BT-Drucksache 18/11903

Einziehung von Pässen in türkischen Konsulaten

Vom 31. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11903
18. Wahlperiode 31.03.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Frank Tempel, Jan van Aken, Christine Buchholz,
Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Niema Movassat,
Kersten Steinke und der Fraktion DIE LINKE.

Einziehung von Pässen in türkischen Konsulaten

Mitarbeiter von türkischen Konsulaten haben offenbar in einer Reihe von Fällen
Pässe von Kritikerinnen und Kritikern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip
Erdoğan eingezogen. Betroffen sind demnach unter anderem Kurdinnen und Kur-
den, Alevitinnen und Aleviten sowie Anhängerinnen und Anhänger der Gülen-
Bewegung. Die Betroffenen hatten im Zuge von Einbürgerungsverfahren in
Deutschland Urkunden zur Entlassung aus der türkischen Staatsbürgerschaft be-
antragt. Die Konsularbeamten behaupteten, die Pässe zur Bearbeitung der An-
träge einbehalten zu müssen, einen entsprechenden schriftlichen Beleg händigten
sie nicht aus. Allein aus dem Hamburger Generalkonsulat sind den Innenbehör-
den der Hansestadt vier derartige Fälle bekannt. Betroffen ist unter anderem ein
Lehrer, der an einer Gülen-nahen Schule unterrichtet. Nach Informationen der
„Welt am Sonntag“ gab es weitere derartige Fälle, in denen türkischen Staatsbür-
gern kurdischer Herkunft die Pässe abgenommen wurden. Nach deren Angaben
soll es auch zu körperlicher Gewalt gekommen sein. Von heftigen Auseinander-
setzungen in den Konsulaten in Essen und Hannover ist die Rede. Zudem kommt
es nach Angaben der Kurdischen Gemeinde Deutschlands in jüngster Zeit oft vor,
dass in die Türkei Reisende mit alevitischem oder kurdischem Hintergrund von
der Grenzpolizei festgehalten und nach Schikanen nach Deutschland zurück-
geschickt würden (www.welt.de/politik/deutschland/article162961336/Erdogan-
Gegner-erleben-im-tuerkischen-Konsulat-boese-Ueberraschung.html).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung darüber, dass türkischen Staats-

bürgerinnen und Staatsbürgern, die im Zuge ihres Einbürgerungsverfahrens
in Deutschland die Entlassung aus der türkischen Staatsbürgerschaft bean-
tragt haben, von Mitarbeitern türkischer Konsulate die Pässe abgenommen
wurden?
a) Wie viele derartige Fälle in welchem Zeitraum und in welchen Konsula-

ten sind der Bundesregierung bekannt?
b) Sind der Bundesregierung weitere Fälle bekannt, in denen türkischen

Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern, die andere Anliegen als die Entlas-
sung aus der türkischen Staatsbürgerschaft vorbrachten (z. B. Verlänge-
rung von Reisepässen), in türkischen Konsulaten die Pässe abgenommen
wurden?
Wenn ja, wie viele derartige Fälle in welchen Angelegenheiten in wel-
chem Zeitraum und in welchen Konsulaten?

Drucksache 18/11903 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
c) Wie vielen Personen, denen in türkischen Konsulaten die Pässe abgenom-
men wurden, wurden die Papiere wann später wieder ausgehändigt?

d) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass türkische Kon-
sulate sich weigern, Anträge zur Entlassung aus der Staatsbürgerschaft zu
bearbeiten?
Welche Gründe für die Weigerung bzw. Nichtbearbeitung werden ange-
geben?

e) Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, dass von einer
Wegnahme der Pässe oder Nichtbearbeitung von Anträgen zur Entlassung
aus der Staatsbürgerschaft insbesondere Oppositionelle bzw. Kritikerin-
nen und Kritiker des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, An-
hänger der Gülen-Bewegung sowie Personen mit alevitischem oder kur-
dischen Hintergrund betroffen sind?

f) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus derartigen
Vorgängen, und inwieweit ist sie diesbezüglich initiativ geworden?

2. Sind der Bundesregierung diplomatische Vertretungen anderer Länder neben
der Türkei bekannt, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um Entlassung
aus der Staatsbürgerschaft ersuchenden Besucherinnen und Besuchern die
Pässe wegnahmen oder sich weigern, entsprechende Anträge zur Entlassung
aus der Staatsbürgerschaft zu bearbeiten, und wenn ja, um welche Vertretun-
gen welcher Staaten handelt es sich dabei, und wie viele Personen waren in
welchem Zeitraum betroffen?

