BT-Drucksache 18/11729

Radverkehr konsequent fördern

Vom 29. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11729
18. Wahlperiode 29.03.2017
Antrag
der Abgeordneten Matthias Gastel, Stephan Kühn (Dresden), Markus Tressel,
Dr. Valerie Wilms, Annalena Baerbock, Harald Ebner, Kai Gehring, Bärbel
Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke, Nicole
Maisch, Peter Meiwald, Friedrich Ostendorff, Dr. Julia Verlinden und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Radverkehr konsequent fördern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In Deutschland fahren 50 Millionen Menschen Fahrrad, etwa 11 Millionen davon täg-
lich. E-Bikes erhöhen den Radius des Rades und erschließen neue Zielgruppen. So
wird Radfahren auch für weniger sportliche Menschen, in ländlichen Räumen sowie
bergigen Regionen attraktiver. Die Fahrradwirtschaft und der Fahrradtourismus si-
chern in Deutschland knapp 300.000 Arbeitsplätze, viele davon im örtlichen Fachhan-
del (vgl. www.vsf.de/gesellschaft-und-umwelt/fuer-mehr-fahrrad/).
Mit dem Abschluss des Klimaschutzabkommens von Paris stellen sich der Verkehrs-
politik in Deutschland gewaltige Herausforderungen. Mobilität muss neu gestaltet
werden, damit der Verkehrssektor endlich seinen Beitrag leisten kann, um die verein-
barten Klimaziele zu erreichen. Der Radverkehr kann hierbei eine wichtige Rolle spie-
len, wenn die verkehrspolitischen Rahmenbedingungen stimmen. Denn Radfahren ist
emissionsfrei und leise. Wo Fahrräder gut und sicher unterwegs sein können, vermin-
dern sie die Verkehrsdichte und reduzieren Staus und Abgase. Das ist nicht nur gut für
die Luftreinhaltung in Städten, sondern bringt auch diejenigen besser voran, die auf
das Auto angewiesen sind.
Städte wie Kopenhagen, Amsterdam oder Portland im US-Bundesstaat Oregon haben
vorgemacht, dass sich die Lebensqualität erhöht, wenn die Stadtentwicklung auf mehr
Radverkehr setzt. Radfahren hält die Menschen fit und senkt öffentliche Gesundheits-
ausgaben. Vergleichsweise sparsam ist das Fahrrad auch beim Unterhalt sowie bei den
Kosten für seine Infrastruktur.
Nach einer aktuellen Umfrage des Umweltbundesamts wünscht sich die große Mehr-
heit der Menschen eine Verkehrspolitik, die in Städten stärker auf ÖPNV, Fuß- und
Radverkehr setzt und sich weniger an den Bedürfnissen des Autoverkehrs ausrichtet.
In Berlin-Brandenburg ist mehr als die Hälfte der ADAC-Mitglieder dafür, den Rad-
verkehr zu stärken und ihm „wesentlich mehr Verkehrsraum“ zur Verfügung zu stel-
len. Der „Volksentscheid Fahrrad“ in Berlin ist ein Zeichen, dass die Menschen in den
Städten einen Mobilitätswandel befürworten, und hat deutschlandweit Signalwirkung.
Trotzdem genießen die Verkehrsmittel des Umweltverbunds bei der Bundesregierung
keine Priorität. Anstatt den Radverkehr konsequent zu fördern und den Radfahrtrend

