegebenen
Sammelbandes „Die Gülen-Bewegung (Hizmet). Herkunft, Strukturen,
Ziele, Erfahrungen, EZW-Texte 238, Berlin 2015“ zur Gülen-Bewegung
bekannt, und welche Schlussfolgerungen ziehen die Bundesregierung und
der BND-Präsident aus diesen Einschätzungen?

f) Ist die Gülen-Bewegung nach Ansicht des BND-Präsidenten nur „eine zi-
vile Vereinigung zur religiösen und säkularen Weiterbildung“, oder ist
dies nach Ansicht der Bundesregierung nur ein Aspekt dieser Bewegung,
und wenn ja, welche anderen Charakteristiken weist die Gülen-Bewegung
noch auf?

g) Wie erklärt sich der BND-Präsident die auch von der Bundesregierung
auf Bundestagsdrucksache 18/8502 eingeräumte Tatsache, dass die Gü-
len-Bewegung lediglich eine Bildungsbewegung sei, wenn diese Bewe-
gung auch über Unternehmerverbände, wie den Bundesverband der Un-
ternehmerverbände (BUV), verfügt?

h) Aus welchem Grund bzw. vor welchem Hintergrund hielt es der BND-
Präsident für opportun, sich gegenüber dem Nachrichtenmagazin „DER
SPIEGEL“ öffentlich zur Thematik der Gülen-Bewegung zu äußern?

3. Welche Kontakte oder Kooperationen zwischen der Bundesregierung und
mutmaßlich der Gülen-Bewegung zugerechneten Personen, Institutionen
und Medien (bitte benennen) gab es wann und in welchem Kontext seit dem
Bruch zwischen der türkischen Regierung und der Gülen-Bewegung Ende
2013?
a) Welche Kontakte oder Kooperationen zwischen der Bundesregierung und

der als offizielle Ansprechpartnerin der Hizmet-Bewegung (Gülen-Bewe-
gung) in Deutschland auftretenden Stiftung Dialog und Bildung oder ih-
ren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gab es wann und in welchem Kon-
text seit dem Bruch zwischen der türkischen Regierung und der Gülen-
Bewegung Ende 2013?

b) Welche Kontakte oder Kooperationen zwischen der Bundesregierung und
dem im Bund Deutscher Dialog-Institutionen zusammengefassten Verei-
nen gab es wann und in welchem Kontext seit dem Bruch zwischen der
türkischen Regierung und der Gülen-Bewegung Ende 2013?

c) Welche Kontakte oder Kooperationen zwischen der Bundesregierung und
dem Bundesverband der Unternehmervereinigungen (BUV) gab es wann
und in welchem Kontext seit dem Bruch zwischen der türkischen Regie-
rung und der Gülen-Bewegung Ende 2013?

Drucksache 18/12008 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Wann und zu welchen Gelegenheiten haben türkische Regierungsstellen oder
Behörden der Bundesregierung oder deutschen Behörden seit dem Bruch
zwischen der türkischen Regierung und der Gülen-Bewegung Ende 2013
Dossiers, Namenslisten, sonstige Informationen und Auslieferungs- und
Amtshilfeersuchen bezüglich der Gülen-Bewegung oder mutmaßlicher An-
hängerinnen und Anhänger dieser Bewegung übermittelt, und wie reagierten
die Bundesregierung bzw. die deutschen Behörden jeweils auf die Übermitt-
lung entsprechender Informationen oder Ansinnen?