3. Inwieweit ist es deutschen Behörden nach Kenntnis der Bundesregierung vor
dem Hintergrund der in der Vorbemerkung der Fragesteller geschilderten
Vorfälle möglich, einem Einbürgerungsgesuch türkischer Staatsangehöriger
auch ohne Vorlage von Reisepässen, Quittungen über die Einziehung solcher
Pässe oder den Nachweis der Entlassung aus der türkischen Staatsbürger-
schaft stattzugeben?
a) Welche zeitlichen Verzögerungen ergeben sich für die Betroffenen?
b) Welche Möglichkeiten haben die zuständigen Behörden trotz Einziehung

von Pässen oder fehlenden Nachweisen über die Entlassung aus der tür-
kischen Staatsbürgerschaft zügig über Einbürgerungsersuchen zu ent-
scheiden?

c) Welche möglichen Präzedenzfälle von einbürgerungswilligen Bürgerin-
nen und Bürgern welcher anderer Staaten als der Türkei sind der Bundes-
regierung bekannt, deren Einbürgerungsersuchen trotz fehlender bzw.
eingezogener Pässe und fehlender Ausbürgerungsnachweise ihrer Her-
kunftsstaaten stattgegeben wurde?
Um welche durchschnittliche Bearbeitungszeit verzögerte sich die Ein-
bürgerung in solchen Fällen?

d) Inwieweit sind der Bundesregierung Regelungen der Landesbehörden be-
kannt, Einbürgerungsanträgen trotz fehlender Entlassung aus der Staats-
bürgerschaft des Herkunftslandes stattzugeben?

e) Inwieweit gedenkt die Bundesregierung, die zuständigen Landesbehörden
zu einem erleichterten Einbürgerungsverfahren von Personen zu ermuti-
gen, deren Papiere durch Konsulatsmitarbeiterinnen und Konsulatsmitar-
beiter eingezogen wurden oder deren Herkunftsstaaten eine Ausbürge-
rung verweigern?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11903
4. Welches Vorgehen empfiehlt die Bundesregierung türkischen Staatsangehö-
rigen, die im Rahmen eines laufenden Einbürgerungsverfahrens die Entlas-
sung aus der türkischen Staatsbürgerschaft beantragen müssen, um eine nicht
quittierte Einziehung ihres Passes durch türkische Konsulatsmitarbeiterinnen
und Konsulatsmitarbeiter zu verhindern oder zumindest zu dokumentieren?

5. Welche generelle Absicht sieht die Bundesregierung hinter der Einziehung
von Pässen einbürgerungswilliger türkischer Staatsangehöriger durch türki-
sche Konsulatsmitarbeiterinnen und Konsulatsmitarbeiter?

6. Inwieweit haben die Bundesregierung – oder nach ihrer Kenntnis die Regie-
rungen der Länder – die Einziehung von Pässen einbürgerungswilliger türki-
scher Staatsangehöriger durch türkische Konsulatsmitarbeiterinnen und
Konsulatsmitarbeiter gegenüber der türkischen Regierung thematisiert?

7. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung darüber, dass Kritikerinnen und
Kritiker des türkischen Präsidenten, insbesondere Personen mit alevitischem
oder kurdischen Hintergrund sowie mutmaßliche Anhängerinnen und Anhä-
nger der Gülen-Bewegung in türkischen Konsulaten Schikanen bis hin
zu tätlichen Angriffen ausgesetzt waren (www.welt.de/politik/deutschland/
article162961336/Erdogan-Gegner-erleben-im-tuerkischen-Konsulat-boese-
Ueberraschung.html)?
a) Inwieweit waren Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft von solchen

Schikanen oder Übergriffen betroffen?
b) Inwieweit hat die Bundesregierung solche möglichen Praktiken gegen-

über der türkischen Regierung thematisiert?
8. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung darüber, dass türkische Staatsan-

gehörige, die an deutschen Schulen unterrichten, wegen kritischer Äußerun-
gen an der türkischen Regierung in Konsulate geladen wurden und ihnen
dort mit „Konsequenzen“ gedroht wurde (www.welt.de/politik/deutschland/
article162961336/Erdogan-Gegner-erleben-im-tuerkischen-Konsulat-boese-
Ueberraschung.html)?

9. Wie viele Reisende mit deutscher Staatsbürgerschaft wurden nach Kenntnis
der Bundesregierung wann und aus welchen Gründen seit Anfang des Jahres
2015 an der Einreise in die Türkei gehindert (bitte genauen Zeitpunkt der
Einreiseverweigerung und Dauer einer etwaigen freiheitsentziehenden
Maßnahme angeben)?
a) Wie viele der Betroffenen wurden bei ihrer Einreise vorübergehend fest-

genommen?
b) Wie viele der Betroffenen sind türkeistämmig bzw. haben einen aleviti-

schen oder kurdischen Hintergrund?
c) Wie viele der Betroffenen gehören mutmaßlich der Gülen-Bewegung an?
d) Wie viele der Betroffenen lebten als politische Flüchtlinge in Deutschland?
e) Wie viele der Betroffenen sind Journalistinnen und Journalisten bzw. Mit-

arbeiter von Medien?
f) Wie viele der Betroffenen reisten jeweils mit dem Flugzeug, der Bahn

oder dem Auto in die Türkei ein?

Berlin, den 30. März 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.