BT-Drucksache 18/11483

Maritime Zusammenarbeit mit Polizei, Gendarmerie und Militär in Libyen

Vom 8. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11483
18. Wahlperiode 08.03.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan van Aken, Christine Buchholz,
Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger, Ulla Jelpke, Jan Korte und der
Fraktion DIE LINKE.

Maritime Zusammenarbeit mit Polizei, Gendarmerie und Militär in Libyen

Unter der Führung von Spanien unterstützen die Europäische Kommission und
die Mitgliedstaaten Italien, Frankreich, Zypern, Malta und Portugal Verhandlun-
gen mit Libyen über eine engere Zusammenarbeit im grenzpolizeilichen Bereich
(Antwort von Dimitris Avramopoulos auf die Anfrage der Europaabgeordneten
Sabine Lösing vom 23. Oktober 2015, E-010826/2015). Libyen soll an das satel-
litengestützte Netzwerk „Seepferdchen Mittelmeer“ angeschlossen werden und
würde dadurch auch in das Überwachungssystem EUROSUR integriert. Darüber
erhielten die zuständigen libyschen Behörden Lagebilder von den EU-Missionen
EUNAVFOR MED (Militär) und Triton (Polizei/Grenzpolizei). Auch US-Mili-
tärs könnten darin eingebunden werden, seit Januar 2017 hat EUNAVFOR MED
einen Verbindungsoffizier zum US-Kommando AFRICOM entsandt, „um eine
Zusammenarbeit zu etablieren“ (Bundestagsdrucksache 18/11329, Antwort zu
Frage 18). In EUNAVFOR MED werden auch U-Boote „zur Erstellung des La-
gebildes und zur Aufklärung“ eingesetzt.
Die Anstrengungen der Vereinten Nationen sowie der Europäischen Union bauen
auf einer Absichtserklärung auf, die der italienische Premierminister Paolo
Gentiloni und der libysche Premierminister Fayez Al Sarraj am 2. Februar 2017
unterzeichneten. Sie knüpft an den sogenannten Vertrag von Benghazi aus dem
Jahr 2008 an, der im Jahr 2012 ergänzt wurde. Medienberichten zufolge soll das
libysche Militär zur Grenzüberwachung unter anderem mit Drohnen unterstützt
werden. Obwohl die bi- und multilateralen Maßnahmen in Libyen aufeinander
abgestimmt werden sollen, hat die Bundesregierung zu Einzelheiten der italieni-
schen Unterstützung nach eigenen Angaben „keine Kenntnis“ (Bundestagsdruck-
sache 18/11329, Antwort zu Frage 14).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche zivilen und militärischen Behörden sind nach Kenntnis der Bundes-

regierung in Libyen mit der maritimen Grenzsicherung beauftragt?
2. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern die liby-

sche Küstenwache in den Hoheitsgewässern eine Schutzlinie („line of pro-
tection“) zum Abfangen der Boote mit Geflüchteten einrichten sollte (eurac-
tiv.com vom 22. Januar 2017, „EU considers increased support to help Libya
tackle people smugglers“), und worin bestünde die nicht nur bereits erfolgte,
sondern auch „starke und ausdauernde“ EU-Unterstützung bei diesem Vor-
haben („strong and lasting EU support“)?

Drucksache 18/11483 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Was ist der Bundesregierung über die Verfolgung von Plänen bekannt, im
Rahmen von EUBAM, EUNAVFOR MED oder anderen EU-Initiativen au-
ßer der militärischen Küstenwache auch eine Schulung der libyschen Seepo-
lizei, die dem Innenministerium untersteht und auf See operiert, vorzuneh-
men, damit diese die Hoheitsgewässer überwachen und Geflüchtete und de-
ren Helfer aufspüren kann (Ratsdok. 5684/1/17)?

4. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, welche supranatio-
nalen Behörden und/oder Nachbarländer den „einschlägigen Nachschub“
von Booten, Motoren, Fahrzeugen für sogenannte Schleuser in Libyen kon-
trollieren, behindern oder stoppen könnten (Ratsdok.5684/1/17)?
a) Wo werden die Boote vorwiegend hergestellt, und über welche Lieferket-

ten gelangen diese an die Strände Libyens?
b) Welche Maßnahmen hält die Bundesregierung zur Unterbrechung der

Lieferketten für geeignet?
c) Inwiefern könnten hierfür auch Resolutionen der Vereinten Nationen zu-

grunde gelegt werden?
d) Inwiefern könnte das Strafrecht diesbezüglich verschärft werden, und

welche Planungen sind der Bundesregierung hierzu bekannt?
e) Auf welche Weise könnten aus Sicht der Bundesregierung auch private

Rettungsorganisationen in die Anstrengungen eingebunden werden?
5. Welche Art von „Zusammenarbeit“ will nach Kenntnis der Bundesregierung

die EU-Militärmission EUNAVFOR MED durch Entsendung eines Verbin-
dungsoffiziers zum US-Kommando AFRICOM etablieren, und wo genau ist
der Beamte tätig?