5. Was genau unterscheidet die vom Leiter des türkischen Geheimdienstes
Hakan Fidan dem BND-Präsidenten übergebene Liste von mutmaßlichen
Anhängerinnen und Anhängern sowie Institutionen der Gülen-Bewegung
von früheren, laut der Bundesregierung durch türkische Behörden an die
Bundesregierung oder Bundesbehörden übergebenen Dokumenten bezüglich
der Gülen-Bewegung, ihrer Aktivitäten und Anhängerinnen und Anhä-
nger in Deutschland (siehe die auf Bundestagsdrucksache 18/8502 in Frage 3
benannten Dokumente)

6. Aus welchem Grund hat sich die Bundesregierung nicht bereits bei früheren
Gelegenheiten über entsprechende von türkischen Behörden übergebene Do-
kumente zur Gülen-Bewegung in Deutschland sowie die damit verbundenen
Ansinnen der türkischen Behörden in einer vergleichbaren Weise kritisch ge-
äußert, wie anlässlich der während der Sicherheitskonferenz von Hakan
Fidan dem BND-Präsidenten übergebenen Liste, bei der der Bundesinnen-
minister Dr. Thomas de Maizière von einer „Provokation“ sprach (www.ta-
gesspiegel.de/politik/spionageliste-de-maiziere-haelt-gezielte-provokation-
der-tuerkei-fuer-moeglich/19590322.html)?

7. Welche Daten sind in dem Dossier enthalten, das Hakan Fidan dem BND-
Präsidenten während der Sicherheitskonferenz übergeben hat?
a) Befasst sich dieses Dossier ausschließlich mit Personen und Institutionen,

die nach Ansicht des türkischen Geheimdienstes mit der Gülen-Bewe-
gung in Verbindung stehen, oder werden darin weitere Sachverhalte be-
handelt, und wenn ja, welche?

b) Wie viele Personen werden im Einzelnen auf dieser Liste genannt?
Wie viele dieser Personen werden von türkischer Seite als Mitglieder bzw.
Kader der Gülen-Bewegung (bzw. nach türkischer Diktion FETÖ) einge-
schätzt?
Wie viele auf der Liste genannte Personen sind deutsche Staatsbürger, wie
viele leben mit was für einem Aufenthaltstitel in Deutschland?
Wie viele leben als Flüchtlinge oder Asylbewerber in Deutschland?

c) Wie viele und welche Institutionen und Vereinigungen, die nach Ansicht
des türkischen Geheimdienstes der Gülen-Bewegung zugerechnet wer-
den, finden sich im Einzelnen auf der Liste?

d) Wie und durch wen wurde die Liste nach Kenntnis der Bundesregierung
zusammengestellt?

e) Inwieweit flossen nach Kenntnis der Bundesregierung Erkenntnisse von
nachrichtendienstlicher Betätigung innerhalb der Bundesrepublik
Deutschland oder gegenüber deutschen Staatsbürgern in die Erstellung
der Liste ein?

8. In welchen Bundesländern wurden nach Kenntnis der Bundesregierung Per-
sonen oder Institutionen, die sich auf der von Hakan Fidan dem BND über-
gebenen Liste mutmaßlicher Gülen-Anhänger befinden, von Sicherheitsbe-
hörden darüber in Kenntnis gesetzt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12008
a) Wie viele Personen oder Vertreter von Institutionen wurden über ihre
Nennung auf der Liste in Kenntnis gesetzt?

b) Nach welchen Kriterien wurden Personen ausgewählt, die über ihre Nen-
nung auf der Liste in Kenntnis gesetzt wurden?

c) Welche Sicherheitsbehörden (Polizei, Verfassungsschutz) wurden nach
welchen Kriterien zur Informierung der Betroffenen eingesetzt?

9. Inwieweit wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland le-
bende mutmaßliche Anhängerinnen und Anhänger der Arbeiterpartei Kur-
distans PKK oder linker Gruppierungen von Seiten deutscher Sicherheitsbe-
hörden davon in Kenntnis gesetzt, dass sich ihre Namen auf den den deut-
schen Behörden bekannten Listen türkischer Sicherheitsbehörden fanden?
a) Wie viele Personen oder Vertreter von Institutionen wurden über ihre

Nennung auf der Liste in Kenntnis gesetzt?
b) Nach welchen Kriterien wurden Personen ausgewählt, die über ihre Nen-

nung auf der Liste in Kenntnis gesetzt wurden?
c) Welche Sicherheitsbehörden (Polizei, Verfassungsschutz) wurden nach

welchen Kriterien zur Informierung der Betroffenen eingesetzt?
d) Falls es keine solchen Informationen an vom türkischen Geheimdienst be-

obachtete mutmaßliche Anhängern der PKK oder linksradikaler Gruppie-
rungen gegeben haben sollte, wie erklärt sich die Bundesregierung eine
solche unterschiedliche Behandlung gegenüber der Gefährdeten-Anspra-
che mutmaßlicher Gülen-Anhängerinnen und -Anhänger?

