BT-Drucksache 18/11592

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner, Katja Dörner, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/4307 - Alleinerziehende stärken - Teilhabe von Kindern sichern

Vom 21. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11592
18. Wahlperiode 21.03.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner, Katja Dörner,
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/4307 –

Alleinerziehende stärken – Teilhabe von Kindern sichern

A. Problem
In nahezu jedem vierten Familienhaushalt in Deutschland leben Kinder allein mit
ihrer Mutter oder ihrem Vater. In neun von zehn Fällen sind es Frauen, die mit
ihren Kindern allein leben. Rund 970.000 Kinder, die Grundsicherung beziehen,
leben in einem Alleinerziehenden-Haushalt.
Vor diesem Hintergrund wird in dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN ein Bündel von Maßnahmen gefordert, um die Situation Alleinerzie-
hender zu verbessern. Die Forderungen betreffen u. a. eine Reduzierung der be-
sonderen Belastungen von Alleinerziehenden bei der Integration in den Arbeits-
markt, den Ausbau und die Verbesserung der Qualität in der Kindertagesbetreu-
ung und die Beseitigung der Benachteiligung von Alleinerziehenden im Steuer-,
Sozial- und Unterhaltsrecht.

B. Lösung
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN.

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Kosten
Kosten wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Drucksache 18/11592 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag auf Drucksache 18/4307 abzulehnen.

Berlin, den 8. März 2017

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Paul Lehrieder
Vorsitzender

Gudrun Zollner
Berichterstatterin

Dr. Fritz Felgentreu
Berichterstatter

Jörn Wunderlich
Berichterstatter

Dr. Franziska Brantner
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11592
Bericht der Abgeordneten Gudrun Zollner, Dr. Fritz Felgentreu, Jörn Wunderlich und
Dr. Franziska Brantner

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 18/4307 wurde in der 94. Sitzung des Deutschen Bundestages am 19. März 2015
dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur federführenden Beratung und dem Ausschuss für
Recht und Verbraucherschutz, dem Finanzausschuss, dem Haushaltsausschuss sowie dem Ausschuss für Arbeit
und Soziales zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

In dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird festgestellt, die Alleinerziehenden verdienten
aufgrund ihrer schwierigen Situation die Unterstützung von Politik und Gesellschaft. Probleme der Vereinbarkeit
von Arbeit und Familie, die alle Familien hätten, stellten sich ihnen in besonderem Maße. Sie brauchten mehr
Wege in gut bezahlte Arbeit, einen leichteren Wiedereinstieg in den Beruf und müssten vor Armut besser ge-
schützt werden. Dadurch könne Kinderarmut in Deutschland wirksam bekämpft und den Kindern Teilhabe er-
möglicht werden. Knapp eine Million Kinder unter 18 Jahren, die Grundsicherung bezögen, lebten in einem Al-
leinerziehenden-Haushalt. Dies habe weitreichende Folgen für ihre Bildung, Gesundheit und Erfolgschancen.
Alleinerziehende hätten es oft besonders schwer auf dem Arbeitsmarkt. Durch die alleinige Verantwortung für
die Kinder hätten sie nur eingeschränkt Zeit für Erwerbsarbeit und somit häufig ein wesentlich geringeres Ein-
kommen als Paare. Zudem seien sie überdurchschnittlich häufig in atypischen und unsicheren Beschäftigungsver-
hältnissen angestellt. Das Verarmungsrisiko von Alleinerziehenden sei im Vergleich zu anderen Familienformen
besonders hoch. 50 Prozent der Haushalte im SGB-II-Bezug mit Kindern seien Alleinerziehenden-Haushalte, ob-
wohl sie nur einen Anteil von 20 Prozent an allen Haushalten hätten. Sie seien daher – in noch größerem Umfang
als Paarfamilien – auf eine bedarfsgerechte, flexible und qualitativ hochwertige Ganztagsbetreuung für ihre Kin-
der angewiesen. Alleinerziehende könnten eine Ausbildung in Teilzeit besser bewältigen, weshalb es notwendig
sei, die Teilzeitberufsausbildung als arbeitsmarktpolitisches Instrument zu stärken.
Um Alleinerziehende vor Armut zu schützen, spielten Steuer-, Sozial- und Unterhaltsrecht eine wichtige Rolle.
Im Steuerrecht profitierten sie ausschließlich vom Kinderfreibetrag. Dieser wirke sich aber vor allem bei hohen
Einkommen aus; Eltern mit geringem Einkommen erhielten das niedrigere Kindergeld. Ähnlich verhalte es sich
beim Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, der für Geringverdienende oder mittlere Einkommen nur wenig
Wirkung erziele. Außerdem sei eine Anhebung der Regelsätze im SGB II und im SGB XII dringend notwendig,
um den spezifischen Bedarf von Kindern und Erwachsenen tatsächlich zu decken und deren Teilhabe zu sichern.
Hiervon profitierten besonders Haushalte von Alleinerziehenden. Schließlich zeige die Gesamtevaluation der ehe-
und familienbezogenen Leistungen, dass insbesondere der Unterhaltsvorschuss einen deutlichen Einfluss auf das
Armutsrisiko von Kindern habe.
Nach dem Antrag soll die Bundesregierung aufgefordert werden,
1. den besonderen Belastungen von Alleinerziehenden bei der Integration in den Arbeitsmarkt Rechnung zu

