BT-Drucksache 18/11646

a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksachen 18/11237, 18/11536 - Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes b) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Herbert Behrens, Sabine Leidig, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/11012 - Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Gesetzes über die Erhebung einer zeitbezogenen Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen (Infrastrukturabgabenaufhebungsgesetz - InfrAGAufhG)

Vom 22. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11646

18. Wahlperiode 22.03.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur (15. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung

– Drucksachen 18/11237, 18/11536 –

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes

b) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Herbert Behrens, Sabine Leidig,

Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 18/11012 –

Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Gesetzes über die Erhebung einer
zeitbezogenen Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen
(Infrastrukturabgabenaufhebungsgesetz ‒ InfrAGAufhG)

A. Problem

Zu a)

Gegen das „Gesetz zur Einführung einer Infrastrukturabgabe für die Benutzung
von Bundesfernstraßen“ hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfah-
ren eingeleitet, bis zu dessen Ende und Bestätigung der EU-Rechtskonformität
der praktische Vollzug des Gesetzes aufgeschoben ist. Am 1. Dezember 2016
wurde in Brüssel eine Einigung zwischen Deutschland und der EU-Kommission
erzielt. Diese soll umgesetzt werden und es soll zeitnah mit der Erhebung der Inf-
rastrukturabgabe in Deutschland begonnen werden. Dazu soll die Staffelung der
Kurzzeitvignetten und deren Tarifhöhe noch stärker an den Vorgaben des Artikel
7a der Richtlinie 1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung
bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge ausgerichtet werden.
Zudem sollen die im Kraftfahrzeugsteuergesetz aufgenommenen Steuerentlas-
tungsbeträge für die emissionsärmsten Fahrzeuge erhöht werden, um nicht nur

Drucksache 18/11646 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

einen „angemessenen Ausgleich“ i.S. des Art. 7k der genannten Richtlinie vorzu-
sehen, sondern auch eine noch stärkere ökologische Lenkungswirkung zu erzie-
len.

Zu b)

Die Initianten haben einen Gesetzentwurf eingebracht, in dem sie unter anderem
die Auffassung vertreten, eine Beibehaltung der gesetzlichen Regelungen zur
Pkw-Maut würde den bereits angerichteten außenpolitischen Schaden für die
Bundesrepublik Deutschland weiter vergrößern, eine mit Brüssel abgestimmte
praktische Einführung einer EU-rechtswidrigen Maut sei darüber hinaus ein fata-
ler Präzedenzfall, der die Durchsetzung der primärrechtlichen Grundlagen der Eu-
ropäischen Union in Frage stelle. Zudem sei die Einnahmeprognose für die ge-
plante Pkw-Maut nicht haltbar und die stärkere Entlastung von Halterinnen und
Haltern besonders emissionsarmer Fahrzeuge werde die jährlichen Einnahmen
weiter schmälern. Es sei inzwischen davon auszugehen, dass die Pkw-Maut zum
„Zuschussgeschäft“ werde. Da die Pkw-Maut auch ungeachtet geringfügiger Än-
derungen im Nachgang des von der Bundesregierung mit der EU-Kommission
geschlossenen Kompromisses die Beziehungen zu den Nachbarstaaten schwer be-
laste und zu einer haushälterischen Belastung zu werden drohe, sei die umgehende
Aufhebung der gesetzlichen Grundlage der Pkw-Maut geboten.

B. Lösung

Zu a)

Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes hinsichtlich der Preise für die Kurz-
zeitvignetten (die Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes hinsichtlich der
Höhe der Steuerentlastungsbeträge soll mit einem separaten Gesetz erfolgen).

Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksachen 18/11237, 18/11536 in unver-
änderter Fassung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN.

Zu b)

Ablehnung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/11012 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Zu a)

Ablehnung des Gesetzentwurfs.

Zu b)

Annahme des Gesetzentwurfs.

D. Kosten

Zu a) und b)

Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11646

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Gesetzentwurf auf Drucksachen 18/11237, 18/11536 unverändert anzu-
nehmen;

b) den Gesetzentwurf auf Drucksache 18/11012 abzulehnen.