10. Inwieweit haben türkische Sicherheitsbehörden in der Vergangenheit deut-
schen Sicherheitsbehörden bereits vor der jetzt von Hakan Fidan übergebe-
nen Liste mit Namen mutmaßlicher Gülenisten Listen mit Namen von in
Deutschland lebenden Personen, bei denen es sich nach türkischem Ver-
ständnis um Terroristen oder Terrorverdächtige handelt, mit der Bitte um
Amtshilfe übermittelt?
a) Um was für Listen mit Namen welcher nach türkischem Verständnis ter-

rorverdächtiger Personen bzw. Unterstützerinnen und Unterstützern wel-
cher nach türkischem Verständnis terroristischen Organisationen handelt
es sich?

b) Inwieweit enthielten die Listen Namen von in Deutschland lebenden Per-
sonen und von deutschen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern?

c) Inwieweit lassen diese Listen Rückschlüsse auf nachrichtendienstliche
Tätigkeit der Türkei in Deutschland zu?

d) Wann und zu welchem Anlass wurden diese Listen durch welche türki-
schen Behörden an welche deutschen Behörden übergeben?

e) Welche Erwartungshaltung knüpften die türkischen Behörden nach
Kenntnis der Bundesregierung an die Übergabe solcher Listen?

f) Wie reagierten die Bundesbehörden und nach Kenntnis der Bundesregie-
rung die Behörden der Länder auf die Übermittlung solcher Listen und
entsprechender Ersuchen um Amtshilfe?

Drucksache 18/12008 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
g) Inwieweit macht es für die Bundesregierung rechtlich, politisch und in
ihrem praktischen Umgang mit dem mit der Listen-Übergabe verbunde-
nen Ansinnen türkischer Behörden einen Unterschied, ob in Deutschland
lebende Personen, die auf einer von türkischen Sicherheitsbehörden er-
stellten Liste für deutsche Sicherheitsbehörden genannt werden, als mut-
maßliche Unterstützerinnen und Unterstützer von auch in Deutschland
verbotenen, beziehungsweise als terroristisch verfolgten Vereinigungen
wie der Arbeiterpartei Kurdistans oder der linksradikalen DHKP-C gel-
ten, oder ob es sich um mutmaßliche Anhängerinnen und Anhänger von
zwar in der Türkei als terroristisch geltenden aber in der Bundesrepublik
Deutschland legalen und nicht vom Verfassungsschutz beobachteten Ver-
einigungen wie der Gülen-Bewegung handelt?

11. Inwieweit gab es mit dem türkischen Ansinnen vergleichbare Amtshilfeer-
suchen bezüglich in Deutschland lebender, von ausländischen Behörden als
Terrorunterstützerinnen und Terrorunterstützer eingestufter Personen durch
Sicherheitsbehörden anderer Staaten?
a) Um was für Listen mit Namen welcher nach Verständnis des jeweiligen

Staates terrorverdächtiger Personen bzw. Unterstützerinnen und Unter-
stützern welcher nach Verständnis dieses ausländischen Staates terroristi-
schen Organisationen handelt es sich?

b) Inwieweit enthielten die Listen Namen von in Deutschland lebenden Per-
sonen und von deutschen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern?

c) Inwieweit lassen diese Listen Rückschlüsse auf nachrichtendienstliche
Tätigkeit der jeweiligen ausländischen Staaten in Deutschland zu?

d) Wann und zu welchem Anlass wurden diese Listen durch welche auslän-
dischen Behörden an welche deutschen Behörden übergeben?

e) Welche Erwartungshaltung knüpften die jeweiligen ausländischen Behör-
den nach Kenntnis der Bundesregierung an die Übergabe solcher Listen?

f) Wie reagierten die Bundesbehörden und nach Kenntnis der Bundesregie-
rung die Behörden der Länder auf die Übermittlung solcher Listen und
entsprechender Ersuchen um Amtshilfe?