https://www.vsf.de/gesellschaft-und-umwelt/fuer-mehr-fahrrad/
Drucksache 18/11729 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
sicher zu gestalten, schiebt die Bundesregierung Ländern und Kommunen einseitig die
Verantwortung zu. Vor Jahren hat die Bundesregierung zwar den Nationalen Radver-
kehrsplan (NRVP) fortgeschrieben, aber eine engagierte Umsetzung sucht man ver-
geblich. Der Etat des Bundesverkehrsministeriums fließt weitgehend in den motori-
sierten Straßenverkehr und bei der Förderung der Elektromobilität beschränkt sich die
Bundesregierung allein auf E-Autos. Im Bundesverkehrswegeplan 2030 wurden keine
konkreten Fahrradprojekte berücksichtigt.
Das Straßenverkehrsrecht ist veraltet und blockiert den Wandel der Mobilität. Die
Radinfrastruktur befindet sich vielerorts in einem unzureichenden Zustand. Während
für Autofahrer meist problemlos zu erkennen ist, wo gefahren werden muss, finden
Radfahrer einen schwer verständlichen Flickenteppich von Führungsformen vor: von
schmalen Bordsteinradwegen mit oder ohne Benutzungspflicht über konfliktträchtige
gemeinsame Geh- und Radwege bis hin zu häufig zugeparkten Schutzstreifen oder
gänzlich fehlender Radinfrastruktur.
Die Kombination von lückenhafter Radinfrastruktur und komplizierten Radverkehrs-
regeln bremst den Radverkehr nicht nur aus, sondern ist auch brandgefährlich. Im
Durchschnitt stirbt in Deutschland pro Tag etwa ein Radfahrer, alle sieben Minuten
wird einer verletzt. Im Unterschied zum Autoverkehr ist die Zahl der verunglückten
Radfahrer in den letzten Jahren nicht zurückgegangen. Die Hälfte aller Radfahrerinnen
und Radfahrer fühlt sich im deutschen Straßenverkehr nicht sicher. Ein besonders ho-
hes Unfallrisiko besteht für Ältere: Zwischen 1991 und 2015 hat sich die Zahl der über
65-jährigen verunglückten Radfahrer mehr als verdoppelt. Bei Kollisionen mit Kraft-
fahrzeugen ist in 75 Prozent der Fälle der Autofahrer schuld, bei den Lkws sind es
sogar 80 Prozent. Etliche dieser Kollisionen ließen sich durch eine bessere Infrastruk-
tur und moderne Technik verhindern. Daher fordern inzwischen auch Autoclubs und
der Deutsche Verkehrsgerichtstag ein besseres Radwegenetz und eine neue Verkehrs-
planung (www.deutscher-verkehrsgerichtstag.de/images/empfehlungen_pdf/empfeh-
lungen_55_vgt.pdf).
Radfahren in Deutschland darf keine Abenteuerlust erfordern und muss für alle Men-
schen leichter, bequemer und sicherer werden. Dafür muss die Bundesregierung stär-
ker als bisher Verantwortung übernehmen und den Radverkehr in Zusammenarbeit mit
den Ländern und Kommunen konsequenter fördern. Denn sie ist für Klima- und Um-
weltschutz sowie für die Verkehrssicherheit zuständig. Die Bundesregierung muss die
verkehrsrechtlichen Rahmenbedingungen auf den Prüfstand stellen und sich stärker
am Ausbau der Radinfrastruktur sowie der Mobilitätsbildung beteiligen, damit auch
Kinder und ältere Menschen sicher Radfahren können. Gebraucht wird ein intuitiv ver-
ständliches, durchgängiges Radverkehrssystem mit großzügigen Abmessungen, das
dem wachsenden Radverkehr gerecht wird. Radverkehrsförderung darf nicht zulasten
des Fußverkehrs gehen, sondern muss für eine Gleichberechtigung der Verkehrsarten
sorgen und vernetzte Mobilität fördern. Die Bundesregierung muss die positive Ent-
wicklung des Radverkehrs der letzten Jahre aufgreifen und die Potenziale des Fahrrads
für ein klima- und menschenfreundliches Mobilitätssystem ausschöpfen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1.) durch folgende Maßnahmen den Ausbau einer sicheren Fahrradinfrastruktur vo-
ranzutreiben:
a. die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen der Forschungsgesellschaft für

Straßen- und Verkehrswesen (ERA 2010) als verbindlichen Qualitätsstan-
dard für mit Bundesmitteln finanzierte Radwege definieren und dessen Ein-
haltung kontrollieren;

b. regelmäßig und bundeseinheitlich den Zustand der Radwege in der Baulast
des Bundes erfassen;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11729

c. Lücken bei länderübergreifenden Radverkehrsanlagen in der Baulast des
Bundes untersuchen, sukzessive schließen und in Zusammenarbeit mit den
Ländern und Kommunen den Finanzbedarf für die Investitionen in die Rad-
infrastruktur in den kommenden zehn Jahren ermitteln;

d. im Haushaltsentwurf des Verkehrsressorts 200 Millionen Euro pro Jahr für
Radwege an Bundesstraßen einstellen;

e. im Haushaltsentwurf des Verkehrsressorts 100 Millionen Euro pro Jahr für
die Mitfinanzierung von Radschnellwegen einstellen und in Absprache mit
den Bundesländern bundeseinheitliche Standards für Radschnellwege defi-
nieren;

f. sich stärker an der Gemeindeverkehrsfinanzierung beteiligen, den Umwelt-
verbund stärker unterstützen und die Mittelzuweisung auf den Radverkehr
ausdehnen;