Berlin, den 22. März 2017

Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur

Martin Burkert
Vorsitzender

Steffen Bilger
Berichterstatter

Herbert Behrens
Berichterstatter

Drucksache 18/11646 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Steffen Bilger und Herbert Behrens

I. Überweisung

Zu a)

Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf auf Drucksache 18/11237 in seiner 222. Sitzung am 10. März
2017 beraten und an den Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur zur federführenden Beratung sowie an
den Finanzausschuss und an den Haushaltsausschuss zur Mitberatung überwiesen. Der Parlamentarische Beirat
für nachhaltige Entwicklung hat sich gutachtlich beteiligt.

Die Unterrichtung durch die Bundesregierung „Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturab-
gabengesetzes ‒ Drucksache 18/11536 ‒ Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregie-
rung“ hat der Deutsche Bundestag in der 224. Sitzung am 22. März 2017 an den Ausschuss für Verkehr und
digitale Infrastruktur zur federführenden Beratung, sowie an den Finanzausschuss und an den Haushaltsausschuss
zur Mitberatung überwiesen.

Zu b)

Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf auf Drucksache 18/11012 in seiner 222. Sitzung am
10. März 2017 beraten und an den Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur zur federführenden Beratung
sowie an den Finanzausschuss und an den Haushaltsausschuss zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

Zu a)

Der Gesetzentwurf beinhaltet im Wesentlichen eine Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes hinsichtlich der
Preise für die Kurzzeitvignetten. Die Staffelung der Kurzzeitvignetten und deren Tarifhöhe sollen noch stärker an
den Vorgaben des Artikel 7a der Richtlinie 1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung
bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge ausgerichtet werden.

Zu b)

Der Gesetzentwurf beinhaltet die Aufhebung des Infrastrukturabgabengesetzes vom 8. Juni 2015, sowie Folgeän-
derungen dazu.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Zu a)

Der Finanzausschuss hat den Gesetzentwurf auf Drucksachen 18/11237, 18/11536 in seiner 105. Sitzung am
22. März 2017 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stim-
men der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie einzelner Abgeordneter aus der Frak-
tion der SPD dessen Annahme.

Der Haushaltsausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 100. Sitzung am 22. März 2017 beraten und empfiehlt
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dessen Annahme.

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung hat zu dem Gesetzentwurf folgende gutachtliche
Stellungname (Ausschussdrucksache 18(23)99-22 übermittelt:

„Im Rahmen seines Auftrags zur Überprüfung von Gesetzentwürfen und Verordnungen der Bundesregierung auf
Vereinbarkeit mit der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie hat sich der Parlamentarische Beirat für nachhaltige

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11646

Entwicklung gemäß Einsetzungsantrag (BT-Drs. 18/559) in seiner 59. Sitzung am 8. März 2017 mit dem Entwurf
eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes (Drs. 18/11237) befasst.

Folgende Aussagen zur Nachhaltigkeit wurden in der Begründung des Gesetzentwurfes getroffen:

„Die Maßnahme berücksichtigt in ihrer Folge die Ziele der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit

und damit auch der sozialen Verantwortung sowie den Umweltschutz im Sinne einer Nachhaltigkeitsstrategie.

Die Sicherung des Verkehrs und seiner Infrastruktur über eine gerechte Nutzerfinanzierung sind unerlässliche
Voraussetzungen für eine funktionierende Wirtschaft.

Die besonders günstige Infrastrukturabgabe für abgabepflichtige Fahrzeuge der Emissionsklasse Euro 6 sowie die
Differenzierung der Vignettenpreise nach der Schadstoffintensität der Fahrzeuge bieten einen Anreiz, möglichst
emissionsarme Pkw einzusetzen.

Es sind folgende Managementregeln und Indikatoren der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie betroffen:

Managementregel 6 (Energie- und Ressourcenverbrauch),

Indikator 6 (Staatsverschuldung),

Indikator 11 (Mobilität).“

Formale Bewertung durch den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung:

Eine Nachhaltigkeitsrelevanz des Gesetzentwurfes ist gegeben. Der Bezug zur Nachhaltigkeitsstrategie ist in der
Gesetzesfolgenabschätzung dargestellt.

Die Nachhaltigkeitsprüfung ist durchgeführt worden.

Eine Prüfbitte ist nicht erforderlich.“

Zu b)

Der Finanzausschuss hat den Gesetzentwurf auf Drucksache 18/11012 in seiner 105. Sitzung am 22. März 2017
beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Stimmenthaltung einzelner Abgeordneter aus der Fraktion
der SPD dessen Ablehnung.

