BT-Drucksache 18/11913

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner, Katja Dörner, Ulle Schauws, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/9054 - Damit Kinder gut aufwachsen - Kinderschutz und Prävention ausbauen

Vom 10. April 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11913
18. Wahlperiode 10.04.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner, Katja Dörner, Ulle
Schauws, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/9054 –

Damit Kinder gut aufwachsen – Kinderschutz und Prävention ausbauen

A. Problem
In dem Antrag wird festgestellt, dass es immer wieder alarmierende Berichte über
Gewalt und Übergriffe gegen Kinder und Jugendliche oder deren Vernachlässi-
gung gebe. Nach Einschätzung des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des
sexuellen Kindesmissbrauchs seien in Deutschland rund eine Million Kinder von
sexualisierter Gewalt betroffen, wobei es an validen Zahlen zur Häufigkeit von
sexueller Gewalt oder zur Differenzierung nach dem Geschlecht fehle. Beim Kin-
derschutz müsse es auch um die Verhinderung von Kindeswohlgefährdungen ge-
hen.

In den zurückliegenden Jahren habe sich der Kinderschutz erheblich weiterentwi-
ckelt. Hierbei sei das Bundeskinderschutzgesetz besonders zu erwähnen, das für
die frühen Hilfen sowie für die Prävention und Intervention im Kinderschutz er-
kennbare Verbesserungen gebracht habe. Die Evaluation der Wirkungen des Ge-
setzes zeige, dass zwischen den gesetzlichen Regelungen und dem damit verbun-
denen Anspruch und der Praxis vor Ort weiterhin erhebliche Lücken klafften. Die
Kooperation der unterschiedlichen Akteure sei für den Kinderschutz besonders
wichtig. Dies gelte insbesondere für die Zusammenarbeit von Fachkräften aus
dem Gesundheitswesen und den zuständigen Einrichtungen der Kinder- und Ju-
gendhilfe.

B. Lösung
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN.

Drucksache 18/11913 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Kosten
Kosten wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11913
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/9054 abzulehnen.

Berlin, den 29. März 2017

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Paul Lehrieder
Vorsitzender

Christina Schwarzer
Berichterstatterin

Ulrike Bahr
Berichterstatterin

Norbert Müller (Potsdam)
Berichterstatter

Dr. Franziska Brantner
Berichterstatterin

Drucksache 18/11913 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Christina Schwarzer, Ulrike Bahr, Norbert Müller
(Potsdam) und Dr. Franziska Brantner

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 18/9054 wurde in der 197. Sitzung des Deutschen Bundestages am 21. Oktober 2016
dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur federführenden Beratung und dem Innenausschuss,
dem Sportausschuss, dem Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz sowie dem Ausschuss für Gesundheit zur
Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellt in ihrem Antrag fest, dass die polizeiliche Kriminalstatistik des
Jahres 2014 insgesamt 12.134 Anzeigen wegen Kindesmissbrauchs, 1.154 Anzeigen wegen Missbrauchs von Ju-
gendlichen und 388 Anzeigen wegen Missbrauchs von minderjährigen Schutzbefohlenen verzeichne. Jedoch
werde nur der geringste Teil der Taten angezeigt. Bisher fehle es in Deutschland an validen Zahlen zur Häufigkeit
von sexueller Gewalt oder zur Differenzierung nach dem Geschlecht. Auch deswegen sei die Förderung weiterer
Forschung notwendig. Folge man den Aussagen des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kin-
desmissbrauchs, so seien in Deutschland rund eine Million Kinder von sexualisierter Gewalt betroffen. Das Aus-
maß des Problems sei bei weitem nicht erkannt. Dies gelte auch für den Gesetzgeber. So zeige unter anderem die
Evaluation der Wirkungen des Bundeskinderschutzgesetzes der Bundesregierung Handlungsbedarf auf.

Schon bei den Debatten im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf zum Bundeskinderschutzgesetz sei deutlich
geworden, wie wichtig die interdisziplinäre Kooperation aller Akteure sei, um sexuellem Missbrauch vorzubeu-
gen. Bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes sei eine Verbesserung der Kooperation zwischen den Akteuren
des Kinderschutzes und den Fachkräften des Gesundheitswesens angemahnt worden. Mit dem zur Reform im
Jahre 2010 gehörenden Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz habe man erreichen wollen,
diese Zusammenarbeit zu verbessern. Die Bundesregierung sehe in ihrem Evaluationsbericht Handlungsbedarf
bei der weiteren Verbesserung der Voraussetzungen für eine engere Kooperation zwischen der Kinder- und Ju-
gendhilfe und dem Gesundheitswesen.