2.) durch folgende Maßnahmen das Straßenverkehrsrecht zu modernisieren:
a. eine umfassende Novelle der Straßenverkehrsordnung entwerfen und stärker

an öffentlichem Verkehr, Rad- und Fußverkehr sowie weiteren umwelt-
freundlichen Mobilitätsformen ausrichten;

b. sich auch auf europäischer Ebene für verpflichtende Abbiegeassistenzsys-
teme für Lkws einsetzen;

c. radfahrenden Kindern unter zehn Jahren und ihren Aufsichtspersonen die
Wahlfreiheit geben, ob sie gemeinsam auf Radwegen oder auf dem Gehweg
fahren;

d. Kommunen ermöglichen,
i. innerorts auf allen Straßen eigenständig und unbürokratisch über die

Einführung von Tempo 30 zu entscheiden;
ii. einen Rechtsabbiegepfeil für Radfahrende einzusetzen, um Abbiegeun-

fälle zu verhindern und den Verkehrsfluss zu erhöhen;
iii. geeignete Radschnellwege sowie gut ausgebaute außerörtliche Rad-

wege für S-Pedelecs freizugeben;
e. den bereits vor Jahren abgeschlossenen Modellversuch „Schutzstreifen au-

ßerorts“ umgehend abschließend bewerten und bei positivem Ergebnis die
Markierung von Schutzstreifen außerorts ermöglichen;

3.) den nationalen Radverkehrsplan konsequent umzusetzen und um das Ziel zu er-
gänzen, den Radverkehrsanteil in Deutschland bis zum Jahr 2030 auf 25 Prozent
aller Wege zu erhöhen;

4.) ein zeitlich befristetes Förderprogramm für E-Lastenrad-Sharing-Konzepte auf-
zulegen, das den Aufbau von bis zu 2.000 E-Lastenrad-Verleihstationen und die
Anschaffung von insgesamt bis zu 10.000 E-Lastenrädern, die einer unbestimm-
ten Anzahl von Nutzern zur Verfügung stehen, mit 1.000 Euro je E-Lastenrad
unterstützt;

5.) die Deutsche Bahn AG als ihr Eigentümer zu verpflichten, in allen ihren Zügen
die Fahrradmitnahme zu ermöglichen und darauf hinzuwirken, dass insbesondere
an Bahnhöfen mehr sichere Abstellanlagen und Fahrradverleihsysteme entstehen;

6.) den Beschäftigten des Bundes die Nutzung von Dienstfahrrädern und Dienstrad-
leasing zu ermöglichen.

Berlin, den 7. März 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Drucksache 18/11729 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Begründung

