BT-Drucksache 18/11643

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksachen 18/11235, 18/11560 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Verkehrsteueränderungsgesetzes

Vom 22. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11643

18. Wahlperiode 22.03.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Finanzausschusses (7. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung

– Drucksachen 18/11235, 18/11560 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten
Verkehrsteueränderungsgesetzes

A. Problem

Zur Einführung einer Infrastrukturabgabe mit dem Ziel, einen Übergang von der
steuerfinanzierten zur nutzerfinanzierten Infrastruktur im Bereich der Bundes-
fernstraßen zu schaffen, ist bereits im Jahr 2015 ein Gesamtpaket verabschiedet
worden. Nach Auffassung der Europäischen Kommission stehen im Detail nicht
alle Maßnahmen zur Ausgestaltung der Infrastrukturabgabe sowie zur Vermei-
dung der Doppelbelastung im Einklang mit dem Recht der Europäischen Union.

Mit einer Anpassung der Regelungen soll den Bedenken der EU-Kommission
Rechnung getragen werden.

B. Lösung

Anpassung des Zweiten Verkehrsteueränderungsgesetzes hinsichtlich seiner Än-
derungen des Kraftfahrzeugsteuergesetzes, um mit höheren Steuerentlastungsbe-
trägen für Personenkraftwagen der Euro-6-Emissionsklasse den ökologischen
Anreiz zu verstärken.

Annahme des Gesetzentwurfs in unveränderter Fassung mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und zwei Stimmen aus der
Fraktion der SPD.

C. Alternativen

Durch die vorgesehenen Anpassungen der Steuerentlastungsbeträge bei der Kraft-
fahrzeugsteuer soll das bereits von der Europäischen Kommission eingeleitete
Vertragsverletzungsverfahren beendet werden. Andernfalls kann mit der Erhe-
bung einer Infrastrukturabgabe nicht begonnen werden.

Drucksache 18/11643 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Einzelheiten ergeben sich aus dem allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung.

Die Mindereinnahmen bei der Kraftfahrzeugsteuer aufgrund der Förderung der
Personenkraftwagen der Euro-6-Emissionsklasse werden aus dem Geschäftsbe-
reich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vollständig
kompensiert. Hierzu ist im Haushalt des Bundesministeriums für Verkehr und di-
gitale Infrastruktur ab 2019 im Rahmen der jährlichen Haushaltsaufstellung je-
weils auf Grundlage aktueller Berechnungen eine Erstattung an den Einzelplan 60
vorzusehen.

E. Erfüllungsaufwand

Steuermehr-/-mindereinnahmen (-) in Mio. €

Gebietskörper-
schaft

Volle Jah-
reswir-
kung1

Kassenjahr

2019 2020 2021 2022 2023

Insgesamt -100 -100 -120 -100 -110 -125

Bund -100 -100 -100 -120 -110 -125

Länder - - - - - -

Gemeinden - - - - - -

Anmerkungen:
1 Wirkung für einen vollen (Veranlagungs-)Zeitraum von 12 Monaten.

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Für Bürgerinnen und Bürger entsteht kein Erfüllungsaufwand.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Für die Wirtschaft entsteht kein Erfüllungsaufwand.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Der für die Zollverwaltung vorübergehend anfallende zusätzliche Erfüllungsauf-
wand im Einzelplan 08 beträgt im Jahr 2020 rd. 0,2 Mio. Euro, im Jahr 2021 rd.
26,1 Mio. Euro und im Folgejahr 2022 rd. 5,5 Mio. Euro.

Der Erfüllungsaufwand im Einzelplan 08 ist aus den Einnahmen aus der Infra-
strukturabgabe zu decken.

F. Weitere Kosten

Der Wirtschaft, insbesondere den mittelständischen Unternehmen, entstehen ab
2021 geringfügige direkte sonstige Kosten.

Einzelpreisanpassungen können nicht ausgeschlossen werden. Auswirkungen auf
das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind jedoch nicht
zu erwarten.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11643

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Gesetzentwurf auf Drucksachen 18/11235, 18/11560 unverändert anzuneh-
men.

