BT-Drucksache 18/11836

Haltung von Wildtieren im Zirkus

Vom 23. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11836
18. Wahlperiode 23.03.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Nicole Maisch, Steffi Lemke, Harald Ebner, Friedrich
Ostendorff, Matthias Gastel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Haltung von Wildtieren im Zirkus

Vor rund einem Jahr – am 18. März 2016 – hat der Bundesrat zum dritten Mal
eine Entschließung zum Verbot der Haltung bestimmter wildlebender Tierarten
im Zirkus gefasst (Bundesratsdrucksache 78/16). Das Verbot soll insbesondere
Affen (nichtmenschliche Primaten), Elefanten, Großbären, Giraffen, Nashörner
und Flusspferde betreffen. Bis heute kam die Bundesregierung dieser Aufforde-
rung nicht nach. Selbst eine Stellungnahme der Bundesregierung zu der Ent-
schließung steht noch immer aus.
Dabei wurde bereits 2012 in der Begründung zur dritten Änderung des Tier-
schutzgesetzes (Bundesratsdrucksache 300/12) von der damaligen Bundesregie-
rung ausgeführt: „Es zeichnet sich jedoch bereits ab, dass für einige der genannten
Tierarten ein Verbot oder eine Beschränkung des Zurschaustellens an wechseln-
den Orten aus Gründen des Tierschutzes erforderlich sein könnte. Fortgesetzte
Verstöße gegen die Haltungsvorschriften für manche Tierarten sowie die Häufig-
keit von Verhaltensauffälligkeiten und gesundheitlichen Beeinträchtigungen der
betreffenden Tiere in vielen Zirkusbetrieben weisen darauf hin, dass die Bestim-
mungen für deren tierschutzgerechte Haltung unter den Bedingungen des Zur-
schaustellens an wechselnden Orten nicht realisierbar sind.“
Hier wurde richtig erkannt, dass eine tier- und artgerechte Haltung unter den Be-
dingungen eines mobilen Unternehmens grundsätzlich problematisch und bei vie-
len Tierarten unmöglich ist. Denn die meisten Tiere, die in Zirkussen, Varietés,
Tierschauen oder ähnlichen mobilen Einrichtungen gehalten werden, verbringen
einen großen Teil ihres Lebens in engen Transportwagen oder wenig strukturier-
ten Gehegen. Diese bieten den Tieren meist nur stark eingeschränkte Beschäfti-
gungs-, Bewegungs- und Rückzugmöglichkeiten. Der Großteil der Bürgerinnen
und Bürger in Deutschland lehnt die Haltung von Wildtieren im Zirkus ab. Über
Parteigrenzen hinweg haben sich die Bundesländer im Bundesrat erneut gemein-
sam für ein Verbot bestimmter Wildtiere im Zirkus ausgesprochen. Und auch
Fachorganisationen wie die Bundestierärztekammer e. V. fordern dies seit Jahren.
Auch andere EU-Mitgliedstaaten wie Belgien, Österreich oder Griechenland ha-
ben längst reagiert und die Wildtierhaltung in Zirkussen verboten.
Die Bundesregierung ignoriert das und bleibt untätig. Dabei ist sie laut Tier-
schutzgesetz dazu ermächtigt, durch Verordnung das Zurschaustellen von Tieren
wildlebender Arten an wechselnden Orten zu beschränken oder zu verbieten.

Drucksache 18/11836 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Warum liegt noch immer keine Gegenäußerung der Bundesregierung zur
Entschließung des Bundesrates (Bundesratsdrucksache 78/16) von März 2016
vor?

2. Welches sind die innerhalb der Bundesregierung strittigen Punkte bezüglich
der Bewertung des Bundesratsbeschlusses?

3. Wann ist mit der Vorlage der Gegenäußerung zu rechnen?
4. Teilt die Bundesregierung die mit detaillierten Beispielen und Gerichtsurtei-

len unterlegte Aussage des Bundesratsbeschlusses, wonach mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass die im Beschluss
genannten Tierarten bei einer Haltung in Zirkusunternehmen erheblich lei-
den?
Wenn ja, welche Konsequenzen zieht sie daraus?
Wenn nein, mit welchen wissenschaftlichen Belegen begründet sie dies?

5. Teilt die Bundesregierung die Meinung des Bundesrates, dass mit den in der
Entschließung genannten Beispielen eine Beweisgrundlage dafür geliefert
wird, dass bestimmte Wildtiere in reisenden Zirkussen grundsätzlich nicht
artgerecht gehalten werden können?

Wenn nein, warum nicht?
6. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Feststellung des

Bundesratsbeschlusses, der Vollzug durch die Länder könne „grundsätzlich
keine Abhilfe schaffen, da die Probleme systemimmanent mit den Betrieben,
die an wechselnden Orten diese Tiere zur Schau stellen, verbunden sind“?

7. a) Wird die Bundesregierung, wie vom Bundesrat gefordert, eine Rechtsver-
ordnung zum Verbot bzw. zur Beschränkung der Haltung wildlebender
Tierarten in fahrenden Zirkussen vorlegen?

