BT-Drucksache 18/11829

Beschaffung der hochfliegenden Spionagedrohne "Triton" durch die Bundeswehr

Vom 22. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11829
18. Wahlperiode 22.03.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Christine Buchholz, Annette Groth, Inge Höger,
Ulla Jelpke, Katrin Kunert, Dr. Alexander S. Neu, Martina Renner, Frank Tempel,
Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Beschaffung der hochfliegenden Spionagedrohne „Triton“ durch die
Bundeswehr

Der Generalinspekteur der Bundeswehr entschied am 6. März 2017, die hochflie-
gende Drohne des Typs „Triton“ für die Beförderung des Spionagesystems ISIS
zu beschaffen (bundeswehr.de vom 8. März 2017, „Bundeswehr soll Aufklä-
rungsdrohne Triton erhalten“). Insgesamt sollen drei Systeme „Triton/ISIS“ ge-
kauft werden. Mit der vom Airbus-Konzern gefertigten fliegenden Abhöranlage
kann jede funkgebundene Kommunikation abgehört werden. Außerdem spürt die
Anlage elektromagnetische Strahlung auch kleiner Geräte auf (netzpolitik.org
vom 31. Januar 2014, „Das von EADS gebaute und für den „Euro Hawk“ konzi-
pierte Spionagesystem ISIS fliegt bald wieder“).
Die für die US-Marine entwickelten „Triton“ sollen die ursprünglich zur deut-
schen Beschaffung geplanten „Euro Hawk“ ersetzen. Beide Modelle des US-Her-
stellers Northrop Grumman basieren auf der Drohne „Global Hawk“, wobei die
„Euro Hawk“ auf der inzwischen veralteten Baureihe „Block 20“ basiert. Die
Bundeswehr hatte für die Beschaffung der Drohne „Euro Hawk“ zunächst einen
Prototyp („Full Scale Demonstrator“) gekauft, der jedoch keine Musterzulassung
erhielt. Nach Abbruch des Projekts im Jahr 2013 lagert die Drohne in Manching
ein. Der Skandal um die dabei allein für das Trägersystem verlustig gegangenen
über 600 Millionen Euro hatte unter anderem einen Untersuchungsausschuss be-
schäftigt. Die Zulassungswahrscheinlichkeit der „Triton“ wird nun höher einge-
schätzt, da die Drohne über einen Blitzschutz sowie einen Schutz vor Hagel und
Vogelschlag verfügt. Ebenfalls integriert seien ein Vereisungsschutzsystem so-
wie eine „Wetterradarfunktionalität“ (Bundestagsdrucksache 18/8004). Außer-
dem hatte der Hersteller in den letzten Jahren ein Ausweichsystem entwickelt.
Schließlich habe Northrop Grumman zugesichert, diesmal Dokumente für das
Zulassungsverfahren herauszugeben, die beim „Euro Hawk“ von der US-Regie-
rung als geheim eingestuft wurden. Für die Zulassbarkeit der „Triton“ ist das neu
geschaffene Luftfahrtamt der Bundeswehr zuständig, das bereits eine erste posi-
tive Prognose hierzu erstellt hat (Plenarprotokoll 18/195, Anlage 28). Hierbei
könne das deutsche Militär von der US-Marine profitieren, die „enorme Ressour-
cen für den Zulassungsprozess in den USA mobilisiert“ hat.
Neu war die Mitteilung der Bundeswehr, dass für die Überprüfung der Leistungs-
fähigkeit des Spionagesystems ISIS keine weiteren Flüge mehr notwendig sind
(bundeswehr.de vom 8. März 2017, „Bundeswehr soll Aufklärungsdrohne Triton
erhalten“). Die ursprünglich geplanten Stufen 2 und 3 für die Wiederinbetrieb-
nahme entfallen dadurch. Hintergrund ist eine Einigung der EuroHawk GmbH
(Northrop Grumman und Airbus) mit dem Bundesministerium der Verteidigung