Berlin, den 22. März 2017

Der Finanzausschuss

Ingrid Arndt-Brauer
Vorsitzende

Dr. Philipp Murmann
Berichterstatter

Andreas Schwarz
Berichterstatter

Drucksache 18/11643 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Dr. Philipp Murmann und Andreas Schwarz

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf auf Drucksachen 18/11235, 18/11560 in seiner 222. Sitzung am
10. März 2017 dem Finanzausschuss zur federführenden Beratung sowie dem Haushaltsausschuss, dem Aus-
schuss für Verkehr und digitale Infrastruktur sowie dem Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-
sicherheit zur Mitberatung überwiesen. Dem Haushaltsausschuss wurde die Vorlage außerdem gemäß § 96 GO-
BT überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Bereits im Jahr 2015 wurden die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, um mit Einführung einer Infrastruk-
turabgabe den Übergang von einer vorwiegend steuerfinanzierten zur überwiegend nutzerfinanzierten Infrastruk-
tur im Bereich der Bundesfernstraßen zu gewährleisten. Die Regelungen wurden bisher nicht umgesetzt, da nach
Auffassung der Europäischen Kommission nicht alle Maßnahmen zur Ausgestaltung der Infrastrukturabgabe im
Einklang mit dem Recht der Europäischen Union stehen.

Das Zweite Verkehrsteueränderungsgesetz vom 8. Juni 2015 (BGBl. I S. 901) beinhaltet die kraftfahrzeugsteuer-
lichen Regelungen. Es tritt bedingt in Kraft, abhängig vom Beginn der Abgabenerhebung nach dem Infrastruk-
turabgabengesetz.

Mit einer Anpassung soll den Bedenken der EU-Kommission hinsichtlich der Steuerentlastungsbeträge bei der
Kraftfahrzeugsteuer zur Vermeidung der finanziellen Doppelbelastung bei Einführung der Infrastrukturabgabe
Rechnung getragen werden.

Der nun vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Zweiten Verkehrsteueränderungsgesetzes erhöht im Kraft-
fahrzeugsteuergesetz die Steuerentlastungsbeträge für Personenkraftwagen der Euro-6-Emissionsklasse mit be-
sonders geminderten Schadstoffemissionen. Dies verstärkt die ökologische Anreizwirkung.

III. Öffentliche Anhörung

Der Finanzausschuss hat in seiner 104. Sitzung am 20. März 2017 eine öffentliche Anhörung zu dem Gesetzent-
wurf auf Drucksachen 18/11235, 18/11560 durchgeführt. Folgende Einzelsachverständige, Verbände und Institu-
tionen hatten Gelegenheit zur Stellungnahme:

1. ACE Auto Club Europa e. V., Matthias Knobloch

2. BDZ - Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft, Dieter Dewes

3. Eisenkopf, Prof. Dr. Alexander, Zeppelin Universität Friedrichshafen

4. Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) e. V., Björn Klusmann

5. Hechtner, Prof. Dr. Frank, Freie Universität Berlin

6. Hillgruber, Prof. Dr. Christian, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

7. Kainer, Prof. Dr. Friedemann, Universität Mannheim

8. Ratzenberger, Ralf.

Das Ergebnis der öffentlichen Anhörung ist in die Ausschussberatungen eingegangen. Das Protokoll einschließ-
lich der eingereichten schriftlichen Stellungnahmen ist der Öffentlichkeit zugänglich.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11643

IV. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Haushaltsausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 100. Sitzung am 22. März 2017 beraten und empfiehlt
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unveränderte Annahme des Gesetzentwurfs.

Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur hat den Gesetzentwurf in seiner 102. Sitzung am
22. März 2017 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen
der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unveränderte Annahme des Gesetzentwurfs.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat den Gesetzentwurf in seiner 112. Sit-
zung am 22. März 2017 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unveränderte Annahme des Gesetz-
entwurfs.