Der Haushaltsausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 100. Sitzung am 22. März 2017 beraten und empfiehlt
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dessen Ablehnung.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur hat zu den Gesetzentwürfen auf Drucksachen 18/11237 und
18/11012 in seiner 94. Sitzung am 15. Februar 2017 die Durchführung einer öffentlichen Anhörung beschlossen.
Er hat diese Anhörung in seiner 100. Sitzung am 20. März 2017 durchgeführt. Im Vorfeld der Anhörung ist die
Unterrichtung durch die Bundesregierung auf Drucksache 18/11536 (Stellungnahme des Bundesrates und Gegen-
äußerung der Bundesregierung) auch den eingeladenen Sachverständigen übermittelt worden. An der Anhörung
nahmen als Sachverständige teil: Dieter Dewes von der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft (BDZ), Prof.
Dr. Christian Hillgruber von der Universität Bonn, Thomas Kiel vom Deutschen Städtetag, Prof. Dr. Franz Mayer
von der Universität Bielefeld, der Verkehrswissenschaftler Ralf Ratzenberger und Prof. Dr. Wolfgang H. Schulz
von der Zeppelin Universität.

Bei der Anhörung ging es um die Frage der Europarechtskonformität des Infrastrukturabgabengesetzes im Hin-
blick auf die EU-Verträge und die Eurovignetten-Richtlinie vor dem Hintergrund der geplanten Änderungen so-
wie der Einigung mit der EU-Kommission. Es wurden auch die rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen
erörtert, die eintreten könnten, falls gerichtlich festgestellt würde, dass die Regelungen nicht europarechtskonform
sind. Die Europarechtskonformität der Regelungen wurde auch vor dem Hintergrund der Änderungen von den

Drucksache 18/11646 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Sachverständigen sehr unterschiedlich bewertet. Weitere Themen waren die Höhe der zu erwartenden Einnahmen,
die der Prognose über die Einnahmen zugrunde gelegten Modelle, die Datenbasis für die Berechnung der Einnah-
men, insbesondere im Hinblick auf Fahrten von im Ausland angemeldeten PKW, sowie die zu erwartenden Ein-
führungs- und Betriebskosten für das Mautsystem. Die Plausibilität der Einnahmeprognosen des Bundesministe-
riums für Verkehr und digitale Infrastruktur, sowie die Höhe der zu erwartenden Kosten für das System wurden
von den Sachverständigen kontrovers beurteilt. Ein weiterer Themenkomplex betraf die Frage der Auswirkungen
der Infrastrukturabgabe auf grenznahe Regionen – insbesondere auf Einzelhandel und Tourismus –, sowie die
Beurteilung von Vorschlägen, wie derartige Auswirkungen vermieden werden könnten. Auch die Behandlung
von Bundesfernstraßen in kommunaler Baulast war ein Thema der Anhörung.

Wegen der Einzelheiten wird auf das – auch im Internet veröffentlichte – Protokoll der 100. Sitzung des Aus-
schusses für Verkehr und digitale Infrastruktur, sowie auf die schriftlichen Stellungnahmen der Sachverständigen
(Ausschussdrucksache 18(15)486 A-D) verwiesen.

Im Rahmen der Anhörung hat die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände folgende Stellung-
nahme übermittelt (Ausschussdrucksache 18(15)485 D):

„Sehr geehrter Herr Burkert,

sehr geehrte Damen und Herren,

die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände hatte sich im Vorfeld der Entstehung des Infrastruktur-
abgabengesetzes kritisch aus der Sicht der Kommunen mit der Pkw-Maut auseinander gesetzt und hierzu Stellung
genommen (Anlage 1). Auch das Präsidium des Deutschen Städtetags hat hierzu eine kritische Beschlusslage
(Anlage 2).

Wir bedauern unverändert und ausdrücklich, dass die derzeitige Diskussion über eine Pkw-Maut weitgehend iso-
liert geführt wird und nicht in ein Gesamtfinanzierungskonzept für die Verkehrsinfrastrukturen aller staatlichen
Ebenen eingebettet ist. Dabei haben die Arbeiten der Daehre- und der Bodewig-Kommission in der zurückliegen-
den Legislaturperiode eindrucksvoll den Handlungsbedarf verdeutlicht, den Bestandserhalt der Verkehrsinfra-
struktur aller staatlichen Ebenen - neben und unabhängig von dem weiterbestehenden Neubaubedarf - durch eine
Neuausrichtung der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung nachhaltig zu sichern und den weiteren schleichenden Ver-
zehr dieses volkswirtschaftlichen Vermögens zu verhindern.

