BT-Drucksache 18/11650

zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD - Drucksache 18/8862 - Sozialen Basisschutz in Entwicklungsländern schaffen

Vom 23. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11650
18. Wahlperiode 23.03.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(19. Ausschuss)

zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
– Drucksache 18/8862 –

Sozialen Basisschutz in Entwicklungsländern schaffen

A. Problem
Das Recht auf soziale Sicherheit ist in der Allgemeinen Erklärung der Menschen-
rechte der Vereinten Nationen (UN) verankert und wurde im Rahmen des Inter-
nationalen UN-Sozialpakts erneut bekräftigt. Die Internationale Arbeitsorganisa-
tion (International Labour Organization, ILO) legte die Mindestnormen der sozi-
alen Sicherung für den formalen Sektor fest, und später wurde in diesem Rahmen
eine Mindestsicherung für alle gefordert. Mit der Verabschiedung der Millenni-
umsentwicklungsziele (Millennium Development Goals, MDGs) strebte man die
Halbierung des Anteils der Hungernden und der unterhalb der Armutsgrenze le-
benden Menschen bis 2015 an.

Dieses Ziel konnte aber nicht erreicht werden, und die UN haben im September
2015 die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung samt der nachhaltigen Ent-
wicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) verabschiedet. Mit der
Umsetzung dieser SDGs soll nun die extreme Armut beseitigt werden, denn noch
immer leben etwa 1,2 Milliarden Menschen von weniger als 1,25 US-Dollar pro
Tag unterhalb der Armutsgrenze. Fast 900 Millionen Menschen hungern, und es
sterben rund 20 000 Menschen täglich an den Folgen von Unterernährung und
vermeidbaren Krankheiten. 73 Prozent der Weltbevölkerung müssen weiterhin
ohne eine umfassende soziale Absicherung leben.

Insbesondere soziale Sicherungssysteme sind nach Auffassung der Antragsteller
ein wichtiges Instrument zur Armutsbekämpfung. Sie können für mehr Chancen-
gleichheit zwischen den Geschlechtern sorgen, wenn sie diskriminierungsfrei an-
gewendet werden, und haben nicht zuletzt produktivitätssteigernde Effekte, för-
dern politische Stabilität und wirtschaftliche Teilhabe. Nach Auffassung der An-
tragsteller bestehe der Basisschutz aus vier Kernelementen, nämlich gesundheit-
liche Grundversorgung für alle, Einkommenssicherheit, Absicherung bei Arbeits-
losigkeit und Geringverdienst sowie Schutz vor Altersarmut.

Drucksache 18/11650 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Studien der ILO zeigen, dass auch in Niedriglohnländern ein Basisschutz finan-
zierbar ist. Grundsätzlich liegt die Finanzierungsverantwortung für die soziale Si-
cherung der Bürger bei den nationalen Regierungen. Diese Verantwortung ist Vo-
raussetzung einer Anschubfinanzierung.

Zu Recht, so die Antragsteller, werde die Einrichtung eines sogenannten UN-
Weltsolidaritätsfonds (Global Fund for Social Protection) zur internationalen Si-
cherstellung der Finanzierung des sozialen Basisschutzes debattiert.

B. Lösung
Annahme des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD bei Stimmenthaltung der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen
Ablehnung des Antrags.

D. Kosten
Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11650
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/8862 anzunehmen.

Berlin, den 8. März 2017

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Dagmar G. Wöhrl
Vorsitzende

Dr. Georg Kippels
Berichterstatter

Stefan Rebmann
Berichterstatter

Heike Hänsel
Berichterstatterin

Uwe Kekeritz
Berichterstatter

Drucksache 18/11650 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Dr. Georg Kippels, Stefan Rebmann, Heike Hänsel und
Uwe Kekeritz

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache 18/8862 in seiner 179. Sitzung am 23.06.2016 beraten
und an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur federführenden Beratung und an
den Auswärtigen Ausschuss, den Haushaltsausschuss, den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
und den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Die Antragsteller fordern unter Berücksichtigung des bestehenden finanziellen Handlungsrahmens von der Bun-
desregierung den Einsatz für den Auf- und Ausbau universeller sozialer Basisschutzsysteme sowie den Aufbau
und die Stärkung von Gesundheitssystemen.