12. Aufgrund welcher Erkenntnisse und Informationen kommt Bundesinnenmi-
nister Dr. Thomas de Maizière zu der Einschätzung, es könne sich bei der von
Hakan Fidan übergebenen Liste um eine „Provokation“ zur Belastung der
Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei gehandelt haben (www.
tagesspiegel.de/politik/spionageliste-de-maiziere-haelt-gezielte-provokation-
der-tuerkei-fuer-moeglich/19590322.html)?

13. Inwieweit ist es nach Kenntnis der Bundesregierung gängige Gepflogenheit
unter Nachrichtendiensten und anderen Sicherheitsbehörden, Partnerbehör-
den in anderen Ländern Listen mit den Namen von Terrorverdächtigen mit
der Bitte um Amtshilfe zu übermitteln?

14. Inwieweit und seit wann kann die Bundesregierung eine politisch motivierte
Verfolgung von Anhängerinnen und Anhängern Fethullah Gülens in der Tür-
kei durch die türkische Regierung oder türkische Behörden erkennen?

15. Aufgrund welcher konkreter Überlegungen und Befürchtungen wurde die
Antwort auf die Frage „Inwieweit kann die Bundesregierung eine politisch
motivierte Verfolgung von Anhängerinnen und Anhängern Fethullah Gülens
in der Türkei durch die türkische Regierung oder türkische Behörden erken-
nen?“ auf Bundestagdrucksache 18/8502 als „VS-Vertraulich“ eingestuft,
und welche Umstände haben sich heute soweit verändert, dass eine mögliche
öffentliche Antwort auf diese Frage nicht mehr das „Staatswohl“ gefährdet?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/12008

16. Wie viele als Anhängerinnen und Anhänger der Gülen-Bewegung geltende

oder von Seiten der türkischen Behörden als solche eingestufte Personen sind
seit dem Bruch zwischen der türkischen Regierung und der Gülen-Bewegung
Ende 2013 in die Bundesrepublik Deutschland geflohen bzw. haben dort po-
litisches Asyl gesucht?
a) Inwieweit hat sich die Zahl der Asyl suchenden Gülenisten oder mutmaß-

lichen Gülenisten seit dem Putschversuch vom Juli 2016 verändert?
b) Wie viele türkische Diplomatinnen und Diplomaten, die von türkischen

Behörden als Gülenisten verdächtigt werden, haben in der Bundesrepu-
blik Deutschland politisches Asyl gesucht?

c) Wie viele türkische Richter und Staatsanwälte, die von türkischen Behör-
den als Gülenisten verdächtigt werden, haben in der Bundesrepublik
Deutschland politisches Asyl gesucht?

d) Wie viele türkische Offiziere und Soldaten, die von türkischen Behörden
als Gülenisten verdächtigt werden, haben in der Bundesrepublik Deutsch-
land politisches Asyl gesucht?

e) Wie viele Angehörige der türkischen Sicherheitskräfte (außer der Armee),
die von türkischen Behörden als Gülenisten verdächtigt werden, haben in
der Bundesrepublik Deutschland politisches Asyl gesucht?

17. Haben die türkische Regierung oder türkische Justizbehörden nach Kenntnis
der Bundesregierung von der Bundesregierung oder bundesdeutschen Behör-
den auf offiziellem oder inoffiziellem Wege die Auslieferung von nach
Deutschland geflohenen oder bereits hier lebenden Gülen-Anhängerinnen
und -Anhängern erbeten?
Wenn ja, wann hat die Bundesregierung bzw. wann haben deutsche Behör-
den aufgrund welcher Vorwürfe wie auf dieses Ansinnen reagiert?

Berlin, den 10. April 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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