Es muss daher vordringliches Ziel bleiben, eine nachhaltige Verkehrsinfrastrukturfinanzierung für Bund, Länder
und Kommunen sicherzustellen.

Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände unterstützt insoweit auch Elemente einer stärkeren
Nutzerfinanzierung, soweit diese der Verkehrsinfrastruktur zusätzlich zur Verfügung steht, fordert aber, vorrangig
die Lkw-Maut auszudehnen. Eine Pkw-Maut (Vignette) ist aus Sicht des Deutschen Landkreistages nur ergänzend
und entfernungsunabhängig einzuführen.

Im Ergebnis bevorzugen der Deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund eine fahrleistungs-
und umweltbezogene Maut für alle Fahrzeuge auf allen Straßen und sieht dazu die Fortentwicklung der bestehen-
den Lkw-Maut für besser geeignet. Sie bevorzugen daher eine Lösung, die Lkw-Maut auszuweiten, um höhere
Einnahmen für Investitionen in die Verkehrswege zu erzielen, und zwar nicht nur auf Bundesstraßen, sondern auf
alle Straßen. Das würde nach dem Bericht der Bodewig-Kommission (2012) zusätzliche Einnahmen von rund 4
Milliarden Euro bringen. Außerdem kann nur so vermieden werden, dass Lkw - und durch die zusätzliche Abgabe
auch Pkw - von den Mautstrecken auf innerstädtische Straßen ausweichen und damit die Menschen und die Ver-
kehrsinfrastruktur in den Städten noch mehr als bislang belasten. Der Ansatz des Gesetzentwurfs, mehr Mittel für
die Verkehrsinfrastruktur zu mobilisieren, ist grundsätzlich richtig. Er ist aber nur dann vernünftig, wenn es ge-
lingt, nachteilige Auswirkungen, zum Beispiel auf grenznahe Regionen, zu vermeiden.

Es gibt dringenden Sanierungsbedarf bei Verkehrswegen von Bund, Ländern und Kommunen. Allein bei den
kommunalen Straßen, Brücken und ÖPNV-Anlagen klafft eine Finanzierungslücke von jährlich mindestens 2,7
Milliarden Euro. Mit der jetzt geplanten Pkw-Maut lässt sich diese Lücke nicht verkleinern.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/11646

1. Bisherige Stellungnahmefristen

Bereits im Rahmen des ursprünglichen Gesetzgebungsverfahrens hatten die kommunalen Spitzenverbände keine
Gelegenheit, fundiert zum seinerzeitigen Gesetzentwurf Stellung zu nehmen. BMVI und BMVF hatten zum Än-
derungspaket aus Erlass des Infrastrukturabgabengesetzes und Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes einen
Tag Stellungnahmefrist gewährt. Dies ist erneut mit ebenfalls einer Ein-Tages-Frist für die Vorbereitung des Än-
derungsgesetzes erfolgt. Wir begrüßen, dass wir unsere Belange nun zumindest im parlamentarischen Verfahren
geltend machen können, nachdem die Kurzfristigkeit der Beteiligung durch die Ministerien den Gepflogenheiten
und der Geschäftsordnung der Bundesregierung widerspricht und umso weniger erklärlich ist, als der für die ge-
setzliche Änderung maßgebliche Kompromiss mit der Europäischen Kommission bereits mit Pressemeldung vom
1. Dezember 2016 bekannt gemacht wurde.

2. Zum Ersten Änderungsgesetz

Für uns ist nicht ersichtlich, dass der veränderte Gesetzentwurf den kommunalen Kritikpunkten besser Rechnung
trägt. Im Einzelnen möchten wir Ihnen folgende Einschätzungen, Bedenken und Anregungen zur Kenntnis geben:

• Aufwands- und Ertragssituation

Aufgrund der Trennung von Infrastrukturabgabe und Kompensation rechnen wir damit, dass im Ergebnis weniger
Einnahmen erzielt werden. Die Angaben zum Erfüllungsaufwand, insbesondere die Einschätzung der Bundesre-
gierung, die vorgesehenen Änderungen bei den Preisen für die Kurzzeitvignetten führten zu Mehreinnahmen von
jährlich ca. 36 Millionen Euro, halten wir angesichts der zuvor bereits etwa von Seiten des ADAC vorgelegten
Gutachten für unwahrscheinlich. Die Zunahme der Fahrzeuge der Emissionsklasse Euro 6, die seit 2014 einer
geringeren Abgabepflicht unterliegen, dürfte zu erheblich reduzierten Einnahmen gegenüber der Ursprungsrech-
nung führen.

