BT-Drucksache 18/11595

EU-Förderung von Atomenergie stoppen - EURATOM-Vertrag beenden

Vom 21. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11595
18. Wahlperiode 21.03.2017
Antrag
der Abgeordneten Alexander Ulrich, Hubertus Zdebel, Wolfgang Gehrcke,
Caren Lay, Jan van Aken, Christine Buchholz, Eva Bulling-Schröter, Sevim
Dağdelen, Dr. Diether Dehm, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej
Hunko, Katrin Kunert, Stefan Liebich, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu
und der Fraktion DIE LINKE.

EU-Förderung von Atomenergie stoppen ‒ EURATOM-Vertrag beenden

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Am 25. März 1957 wurde in Rom neben dem Vertrag zur Gründung der Europä-
ischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) der Vertrag zur Gründung der Europäi-
schen Atomenergiegemeinschaft (EAG/EURATOM) unterzeichnet. Seit Beste-
hen des Vertrages von Lissabon ist EURATOM strukturell aus der EU ausgeglie-
dert und existiert seither als eigenständige Gemeinschaft mit einem eigenen
Grundlagenvertrag und einer eigenen Rechtspersönlichkeit. Die institutionelle
und finanzielle Verflechtung zwischen EURATOM und der EU wurde jedoch
nicht aufgehoben. Damit steht jeder EU-Mitgliedstaat noch immer in der Ver-
pflichtung, sich über den EU-Haushalt an der finanziellen Förderung von Atom-
energieprojekten zu beteiligen. Trotz ihres Ausstiegsbeschlusses im Jahr 2011 fi-
nanziert die Bundesrepublik Deutschland, so wie alle anderen Mitgliedstaaten der
EU, die ungehinderte Förderung der Atomenergie.

2. Im aktuellen 8. Forschungsrahmenprogramm (FP) der Europäischen Union wer-
den allein für den Zeitraum 2014 bis 2018 für EURATOM-Projekte 1,6 Mrd.
Euro zur Verfügung gestellt. Für die Jahre 2019 und 2020 sind weitere 770 Mio.
Euro vorgesehen. Der Großteil dieser Gelder fließt nicht, wie oft von EU-
RATOM-Befürwortern argumentiert, in den Strahlenschutz oder in die für die
Entwicklung einer Hochrisikotechnologie erforderlichen Sicherheitsstandards,
sondern in die Kernfusionsforschung. Die Entwicklung der Fusionsenergie sowie
die Gewährung von Vergünstigungen dafür werden aber bereits über den Gesamt-
haushalt der EU finanziert. Für den Zeitraum 2014 bis 2020 werden insbesondere
für den hochumstrittenen Kernfusionsreaktor ITER zusätzlich 2,9 Mrd. Euro be-
reitgestellt. Ab 2021 sind weitere 5 Mrd. Euro für ITER veranschlagt worden.
Dabei ist höchst fraglich, wann die Anlage in Betrieb gehen wird. Momentan ist
von frühestens 2035 die Rede.

3. Diese Finanzierung und Förderung von EURATOM-Projekten verlaufen jenseits
von demokratischen Grundprinzipien. Das Europäische Parlament hat keine
Möglichkeiten auf die Regelungen des EURATOM-Vertrages und auf die

Drucksache 18/11595 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Vergabe von EURATOM-Geldern Einfluss zu nehmen. Die einzelnen für die EU-
RATOM-Bereiche zuständigen Institutionen verteilen sich ausschließlich über
die EU-Kommission. Die EU-Mitgliedstaaten und ihre Bürgerinnen und Bürger
haben keinerlei Mitbestimmungsrecht über einen von ihnen über den EU-Haus-
halt mitsubventionierten Bereich, in den jährlich Milliarden von Euro fließen.

4. Die Sicherheitsstandards in den europäischen Atomkraftwerken haben sich, trotz
dieser jahrzehntelangen Milliardenfinanzierung, nicht verbessert. Viel eher stei-
gen die Sicherheitsrisiken noch durch die Verlängerung der Laufzeiten der Reak-
toren. Materialprobleme werden immer größer. Dies bewiesen nicht nur die nach
der Atomkatastrophe in Fukushima EU-weit angesetzten AKW-Stresstests, son-
dern mehrere ernste Störfälle wie beispielsweise in den Kernkraftwerken
Paks/Ungarn, Vandellòs 2/Spanien, Sellafield/Großbritannien, Ascó/Spanien,
zahlreiche in Frankreich sowie die mehrfach auffällig gewordenen Sicherheits-
mängel in den belgischen Reaktorblöcken Tihange 2 und Doel 3.

5. Die Nutzung der Atomenergie bleibt ein permanentes Risiko für die Umwelt und
für die Menschen. Als Konsequenz auf die Reaktorkatastrophe von Fukushima
und infolge massiver Proteste der Anti-Atomkraft-Bewegung verabschiedete die
Bundesregierung 2011 daher zu Recht den deutschen Atomausstiegsbeschluss.
Doch ohne entschiedene deutsche Forderungen nach einem Subventionsstopp für
die Atomenergie auf gesamteuropäischer Ebene, bleibt der deutsche Ausstiegs-
beschluss europapolitisch ohne Bedeutung.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich auf EU-Ebene gegen die Förderung von Atomenergie und gegen jegliche
Subventionen für Atomkraftwerke einzusetzen;

2. sich für die Auflösung von EURATOM einzusetzen;
3. sich dafür einzusetzen, dass EURATOM durch eine alternative Europäische Ge-

meinschaft zur Förderung von erneuerbaren Energien und Energieeinsparung in
den Mitgliedstaaten ersetzt wird, die als Bestandteil einer umweltverträglichen,
arbeitsmarktorientierten und verantwortungsvollen Energieversorgung zu einer
friedlichen und ökologischen EU beitragen kann;

4. bis zur Auflösung von EURATOM und seiner Ersetzung durch eine alternative
Europäische Gemeinschaft zur Förderung von erneuerbaren Energien und Ener-
gieeinsparung auf EU-Ebene eine Initiative für die Entflechtung der vertraglichen
Grundlagen der EU und des EURATOM zu ergreifen und den EURATOM-Ver-
trag einseitig zu kündigen;

5. sich für einen europaweiten Ausstieg aus der Atomenergie einzusetzen und
6. bei den Vereinten Nationen entschieden auf einen weltweit umfassenden Aus-

stieg aus der Atomenergie für militärische Zwecke sowie zur Energiegewinnung
zu drängen und sich für ein Moratorium für alle weltweit geplanten Neubauten
von Atomanlagen für militärische Zwecke und zur Energiegewinnung einzuset-
zen.

Berlin, den 21. März 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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