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung hat sich in seiner 59. Sitzung am 8. März 2017 mit
dem Gesetzentwurf gutachtlich befasst und festgestellt, dass eine Nachhaltigkeitsrelevanz des Gesetzentwurfs
gegeben und die Darstellung der Nachhaltigkeitsprüfung im Gesetzentwurf plausibel seien. Eine Prüfbitte sei
daher nicht erforderlich.

V. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Finanzausschuss hat den Gesetzentwurf auf Drucksachen 18/11235, 18/11560 in seiner 101. Sitzung am
8. März 2017 vorbehaltlich der Überweisung erstmalig beraten und die Durchführung einer öffentlichen Anhö-
rung beschlossen. Nach Durchführung der Anhörung am 20. März 2017 hat der Finanzausschuss die Beratung
des Gesetzentwurfs in seiner 105. Sitzung am 22. März 2017 abgeschlossen.

Der Finanzausschuss empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen
der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie zwei Stimmen aus der Fraktion der SPD
Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksachen 18/11235, 18/11560 in unveränderter Fassung.

Die Fraktion der CDU/CSU verwies auf den Koalitionsvertrag zwischen den Fraktionen der CDU/CSU und
SPD, in dem der Einstieg in eine zweckgebundene Nutzerfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur vereinbart wor-
den sei. Dies sei begrüßenswert. Die Bedeutung der Infrastruktur sei in Deutschland insbesondere wegen ihrer
Rolle bei der Vernetzung der mittelständischen Wirtschaft überdurchschnittlich hoch. Mit der Einführung der so
genannten Infrastrukturabgabe sei eine Entlastung bei der KfZ-Steuer verbunden. Diese Steuer habe sowohl einen
Hubraum- als auch einen CO2-Anteil in ihrer Bemessungsgrundlage. So könne entsprechend der unterschiedli-
chen Fahrzeugtypen eine differenzierte Entlastung erfolgen.

Der vorliegende Entwurf eines Änderungsgesetzes beinhalte eine Sonderentlastung für Fahrzeuge, die der Euro-
6-Norm für den Schadstoffausstoß entsprechen würden. Dabei gebe es eine langfristige Komponente und eine
etwas größere Komponente, die auf zwei Jahre begrenzt für einen zusätzlichen Entlastungseffekt sorgen würde.
Damit werde eine gewisse ökologische Komponente der Infrastrukturabgabe gestärkt. Für diese zusätzliche Ent-
lastung der Euro-6-Fahrzeuge entstünde ein Aufwand von jährlich ca. 100 Mio. Euro.

Die öffentliche Anhörung zum vorliegenden Gesetzentwurf habe unterschiedliche Prognosen über die zu erwar-
tenden Einnahmen und Kosten der Infrastrukturabgabe in Verbindung mit der KfZ-Steuerentlastung ergeben. Man
sei der Überzeugung, die Prognose des Bundesministeriums für Verkehr und Infrastruktur, die mit einigen Gut-
achten unterlegt sei und die den jährlichen Einnahmeüberschuss auf ca. 500 Mio. Euro schätze, werde sich als
valide erweisen. Natürlich gebe es unterschiedliche mögliche Annahmen zur Berechnung von Einnahmen und
Kosten. Daher würden auch fachliche Stellungnahmen existieren, die die Prognose des Bundesministeriums für
Verkehr und Infrastruktur bezweifeln würden. Am Ende werde die Realität die tatsächlichen Zahlen offenbaren.
Die Fraktion der CDU/CSU gehe auf jeden Fall von einem Einnahmeüberschuss aus.

Der Umstellungsaufwand bei der Zollverwaltung werde einmalig anfallen. Es bestehe die Möglichkeit in diesem
Punkt nachzusteuern. Grundsätzlich sei eine Evaluation der Gesetzgebung nach zwei Jahren vorgesehen.