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im Streit um die Auflösung des früheren Entwicklungsvertrages. Die Bundeswehr
erhält nun Zugang zu einem neuen Laborsystem, in dem die bereits vorhandenen
Flugdaten unter Laborbedingungen deutlich verbessert ausgewertet werden kön-
nen. Entsprechende „Labortests und die abgeschlossene Auswertung der mit dem
Eurohawk erflogenen Daten“ hätten laut der Bundeswehr „überzeugt“, dass das
ISIS „mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich in den Triton integriert werden“
kann. Die nicht weiter verfolgte Wiederinbetriebnahme (Stufe 1) des „Euro
Hawk“ hat bis heute weitere 23 Mio. Euro verschlungen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Gesamtkosten sind dem Bundesverteidigungsministerium für die

Beschaffung, die Testflüge und die abgebrochene Wiederinbetriebnahme des
„Euro Hawk“ FSD bis heute entstanden?

2. Auf welche „zahlreiche[n] Tests“ beruft sich die Bundesregierung bezüglich
der „Triton“, wodurch die Bundeswehr der Drohne eine „hohe Zulassungs-
wahrscheinlichkeit“ attestiert (bundeswehr.de vom 8. März 2017, „Häufige
Fragen zum Aufklärungssystem Triton/ISIS“)?

3. Welche „technisch-funktionalen Verbesserungen“ der „Triton“ sind der Bun-
desregierung bekannt, wozu die US-Marine nach eigenen Angaben rund
1 Milliarde US-Dollar investiert hat?

4. Welche technischen Funktionalitäten, Produktbezeichnungen und Hersteller
sind dem Bundesverteidigungsministerium zu Systemen der „Triton“ für
a) Blitzschutz,
b) Schutz vor Hagel und Vogelschlag,
c) ein Vereisungsschutzsystem,
d) eine Wetterradarfunktionalität,
e) die Verschlüsselung der Kommunikation (zur Steuerung sowie Übertra-

gung erhobener Daten)

bekannt?
5. Über welche (auch rudimentären) Systeme zum Erkennen und Ausweichen

anderer Luftfahrzeuge („Sense bzw. Detect & Avoid Technologien“) verfügt
die „Triton“ nach Kenntnis der Bundesregierung?

6. Aufgrund welcher Gesamtabschätzung kam das Bundesverteidigungsminis-
terium bereits im Jahr 2014 zu dem Schluss, dass die Kombination „Tri-
ton/ISIS“ das „ausgewogenste Gesamtpaket“ darstellt?
a) Zu welchem Ergebnis kommen die vom Bundesverteidigungsministerium

beauftragten Untersuchungen des Systems „Triton/ISIS“ hinsichtlich der
Nutzbarkeit und Zulassbarkeit?

b) Welche Ergebnisse erbrachte der Studienvertrag zur Durchführung eines
Vergleichs der Zulassungsvorschriften der US-Marine mit den deutschen
Zulassungsvorschriften, und werden diese vom Bundesverteidigungs-
ministerium bewertet (Bundestagsdrucksache 18/9940)?

7. Welche Schritte wird das Bundesverteidigungsministerium nun im Rahmen
des Musterprüfverfahrens für die vorläufige Verkehrszulassung oder Muster-
zulassung der „Triton“ unternehmen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11829
8. Nach welchem Regelungsverfahren soll die „Triton“ vermutlich zugelassen
werden (Plenarprotokoll 18/195, Anlage 28)?
a) Worin besteht die Überarbeitung des regulatorischen Rahmens für das

Prüf- und Zulassungswesen für Luftfahrzeuge der Bundeswehr, und wodurch
erleichtert es dieses Verfahren, „außereuropäische Kauflösungen“ von
Drohnen dauerhaft zuzulassen?

b) Für welche weiteren Beschaffungen von Drohnen soll dieses Verfahren
angewandt werden?

