BT-Drucksache 18/11742

Die Digitalisierung als Ausweg aus der Schifffahrtskrise nutzen

Vom 29. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11742
18. Wahlperiode 29.03.2017
Antrag
der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Dieter Janecek, Tabea Rößner, Matthias
Gastel, Stephan Kühn (Dresden), Markus Tressel, Annalena Baerbock, Harald
Ebner, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Christian Kühn (Tübingen), Steffi
Lemke, Nicole Maisch, Peter Meiwald, Friedrich Ostendorff, Dr. Julia
Verlinden und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Digitalisierung als Ausweg aus der Schifffahrtskrise nutzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Im Vorfeld der zehnten Nationalen Maritimen Konferenz in Hamburg steht die mari-
time Wirtschaft vor ganz besonderen Herausforderungen. Die deutsche Seeschifffahrt
befindet sich seit einem Jahrzehnt in einer bisher in diesem Ausmaß nicht existenten
Krise. Dies hat sich in der Zwischenzeit auch auf viele andere von der Seeverkehrs-
wirtschaft abhängige Bereiche übertragen. Maßnahmen der Bundesregierung zur För-
derung des maritimen Standorts wie die Erweiterung des sogenannten Lohnsteuerein-
behalts für Arbeitgeber von Seeleuten sowie eine Anpassung der Schiffsbesetzungs-
verordnung haben keine Wirkung erzielt. Der Schifffahrt geht es schlechter als zuvor
und ein Ende der schwierigen Phase ist weiterhin nicht absehbar.
Auch der Maritime Koordinator der Bundesregierung hat weder Lösungsansätze zum
Abklingen der Krise erarbeitet, noch hat er sich aktiv in eine dringend nötige Verän-
derung des politischen Rahmens eingebracht. Dadurch waren die letzten vier Jahre für
die gesamte maritime Wirtschaft verlorene Jahre.
Damit Deutschland als Technologie- und Wissensstandort in der maritimen Wirtschaft
weiterhin international wettbewerbsfähig bleibt, ist es nötig, dass die Bundesregierung
den rechtlich und wirtschaftspolitisch richtigen Rahmen setzt. In diesem Zusammen-
hang spielt vor allem die Digitalisierung eine große Rolle. Es wird entscheidend sein,
dass Deutschland sich der Chance annimmt und das Thema auch im maritimen Bereich
(Stichwort „Maritim 4.0“) weiter verfolgt. Es ist davon auszugehen, dass die mit dem
Prozess der Digitalisierung verbundenen Themen wie etwa die zunehmende Vernet-
zung der Verkehrsmittel, Automatisierungsprozesse oder größere Verfügbarkeit diver-
ser Arten von Daten zukünftig deutlich an Bedeutung zunehmen werden. Viele wich-
tige, aber bisher unbeantwortete Fragen, etwa nach einem verbindlichen Datenschutz
oder der Datensicherheit, sind bis dahin dringend zu beantworten.
Die Digitalisierung in der Seeschifffahrt kann eine Chance sein, die Schifffahrt effizi-
enter zu gestalten und dadurch die Ressourcen zu schonen und einen Beitrag zum Kli-

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maschutz zu leisten. Die digitalisierten Prozesse wie 3-D-Druck können bei intelligen-
ter Verwendung nachhaltiger Materialien gleichzeitig dazu beitragen, Transporte und
Energieeinsatz zu reduzieren oder ganz zu vermeiden.
Der Prozess der Digitalisierung schreitet in der maritimen Branche voran. Zum Bei-
spiel Finnland hat 2030 als Ziel für das erste autonome Handelsschiff ausgerufen. Die
Fragen werden vor allem sein: Wie gestalten wir den Rahmen, wie bereiten wir uns
ausreichend darauf vor, sind wirklich alle Entwicklungen der Digitalisierung sinnvoll
und wie finden wir Antworten auf die sich abzeichnenden Entwicklungen auf dem
maritimen Arbeitsmarkt?
Deutschland muss in Abstimmung mit seinen europäischen Nachbarn und in der See-
schifffahrt vor allem auch mit seinen internationalen Partnern technische Standards
festlegen. Die bisher zu beobachtenden nationalen Egoismen müssen beendet werden.
Zudem werden internationale Arbeitnehmerstandards von immer größerer Bedeutung,
auch für die gesamte maritime Branche, denn die gesellschaftlichen Auswirkungen der
Digitalisierung auch im maritimen Umfeld sind bisher weder detailliert erforscht wor-
den, noch spiegeln sich diese in der internationalen Politik wider.
Auch die flächendeckende Breitbandversorgung wird eine entscheidende Rolle ein-
nehmen, wenn es darum geht, an welcher Stelle Deutschland im Konzert der wichtigen
maritimen Standorte weiter mitspielen möchte. Vor allem die Häfen als Schnittstelle
zwischen Land- und Seeverkehr sind auf eine qualitativ hochwertige Breitbandversor-
gung mit perspektivischen Up- und Downloadraten im Gigabitbereich und ein funkti-
onierendes Mobilfunknetz angewiesen. Doch viele deutsche Seehäfen befinden sich
bezüglich einer digitalen Infrastruktur aktuell in deutlich unterversorgten Gebieten.
Hier muss die Bundesregierung zusammen mit den Ländern und Kommunen den Aus-
bau deutlich intensivieren und vor allem auf zukunftsfähige Technologien wie Glasfa-
ser setzen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