Wir haben daher deutliche Zweifel daran, dass Aufwand und Ertrag in einem angemessenen Verhältnis zueinander
stehen. Die vorgesehene stärker umweltorientierte Splittung der Beträge für 10-Tages-Vignetten in sechs Klassen
von 2,50 Euro (deutlich geringerer Betrag) bis 25,00 Euro (höherer Betrag) bei im Mittel höheren Kosten der
Kurzzeitvignetten ist zwar im Grundsatz zu begrüßen, sie eröffnet aber auch größere Umgehungsmöglichkeiten
für Nutzerinnen und Nutzer, nicht nur ordnungswidrig auf eine Vignette zu verzichten, sondern auch die falsche
(niedrigere) Vignette zu verwenden. Dies hat entweder zur Folge, dass die Einnahmen durch Nicht-Einhaltung
sinken oder ein bedeutend höherer Kontrollaufwand notwendig wird, der die Kosten-Nutzenrelation ebenfalls
nachteilig betrifft.

• Lenkungswirkung der Abgabe

Zwar sollen die Steuerentlastungsbeträge für die emissionsärmsten Fahrzeuge (Euro 6) erhöht werden. Durch die
geringere Spreizung der Beträge muss aber in Frage gestellt werden, ob im Ergebnis tatsächlich eine zusätzliche
Lenkungswirkung der Abgabe generiert oder vielmehr die bisherige Lenkungswirkung der Kfz-Steuer vermindert
wird. Insbesondere wird die Aufteilung der Beträge in eine Kraftfahrzeugsteuer und eine Infrastrukturabgabe für
die Nutzerinnen und Nutzer intransparenter, so dass diese weniger Anlass haben, durch die geeignete Fahrzeug-
wahl in geringere Steuer-/Abgabeklassen zu gelangen.

• Zur Beteiligung der Kommunen an den Einnahmen

Zur von uns geforderten Beteiligung der Kommunen an den Einnahmen für innerörtliche Bundesfernstraßen fin-
det sich im Gesetzentwurf weiterhin keine Regelung. In der Begründung zum Erlass des Infrastrukturabgabege-
setzes war ausgeführt, dass die Kommunen zum Ausgleich stärkere Zuweisungen nach § 5a FStrG erhalten sollen.
Dazu können wir keine Vorsorge des BMVI in der mittelfristigen Finanzplanung zum Haushalt 2017 erkennen.
Wir halten diesen Hinweis auch nicht für ausreichend und bestehen ausdrücklich auf einer gesetzlichen Regelung,
die sicherstellt, dass die jeweiligen Träger der Straßenbaulast (die Kommunen mit mehr als 80.000 Einwohnern
für innerörtliche Durchfahrten der Bundesfernstraßen) angemessen am Gesamtaufkommen der Pkw-Maut betei-
ligt werden. Dazu ist ein geeignetes Aufteilungsverfahren vorzugeben.

Drucksache 18/11646 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Die Änderung folgt ausschließlich den Anforderungen der Kommission zur Frage der (Voll-)Kompensation. Eine
Chance, das Instrument zu Gunsten der Kommunen inhaltlich nachzubessern, hat die Bundesregierung nicht ge-
nutzt.

• Zur Situation in den Grenzregionen

Den berechtigten Sorgen der Städte in den Grenzregionen wird aus Sicht des Deutschen Städtetags durch die
Änderung nicht Rechnung getragen. Die Änderung der Preise für die Kurzzeitvignetten führt in Summe zu einer
kostenseitigen Belastung der betroffenen ausländischen Fahrzeughalter, so dass insbesondere die nachteiligen
Auswirkungen auf den grenzüberschreitenden Einkaufs- und Pendlerverkehr in den grenznahen Städten in
Deutschland zunehmen werden. Es werden insbesondere massive Auswirkungen auf den Einzelhandel und den
Tourismus befürchtet, da die Maut für grenzüberschreitende Fahrten, zum Beispiel an einkaufsoffenen Tagen in
Deutschland bei Feiertagen im Ausland, als negativer Anreiz („Eintrittspreis“) gewertet wird. Der Deutsche Städ-
tetag unterstützt daher ausdrücklich die Auffassung des Bundesrates, dass ohne die gezielte Herausnahme von
grenznahen Autobahn- und Bundesfernstraßenabschnitten überwiegend negative Auswirkungen auf die deutschen
Städte entstehen.