Nach dem Antrag soll die Bundesregierung aufgefordert werden,

einen Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag einzubringen, mit dem

1. die Kooperation zwischen der Kinder- und Jugendhilfe und dem Gesundheitswesen einschließlich Qualitäts-
vorgaben und Finanzierungsmöglichkeiten verbindlicher geregelt werde. Dabei solle den unterschiedlichen
Voraussetzungen der Fachkräfte im Gesundheitswesen (niedergelassene Ärzte, Fachkräfte in den Kranken-
häusern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Gesundheitsdienste etc.) Rechnung getragen wer-
den.

In § 3 Absatz 2 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) solle eine Regelung
vorgesehen werden, die sicherstelle, dass die Landesärztekammern Vertreter in landesweite und kommunale
Netzwerke frühe Hilfen entsendeten. Dabei solle eine angemessene Aufwandsentschädigung vorgesehen
werden. Für die interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Beteiligung an Fallkonferenzen solle eine Rege-
lung vergleichbar mit der Sozialpsychiatrie-Vereinbarung oder der besonders qualifizierten ambulanten on-
kologischen Versorgung im Sinne einer Gesamtvergütung im Bundesmantelvertrag geschaffen werden, wo-
bei auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft einbezogen werden solle;

2. bei der Regelung zur Betriebserlaubniserteilung bei Einrichtungen (§ 45 SGB VIII) klargestellt werde, dass
sich die Vorgaben auch auf bereits bestehende, nicht nur auf neue Einrichtungen bezögen;

3. auch freie Träger der Jugendhilfe in die Pflicht zur Qualitätsentwicklung (§§ 79, 79a SGB VIII) einbezogen
würden;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11913
4. die Regelung zur Vorlage des erweiterten Führungszeugnisses für ehrenamtlich Engagierte praktikabler ge-

staltet und entbürokratisiert werde, so dass unnötige Hürden für die Engagierten – bei gleichzeitig hohen
Kinderschutzstandards – vermieden würden. Durch eine bereichsspezifische Auskunft des Bundeszentralre-
gisters zu Einträgen der in § 72a Absatz 1 Satz 1 SGB VIII benannten Straftatbestände könnte künftig die
Vorlage eines kompletten erweiterten Führungszeugnisses ersetzt werden (sog. Negativ-Attest). Die Vorla-
geverpflichtung solle für bereits hauptberuflich Beschäftigte arbeitsrechtlich verbindlich gestaltet werden;

5. der Beratungsanspruch für Kinder und Jugendliche (§ 8 Absatz 3 SGB VIII) zu einem bedingungslosen Be-
ratungsanspruch für Kinder und Jugendliche (d. h. auch unabhängig vom Vorliegen einer Konflikt- oder
Krisenprävention) weiterentwickelt werde.

Darüber hinaus solle die Bundesregierung

6. auf die Bundesländer einwirken, um den bedarfsgerechten Ausbau der Fachberatungsstellen bei sexueller
Gewalt an Kindern (vor allem in ländlichen Regionen) voranzubringen und personell abzusichern. Dabei
solle darauf geachtet werden, dass die Angebote niedrigschwellig, inklusiv und barrierefrei seien und dass
die verschiedenen Adressatengruppen im Bereich der Prävention und des Kinderschutzes (unmittelbar Be-
troffene, Angehörige von Betroffenen, Mädchen und Frauen, Jungen und Männer, Fachkräfte aus den unter-
schiedlichen Handlungsfeldern etc.) ein passendes Angebot bekämen. Zudem solle der notwendige Ausbau
auf Bundesebene durch die geplante Bundeskoordinierung flankiert und es solle geprüft werden, inwieweit
sich der Bund an der Finanzierung beteiligen könne;

7. auf die Bundesländer einwirken, Beratungsangebote für Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte, Kinder-
und Jugendpsychiaterinnen und -psychiater und Psychotherapeutinnen und -therapeuten zu schaffen, die de-
ren zeitlichen und fachlichen Bedürfnisse berücksichtigten;

8. gemeinsam mit den Bundesländern niedrigschwellige und multidisziplinäre Beratungs- und Hilfsangebote
für Eltern im Kontext der Regelangebote von Kindern (Kindertagesbetreuung und Schule) ausbauen und die
bedarfsgerechte Einrichtung von Familienzentren fördern;

9. auf die Bundesländer einwirken, die Beratungs- und Hilfsangebote für sexuell übergriffige Kinder- und Ju-
gendliche auszubauen;