Weiterhin solle die Bundesregierung die Partnerländer beim Aufbau transparenter, effizienter und nachhaltiger
Verwaltungs- und Steuersysteme unterstützen. Hierzu gehöre nach ihrer Auffassung auch die Förderung von
Strukturen zur guten Regierungsführung in den Partnerländern.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Partnerländern bei der Erstellung eines Systems zur Geburtenregist-
rierung behilflich zu sein, denn dieses sei zentral für den Zugang zu sozialen Leistungen.

Die Antragsteller stellen heraus, dass es notwendig sei, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen (Non
Governmental Organisations, NGOs) am Implementierungsprozess zu beteiligen.

Des Weiteren soll sich die Bundesregierung für die Einsetzung des UN-Weltsolidaritätsfonds stark machen und
sie konstruktiv begleiten.

Schließlich stellen die Antragsteller heraus, dass es wichtig sei, dass die Bundesregierung auf europäischer und
internationaler Ebene darauf hinwirke, Ressourcen, Expertise und Kapazitäten zur Unterstützung des Aufbaus
nationaler sozialer Sicherungssysteme effektiv und effizient zu bündeln.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Auswärtige Ausschuss hat die Vorlage 18/8862 in seiner 74. Sitzung am 06.07.2016 beraten und empfiehlt
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD bei Stimmenthaltung der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Antrags.

Der Haushaltsausschuss hat die Vorlage 18/8862 in seiner 81. Sitzung am 22.09.2016 beraten und empfiehlt mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD bei Stimmenthaltung der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Antrags.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe hat die Vorlage 18/8862 in seiner 81. Sitzung am
08.03.2017 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. die Annahme des Antrags.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union hat die Vorlage 18/8862 in seiner 80. Sitzung
am 08.03.2017 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD bei Stimmenthal-
tung der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Antrags.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11650

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat die Vorlage in seiner 79. Sitzung
am 08.03.2017 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD bei Stimmenthal-
tung der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Antrags.

Die Fraktion der CDU/CSU führt aus, dass es ein wenig erstaunlich sei, dass man das Thema des sozialen Ba-
sisschutzes im Kontext von Entwicklungszusammenarbeit (EZ) genau entgegengesetzt zur deutschen Historie
thematisieren könne und müsse. In Deutschland wäre dieser Basisschutz im 19. Jahrhundert eine Reaktion auf die
Industrialisierung gewesen, sei also bereits im fortgeschrittenen Prozess der wirtschaftlichen Entwicklung ent-
worfen worden. Bei der EZ werde dieses Instrument als ein wesentlicher Baustein hin zu einer Förderung des
wirtschaftlichen Aufbaus betrachtet. Man versuche so, der Bevölkerung im Rahmen von Selbständigkeit oder
Beschäftigung eine Absicherung zu ermöglichen, die dann bei Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter greifen
würde. Im Antrag werde zutreffend darauf hingewiesen, dass es große Herausforderungen gebe, sowohl im for-
mellen Sektor als auch im informellen Sektor. Es sei entscheidend, dass man den Vertretern der Partnerländer im
Rahmen der begleitenden Bemühungen immer wieder deutlich mache, dass der Grundgedanke eines sozialen
Basisschutzes in allen Bereichen wichtig sei und aufgenommen werden müsste. Deshalb könnten und dürften alle
Beistandsleistungen immer nur Übergangsbegleitungen sein. Es müsse vor Ort eine dauerhafte Implementierung
in das staatliche System erfolgen. Das sei eine der wichtigsten Informationen, die bei den begleitenden Maßnah-
men erfolgen müsse. Man müsse auch herausfinden, auf welcher Ebene es tatsächlich erfolgversprechend sein
könnte, die eigene Expertise und Kapazitäten für den Aufbau einfließen zu lassen. Da könnten die NGOs, bilate-
rale Regierungsverhandlungen, aber auch die klassischen Sozialversicherungsträger im entwicklungspolitischen
Prozess einen notwendigen Beitrag erbringen, wobei die lokalen Besonderheiten in ausreichendem Maße berück-
sichtigt werden müssten. Der Antrag gehe auf alle wichtigen Punkte ein, und dementsprechend werde die Fraktion
der CDU/CSU ihm zustimmen.