9. Welchen Inhalt hat das „Grundlagendokument“ (bzw. der „Airworthiness
Qualification Plan“), das die zukünftige Zusammenarbeit sowie die Verant-
wortlichkeiten und Leistungen beider Seiten beschreibt (Bundestagsdrucksa-
che 18/8004, Antwort zu Frage 28), und wann wurde es unterzeichnet?

10. Wie bewertet die Bundesregierung die Überlassung der für den Zulassungs-
prozess der „Triton“ notwendigen Ergebnisse und Dokumentationen der Zu-
lassungsprozesse durch die US-Marine, und welche Defizite ergeben sich
weiterhin?
a) Welche erforderlichen Dokumente hat die US-Marine zur Analyse der

Zulassbarkeit an das Bundesverteidigungsministerium übermittelt, nach-
dem die beiden Einrichtungen im April 2015 einen Regierungsvertrag
(Foreign Military Sales – FMS – Planning Case) geschlossen haben?

b) Welche weiteren Bestimmungen enthält der Regierungsvertrag hinsicht-
lich der Beschaffung der „Triton“?

c) Welche weiteren Verträge mit der US-Marine sind nun geplant?
11. Welche für den Zulassungsprozess der „Triton“ „zusätzlich nutzbare[n] In-

formationen“ ergeben sich aus den NATO-Manövern, in denen Drohnen auf
Basis des Typs „Global Hawk“ in europäischen Lufträumen unterwegs wa-
ren (Bundestagsdrucksache 18/8004, Antwort zu Frage 29)?

12. Welche Firmen oder Behörden (auch aus den Vereinigten Staaten) erhielten
für die Prüfung oder Anbahnung einer Beschaffung der „Triton“ bzw. einer
Integration des ISIS in die Drohne bis heute welche Gelder?

13. Wann will das Bundesverteidigungsministerium mit der Ausarbeitung und
Verhandlung eines Beschaffungsvertrages für die „Triton“ beginnen, und
welche Studien sollen hierzu vergeben werden?

14. Welche Risiken sollte Airbus aus Sicht der Bundesregierung im Rahmen der
Wiederinbetriebnahme des „Euro Hawk“ FSD übernehmen, und welche
„sehr hohe[n] Vergütungsforderungen“ (http://andrej-hunko.de/component/
content/article/7-beitrag/3508-haeufige-fragen-zum-aufklaerungssystem-
triton-isis) hatte die Firma hierfür gestellt?
a) Welche vertraglichen Rahmenbedingungen hatte Airbus für die Bundes-

wehr angeboten?
b) Inwiefern strebt die EuroHawk GmbH nach Kenntnis der Bundesregie-

rung weiterhin die Lizensierung als luftfahrttechnischer Betrieb an, wozu
eine Erneuerung der 2013 abgelaufenen Zulassung erforderlich ist?

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15. Wann und mit welchen Konditionen wurden oder werden die jahrelang strit-

tigen „Close-Out“-Verträge mit der Firma EuroHawk GmbH endgültig ab-
geschlossen?
a) Welche bisher nicht durchgeführten vertraglichen Abnahmen der Drohne

und des ISIS hat die Bundeswehr hierzu wie vereinbart durchgeführt
(Bundestagsdrucksache 18/8004)?

b) Welche noch geschuldeten, aber bisher noch nicht erfüllten Leistungen
erbringt oder erbrachte Airbus bzw. die Firma EuroHawk GmbH?

c) Welche Arbeiten zur Genehmigung als luftfahrttechnischer Betrieb und
für die Aufrechterhaltung der Lieferbereitschaft für die „Euro Hawk“ wer-
den der Firma EuroHawk GmbH in welcher Höhe vergütet?

