BT-Drucksache 18/11496

Umgang mit den Opfern der Blockade von Leningrad

Vom 9. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11496
18. Wahlperiode 09.03.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Sevim Dağdelen, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke,
Katrin Kunert, Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke, Birgit Wöllert und
der Fraktion DIE LINKE.

Umgang mit den Opfern der Blockade von Leningrad

Vom September 1941 bis zum Januar 1944 belagerte die deutsche Wehrmacht die
sowjetische Großstadt Leningrad. Für die Bevölkerung der Stadt hatte diese Be-
lagerung katastrophale Folgen. Durch das Abschneiden der Stadt von jeder Ver-
sorgungsmöglichkeit kam es schnell zu einer Lebensmittelknappheit und in der
Folge zu einem stetigen Anstieg der Todesopfer aufgrund dieser Unterversor-
gung. Nach Schätzungen von Historikern fielen zwischen 800 000 und 1,2 Milli-
onen Menschen der Belagerungspolitik durch die Wehrmacht zum Opfer. Die
Blockade von Leningrad steht im Zusammenhang mit der verbrecherischen
Kriegsführung der Nazis in Osteuropa, die mit der Bezeichnung „Vernichtungs-
krieg“ charakterisiert wird. Die auch an anderen Orten von der Wehrmacht und
den deutschen Einheiten betriebene „Hungerpolitik“, wie sie z. B. in der Ausstel-
lung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944“ beschrieben
wurde, wurde im Rahmen der Leningrader Blockade exzessiv zur Anwendung
gebracht.
Der Jenaer Historiker Jörg Ganzenmüller sieht in der Leningrader Blockade,
ähnlich wie in der Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen, ein Beispiel
der von der Wehrmacht zu verantwortenden „Hungerpolitik“ und beschreibt sie
als Kriegsverbrechen (www.dw.com/de/ganzenm%C3%BCller-verbrechen-der-
wehrmacht/a-17373574).
Bis heute hat es nach Kenntnis der Fragesteller keinerlei Entschädigung für die
Hinterbliebenen und Opfer dieses Kriegsverbrechens seitens der Bundesrepublik
Deutschland gegeben. Eine Ausnahme bilden die jüdischen Opfer der Leningra-
der Blockade, für die die Jewish Claims Conference im Jahr 2008 unter bestimm-
ten Voraussetzungen eine einmalige Entschädigungszahlung von 2 556 Euro er-
reichen konnte.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Hat es seitens der Bundesrepublik Deutschland jemals Entschädigungsleis-

tungen für Opfer und/oder Hinterbliebene der Leningrader Blockade gege-
ben?

Wenn ja, wann, für welche Gruppen, und in welcher Form?

Drucksache 18/11496 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Hat es jemals Verhandlungen oder Gespräche zwischen der Sowjetunion
bzw. der Russischen Föderation und der Bundesrepublik Deutschland über
mögliche Entschädigungsleistungen für die Opfer und/oder Hinterbliebenen
der Leningrader Blockade gegeben?
Wann waren diese Verhandlungen gegebenenfalls, und was waren im Ein-
zelnen die Themen?

3. Gibt es seitens der Bundesregierung Überlegungen, die noch lebenden Opfer
der Leningrader Blockade in irgendeiner Form zu entschädigen?
Wie sehen diese Überlegungen gegebenenfalls aus, gibt es dazu Gespräche,
und welchen Stand haben mögliche Gespräche?

4. Wie begründet die Bundesregierung die Tatsache, dass es für jüdische Opfer
der Leningrader Blockade seit dem Jahr 2008 die Möglichkeit einer Entschä-
digung gibt, dies aber für die anderen Opfer der Blockade bis heute nicht
möglich ist?

5. Bewertet die Bundesregierung die Blockade Leningrads durch die deutsche
Wehrmacht als Kriegsverbrechen und Ausdruck der NS-Hungerpolitik ana-
log zur Behandlung der sowjetischen Kriegsverbrechen, wie begründet sie
ihre Bewertung, und welche Folgerungen ergeben sich aus dieser Bewertung
für mögliche Entschädigungszahlungen an noch lebende Opfer?

6. Gibt es seitens der Bundesregierung Gespräche oder Planungen mit Verant-
wortlichen der Stadt Sankt Petersburg, welche Hilfen bzw. Unterstützungs-
leistungen für die noch lebenden Opfer der Leningrader Blockade durch die
Bundesregierung geleistet bzw. unterstützt werden können, und wie sehen
solche Planungen gegebenenfalls aus?

Berlin, den 9. März 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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