Zu 1.) Eine flächendeckende intakte Radinfrastruktur und Radschnellwege sind eine gemeinsame Aufgabe von
Bund, Ländern und Kommunen. Mehrinvestitionen in eine bessere Radinfrastruktur sind auch nötig, weil die
Elektrifizierung das Fahrrad schneller macht und Lastenräder breitere Wege benötigen. Die ERA 2010 würde als
verpflichtender Qualitätsstandard für mit Bundesmitteln finanzierte Radwege für sichere, komfortable und ein-
heitliche Radwege an den Bundesstraßen sorgen. Sichere und komfortable Radwege werden freiwillig genutzt
und benötigen keine Benutzungspflicht.
Im Gegensatz zu Bundesstraßen und Schienenwegen unternimmt die Bundesregierung bei Radwegen in ihrer
Baulast keine Zustandserfassung und ermittelt keine Investitionsbedarfe. Im NRVP hat die Bundesregierung an-
gekündigt, die Lücken im länderübergreifenden Radverkehrsnetz zu ermitteln und zu schließen sowie in Zusam-
menarbeit mit den Ländern und Kommunen den Finanzbedarf für die Investitionen in die Radinfrastruktur in den
kommenden zehn Jahren zu untersuchen (vgl. NRVP, S. 19, 62).
Für Autobahnen und Bundesstraßen hat die große Koalition 2016 über 6 Milliarden Euro bereitgestellt. Für
Radwege an Bundesstraßen stellte sie mit 98 Millionen Euro weniger als im Jahr 2002 bereit. Eine schrittweise
Erhöhung dieser Mittel auf 200 Millionen Euro pro Jahr ist nötig, um die Radinfrastruktur auszubauen und im
Rahmen einer bundesweiten Netzplanung überregionale Radverkehrsverbindungen zu errichten. Neben unmit-
telbar an Bundesfernstraßen gelegenen Radwegen kann die Bundesregierung auch funktional einer Bundesstraße
zugeordnete Radwege finanzieren.
Radschnellwege können Straßen entlasten und Staus vermeiden. Eine Befragung der Bundesländer hat den Be-
darf von mindestens 83 Radschnellwegen ermittelt, die durchschnittlich 15 Millionen Euro kosten und 21 Kilo-
meter lang sind (vgl. BT-Drs. 18/11223). Das bekannteste Beispiel ist der RS1 von Duisburg nach Hamm mit
einer geplanten Länge von 100 Kilometern und Kosten von 184 Millionen Euro. Die Erhöhung der Mittel des
Bundes für Radschnellwege von 25 auf mindestens 100 Millionen Euro pro Jahr würde der dynamischen Be-
darfsentwicklung gerecht und eine zügige Umsetzung von Radschnellwegprojekten ermöglichen. Norwegen in-
vestiert bei nur fünf Millionen Einwohnern jährlich deutlich mehr als 100 Millionen Euro in Radschnellwege,
um Mobilität ohne weiteres Autowachstum sicherzustellen.
In Ballungszentren ereignen sich viele schwere Fahrradunfälle. In ihrer Verantwortlichkeit für die Verkehrssi-
cherheit und den Klimaschutz kann die Bundesregierung Kommunen unterstützen, gefährliche Verkehrsführun-
gen zu beheben, sich stärker an der Gemeindeverkehrsfinanzierung beteiligen und die zweckgebundenen Mittel-
zuweisungen auf den Radverkehr ausdehnen.

Zu 2.) Das deutsche Straßenverkehrsrecht ist in einer Zeit entstanden, in der die Vorfahrt für das Auto als fort-
schrittlich galt. Eine umfassende Reform der StVO ist nötig, weil der Rechtsrahmen dem Mobilitätsverhalten der
Menschen nicht mehr entspricht. Im NRVP hat die Bundesregierung angekündigt, den Rechtsrahmen im Hinblick
auf die Verbesserung der Verkehrssicherheit und die Förderung des Radverkehrs zu überprüfen (vgl. NRVP,
S. 26).
Tempo 30 erhöht die Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmer, vermindert Lärm und sorgt für einen besseren
Verkehrsfluss. Ab Tempo 30 steigt die Unfallschwere dramatisch an. Daher sollten die Kommunen innerorts
überall eigenständig und unbürokratisch über die Einführung von Tempo-30-Geschwindigkeitsbegrenzungen
entscheiden können. Die von Bundesregierung und Bundesrat Ende 2016 beschlossene Änderung der StVO er-
leichtert Kommunen lediglich die Anordnung von Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen vor speziellen Einrich-
tungen wie Grundschulen und Altenheimen.
Abbiegeunfälle von Lkw, Bussen und Pkw unter Missachtung der Vorfahrt von Radfahrern und Fußgängern
haben schwerste Folgen: 90 Prozent der Unfallopfer sterben oder erleiden schwere Verletzungen. Herkömmliche
Sicherheitsmaßnahmen wie zusätzliche Spiegel oder ein seitlicher Unterfahrschutz zeigen keine große Wirkung.
Ein Abbiegeassistent für Lkws könnte mehr als 40 Prozent aller Unfälle mit Radfahrern und Fußgängern verhin-
dern (https://udv.de/de/nutzfahrzeuge/lkw/abbiegeassistent-fuer-lkw). Im NRVP hat die Bundesregierung ange-
kündigt, darauf hinzuwirken, dass die Kfz-Hersteller Abbiegeassistenz-Systeme frühzeitig vor Inkrafttreten einer
Ausrüstungspflicht in ihre Fahrzeuge einbauen (vgl. NRVP, S. 34).
Ein Rechtsabbiegepfeil nur für Radfahrer kann dazu beitragen, Abbiegeunfälle zu verhindern und den Verkehrs-
fluss zu erhöhen. Er verringert die Wahrscheinlichkeit, dass Radfahrende von Kfz-FahrerInnen im toten Winkel