tragen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie den Einstieg bzw. Wiedereinstieg zu erleichtern
und dafür
– in Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Ländern deutlich mehr Ausbildungen in Teilzeit zu ermögli-

chen. Dabei müsse gewährleistet sein, dass das Existenzminimum von Alleinerziehenden und ihren
Kindern auch dann gesichert sei, wenn sie an einer Berufsausbildung in Teilzeit teilnähmen. Sicherzu-
stellen sei, dass Leistungen unbürokratisch und vor allem lückenlos flössen, damit sich Alleinerzie-
hende auf ihre Ausbildung konzentrieren könnten, statt ihre Zeit mit der Sorge um den Lebensunterhalt
zu verbringen;

– deutlich mehr Qualifizierungen und Weiterbildungen, insbesondere betriebsnahe Maßnahmen, in Teil-
zeit zu ermöglichen und dafür Sorge zu tragen, dass erwerbslose Alleinerziehende bei der Vermittlung
in diese Maßnahmen besonders berücksichtigt würden;

Drucksache 18/11592 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

– zu gewährleisten, dass sowohl bei Ausbildungen als auch bei Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaß-
nahmen die Kinderbetreuung gesichert sei und so Alleinerziehende tatsächlich teilnehmen könnten;

– zu prüfen, ob der Berufseinstieg von Alleinerziehenden erleichtert werden könne, wenn diese mehr
Mitsprache bei Lage und Dauer ihrer Arbeitszeiten erhielten;

2. gemeinsam mit den Ländern und Kommunen den Ausbau und die Verbesserung der Qualität in der Kinder-
tagesbetreuung voranzutreiben und dafür anteilige finanzielle Mittel von Bundesseite zur Verfügung zu stel-
len sowie Unterstützungsangebote im Alltag leichter zugänglich zu machen, um die Vereinbarkeit von Beruf
und Familie für Alleinerziehende zu verbessern. Für Ausbau und Verbesserung der Qualität sollte der Bund
jährlich 1 Mrd. Euro zusätzlich vorsehen:
– ein weiteres Investitionsprogramm des Bundes für den Ausbau der U-3-Plätze aufzulegen, da der Bedarf

an Plätzen für unter Dreijährige nach wie vor nicht flächendeckend durch ein ausreichendes Angebot
gedeckt sei;

– einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz in Kita und Tagespflege für alle Kinder ab dem vollen-
deten ersten Lebensjahr im SGB VIII zu verankern;

– dafür Sorge zu tragen, dass die Angebote der öffentlich geförderten Kindertagesbetreuung sowie die
Kindertagespflegeangebote den zeitlichen Bedürfnissen von berufstätigen Eltern, insbesondere mit Ar-
beitszeiten außerhalb der üblichen Betreuungszeiten, entsprächen, dabei müssten in der Umsetzung der
Flexibilisierung die kindlichen Bedürfnisse nach verlässlichen Bezugspersonen, vertrauten Tagesabläu-
fen und der Zugehörigkeit zu anderen Kindern berücksichtigt werden;