10. sicherstellen, dass die Bundesinitiative Frühe Hilfen und Familienhebammen zeitnah und nahtlos durch den
in § 3 Absatz 4 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) vorgesehenen Fonds
Frühe Hilfen abgelöst werde;

11. Maßnahmen ergreifen, um die weiteren – im Bundeskinderschutzgesetz als Kooperationspartner benannten
– Akteure wie Schulen und Polizeibehörden stärker einbinden zu können;

12. prüfen, inwieweit die jeweiligen Kinderschutzinstrumente für andere institutionelle Kontexte außerhalb der
Kinder- und Jugendhilfe (wie beispielsweise Kinderkliniken, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Kinderkurkli-
niken, Schulen, Musikschulen, Sportvereine, private Kultur- und Freizeitanbieter) eingeführt werden könn-
ten;

13. sich bei den Ländern dafür einsetzen, dass in allen Bundesländern bedarfsgerecht interdisziplinäre Kinder-
schutzgruppen an Kliniken nach österreichischem Vorbild eingerichtet würden, die zeitnah diagnostische
Abklärung und medizinische Hilfe für betroffene Kinder und Jugendliche anböten und Unterstützung bei
Maßnahmen und Entscheidungen zur Vermeidung weiterer Kindeswohlgefährdungen leisteten. Dazu gehör-
ten auch niedrigschwellige und nicht stigmatisierende Beratungsangebote für Eltern. Zur Anschubfinanzie-
rung der Einrichtungen solcher Kinderschutzgruppen solle das Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend (BMFSFJ) ein Modellprogramm einrichten.

Darüber hinaus müsse die Möglichkeit geschaffen werden, auch die ambulante Behandlung im Zusammen-
hang mit Kinderschutzfällen über die gesetzliche Krankenversicherung abzurechnen;

14. sich bei den Ärztekammern dafür einsetzen, dass für bestimmte Facharztgruppen (wie z. B. aus den Berei-
chen Kinder- und Jugendmedizin, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Gynäkologie) regelmä-
ßige Fortbildungen zu medizinischen und rechtlichen Fragen beim Umgang mit Kinderschutzfällen angebo-
ten würden und die Teilnahme daran in bestimmtem Umfang verpflichtend werde;

Drucksache 18/11913 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
15. sich bei den Psychotherapeutenkammern dafür einsetzen, dass für bestimmte Psychotherapeutengruppen,

insbesondere Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -therapeuten und psychologische Psycho-
therapeutinnen und -therapeuten, die die Fachkunde zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen erwor-
ben hätten oder erwerben wollten, regelmäßige Fortbildungen zu medizinischen und rechtlichen Fragen beim
Umgang mit Kinderschutzfällen angeboten würden und die Teilnahme daran in bestimmtem Umfang ver-
pflichtend werde;

16. gemeinsam mit den Bundesländern darauf hinwirken, dass angemessene und kontinuierliche Schulungen für
Berufsgruppen aus dem Justizbereich einschließlich der Familienrichter und Gutachter angeboten würden,
um die Berücksichtigung des Kindeswohls zu verbessern;

17. in Kindschaftssachen Qualitätsanforderungen für Sachverständige und Verfahrensbeistände gesetzlich vor-
geben;

18. den fachlichen Diskurs zur Weiterentwicklung der Definition des Kindeswohls fördern und dabei eine stär-
kere Kinderrechtsorientierung berücksichtigen und prüfen, ob ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf be-
stehe;

19. Maßnahmen ergreifen, damit Kinder besser über ihre Rechte informiert würden, und damit das Bewusstsein
über die Verletzung von Rechten von Kindern und Jugendlichen schärfen;

20. ein Konzept für ein umfassendes und funktionsfähiges Beschwerdemanagementsystem für Kinder, Jugend-
liche und Eltern im Rahmen eines evaluierten Modellprojektes entwickeln, welches u. a. Ombudschaften in
der Kinder- und Jugendhilfe und ggf. einrichtungsexterne Ombudsstellen fördere;

21. eine nationale Forschungsagenda zur Verbesserung der Datenlage – u. a. als Grundlage für ein Monitoring
– aufstellen und dafür ausreichend Mittel im Rahmen der Forschungsförderung der Bundesministerien für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der Justiz und für Verbraucherschutz sowie für Bildung und For-
schung zur Verfügung stellen. Damit solle die Datenbasis für eine belastbare Beschreibung phänomenologi-
scher Konstellationen von Vernachlässigung, sexueller Gewalt und Ausbeutung von Kindern gesichert wer-
den. Ebenso sei eine Ausweitung der medizinischen Forschung zur Diagnostik und Behandlung der Folgen
von sexueller Gewalt an Kindern, Kindesmisshandlung und -vernachlässigung notwendig;