16. Inwiefern hat die EuroHawk GmbH vor dem Abbruch der Wiederinbetrieb-
nahme des FSD bereits mit der Beseitigung der vom Bundesministerium der
Verteidigung festgestellten Defizite („43 Einzelmaßnahmen“) begonnen, die
der Neuausstellung einer Vorläufigen Verkehrszulassung entgegenstanden
(Bundestagsdrucksache 18/8004, Antworten zu den Fragen 5 und 6, bitte die
etwaigen Änderungen an Soft- und Hardware aufführen)?

17. Aus welchen Anlagen (Hard- und Software) besteht nach Kenntnis der Bun-
desregierung das Integrations- und Verifikationslabor, in dem Airbus bzw.
Northrop Grumman nunmehr neue „Leistungsdaten“ der früheren sieben
Testflüge „mit eingeschaltetem ISIS-System“ gewinnen konnten (http://
andrej-hunko.de/component/content/article/7-beitrag/3508-haeufige-fragen-
zum-aufklaerungssystem-triton-isis)?

18. Aus welchen Gründen hatte die Bundeswehr seit 2013 keinen Zugriff auf das
Labor bzw. erflogene Leistungsdaten, um selbst entsprechende Simulationen
durchzuführen oder Dritte damit zu beauftragen, um dadurch die hohen Kos-
ten für eine Wiederinbetriebnahme des „Euro Hawk“ zu verhindern (http://
andrej-hunko.de/component/content/article/7-beitrag/3508-haeufige-fragen-
zum-aufklaerungssystem-triton-isis)?

19. Auf Basis welcher Absprachen mit der EuroHawk GmbH konnte die „Zent-
rale Untersuchungsstelle der Bundeswehr für Technische Aufklärung“ und
die „Fraunhofer-Gesellschaft FKIE“ (FKIE – Fraunhofer-Institut für Kom-
munikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie) seit Februar 2016 die
Daten der ISIS-Testflüge auswerten, und wieso hatte die Bundesregierung
dies in früheren Kleinen Anfragen der Fraktion DIE LINKE. zur Zukunft des
„Euro Hawk“ nicht mitgeteilt (http://andrej-hunko.de/component/content/
article/7-beitrag/3508-haeufige-fragen-zum-aufklaerungssystem-triton-isis)?

20. Welche fehlenden Leistungen hat die EuroHawk GmbH aus dem „Close-
Out“-Vertrag zum ISIS mittlerweile erbracht?

21. Auf welche Weise wird das ISIS nunmehr „serienreif gemacht“ (http://
andrej-hunko.de/component/content/article/7-beitrag/3508-haeufige-fragen-
zum-aufklaerungssystem-triton-isis), und welche Obsoleszenzen des mög-
licherweise technisch veralteten Spionagesystems muss Airbus hierzu besei-
tigen, bzw. welche Obsoleszenzvorsorge muss der Rüstungskonzern erbrin-
gen (bitte etwaige Einzelmaßnahmen und Prüfpunkte benennen)?

22. Welche Gesamtkosten erwartet die Bundesregierung derzeit für die Entwick-
lung der ISIS-Prototypen (inklusive Tests und Laborumgebung) sowie der
späteren, serienreifen Systeme (bitte, sofern möglich, den Stückpreis ange-
ben)?

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23. Welche Pläne hat die Bundesregierung für die Weiterverwendung oder den

Verbleib des „Euro Hawk“ FSD in Manching?
a) Welche vorgeschriebenen Prüfungen bzw. gemäß Vorschriften anstehen-

den Wartungsarbeiten an Systemanteilen haben die beiden Rüstungskon-
zerne Northrop Grumman und Airbus bzw. deren Subunternehmer in den
letzten sechs Monaten am „Euro Hawk“ FSD in Manching durchgeführt?

b) Welche Kosten entstanden dabei, und wie wurden diese übernommen?
c) Welche Ersatzteile wurden für den „Euro Hawk“ FSD seit Außerdienst-

stellung der Drohne im Jahr 2013 aus den USA beschafft?

Berlin, den 21. März 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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