– einen Gesetzentwurf vorzulegen, um im SGB VIII die Fachkraft-Kind-Relation zu definieren; diese
gebe im Unterschied zum Personalschlüssel die Zeit für die direkte pädagogische Interaktion mit dem
Kind (unmittelbare pädagogische Arbeitszeit) wieder und sollte die Maximalgröße von 1:4 für unter
Dreijährige und 1:10 für über Dreijährige nicht überschreiten; zusätzlich sollten Leitungszeiten und
Verfügungszeiten, wie z. B. Ausfallzeiten, Elterngespräche, Weiterbildungszeiten, Vor- und Nachbe-
reitung ausreichend berücksichtigt werden;

– die finanzielle Förderung familienunterstützender Dienstleistungen nach dem Beispiel anderer europä-
ischer Länder weiterzuentwickeln und Familien, insbesondere für die Kindernotfallbetreuung, kurzfris-
tige Hilfen im Haushalt sowie Bring- und Abholangebote, die die Teilhabe von Kindern ermöglichten,
leichter zugänglich zu machen;

3. das derzeitige Fördersystem grundsätzlich zu reformieren, damit alle Kinder unabhängig von der Familien-
form, in der sie groß würden, eine angemessene materielle Absicherung erhielten; die Benachteiligung von
Alleinerziehenden, auch im Steuer-, Sozial- und Unterhaltsrecht, kurzfristig insbesondere durch folgende
Maßnahmen zu beheben:
– die angekündigte Erhöhung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende um eine Steuergutschrift für

Geringverdienende zu ergänzen, da sich eine solche Erhöhung vor allem in hohen Einkommensklassen
auswirke und Mittel- und Geringverdienerinnen und -verdiener nur sehr wenig entlaste;

– das Unterhaltsvorschussgesetz dahingehend zu reformieren, dass die Bezugsdauer von 6 Jahren abge-
schafft sowie die Altersgrenze auf das vollendete 18. Lebensjahr angehoben werde; die gegenwärtige
Verpflichtung, den Leistungsanspruch auf Unterhaltsvorschuss bei Bezug von Arbeitslosengeld II vor-
rangig zu beantragen, sollte aufgehoben werden; die Kosten lägen dafür in einem ersten Schritt beim
Bund, Ziel sei jedoch, gemeinsam mit den Ländern darauf hinzuwirken, die Rückholquote bei säumigen
unterhaltspflichtigen Elternteilen zu steigern und die Datenlage sowie Ursachenforschung in diesem
Bereich zu verbessern;

– eine Auszahlung des Kindererziehungsmehrbedarfs außerhalb des SGB-II-Bezugs durch eine wertglei-
che Erhöhung des Kinderzuschlags zu ermöglichen;

– schnellstmöglich dafür zu sorgen, dass die Regelsätze für Kinder und Erwachsene im SGB II und im
SGB XII angehoben würden, so dass sie den Bedarf tatsächlich deckten;

– die Grundsicherung, auch im SGB II, zu einer individuellen Leistung weiterzuentwickeln und dazu in
einem ersten Schritt wie im SGB XII bei der Einkommensanrechung neben dem eigenen Einkommen
nur Einkommen der Partnerin bzw. des Partners anzurechnen, das über deren eigenen Bedarf hinaus-
gehe;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11592

– den Kinderzuschlag entsprechend den Konsequenzen aus der Reform der Ermittlung der Kinderregel-
sätze anzuheben, zu reformieren und dabei unbürokratischer zu machen;

– dafür Sorge zu tragen, dass die Bedarfe in Bedarfsgemeinschaften getrennt lebender Eltern mit zwi-
schen den Haushalten wechselnden Kindern in ausreichendem Maße gedeckt seien; dazu sei sicherzu-
stellen, dass Alleinerziehenden der komplette Regelsatz des Kindes ausgezahlt und dem anderen El-
ternteil ein Mehrbedarf gewährt werde;

