BT-Drucksache 18/11877

Stummer Frühling - Verlust von Vogelarten

Vom 29. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11877
18. Wahlperiode 29.03.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Steffi Lemke, Harald Ebner, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn,
Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Christian Kühn (Tübingen), Peter Meiwald,
Dr. Julia Verlinden, Matthias Gastel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Stummer Frühling – Verlust von Vogelarten

Der Artenreichtum unserer Erde schwindet rasant. Die planetare Grenze ist beim
Artensterben bereits weit überschritten. Damit steigt – wie bei der Klimakrise –
die Gefahr, dass ökosystemare Kipppunkte erreicht und die Folgen für Mensch
und Umwelt unkontrollierbar werden.
Deutschland hat sich in vielerlei Abkommen verpflichtet, das Artensterben
und den Rückgang der Vogelpopulation im Besonderen zu stoppen. Dennoch
ist die Vogelpopulation weltweit und in Deutschland stark rückläufig. In den
vergangenen 30 Jahren hat sie sich halbiert (Vögel in Deutschland, Sudfeldt,
C. R. Dröschmeister, W. Frederking, K. Gedeon, B. Gerlach, C. Grüneberg,
J. Karthäuser, T. Langgemach, B. Schuster, S. Trautmann & J. Wahl (2013): Vö-
gel in Deutschland – 2013. DDA, BfN, LAG VSW, Münster).
Die Artenvielfalt ist wie ein Netz. Mit jedem Teil, das verschwindet, wird die
Stabilität und Tragfähigkeit dieses Netzes geschwächt. Am Beispiel der Vögel
wird dies besonders deutlich, so schreibt der Indikatorenbericht Biologische Viel-
falt 2014, „Da neben Vögeln auch andere Arten an eine reichhaltig gegliederte
Landschaft mit intakten, nachhaltig genutzten Lebensräumen gebunden sind, bil-
det der Indikator indirekt auch die Entwicklung zahlreicher weiterer Arten in der
Landschaft und die Nachhaltigkeit der Landnutzung ab.“ (Indikatorenbericht Bi-
ologische Vielfalt 2014, S. 9). Der Rückgang von Vogelpopulation weist dement-
sprechend auf die Naturzerstörung insgesamt hin. Hauptgrund für das Artenster-
ben ist die industrielle Agrarlandschaft.
Tatsächlich findet auf landwirtschaftlichen Flächen ein Großteil des deutschen
Vogelartensterbens statt (Dröschmeister et al. 2012). Die Ursachen des Rück-
gangs liegen in der industrialisierten Landwirtschaft, dabei vor allem in den aus-
geräumten Agrarlandschaften, dem massiven Einsatz von Pestiziden und dem
Verlust von Offenlandschaften und intaktem Grünland (Hötker et al. 2013).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Bestände der Brut-

vögel in den letzten zwei Jahrzehnten entwickelt?
2. Wie bewertet die Bundesregierung die Situation der Vogelpopulationen im

Bereich Agrarland?
Welche Entwicklung der Vogelarten- und -bestände liegen hierzu in den letz-
ten zwei Jahrzehnten vor?

Drucksache 18/11877 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Welche Vogelarten sind nach Kenntnis der Bundesregierung ausgestorben,
vom Aussterben bedroht, stark gefährdet oder gefährdet?

Welcher Anzahl von Vögeln entspricht dieser Status jeweils?
Welcher Anzahl von Vogelarten entspricht das jeweils?

4. Wie bewertet die Bundesregierung die Rote Liste Brutvögel 2016, und wel-
che Schlussfolgerungen zieht sie daraus?

5. Wie viele Vogelarten der Offenlandarten werden nach Kenntnis der Bundes-
regierung mindestens als gefährdet eingestuft, und welche Konsequenzen
zieht die Bundesregierung daraus?

6. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung der europäische Farmland
Bird Index/Agrarvogelindex seit dem Jahr 1980 entwickelt?

Welche Entwicklung gab es seitdem in Deutschland?
Welche drei Vogelarten des aktuellsten Indexes bzw. der Roten Liste zeigen
die größten negativen Trends?
Welcher Anzahl von Vögeln entspricht dies jeweils?

7. Welche Trenddaten enthält nach Kenntnis der Bundesregierung der Farm-
land Bird Index/Agrarvogelindex, und wie beurteilt die Bundesregierung
diese neuesten Zahlen?

8. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Kiebitzbestände in
Deutschland seit dem Jahr 1990 verändert?

9. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Bestände der Feld-
lerche seit dem Jahr 1990 in Deutschland verändert?

10. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Bestände des Reb-
huhns seit dem Jahr 1990 in Deutschland verändert?

11. Welche Kenntnisse liegen dem Bundesministerium für Umwelt, Natur-
schutz, Bau und Reaktorsicherheit über die Ursachen des Bestandsrückgangs
der Agrarvögel vor?

12. Welche Studien und andere Erkenntnisse über einen Zusammenhang zwi-
schen abnehmenden Vogelbeständen und dem Einsatz von Pestiziden liegen
dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicher-
heit vor?

13. Plant das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi-
cherheit einen möglichen Zusammenhang zwischen abnehmenden Vogelbe-
ständen und dem Rückgang an Insektenbiomasse infolge des Einsatzes von
Neonikotinoiden wissenschaftlich untersuchen zu lassen, was laut Einschät-
zung von Entomologen und Naturschutzverbänden eine Erklärung für abneh-
mende Insektenvorkommen auch in Naturschutzgebieten darstellt?
Wenn nein, warum nicht?

14. Wie bewertet das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Re-
aktorsicherheit die Forderung des Bundesrates 6 Prozent der Mittel von der
ersten in die zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik umzuschichten,
und wird die Bundesregierung dieser Forderung nachkommen?

Wenn nein, warum nicht?
15. Wie schätzt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Re-

aktorsicherheit die Wirkung der Förderkulisse der ersten und zweiten Säule
der Gemeinsamen Agrarpolitik für die Vogelbestände ein (bitte für die je-
weiligen Säulen getrennt sowie in der Gesamtbilanz beantworten)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11877

16. Welche Entwicklung erwartet die Bundesregierung beim Ausmaß der Ver-

siegelung von Flächen im Bereich Siedlungen, und welche Entwicklung er-
wartet sie für die Vogelpopulation im Bereich Siedlungen?

Berlin, den 28. März 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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