Wenn ja, wann?
b) Falls kein genaues Datum genannt werden kann, warum nicht, und wie

lauten die nächsten Planungs- und Beratungsschritte der Bundesregie-
rung, bzw. welche Überlegungen wurden bereits angestellt?

8. Teilt die Bundesregierung die Feststellung des Bundesratsbeschlusses, wo-
nach die einschlägigen Zirkusleitlinien nicht dem Stand der wissenschaftli-
chen Erkenntnis entsprechen?
Teilt sie überdies die Feststellung des Bundesrates, wonach die Zirkusleitli-
nien von der wissenschaftlich nicht belegten und inzwischen überkommenen
Hypothese ausgehen, dass Wildtiere die Reduktion ihres Lebensraumes auf
ein Minimum und das Nichterfüllen ganzer Verhaltenskreise dadurch kom-
pensieren könnten, dass sie nicht selbstbestimmte Dressurleistungen in der
Manege zeigen?
Wenn nein, womit begründet sie ihre abweichende Haltung?
Wenn ja, welche Konsequenzen zieht sie daraus für den Regelbedarf in die-
sem Bereich?

9. Plant die Bundesregierung eine Überarbeitung der sogenannten Zirkusleitli-
nien?
Wenn ja, wann?
Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11836

10. Vertritt die Bundesregierung weiterhin die Überzeugung, dass ein Verbot der

Haltung bestimmter Wildtiere in Zirkussen nicht einem Berufsverbot für
Tierlehrerinnen und Tierlehrer gleichkomme (siehe Stellungnahme der Bun-
desregierung zur Novellierung des Tierschutzgesetzes am 23. Mai 2012, wo-
nach „Verbote oder die Einschränkung der Haltung bestimmter Arten wild-
lebender Tiere im Zirkus keinen Eingriff in die Berufswahlfreiheit“ darstel-
len (siehe Bundesratsdrucksache 300/12)?

11. Auf welche konkreten Maßnahmen und Initiativen wird in der folgenden
Aussage Bezug genommen: „Das Bundesministerium für Ernährung und
Landwirtschaft hat in den vergangenen Jahren verschiedene Initiativen er-
griffen, die darauf gerichtet sind, den Schutz der Tiere in Zirkusbetrieben zu
verbessern. Gemeinsam mit den Verantwortlichen und den Bundesländern
möchte Bundesminister Schmidt erreichen, dass sich die Situation der Tiere,
auch in den Zirkusbetrieben, weiter verbessert“ (siehe www.vier-pfoten.de/
themen/wildtiere/aktuell/bruellen/petitions-uebergabe/)?

12. Welche Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Tiere in Zirkusbe-
trieben plant die Bundesregierung noch vor Ablauf der Legislaturperiode?

13. Wie viele mobile Zirkusbetriebe, Tierschauen, Varietés oder ähnliche Ein-
richtungen sind nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit in Deutschland
als Gewerbe angemeldet (Anzahl und prozentualer Anteil)?

14. Wie viele der in Deutschland als Gewerbe gemeldeten Einrichtungen sind
nach Kenntnis der Bundesregierung im Zirkusregister erfasst?

15. Wie viele Tiere sind nach Kenntnis der Bundesregierung im aktuellen Regis-
ter erfasst (bitte nach Arten und Anzahl der Tiere auflisten)?

16. Wie viele der im Register erfassten Zirkusunternehmen verfügen nach
Kenntnis der Bundesregierung über ein festes Winterquartier?

17. Wie viele Beanstandungen bei der Tierhaltung wurden nach Kenntnis der
Bundesregierung in Zirkussen zwischen 2013 und 2017 durch Amtstierärzte
festgestellt (bitte nach Jahren, Tierarten, Art der Verstöße sowie Bußgeldern
oder Verurteilungen auflisten)?

18. a) Zu welchen konkreten, belegbaren Verbesserungen der Tierschutzsitua-
tion von Tieren in Zirkussen hat das Register nach Kenntnis der Bundes-
regierung in den letzten Jahren geführt?

b) Falls der Bundesregierung keine konkreten Informationen und Belege vor-
liegen, inwiefern und wann plant sie, diese Kenntnislücke zu schließen?

19. Wie viele Veterinärämter nutzen nach Erkenntnis der Bundesregierung das
Register regelmäßig (monatlich)?

20. Welche Konsequenzen hat es für einen Amtstierarzt bzw. für eine Veterinär-
behörde, wenn das Register nicht ordnungsgemäß angewendet wird und bei-
spielsweise Beanstandungen nicht eingetragen werden?

21. Plant die Bundesregierung eine Überarbeitung der Zirkusregisterverordnung,
um die Effektivität des Zirkusregisters zu erhöhen und eine ordnungsgemäße
Anwendung sicherzustellen, indem verpflichtende Einträge durch die Behör-
den festgelegt werden?

Wenn ja, wie und wann?
Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 21. März 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.