• Nicht erfasste Kraftfahrzeuge

Mit der Inkraftsetzung des InfrAG entsteht eine Gerechtigkeitslücke bezüglich der nicht von der Pkw- und Lkw-
Maut erfassten Fahrzeuge im Gewichtsbereich zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen, die durch Bundesregierung und
Bundestag bisher nicht geschlossen wurde.

• Europarechtskonformität

Unter den Zielen des Gesetzentwurfes wird ausgeführt, dass die Bundesregierung bereit ist, sich bei „Einführung
der Infrastrukturabgabe noch stärker an dem vorhandenen EU-Rechtsrahmen für Straßenbenutzungsgebühren für
schwere Lkw zu orientieren“. Diese Aussage erlaubt keine abschließende Einschätzung, ob dieser Rahmen tat-
sächlich eingehalten wird. Im Änderungsgesetz wird als Argument ferner ausgeführt, dass durch Anpassung der
Preise „der Tagespreisfaktor (d.h. das Verhältnis des Tagespreises der Zehntagesvignette zu dem rechnerischen
Tagespreis der Jahresvignette) bei maximal 7,3“ liege, damit unter den im begründeten Mahnschreiben der EU-
Kommission exemplarisch gerügten Fällen. Auch diese Aussage kann allenfalls Indiz Wirkung entfalten, denn es
geht nicht um die Unterschreitung bisher gerügter Fälle, sondern um die Einhaltung des für die Rüge zulässigen
Rahmens. Eine Angabe, bis zu welchem Tagespreisfaktor die Bemautung EU-konform erfolgt, lässt sich daraus
nicht ableiten. Erforderlich wäre die Angabe der Höhe bisher nicht gerügten Fälle und das Verhältnis der Neure-
gelung dazu.

An einer geringeren Betroffenheit der EU-Ausländer bestehen allein dadurch berechtigte Zweifel, weil die vor-
geblichen Mehreinnahmen nicht durch die in Deutschland zugelassenen Fahrzeuge, sondern durch die im Ausland
zugelassenen Fahrzeuge erzielt werden, um die von der EU-Kommission verlangte Entkoppelung von Mauterhe-
bung und Steuerermäßigung (geringfügig höhere Steuerermäßigung für die deutschen Nutzerinnen und Nutzer)
zu ermöglichen. Es bleibt damit bei einem positiven Koppelungsgeschäft zwischen Mauterhebung und Steuerer-
mäßigung nur für die deutschen Fahrzeughalterinnen und -halter.

• Zur Evaluation des Gesetzes

Die Begründung verweist unter Pkt. 6 darauf, dass das Regelungsvorhaben spätestens zwei Jahre nach dem In-
krafttreten evaluiert wird. Die Evaluation halten wir zwingend für erforderlich, damit eine neue Bundesregierung
auf fachlich geeignete Weise prüfen kann, ob das Ziel, die Finanzierung der Bundesfernstraßen zu verbessern,
erreicht werden konnte. Die Evaluation wird aber, anders als die Begründung nahelegt, nicht durch das Ände-
rungsgesetz eingeführt, sondern ist bereits unveränderter Bestandteil des verabschiedeten Gesetzes.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/11646

Insgesamt müssen wir den Eindruck gewinnen, dass die im Hinblick auf die Haltung der Kommission verfolgte
Gewährleistung europarechtlicher Zulässigkeit offenkundig durch geringere Wirtschaftlichkeit, reduzierte Len-
kungswirkung und weiter erhöhte Kommunalunverträglichkeit erkauft wird. Hinzu tritt, dass die Erwägungen die
eingeführte Rechtsprechung des EuGH und das Verhalten anderer Mitgliedstaaten nicht berücksichtigen.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag

Thomas Kiel“.