22. prüfen, inwieweit durch das Präventionsgesetz Kinder bei der Wahrnehmung ihres Rechts auf den eigenen
Körper (Schutz vor Misshandlung und sexueller Gewalt) gestärkt werden könnten;

23. sich dafür einsetzen, das die Finanzierung bedarfsgerechter Therapieangebote für Menschen mit pädophilen
und hebephilen Neigungen gesichert und ihre Wirkung mit einer umfangreichen Stichprobe wissenschaftlich
evaluiert werde.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Innenausschuss hat in seiner Sitzung am 29. März 2017 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des An-
trags empfohlen.

Der Sportausschuss hat in seiner Sitzung am 29. März 2017 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des An-
trags empfohlen.

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat in seiner Sitzung am 29. März 2017 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN die Ablehnung des Antrags empfohlen.

Der Ausschuss für Gesundheit hat in seiner Sitzung am 29. März 2017 mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ab-
lehnung des Antrags empfohlen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/11913

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ab-
lehnung des Antrags auf Drucksache 18/9054.

Der Ausschuss hat die Vorlage in seiner 89. Sitzung am 29. März 2017 abschließend beraten.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wies darauf hin, dass sie mit ihrem Antrag eine Auswertung der
Evaluation des Kinderschutzgesetzes vorgenommen und eigene Empfehlungen vorgelegt habe, welche Verbesse-
rungen man darüber hinaus für notwendig halte. Ein wichtiger Punkt sei die Zusammenarbeit zwischen den un-
terschiedlichen Sektoren. Hierbei sei insbesondere eine stärker verpflichtende Kooperation mit dem Gesundheits-
bereich notwendig. Darüber hinaus sei es sinnvoll, erfolgreiche Modelle im Ausland zu betrachten und deren
positive Punkte zu übernehmen. So habe Österreich flächendeckend Kinderschutzgruppen eingerichtet, bei denen
die unterschiedlichen Akteure wie Sozialarbeiter, Kinderärzte und Schulen zusammengebracht würden, damit sie
einzelne Fälle besprechen und präventiv handeln könnten.

Außerdem sei in dem Antrag vorgesehen, die Regelung zur Vorlage erweiterter polizeilicher Führungszeugnisse
für ehrenamtlich Engagierte praktikabler zu gestalten und zu entbürokratisieren, wobei jedoch das Schutzniveau
beibehalten werden solle. Man hoffe darauf, dass dies im Rahmen der Reform des SGB VIII noch in dieser Wahl-
periode umgesetzt werde. Eine weitere Forderung sei die Einführung eines eigenständigen Beratungsanspruchs
für Kinder auch ohne Zustimmung der Eltern.

Aus Sicht der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sei es wichtig, dass die in der Evaluation vorgeschlagenen
Punkte bald umgesetzt würden. Allerdings stelle sich die Frage, ob das BMFSFJ tatsächlich die Absicht habe, die
Reform des SGB VIII noch in dieser Wahlperiode abzuschließen. Den Verbänden sei eine Bitte um Stellung-
nahme zu einem neuen Entwurf mit einer sehr kurzen Frist übermittelt worden.

Die Fraktion der CDU/CSU hob die vor kurzem erfolgte Einsetzung der Aufarbeitungskommission beim Unab-
hängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs hervor, die man gemeinsam beschlossen habe
und deren Arbeit auf große Resonanz in den Medien stoße. Der Grundtenor des Antrags sei der Kinderschutz und
die Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch. Mit dieser Zielsetzung stimme die CDU/CSU-Fraktion überein.
Der Schutz von Kindern und Jugendlichen sei eine grundgesetzlich verankerte Aufgabe der Eltern. Wenn diese
nicht in der Lage seien, die Aufgabe wahrzunehmen, müssten Staat und Gesellschaft dafür eintreten.

Einige Punkte des Antrags hätten sich bereits erledigt. Andere Punkte befänden sich derzeit in der Umsetzung
oder seien in der Planung. Schließlich enthalte der Antrag Forderungen, für die der Bund keine Zuständigkeit
habe. Zuzustimmen sei jedoch der Forderung nach einer besseren Zusammenarbeit zwischen der Kinder- und
Jugendhilfe und dem Gesundheitsbereich. Hier seien in der Praxis immer wieder große Lücken beim Kinderschutz
zu erkennen. Besonders wichtig sei die Fortbildung von Ärzten, Psychotherapeuten und Familienrichtern. Auch
die Jugendamtsmitarbeiter müssten im Bereich Kinderschutz besser geschult werden. Der Forderung nach Ver-
besserungen beim erweiterten Führungszeugnis sei ebenfalls zuzustimmen. Derzeit erfolge eine Erweiterung des
Fonds „Frühe Hilfen“. Die Qualitätsanforderungen für Sachverständige in Kindschaftssachen würden verbessert.
Schließlich begrüße man das Modellvorhaben des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, von dem 5 Mio.
Euro für Leistungserbringer bereitgestellt würden, die pädophile und hebephile Patienten behandelten.