1.) für einen Klima- und Umweltschutz in der Seeschifffahrt die Entwicklung effi-
zienten Schiffs- und Flottenmanagements zu beobachten und die Rahmenbedin-
gungen einschließlich der nationalen, europäischen und vor allem internationalen
Umweltgesetzgebung entsprechend anzupassen;

2.) endlich in den internationalen Gremien dafür zu sorgen, weltweit geltende Rege-
lungen für die Begrenzung von Luftschadstoffemissionen wie CO2, Stickoxiden
oder Feinstaub festzulegen;

3.) in Zusammenarbeit mit den Bundesländern die Verkehrsträger an der Schnitt-
stelle Seehäfen besser miteinander zu vernetzen, auch die seewärtigen Zufahrten
von sogenannten außergewöhnlich großen Fahrzeugen (AGF; gemäß Schiff-
fahrtsrecht) besser zu koordinieren und dadurch zukünftige Flussvertiefungen an
Elbe, Weser oder Ems zu vermeiden;

4.) die Verwaltung des Bundes an die Erfordernisse der digitalen Entwicklung nach
dem Vorbild von „Open- und E-Government“ konsequent anzupassen und dabei
insbesondere
a. das europäische „Single Maritime Window“ als digitalisierten Rahmen für

Fracht- und Zollpapiere im Seeverkehr weiterzuentwickeln,
b. Crew- und Schiffspapiere zu digitalisieren und Meldeprozesse deutlich zu

vereinfachen;
5.) Forschung und Entwicklung im Bereich der Digitalisierung in der Seeschifffahrt

sowie zu den möglichen Auswirkungen des zukünftigen Digitalisierungsprozes-
ses weiter zu fördern und dabei insbesondere den Schwerpunkt zu legen auf

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a. eine zukunftsfähige maritime Ausbildung in Zusammenarbeit mit den Län-
dern,

b. Auswirkungen auf die maritimen Arbeitsplätze und Empfehlung und Um-
setzung möglicher Konsequenzen,

c. die Steigerung der Innovationsfähigkeit in der maritimen Wirtschaft
Deutschlands durch ein koordiniertes Wissensmanagement;

6.) Schlüsse aus der steigenden Datenverfügbarkeit u. a. für die Seenotrettung und
die Zusammenarbeit der nationalen europäischen Küstenwachen sowie der Euro-
päischen Agentur für Sicherheit im Seeverkehr (EMSA) zu ziehen;

7.) den Breitband- und Mobilfunkausbau deutlich zu intensivieren, insbesondere in
den Häfen und deren Umgebung, um die Vernetzung zwischen den Verkehrsträ-
gern an der Schnittstelle von Land- und Schiffsverkehr zu ermöglichen und den
Begriff „digitales Hochgeschwindigkeitsnetz“ konsequent an die aktuellen Erfor-
dernisse anzupassen;

8.) in Absprache mit Beteiligten jeweils auf nationaler, europäischer und internatio-
naler Ebene einheitliche Standards für die Digitalisierung auch in der maritimen
Wirtschaft, der maritimen Arbeitswelt oder der maritimen Sicherheit festzulegen;

9.) das 2014 verabschiedete deutsche Seehandelsrecht sowie die Schifffahrtsgesetz-
gebung in Bezug auf die veränderten Verhältnisse und Transportgewohnheiten zu
überprüfen und entsprechend zu aktualisieren;

10.) die Auswirkungen des Prozesses der Digitalisierung vieler seeverkehrs- und ha-
fenwirtschaftlicher Bereiche auf die Gesellschaft zu beobachten und Anpassun-
gen unter Beachtung der Nachhaltigkeitsaspekte vorzunehmen;

11.) bei allen genannten Punkten den Datenschutz konsequent zu gewährleisten und
die Voraussetzungen zu schaffen, um Datensicherheit zu ermöglichen.

Berlin, 28. März 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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