– die Unterhaltsrechtsreform von 2008 im Hinblick auf die Auswirkungen insbesondere auf die Situation
von Alleinerziehenden nach der Rechtsänderung vom 1. März 2013 (unter Einbeziehung der Rahmen-
bedingungen: Ganztagsbetreuungsplätze, flexible Kinderbetreuungsmodelle, Situation am Arbeits-
markt, Ehedauer, familienfreundliche Arbeitsplätze und Betriebe, Situation der Städte und ländlichen
Regionen, Situation in Ost und West) zu evaluieren;

– eine gesetzlich geregelte, gleiche Referenzgröße für Mindestunterhalt und Selbstbehalt beim Unterhalt
zu prüfen;

– den Familienleistungsausgleich durch die langfristige Einführung einer Kindergrundsicherung weiter-
zuentwickeln.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat in seiner Sitzung am 8. März 2017 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN die Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/4307 empfohlen.
Der Finanzausschuss hat in seiner Sitzung am 8. März 2017 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des An-
trags auf Drucksache 18/4307 empfohlen.
Der Haushaltsausschuss hat in seiner Sitzung am 17. Juni 2015 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des
Antrags auf Drucksache 18/4307 empfohlen.
Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner Sitzung am 17. Juni 2015 mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die
Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/4307 empfohlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ab-
lehnung des Antrags auf Drucksache 18/4307.
Er hat zu der Vorlage in seiner 57. Sitzung am 14. März 2016 eine öffentliche Anhörung durchgeführt, in die auch
der Antrag der Fraktion DIE LINKE. auf Drucksache 18/6651 einbezogen wurde.
In der Anhörung wurden folgende Sachverständige gehört:
– Dr. Romy Ahner, Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V., Berlin
– Matthias Dantlgraber, Familienbund der Katholiken, Bundesgeschäftsstelle Berlin
– Marion von zur Gathen, Der Paritätische Gesamtverband, Berlin
– Miriam Hoheisel, Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e. V., Berlin
– Prof. Dr. Monika Jachmann-Michel, Bundesfinanzhof München
– Prof. Dr. Maria Wersig, Deutscher Juristinnenbund e. V., Berlin.
Zu den Ergebnissen der öffentlichen Anhörung wird auf das Wortprotokoll der Sitzung vom 14. März 2016 ver-
wiesen.
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat den Antrag auf Drucksache 18/4307 sodann in seiner
83. Sitzung am 8. März 2017 abschließend beraten.