Drucksache 18/11643 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Zur Frage der Vereinbarkeit des Projektes mit dem EU-Recht sei in der öffentlichen Anhörung deutlich geworden,
dass diese Frage kaum noch problematisch sei. Die Gutachter hätten klargestellt, dass die KfZ-Steuer eine rein
nationale Regelung sei und eine diesbezügliche Entlastung keine Diskriminierung von Ausländern darstellen
würde. Der einzige Punkt, den man noch genauer prüfen müsste, sei die Frage von Einfahrten von ausländischen
Gewerbetreibenden, die nun zusätzlich eine Nutzerabgabe entrichten müssten. Aus Sicht der Fraktion der
CDU/CSU gebe es keinen Anspruch darauf, den Status zu erhalten, dass Ausländer die deutsche Verkehrsinfra-
struktur dauerhaft ohne jegliche Beteiligung an deren Finanzierung gewerblich nutzen könnten.

Die Fraktion der SPD verwies ebenfalls auf den bestehenden Koalitionsvertrag mit der Fraktion der CDU/CSU.
Koalitionen würden Kompromisse beinhalten. Die Fraktion der SPD habe im Verlauf der 18. Legislaturperiode
wichtige eigene Akzente setzen können. Am Projekt der Infrastrukturangabe würde die Fraktion der SPD keine
Urheberschaft beanspruchen wollen. Dennoch werde man dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen.

Die Fraktion DIE LINKE. erinnerte daran, dass der vorliegende Gesetzentwurf in direktem Zusammenhang mit
der beabsichtigten Einführung einer Pkw-Maut stehe. Der Versuch der Bundesregierung, den Gesetzentwurf iso-
liert als umweltpolitische Maßnahme zu verkaufen, stelle eine Pseudo-Begründung dar. Die vorgesehenen Erhö-
hungen der Steuerentlastungsbeträge für Pkw der Euro-6-Emissionsklasse würden keine verstärkte ökologische
Anreizwirkung entfachen, denn:

1. würden die Steuerentlastungen dafür viel zu gering ausfallen. Prof. Frank Hechtner (FU Berlin) habe das in der
öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf mit den Worten „marginal-ökonomischer Anreiz“ beschrieben.

2. stelle die Norm Euro-6 mit einem Anteil von über 95 Prozent bei den Pkw-Neuzulassungen inzwischen den
Standard dar. Wie die Förderung eines Standards eine ökologische Lenkungswirkung entfalten solle, bleibe das
Geheimnis der Bundesregierung. Aus umweltpolitischer Sicht sei die zusätzliche Förderung dieser Fahrzeuge
weder notwendig noch effizient.

3. stehe die vermeintliche ökologische Anreizwirkung im völligen Widerspruch zur Wirkung der Maut: Diese
reize dazu an, möglichst viel zu fahren – eine Rückerstattung, deren Höhe noch dazu vom Hubraum abhängig sei,
könne unter diesen Umständen überhaupt keine ökologische Lenkungswirkung entfalten.

Im Zusammenspiel mit den vorgesehenen Änderungen beim Infrastrukturabgabengesetz werde der Gesetzentwurf
bewirken, dass die Pkw-Maut nicht bloß zu einem Nullsummenspiel mit hohem bürokratischem Aufwand, son-
dern sogar zu einem Zuschussgeschäft werde. Die Berechnungen des Bundesministeriums für Verkehr und Infra-
struktur zum Nettoaufkommen, die vom Bundesministerium der Finanzen gestützt würden, seien im besten Fall
fehlerhaft, wenn nicht bewusst geschönt. Der sachverständige Verkehrswissenschaftler Ralf Ratzenberger komme
in seinen Hochrechnungen unter Einbezug der vorgenommen Änderungen zu dem Ergebnis, dass die Maut letzt-
lich zu Mindereinnahmen für die öffentliche Hand führe – und zwar selbst dann, wenn er seine Annahmen im
Rahmen einer Sensitivitätsanalyse zugunsten des Nettoaufkommens variieren würde. Er stehe damit nicht alleine,
z. B. seien seine Schätzungen in der öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf von Prof. Alexander Eisenkopf
(Zeppelin Universität Friedrichshafen) uneingeschränkt unterstützt worden. Um die unseriöse Rechenweise des
Bundesministeriums für Verkehr und Infrastruktur an einem einfachen Beispiel zu verdeutlichen: Das Bundesmi-
nisterium der Finanzen gebe im vorliegenden Gesetzentwurf nur die steuerlichen Mindereinnahmen aufgrund der
zusätzlichen Entlastungen an. Das sei sachgerecht. Nicht sachgerecht sei dagegen, dass das Bundesministerium
für Verkehr und Infrastruktur in seiner Einnahmenprognose nur mit diesen Steuermindereinnahmen arbeite. Die
Mindereinnahmen aus der bereits 2015 beschlossenen Entlastung würden stillschweigend ignoriert, obwohl diese
selbstverständlich weiterhin anfallen würden.

