BT-Drucksache 18/11537

Monitoring-Daten zum Tierwohl aus dem Nutztierbereich

Vom 9. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11537
18. Wahlperiode 09.03.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Bärbel Höhn, Nicole Maisch,
Harald Ebner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Monitoring-Daten zum Tierwohl aus dem Nutztierbereich

Die Tierwohl-Initiative des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirt-
schaft (BMEL) verspricht, dass die Haltung von Tieren verbessert werden soll.
Dieses Versprechen steht im Einklang mit den Forderungen des Wissenschaftli-
chen Beirates für Agrarpolitik (WBA), der in seinem Nutztier-Gutachten 2015
auf die unterschiedlichen Tierschutz-Defizite in deutschen Nutztierhaltungen hin-
wies. Eine Verbesserung der Haltungsbedingungen entspricht ebenfalls den Er-
wartungen, die die Gesellschaft an die deutsche Landwirtschaft stellt (www.
bmel.de/DE/Presse/Infografiken/TNS-Umfage-Dez2014/TNS-Umfrage-Dez2014_
node.html).
Auf seiner Homepage stellt das BMEL die These auf, dass mehr Tierwohl „ge-
schafft“ sei und hebt unter anderem hervor, dass das Schnäbelkürzen bei Lege-
hennen und Mastputen seit Anfang diesen Jahres, basierend auf einer freiwilligen
Vereinbarung mit der Wirtschaft, untersagt ist (www.bmel.de/DE/Tier/_texte/
landingpage-tierwohl.html).
Gleichzeitig gibt es in jüngster Zeit zahlreiche Indizien, die dafür sprechen, dass
das Tierwohl, welches sowohl die Tiergesundheit als auch die Ausübung natürli-
cher Verhaltensweisen umfasst, gefährdet ist. Im Bereich Tierschutz sind die
regulär aufgeführten Tierrechtsverstöße (siehe hierzu die Kontrollberichte der
Bundesregierung www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/01_Lebensmittel/06_
mnkp_dokumente/mnkp_Jahresbericht_2015.pdf?__blob=publicationFile&v=4)
durch die bei Filmaufnahmen von Tierrechtsaktivisten offengelegten Missstände,
ebenso wie die nicht geahndeten Tierschutzverstöße, die bei punktuellen amtli-
chen Untersuchungen in Tierkörperbeseitigungsanlagen aufgedeckt wurden
(www.noz.de/deutschland-welt/wirtschaft/artikel/854189/hinweise-auf-massive-
tierschutzverstoesse-bleiben-unentdeckt), zu ergänzen. Neben Informationen zu
Tierrechtsverstößen, sind Daten zu den klassischen Produktionskrankheiten (Er-
krankungen, die mit der Haltung, Fütterung, Leistung, Züchtung und dem Ma-
nagement assoziiert sind) für eine umfassende Bewertung des Tierwohls erfor-
derlich. Etliche Veröffentlichungen weisen stichprobenhaft auf Missstände hin,
die sich unterhalb der „Tierschutz-Schwelle“ bewegen, also keine Verstöße gegen
das geltende Tierschutzrecht bedeuten. Matthias Wolfschmidt behauptet bei-
spielsweise in seiner Veröffentlichung „Das Schweinesystem“, dass über 50 Pro-
zent aller Mastschweine in ihrem Leben eine Lungenentzündung durchgemacht
haben (www.deutschlandradiokultur.de/wie-kommt-der-tierschutz-in-den-stall-
ueber-das.990.de.html?dram:article_id=367801).

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Über solche Meldungen hinaus, liegen der Öffentlichkeit und Politik kaum um-
fassende Informationen vor, die eine valide Beurteilung des Status quo in deut-
schen Ställen zulassen, geschweige denn Aussagen zu einer möglichen Verbes-
serung der Tierwohlsituation.
In den Empfehlungen des „Kompetenzkreises Tierwohl“ des BMEL, sowie im
Gutachten des WBA wird eine nationale Nutztierstrategie gefordert, die ohne ein
gutes Monitoring des Tierwohls nicht funktioniert. Die Wissenschaft forscht und
publiziert seit vielen Jahren zu Tierwohl-Indikatoren (vgl. KTBL-Veröffentli-
chungen zu Indikatoren für die betriebliche Eigenkontrolle www.ktbl.de/inhalte/
service/tagungsergebnisse/indikatoren-tiergerechtheit/; www.ktbl. de/inhalte/
themen/tierhaltung/tierart/schwein/mastschweine). Es liegen demnach viele hilf-
reiche Veröffentlichungen zu geeigneten Indikatoren für ein Tierwohl-Monito-
ring vor. Die Anwendung und Wirkung von wissenschaftlich validierten Indika-
toren steht und fällt allerdings mit dem Vorhandensein einer guten Datengrund-
lage.
Offizielle Statistiken, wie die Schlachttier- und Fleischuntersuchungsstatistik, die
Geflügelstatistik, die Landwirtschaftszählung, die Milchleistungs- und Fleisch-
leistungsprüfung und die HIT-Datenbank liefern bereits relevante Daten, die mit
einer Grundlage für Tierwohl-Indikatoren darstellen könnten.
Es ist allerdings festzustellen, dass die staatlich, teilweise mit erheblichem Auf-
wand erfassten potentiellen Daten für ein Tierwohl-Monitoring, wie bspw. die
aus der amtlichen Überwachung auf Schlachthöfen erfassten Schlachthofbe-
funde – anders als im Umweltbereich – wenig dokumentiert und von staatlicher
Seite kaum aufbereitet sind. Ausnahmen sind hier beispielsweise die „WISTA –
Wirtschaft und Statistik“-Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes, wie
die im Jahr 2005 erschienene Veröffentlichung zur Legehennenhaltung in
Deutschland (www.destatis.de/DE/Publikationen/WirtschaftStatistik/LandForst
wirtschaft/Legehennenhaltung.pdf?__blob=publicationFile).
Erfasste Daten fließen in die aktuelle Debatte um das Tierwohl nicht ein. Von
staatlicher Seite werden sie nicht genutzt, um etwaige Verbesserungen in der
Nutztierhaltung und beim Tierwohl zu belegen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung der gesundheitliche Zu-

stand deutscher Nutztiere in den letzten 20 Jahren hinsichtlich der klassi-
schen tierartspezifischen Produktionskrankheiten entwickelt (bitte nach
Mastschweinen, Sauen, Ferkeln, Legehennen, Masthühnern, Elterntieren,
Milchkühen, Mastbullen, Aufzuchtkälbern aufschlüsseln)?

2. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil der Tiere, die
nicht kupiert oder enthornt wurden (bitte Anteil und Anzahl der Schweine
mit intakten Schwänzen, Kälber, die nicht enthornt wurden und Legehennen
mit intakten Schnäbel angeben)?

3. Wie viele männliche Eintagsküken wurden nach Kenntnis der Bundesregie-
rung jedes Jahr getötet (Angaben bitte von 2006 bis 2016)?

4. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Therapiehäufigkeit bei
Mastschweinen, Milchkühen, Legehennen und Mastgeflügel in den letzten
zehn Jahren entwickelt und liegen der Bundesregierung für den gleichen
Zeitraum Zahlen zur Bestandsmortalität bzw. Tierverlusten vor (bitte Anga-
ben nach Antibiotika und Reserveantibiotika aufschlüsseln)?

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5. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Möglichkeiten deut-
scher Nutztiere, ihr arttypisches Verhalten auszuleben, in den letzten Jahren
entwickelt (bitte Angaben zu Mastschweinen, Sauen, Ferkeln, Legehennen,
Masthühnern, Elterntieren, Milchkühen, Mastbullen, Aufzuchtkälbern auf-
führen)?

6. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Haltungsverfahren
deutscher Nutztiere über die letzten zehn Jahre gewandelt, und wie hoch ist
der Anteil der Tiere, die Zugang zu Auslauf oder zur Weide haben (bitte nach
Mastschweinen, Sauen, Ferkeln, Legehennen, Masthühnern, Elterntieren,
Milchkühen, Mastbullen, Aufzuchtkälbern aufschlüsseln)?

7. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung den bisher bestehenden Da-
tenerfassungssystemen, wie der Landwirtschaftszählung, der Milchleis-
tungsprüfung, den Statistiken des Statistischen Bundesamtes für ein Tier-
wohl-Monitoring bei (bitte nach Mastschweinen, Sauen, Ferkeln, Legehen-
nen, Masthühnern, Elterntieren, Milchkühen, Mastbullen, Aufzuchtkälbern
aufschlüsseln)?

8. Stimmt die Bundesregierung zu, dass Schlachthofbefunde Aussagen darüber
zulassen, wie es den Nutztieren während der Mast ergangen ist, insbesondere
hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Verfassung, und wenn nein, warum
nicht?

9. Plant die Bundesregierung, die nationale Fleischhygienestatistikverordnung
in Bezug auf die in Anhang 1 der Verordnung (EG) Nr. 854/2004 genannten
Anforderungen an das amtliche Inspektionspersonal bei der Überprüfung des
Wohlbefindens und der Tiergesundheit (über bspw. die Erfassung von
Schlagstriemen bei Mastschweinen), um tierwohlrelevante Daten zu erwei-
tern?

Wenn nein, warum nicht?
10. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus den Ergebnissen der öffent-

lich zugänglichen Schlachttier- und Fleischuntersuchungsstatistik des Statis-
tischen Bundesamtes hinsichtlich des Status quo der Tiergesundheit (bitte
Angaben nach Schweinen, Legehennen, Masthühnern, Rindern, Aufzucht-
kälbern aufschlüsseln)?

11. Welche Schlachthofbefunde sind laut Bundesregierung besonders relevant
für ein Tierwohl-Monitoring, und worauf basiert ihre Relevanzeinschätzung
(bitte nach Mastschweinen, Sauen, Ferkeln, Legehennen, Masthühnern, El-
terntieren, Milchkühen, Mastbullen, Aufzuchtkälbern aufschlüsseln)?

12. Hat die Bundesregierung Zugang zu weiteren, detaillierteren amtlichen
Schlachthofbefunddaten, und wenn nein, welche Schritte werden unternom-
men, um den Datenzugang zu erleichtern?

13. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Datenqualität der Schachthofbe-
funde ein, und welche Maßnahmen werden unternommen, um die Qualität
der Befunddaten zu verbessern (bitte Angabe von einzelnen Maßnahmen und
Finanzierungsumfang)?

14. Inwiefern fließen die im mehrjährigen nationalen Kontrollplan dokumentier-
ten Ergebnisse zu Tierrechtsverstößen und entsprechenden Beanstandungs-
gründen in die politische Entscheidungsfindung der Bundesregierung mit
ein, und bei welchen im mehrjährigen Kontrollplan genannten Beanstan-
dungsgründen sieht die Bundesregierung den dringendsten Handlungsbe-
darf?

15. In welchen Bereichen (Tierarten, Produktionssysteme, Transport, Schlach-
tung) sieht die Bundesregierung die größten Datenlücken, die eine umfas-
sende Beurteilung des Status quo verhindern?

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16. Sieht die Bundesregierung den Bedarf, die regulären Kontrollen des Tier-

schutzes am lebenden Tier auf die Untersuchung von Tierkadavern in Tier-
körperbeseitigungsanlagen auszuweiten, und wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 7. März 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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