Drucksache 18/11592 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärte, sie verfolge mit ihrem Antrag das Ziel, Alleinerziehende
zu stärken und dadurch die Teilhabe von Kindern zu sichern. In knapp jedem vierten Familienhaushalt lebe mitt-
lerweile eine alleinerziehende Mutter bzw. ein alleinerziehender Vater. Ebenso steige die Zahl der Familien mit
einem alleinerziehenden Elternteil, in denen die Kinder in Armut lebten, an. Mittlerweile betreffe dies vier von
zehn Alleinerziehenden mit kleinen Kindern. Fast jedes zweite Kind im ALG-II-Bezug wachse in einem Allein-
erziehenden-Haushalt auf. Wolle man die Anzahl der Kinder im Hartz-IV-Bezug reduzieren, so müsse man die
Gruppe der Alleinerziehenden mit einem Bündel von Maßnahmen unterstützen.
Es sei wichtig, die alleinerziehenden Mütter und Väter in ein Beschäftigungsverhältnis zu bringen, das über einen
Mini-Job hinausgehe. Sie sollten die Möglichkeit haben, sich in Teilzeit weiterzubilden sowie eine Ausbildung
oder eine Qualifizierungsmaßnahme zu machen. In einzelnen Bundesländern gebe es bereits gute Ansätze für eine
Ausbildung im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung. Der Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung in der Kita-
zeit habe sich in der Praxis bewährt. Wesentlich schwieriger sei die Situation häufig, wenn die Kinder in die
Grundschule kämen. Hier müsse eine bessere Infrastruktur geschaffen werden.
Erfreulich sei, dass es in Bezug auf die Forderungen zum Unterhaltsvorschussgesetz inzwischen Bewegung ge-
geben habe. Bislang sei jedoch die Forderung, das Kindergeld nur hälftig anzurechnen, nicht erfüllt worden. Dies
sei wichtig, weil ansonsten Kindergelderhöhungen bei den Alleinerziehenden nicht ankämen. Außerdem helfe der
steuerliche Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nur denjenigen, die genügend verdienten, um Steuern zu zah-
len. Deshalb fordere die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Einführung einer Steuergutschrift für die un-
teren Einkommensgruppen sowie eine Erweiterung des Kinderzuschlags.
Die Fraktion der CDU/CSU stellte fest, dass ihr die Situation der Alleinerziehenden und ihrer Kinder ein wich-
tiges Anliegen sei. Man habe im Verlauf dieser Wahlperiode immer wieder gefordert, diese Familienform zu
stärken und die Teilhabe von Kindern zu verbessern. Viele Punkte in dem vorliegenden Antrag seien bereits Be-
standteil der Politik der Bundesregierung und dessen Forderungen damit teilweise erledigt. Dies gelte beispiels-
weise für die Forderung nach mehr Aus- und Weiterbildung in Teilzeit. Hier seien Fördermöglichkeiten vorhan-
den. Auch das Existenzminimum während der Teilnahme an einer Teilzeitberufsausbildung sei bereits nach gel-
tendem Recht in der Regel gesichert. Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende sei im Jahr 2015 um 600 Euro
auf 1.908 Euro erhöht worden. Gleichzeitig sei eine Staffelung ab dem zweiten Kind mit zusätzlich 240 Euro pro
weiterem Kind eingeführt worden.
Die Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes befinde sich im parlamentarischen Verfahren. Es sei ein Meilen-
stein, wenn hier ein besseres Verfahren für die Alleinerziehenden erreicht und dadurch jedem einzelnen Kind
geholfen werde. Dies gelte auch für den weiteren Ausbau der Kindestagesbetreuung. Der Entwurf eines Gesetzes
zum weiteren quantitativen und qualitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung sei im Dezember vom Bundeska-
binett beschlossen worden. Für das neue Programm würden von 2017 bis 2020 insgesamt 1,126 Mrd. Euro zur
Verfügung gestellt. Seit dem Jahr 2013 gebe es zudem einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für alle
Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr.
Die Regelbedarfe für Kinder, Alleinstehende, Alleinerziehende sowie Erwachsene in Paarhaushalten seien zum
1. Januar 2017 neu ermittelt und festgesetzt worden. Die Neufestsetzung knüpfe an die bisherige Regelbedarfser-
mittlung an und habe vom Bundesverfassungsgericht angemahnte Korrekturen umgesetzt. Deshalb sei kein Grund
ersichtlich, weshalb der Regelbedarf verfassungswidrig oder zu niedrig bemessen sein sollte. Die Einführung
einer Kindergrundsicherung, wie im Antrag gefordert, lasse eher befürchten, dass sie den Transferbezug sowie
Familienarmut durch einen deutlichen Anstieg des Transfereinkommens dauerhaft verfestigen würde. Infolge der
Kindergrundsicherung steige gerade für untere Einkommensklassen die Höhe des Lohns, ab dem sich eigene Er-
werbsarbeit lohne, deutlich an. Dies stelle gerade für gering Qualifizierte eine hohe Hürde dar. Die Aufnahme
einer eigenen Erwerbstätigkeit lohne sich umso weniger, je höher die Transferleistungen ausfielen. Somit würde
das Gegenteil der intendierten Wirkung erreicht. Darüber hinaus enthalte der Antrag keine Aussagen über die
Finanzierung der geforderten Maßnahmen.
Die Fraktion DIE LINKE. kündigte an, dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zuzustimmen,
da man die darin enthaltenen Forderungen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Allein-
erziehende weitgehend teile. Man begrüße die Möglichkeit eines Wiedereinstiegs in den Beruf und einer Rück-
kehr in den Vollzeitberuf ebenso wie eine Erweiterung der Teilzeitausbildung und eine Verbesserung von Quali-
fizierungsmaßnahmen. Neben diesen weitgehend erledigten Punkten bestehe z. B. noch Handlungsbedarf bezüg-
lich des Mitspracherechts bei den Arbeitszeiten. Darüber hinaus sei es notwendig, ein Investitionsprogramm für