Die Fraktion DIE LINKE. kündigte an, dem Antrag zuzustimmen, da man dessen wesentliche Forderungen
teile. Hierzu gehörten eine bessere Kooperation zwischen der Kinder- und Jugendhilfe und dem Gesundheitsbe-
reich sowie die Ausweitung des Betriebserlaubnisverfahrens auf alle Einrichtungen, auch auf die bestehenden.
Außerdem unterstütze man die Forderung nach einer Verpflichtung der freien Träger zu Qualitätsentwicklung
und Qualitätssicherung ebenso wie die öffentlichen Träger sowie die Forderung, bei der Vorlage erweiterter po-
lizeilicher Führungszeugnisse für Ehrenamtliche die Vorschläge des Bayerischen Landesjugendrings und des
Deutschen Bundesjugendrings zu übernehmen und eine berufsspezifische Auskunft aus dem Bundeszentralregis-
ter einzuführen. Schließlich stimme die Fraktion DIE LINKE. der Forderung zu, den Beratungsanspruch für Kin-
der und Jugendliche auszuweiten.

Drucksache 18/11913 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Es sei zwar denkbar, dass einige Punkte in einer Novellierung des SGB VIII noch in dieser Wahlperiode aufge-
griffen würden. Ob dies tatsächlich geschehen werde, sei jedoch offen, so dass der Antrag keineswegs überaltert
oder erledigt sei. Vielmehr handele es sich um Forderungen zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Kritikwürdig an
dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sei, dass darauf verwiesen werde, Maßnahmen zur Ver-
besserung der Kinder- und Jugendhilfe seien eine kommunale Aufgabe. Man wisse jedoch u. a. aus Fachgesprä-
chen der Kinderkommission, dass es beim Allgemeinen Sozialen Dienst und beim Regionalen Sozialpädagogi-
schen Dienst ein erhebliches Fachkräfteproblem gebe. Die Kommunen seien – auch wegen des Kitaausbaus –
nicht in der Lage, die Kinder- und Jugendhilfe ausreichend zu finanzieren. Ein guter Kinderschutz setze jedoch
eine gut ausgestattete Kinder- und Jugendhilfe voraus. Der Betrag von 6 Mrd. Euro, den die Kommunen zur Ent-
lastung erhalten hätten, reiche nicht aus.

Die Fraktion der SPD erklärte, viele Punkte in dem Antrag seien in dem aktuellen Referentenentwurf zur Reform
des SGB VIII bereits enthalten. Hierzu gehöre der bedingungslose Beratungsanspruch für Kinder und Jugendli-
che. Außerdem werde das Jugendamt zur Kooperation mit den Personen, die mit Kinderschutzangelegenheiten
befasst seien, verpflichtet. Ebenso sei eine Betriebserlaubnis für alle Einrichtungen vorgesehen. Darüber hinaus
seien die freien Träger in die Verpflichtung zur Qualitätsentwicklung einbezogen. Die geplante SGB VIII-Reform
sehe auch die Einführung von unabhängigen Ombudsstellen vor. Schließlich seien verpflichtende Konzepte zur
Abwehr von Kindeswohlgefährdung auch für die Jugendarbeit vorgesehen.

Bereits derzeit gebe es eine Förderung für „Frühe Hilfen“ mit einem jährlichen Betrag von 51 Mio. Euro und einer
Laufzeit bis 2017. Das BMFSFJ fördere eine neue Bundeskoordinierungsstelle der Fachberatungsstellen im Be-
reich von sexualisierter Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen. Diese arbeite eng und vertrauensvoll mit
dem Unabhängigen Beauftragten Johannes Wilhelm Rörig im Sinne einer Weiterentwicklung des Kinderschutzes
zusammen. Vor diesem Hintergrund werde man den Antrag ablehnen.

Berlin, den 29. März 2017

Christina Schwarzer
Berichterstatterin

Ulrike Bahr
Berichterstatterin

Norbert Müller (Potsdam)
Berichterstatter

Dr. Franziska Brantner
Berichterstatterin

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