https://udv.de/de/nutzfahrzeuge/lkw/abbiegeassistent-fuer-lkw
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11729
übersehen werden. Dabei muss sichergestellt sein, dass der Fußverkehr immer Vorrang hat. In Frankreich, Bel-
gien, den Niederlanden und der Schweiz hat sich der Rechtsabbiegepfeil für Radfahrer bereits bewährt. In
Deutschland gibt es nicht nur Unterstützung aus der Fahrradszene, sondern auch in der Bevölkerung und aus den
Reihen der Polizei.
Damit Kindern das Radfahren beigebracht werden kann und Eltern und Kinder unkompliziert und sicher zusam-
men Fahrrad fahren können, müssen sie die Möglichkeit haben, auf einer Fahrbahn unterwegs zu sein. Grundvo-
raussetzung hierfür sind eine familienfreundliche Infrastruktur sowie familienfreundliche Verkehrsregeln. Ge-
mäß der Änderung der StVO vom 14. Dezember 2016 dürfen Kinder unter acht Jahren gemeinsam mit einer
Aufsichtsperson auf Gehwegen und baulich von der Straße getrennten Radwegen fahren. Auf Radfahr- und
Schutzstreifen dürfen sie jedoch nicht gemeinsam fahren.
Die Kommunen kennen die Verkehrslage vor Ort im Detail und können am besten beurteilen, ob ein Radschnell-
weg oder gut ausgebauter außerörtlicher Radweg für schnelle Pedelecs freigegeben werden sollte.
Schutzstreifen können dazu beitragen, kurzfristig eine Verbesserung der Radverkehrsbedingungen zu erzielen.
Außerorts sind Schutzstreifen verboten, ohne dass es hierfür belastbare Gründe gibt (vgl. www.agfk-niedersach-
sen.de/arbeitsgruppen/schutzstreifen-ausserorts.html). Schutzstreifen sind außerorts relevant, weil sie günstiger
sind als getrennte Radwege und getrennte Radwege aus technischen oder umweltrechtlichen Gründen außerorts
oft nicht in Frage kommen. Die Bundesregierung hat im Jahr 2013 den „Modellversuch zur Abmarkierung von
Schutzstreifen außerorts und zur Untersuchung der Auswirkungen auf die Sicherheit und die Attraktivität im
Radverkehrsnetz“ angestoßen. Obwohl der Modellversuch bereits im Dezember 2014 abgeschlossen wurde, lie-
gen weder ein Abschlussbericht noch Informationen über die Konsequenzen aus dem Versuch vor.

Zu 3.) Der am 6. September 2012 von der Bundesregierung beschlossene NRVP 2020 (www.bmvi.de/Shared-
Docs/DE/Anlage/VerkehrUndMobilitaet/Fahrrad/nationaler-radverkehrsplan-2020.pdf?__blob=publicationFile)
kündigt eine Reihe von Maßnahmen an, um den Radverkehr in Deutschland sicherer und attraktiver zu machen.
Bislang wurde davon nur wenig umgesetzt. Ausstehend sind beispielsweise die Grundlagenuntersuchung zur
Situation der Radverkehrsförderung in Deutschland, die Erstellung einer Radnetzkarte, aus der die länderüber-
greifenden Lücken im Radverkehrsnetz ersichtlich werden, oder die Untersuchung des Finanzbedarfs für die
Investitionen in die Radinfrastruktur in den kommenden zehn Jahren (vgl. BT-Drs. 18/11297). Der NRVP enthält
eine vage Aussage, dass bis 2020 15 Prozent aller Wege mit dem Rad zurückgelegt werden könnten. Die Ergän-
zung des NRVP um konkrete Ziele, Zwischenziele und Monitoringmaßnahmen ist nötig. In den Niederlanden
hat die systematische Radförderung dazu geführt, dass dort mehr als ein Viertel aller Wege mit dem Rad zurück-
gelegt werden.