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/11592
Kitas aufzulegen, die Qualität der Kinderbetreuung zu sichern, den Rechtsanspruch auf Kitaplätze weiter auszu-
bauen und dafür Sorge zu tragen, dass die Öffnungszeiten der Kitas besser mit den Arbeitszeiten der Eltern koor-
diniert würden. Eine verbesserte Qualität der Kinderbetreuung betreffe hierbei nicht nur die Alleinerziehenden,
sondern alle Eltern.
Es sei zwar hilfreich, dass der steuerliche Entlastungsfreibetrag für Alleinerziehende angehoben worden sei; den-
noch sei eine weitere Anhebung geboten. Man begrüße, dass sich die Entfristung des Unterhaltsvorschusses, die
seit mehr als 11 Jahren gefordert werde, nunmehr im parlamentarischen Verfahren befinde. Hier sei es zur Ver-
meidung einer Ungleichbehandlung notwendig, dass das Kindergeld nur hälftig angerechnet werde, wie dies bis
zum 31. Dezember 2007 bereits der Fall gewesen sei. Zur Argumentation der Regierungskoalition in Bezug auf
die Anhebung der Regelsätze sei festzustellen, dass zu Unrecht unterstellt werde, die Menschen seien nicht bereit,
für ihre Kinder arbeiten zu gehen. Neben dem geltend gemachten „Lohnabstandsgebot“ gebe es aus Sicht der
Fraktion DIE LINKE. auch ein „Lohnanstandsgebot“, wobei man sich bei letzterem inzwischen auf einem guten
Weg befinde.
Die Fraktion der SPD bezeichnete den vorliegenden Antrag als wertvollen Diskussionsbeitrag. Man gehe davon
aus, dass die inhaltlichen Anstöße, die darin formuliert seien, die Familienpolitik in Deutschland fraktionsüber-
greifend weiterhin beschäftigen würden. Viele Punkte entsprächen der Programmatik der SPD. Da man aber in
dieser Wahlperiode – auch im Vergleich zu früheren Legislaturperioden – zusammen mit dem Koalitionspartner
große Fortschritte für Alleinerziehende erreicht habe, werde man den Antrag im Ergebnis ablehnen.
Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns habe mit dazu beigetragen, die Einkommenssituation von Allein-
erziehenden zu verbessern. Ebenso wie die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sehe man bei der Frage eines
Umgangsmehrbedarfs bei Kindern mit getrennt lebenden Eltern, die im Hartz-IV-Bezug seien, Handlungsbedarf.
Hier spreche man auch von temporären Bedarfsgemeinschaften. Leider habe man sich hierzu in der Koalition
bislang nicht auf eine gemeinsame Lösung verständigen können. Die Art und Weise, wie von der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN Verbesserungen bei der Grundsicherung vorgeschlagen würden, werde von der SPD-Frak-
tion nicht geteilt. Das Lohnabstandsgebot spiele hier eine große Rolle. Das Beste, was man für die Versorgung
von Kindern tun könne, sei die Verbesserung der Erwerbsfähigkeit und der Erwerbstätigkeit der Eltern. Einer der
Fortschritte, die man hier erreicht habe, sei die Möglichkeit, in Teilzeit eine Ausbildung zu machen und gleich-
zeitig finanziell abgesichert zu sein. Hierzu gehöre auch der Durchbruch, den die Koalition beim Unterhaltsvor-
schuss aller Voraussicht nach in dieser Wahlperiode erreichen werde. Man könne hier zwar über Details – bei-
spielsweise über die Frage der Anrechenbarkeit des Kindergeldes – streiten. Wesentlich seien jedoch der Wegfall
der Befristung auf 72 Monate und die Heraufsetzung der Altersgrenze auf 18 Jahre.

Berlin, den 8. März 2017

Gudrun Zollner
Berichterstatterin

Dr. Fritz Felgentreu
Berichterstatter

Jörn Wunderlich
Berichterstatter

Dr. Franziska Brantner
Berichterstatterin

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