Dabei wäre zu hinterfragen, ob nicht bereits die Zahlen des Bundesministeriums der Finanzen zu Steuerminder-
einnahmen und zum Erfüllungsaufwand im vorliegenden Gesetzentwurf zu optimistisch angelegt seien. Prof.
Frank Hechtner (FU Berlin) veranschauliche in seiner Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung , dass selbst aus
diesen Zahlen eine ineffiziente Steuererhebung resultiere: Laut Finanztableau solle die Absenkung der zusätzli-
chen Entlastungsbeträge nach zwei Jahren die Mindereinnahmen bei der Kfz-Steuer im Jahr 2021 um 20 Mio.
EUR reduzieren. Gleichzeitig werde ausgewiesen, dass die Absenkung in der Summe Verwaltungskosten von
über 26 Mio. EUR allein im Jahr 2021 verursache. Die fiskalischen Mehreinnahmen würden somit zu mehr als
100 Prozent durch zusätzliche Bürokratiekosten aufgezehrt.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/11643

Dies sei zu bedenken vor dem Hintergrund, dass nach Einschätzung der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft
in der öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf die Verwaltungskosten viel zu niedrig angesetzt seien. Die
Schätzung sei unrealistisch und unseriös, da sie auf der Fortschreibung eines falschen Ansatzes beruhe und in
keiner Weise den Erfahrungswerten der Zollverwaltung entsprechen würde.

Die vorgesehenen Änderungen bei Infrastrukturabgabengesetz und beim Zweitem Verkehrssteueränderungsge-
setz würden die Pkw-Maut noch unsinniger machen, als sie es bereits gewesen sei. Sie stelle mehr denn je einen
Aufwuchs an ineffizienter Bürokratie dar, der letztlich sogar zu Mindereinnahmen für die öffentliche Hand führen
werde. Die Fraktion DIE LINKE. lehne daher nicht nur die Änderungen ab, sondern schlage konsequenterweise
vor, das Infrastrukturabgabengesetz in Gänze aufzuheben. Der entsprechende Gesetzentwurf auf Drucksache
18/11012 liege vor.

Aus Sicht der Fraktion DIE LINKE. gebe es zwar begründete Bedenken gegen die Vereinbarkeit des Gesetzent-
wurfs mit dem EU-Recht, rechtlich noch schwerwiegender sei aber die Gefahr, dass die Mautgesetzgebung einen
Verstoß gegen die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland darstelle, und zwar gegen Art. 3 GG. Für Inländer
gebe es als einzige Option den Erwerb einer Jahresvignette, auch wenn sie die Autobahnen und Bundesstraßen
nur punktuell benutzen würden, z. B. ein- oder zweimal im Jahr für Urlaubsfahrten. Der Erwerb einer Vignette
für einen kürzeren Zeitraum als ein Jahr sei Ausländern vorbehalten. Dies sei in keinem anderen europäischen
Land der Fall. Entweder gebe es nur Jahresvignetten für alle Nutzer, wie etwa in der Schweiz, oder die Kurzzeit-
vignetten könnten auch von Inländern erworben werden, so etwa in Tschechien, in der Slowakei oder in Öster-
reich. Der deutsche Fall stelle eine Diskriminierung von Inländern dar. Eine entsprechende Klage vor dem Bun-
desverfassungsgericht werde nicht lange auf sich warten lassen. Ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehand-
lung liege nicht vor.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bemerkte, es sei erstaunlich, wie unzureichend das Bundesministe-
rium der Finanzen seine Aufgaben im Zusammenhang mit der Mautgesetzgebung wahrgenommen habe. In der
öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf sei von Seiten der Zollgewerkschaft deutlich geworden, dass ca. 800
Beamte zur Umsetzung fehlen würden. Darüber hinaus sei die Entscheidung des Bundesministeriums der Finan-
zen, bei der Mautgesetzgebung auf die Erstellung einer eigenen Berechnung zu den fiskalischen Auswirkungen
des Gesamtpakets zu verzichten, absolut unüblich.