Am 24. Februar 2017 wurde eine an die ordentlichen und stellvertretenden Mitglieder des Ausschusses gerichtete
E-Mail des stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Oliver Krischer, MdB,
vom 23. Februar 2017 versandt, welcher eine Ausarbeitung des Fachbereichs Europa der Bundestagsverwaltung
mit dem Titel „Vereinbarkeit des Infrastrukturabgabengesetzes und des Zweiten Verkehrssteueränderungsgeset-
zes in der Fassung der von der Bundesregierung beschlossenen Änderungsgesetze mit dem Unionsrecht“ beige-
fügt war.

Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur hat die Gesetzentwürfe in seiner 102. Sitzung am 22. März
2017 abschließend beraten. Der Ausschuss hat die Gesetzentwürfe gemeinsam mit dem in der Federführung des
Finanzausschusses liegenden Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Verkehrsteueränderungsgeset-
zes, Drucksache 18/11235, beraten.

Die Fraktion der CDU/CSU lobte den Gesetzentwurf. Sie hob hervor, dass die PKW-Maut in der geplanten
Form mit dem europäischen Recht vereinbar sei und sie zu einer Gleichbehandlung aller Fahrzeughalter ohne
Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit führe. Aufgrund der nun geplanten Änderungen werde dies auch durch die
EU-Kommission so gesehen. Das Infrastrukturabgabengesetz stehe für den – auch von der EU-Kommission an-
gestrebten – Systemwechsel von einer Steuerfinanzierung der Straßenverkehrsinfrastruktur hin zu einer Nutzerfi-
nanzierung.

Die Fraktion der SPD erklärte, die PKW-Maut sei nicht ihr eigenes Anliegen, sie werde sich aber an die Ab-
sprachen aus dem Koalitionsvertrag halten. Sie gehe nach wie vor davon aus, dass die PKW-Maut mit dem euro-
päischen Recht vereinbar sei. In Bezug auf die zu erwartenden Nettoeinnahmen aus der PKW-Maut verlasse sie
sich auf die Einschätzung des Bundesministeriums der Finanzen, dass die dem Regierungsentwurf zugrundelie-
genden Prognosen plausibel seien. In Bezug auf die Grenzregionen habe sie sich weitergehende Regelungen ge-
wünscht, hier sei aber bereits 2015 ein Kompromiss geschlossen worden. Es sei festzuhalten, dass die Opposition
eine zusätzliche Belastung der PKW-Nutzer ohne Kompensation befürworte.

Die Fraktion der DIE LINKE. stellte fest, dass die dem Gesetzentwurf zugrunde liegenden Erwartungen über
die Einnahmen aus der PKW-Maut nicht belastbar seien. Zudem gebe es keine überzeugenden Gründe für die
Annahme, dass das Gesetzespaket zur PKW-Maut durch die nun geplanten Änderungen mit dem europäischen
Recht vereinbar werde. Konformität mit dem europäischen Recht sei aus ihrer Sicht nur erreichbar, wenn man auf
eine Entlastung deutscher Fahrzeughalter bei der Kfz-Steuer verzichte. Es werde die Gefahr gesehen, dass zur
Herstellung der Europarechtskonformität am Ende eine Infrastrukturabgabe für alle ohne Kompensation realisiert
würde. DIE LINKE. fordere deshalb mit ihrem Gesetzentwurf die Aufhebung des Infrastrukturabgabengesetzes.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hob hervor, dass das Gesetzespaket zur PKW-Maut trotz der ge-
planten Änderungen weiterhin eine aktive, europarechtswidrige Diskriminierung von Bürgern anderer EU-Staaten
beinhalte. Sie betonte, dass die Professoren Christian Hillgruber und Wolfgang H. Schulz mit ihrer in der Anhö-
rung vorgetragenen Verteidigung des Gesetzentwurfs weitgehend alleine stünden. Die in dem Gesetzentwurf der
Fraktion DIE LINKE. geforderte Aufhebung des Infrastrukturabgabengesetzes sei auch aus ihrer Sicht die allein
adäquate Lösung des Problems.

Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die An-
nahme des Gesetzentwurfs auf Drucksachen 18/11237, 18/11536. Mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU

Drucksache 18/11646 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfiehlt er die
Ablehnung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/11012.

Die Unterrichtung auf Drucksache 18/11536 hat er zur Kenntnis genommen.

Berlin, den 22. März 2017

Steffen Bilger
Berichterstatter

Herbert Behrens
Berichterstatter

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