Zu 4.) Lastenräder sind vielfältig einsetzbar und bieten große Potenziale für einen nachhaltigen städtischen Gü-
tertransport. Schon heute werden Lastenräder mancherorts erfolgreich eingesetzt, um Pakete direkt an die Haus-
tür zu liefern und Wochenendeinkäufe zu erledigen. Eine Studie im Auftrag der EU hat ermittelt, dass die Hälfte
aller Transporte in europäischen Innenstädten von Lastenrädern übernommen werden könnte (http://cyclelogis-
tics.eu/docs/111/D6_9_FPR_Cyclelogistics_print_single_pages_final.pdf). Für diejenigen, die ein Lastenrad nur
gelegentlich nutzen möchten, sind Sharing-Konzepte besonders interessant. Nach einer Studie des Deutschen
Zentrums für Luft- und Raumfahrt stellt der hohe Anschaffungspreis insbesondere elektrisch unterstützter Las-
tenräder eine erhebliche Marktzugangsbarriere dar. Durch ein zeitlich befristetes Bundesprogramm für die Um-
setzung von Sharing-Konzepten und den Aufbau einer Verleih-Infrastruktur könnten mehr Menschen E-Lasten-
räder nutzen.

Zu 5.) Eine gute Verknüpfung von Rad- und öffentlichem Verkehr ist gerade für ländliche Räume wichtig und
kann die Belastungen, die tägliches Pendeln mit dem Pkw hervorruft, vermindern. Deutschlandweit steigt der
Anteil der Wege, bei denen der öffentliche Verkehr mit dem Fahrrad kombiniert wird. Die Deutsche Bahn ver-
kaufte im Fernverkehr 2016 30 Prozent mehr Fahrradtickets als noch 2013. Ab 2017 können in neuen ICEs
erstmals Fahrräder mitgenommen werden. In älteren ICEs bleibt die Fahrradmitnahme jedoch ausgeschlossen.
Neben Mitnahmemöglichkeiten in Verkehrsmitteln sind öffentliche Fahrradverleihsysteme und sichere Radab-
stellanlagen wichtig, besonders an zentralen Umsteigeplätzen. Leihfahrräder können räumliche und zeitliche Lü-
cken im ÖPNV-Angebot schließen. Eine Studie des InnoZ hat ermittelt, dass an einem Drittel aller Berliner
Bahnhöfe die vorhandenen Radstellplätze überlastet sind (www.innoz.de/en/node/1579).

http://www.agfk-niedersachsen.de/arbeitsgruppen/schutzstreifen-ausserorts.html
http://www.agfk-niedersachsen.de/arbeitsgruppen/schutzstreifen-ausserorts.html
https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/VerkehrUndMobilitaet/Fahrrad/nationaler-radverkehrsplan-2020.pdf?__blob=publicationFile
https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/VerkehrUndMobilitaet/Fahrrad/nationaler-radverkehrsplan-2020.pdf?__blob=publicationFile
http://cyclelogistics.eu/docs/111/D6_9_FPR_Cyclelogistics_print_single_pages_final.pdf
http://cyclelogistics.eu/docs/111/D6_9_FPR_Cyclelogistics_print_single_pages_final.pdf
https://www.innoz.de/en/node/1579
Drucksache 18/11729 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Zu 6.) Mehr als die Hälfte der Arbeitswege in Deutschland sind unter 10 Kilometer lang. Für diese Weglänge
sind Fahrrad und Pedelec die schnellsten Verkehrsmittel (www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/me-
dien/378/publikationen/hgp_e-rad_macht_mobil_-_pelelecs_4.pdf). Beschäftigte, die mit dem Rad zur Arbeit
fahren, sind seltener krank und verringern sowohl für Unternehmen als auch für die Allgemeinheit die Gesund-
heitsausgaben. Trotzdem nutzen zwei Drittel der Menschen das Auto für den Arbeitsweg und nur knapp jeder
Zehnte das Fahrrad. Im NRVP ruft die Bundesregierung die Arbeitgeber auf, „im Rahmen eines betrieblichen
Mobilitätsmanagements nicht zuletzt die Fahrradnutzung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu fördern“ (vgl.
NRVP, S. 53). Gleichwohl hat die Bundesregierung die Anzahl der Diensträder in ihren Ministerien zwischen
Juni 2013 und Oktober 2016 um 85 Prozent verringert und verwehrt den Beschäftigten des Bundes die Möglich-
keit, über Dienstradleasing von der seit 2012 bestehenden steuerlichen Privilegierung von Diensträdern zu pro-
fitieren (vgl. BT-Drs. 18/10085).
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/hgp_e-rad_macht_mobil_-_pelelecs_4.pdf
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/hgp_e-rad_macht_mobil_-_pelelecs_4.pdf
Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.