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN habe die Frage der ökologischen Anreizwirkung eine besonders
große Bedeutung. Die Regierung brüste sich im vorliegenden Gesetzentwurf, die ökologische Anreizwirkung zu
verbessern, indem Euro-6-Pkw stärker bei der Kfz-Steuer entlastet würden. Diese Förderung sei bereits jetzt über-
holt, weil über 95 Prozent der Neuzulassungen diesem Standard bereits entsprechen würden. Der geringfügig
höhere Entlastungsbetrag von Euro-6-Pkw ändere außerdem nichts an der Tatsache, dass sowohl die Infrastruk-
turabgabe als auch die Entlastung bei der Kfz-Steuer grundsätzlich einer unökologischen Logik folgen würden.
Als Flatrate setze sie Anreize zum Vielfahren, größere Autos mit einem größeren Hubraum würden bei der Kfz-
Steuer stärker entlastet als kleinere, ökologisch vorteilhaftere Autos. Und es werde keine Differenzierung auch
nach CO2-Emissionen vorgenommen.

Die Einnahmen aus der Pkw-Maut würden von den meisten Experten nach Abzug der extrem hohen Bürokratie-
kosten und den Kosten für die Kfz-Steuerentlastung bestenfalls auf null geschätzt. Wahrscheinlicher sei sogar,
dass die Pkw-Maut zu einem Verlustgeschäft werde, wenn die Entlastungsbeträge bei der Kfz-Steuer mit Zu-
nahme des Anteils der Euro-6-Pkw steigen würden.

Das Mautprojekt trage auch nicht dazu bei, die Finanzierung des deutschen Bundesfernstraßennetzes von der
Steuerfinanzierung auf eine echte Nutzerfinanzierung umzustellen. Es seien Lkw, die zu über 90 Prozent für den
Verschleiß der Straßen verantwortlich seien. Deshalb sei es nur folgerichtig und verursachergerecht, dass der
immer noch steigende Lkw-Verkehr ganz überwiegend für den Erhalt der Straßeninfrastruktur aufkommen müsse,
und nicht der Pkw-Verkehr oder der Steuerzahler.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordere deshalb die Ausweitung der Lkw-Maut auf Lkw ab 3,5 Ton-
nen auf alle Bundes-, Landes- und Kommunalstraßen. Dies könnte zusätzliche Einnahmen in Höhe von ca. 4 Mrd.
Euro generieren, was ein Vielfaches von den vom Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur wenig seriös
geschätzten 834 Millionen Euro aus der Pkw-Maut wäre. So könnte die vorhandene Finanzierungslücke zum
Erhalt der Straßeninfrastruktur tatsächlich zu großen Teilen nutzerfinanziert geschlossen werden. Und um eine
echte ökologische Lenkungswirkung zu entfalten, wolle die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Kfz-

Drucksache 18/11643 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Steuer konsequent an Verbrauch und CO2-Grenzwerten ausrichten. Ökologisch schädliche Subventionen, etwa
für Dieselkraftstoff, wolle man schrittweise abbauen und die dadurch generierten Mehreinnahmen dazu nutzen,
die Elektromobilität zu fördern. Die Pkw-Maut halte dagegen in keinem einzigen Punkt, was sie verspreche.

Berlin, den 22. März 2017

Dr. Philipp Murmann
Berichterstatter

Andreas Schwarz
Berichterstatter

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