Die Fraktion der SPD unterstreicht, dass sich die Mitglieder des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenar-
beit und Entwicklung (AwZ) einig darin seien, dass sie eine nachhaltige Entwicklung wollten. Man stimme eben-
falls überein, dass eines der Hauptschlüsselelemente die soziale Basisabsicherung sei, zumal 73 Prozent der Welt-
bevölkerung immer noch nicht über einen sozialen Basisschutz verfügen würden. Man habe sich dementsprechend
in dem vorliegenden Antrag darauf konzentriert, wie man einen sozialen Basisschutz auf den Weg bringen könnte.
Mit den 13 Forderungen habe man auch die wichtige europäische Ebene mit einbezogen. Beim sozialen Basis-
schutz sei interessant, in welcher Form die Partnerländer von der Bundesregierung beim Aufbau von Verwaltungs-
und Steuerstrukturen unterstützt würden. Man habe aus Ebola und anderen Krisen gelernt, dass man zwar hand-
lungsfähige und robuste Gesundheitssysteme vor Ort aufbauen könnte, aber die Verwaltungs- und Steuerungs-
strukturen müssten ebenso funktionieren. Man werde zukünftig auf europäischer Ebene eine verstärkte Verzah-
nung vornehmen müssen. Die Fraktion der SPD unterstütze und befürworte den Antrag vollumfänglich.

Die Fraktion DIE LINKE. merkt an, dass man festhalten könne, dass in dem vorliegenden Antrag nichts ganz
Falsches stehe. Man könne feststellen, dass in jeder Legislaturperiode die Forderungen nach Social Protection
Floors gestellt würden, allerdings stehe hier alles unter Finanzierungsvorbehalt. Dieser Satz finde sich als erster
Satz bei den Forderungen, und es sei ein schwaches Zeichen, wenn man das Thema tatsächlich als wichtig erach-
ten würde. Man müsse wissen, dass die Bundesregierung in den letzten Jahren auf europäischer Ebene alles dafür
getan habe, die sozialen Sicherungssysteme, beispielsweise in Griechenland, durch die Austeritätspolitik massiv
zu schwächen. Jeder vierte Grieche sei mittlerweile nicht mehr krankenversichert, es gebe nur noch Notfall- oder
Solidaritätskliniken, und die griechische Bevölkerung sei auf den Stand eines Entwicklungslandes zurückgewor-
fen worden. Anspruch und Realität würden also weit auseinander klaffen. Die Schwäche des Antrages liege im
fehlenden Bezug zum aktuellen Handeln, wie sich in der gegenwärtigen Handelspolitik zeige. Die Fraktion DIE
LINKE. habe immer kritisiert, dass man beim Aufbau sozialer Sicherungssysteme durch kleine Projekte oder
private Mikrofinanzierungen nicht weiter komme. Sie würden nämlich kein Ersatz für eine nationale Renten- und
Gesundheitsversicherung sein. Für einen solchen Sozialstaat benötige der Staat Einnahmen, die er aus Steuern
und Zöllen, wie in Entwicklungsländern üblich, generiere. Es stelle ein Riesenproblem für diejenigen Staaten dar,
die 30 bis 40 Prozent ihres Staatshaushaltes durch Zolleinnahmen bestreiten würden, wenn mit Wirtschaftspart-

Drucksache 18/11650 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
nerschaftsabkommen die Zölle um 80 bis 90 Prozent abgebaut würden. So könnten sie keine sozialen Sicherungs-
systeme stärken, und auch die Kompensationszahlungen würden das nicht ausgleichen können. Die Fraktion DIE
LINKE. werde sich bei dem vorliegenden Antrag enthalten, da nichts Falsches enthalten sei.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN weist darauf hin, dass sie unterstreichen wolle, dass in dem Antrag
nichts Falsches stehe. Er beinhalte vielmehr eine Zusammenstellung von Fakten, die seit Jahren bekannt seien.
Insofern tendiere der Neuigkeitswert gegen Null. Es würden Bezüge hergestellt zur Menschenrechtskonvention,
zum Sozialpakt der UN von 1966, zu den Kernarbeitsnormen der ILO; man beziehe sich außerdem auf Busan,
Accra und Paris, und schließlich werde die Bundesregierung gebeten unter Berücksichtigung des bestehenden
Finanzrahmens in diesem Sinne zu arbeiten. Das sei problematisch, da eine Konkretisierung nirgendwo gegeben
sei. Ohne zusätzliche finanzielle Mittel würden die Forderungen größtenteils ins Leere laufen. Die Registrierung
von Geburten sei ein neuer Aspekt, der wichtig sei. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werde sich bei
dem Antrag enthalten.
Berlin, den 8. März 2017

Dr. Georg Kippels
Berichterstatter

Stefan Rebmann
Berichterstatter

Heike Hänsel
Berichterstatterin

Uwe Kekeritz
Berichterstatter

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