6. Über welche Fähigkeiten (etwa optisch, elektronisch, signalerfassend) ver-
fügen die U-Boote, die „zur Erstellung des Lagebildes und zur Aufklärung“
in EUNAVFOR MED eingesetzt werden, bzw. welcher Art sind die Aufklä-
rungsprodukte, in die entsprechende Fähigkeiten einfließen (Bundestags-
drucksache 18/11329)?

7. Wie viele verdächtige Schiffe wurden von EUNAVFOR MED auf ihrem
Weg über das Mittelmeer nach Kenntnis der Bundesregierung aufgespürt
und nachverfolgt (Ratsdok.5684/1/17)?

8. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, auf welche Weise und mit
welchen technischen Mitteln das Joint Operational Team (JOT) Mare bei Eu-
ropol (Europäisches Polizeiamt) bzw. das ebenfalls dort ansässige Europäi-
sche Zentrum zur Bekämpfung der Migrantenschleusung (EMSC) die Be-
obachtung („monitoring“) von 500 „verdächtigen Schiffen“ vornimmt
(http://gleft.de/1CY)?

9. Auf welche Weise könnten aus Sicht der Bundesregierung die „Ressourcen
zur Informationsgewinnung und Überwachung“ vor der libyschen Küste ge-
bündelt werden, „um Positionen und Strecken besser zu kontrollieren und ins
Visier zu nehmen und die dort tätigen Schleuser zu identifizieren“ (Ratsdok.
5684/1/17)?
a) Auf welche Weise ist die Europäische Agentur für die Grenz- und Küs-

tenwache Frontex mit der Africa-Frontex Intelligence Community, dem
Netzwerk EUROSUR oder den Eurosur Fusion Services schon jetzt in
diese Zusammenarbeit eingebunden?

b) Mit welchen weiteren Schiffsmeldesystemen, Satelliten und Überwa-
chungsflugzeugen könnten aus Sicht der Bundesregierung „Ablegestel-
len“ von Flüchtlingsbooten identifiziert werden?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11483

10. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, in welchen EU-Mitgliedstaa-

ten sich welche Schiffe libyscher Behörden der Polizei, Grenzpolizei oder
des Militärs zur Reparatur oder Verwahrung befinden, und wann sollen diese
herausgegeben werden?

11. Was ist der Bundesregierung über den Zeitplan bekannt, das Überwachungs-
netzwerk „Seepferdchen Mittelmeer“ im Frühjahr 2017 „zur Einsatzreife“ zu
bringen?
a) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern die Kommission

mit der spanischen Gendarmerie wie geplant vereinbarte, die Mittel zur
Schulung der libyschen Küstenwache im Rahmen des Programms „See-
pferdchen Mittelmeer“ um bis zu 1 Mio. Euro aufzustocken (Ratsdok.
5684/1/17)?

b) Was ist der Bundesregierung über Fortschritte beim Aufbau eines liby-
schen Seenotrettungszentrums („Maritime Rescue Coordination Centre“)
unter Leitung italienischer und maltesischer Behörden bekannt?

c) Auf welcher Ebene laufen „Bemühungen“, um die libysche Küstenwache
„mit der erforderlichen Ausrüstung für eine Kommunikationsverbindung
mit den Mitgliedstaaten zu versehen, damit ein Informationsaustausch na-
hezu in Echtzeit stattfinden kann und beide Seiten ihre Patrouilleneinsätze
abstimmen können“?

12. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Haltung der Fragesteller, dass das
Programm „Seepferdchen Mittelmeer“ nutzlos ist, wenn der eigentliche
Zweck, nämlich die Stärkung der „Grenzschutzbehörden der Länder
Nordafrikas“ (Ratsdok. 5684/1/17), nicht umgesetzt werden kann, da sich
Tunesien, Ägypten und Libyen nicht beteiligen wollen (Antwort von Dimit-
ris Avramopoulos auf die Anfrage der Europaabgeordneten Sabine
Lösing vom 23. Oktober 2015, E-010826/2015)?

13. Was ist der Bundesregierung über Teilnehmende eines Forums für Küsten-
wachdienste im Mittelmeerraum bekannt, das die „gegenseitige Vertrautheit
der zuständigen Behörden und den Erfahrungsaustausch“ fördern soll und
„Möglichkeiten für eine weitere Zusammenarbeit der lybischen Küstenwa-
che mit den Küstenwachen der Mitgliedstaaten und von Drittländern mit ei-
ner Mittelmeerküste“ ausloten soll und dafür von der Europäischen Kommis-
sion mit einer Finanzhilfe unterstützt wird (Ratsdok. 5684/1/17)?

14. Was ist der Bundesregierung über Ziele und Teilnehmende eines Regionalen
Forums der Polizeichefs zu organisierter Kriminalität und Migration be-
kannt, das unter der Leitung Italiens steht (Bundestagsdrucksache 18/10843,
Antwort zu Frage 9)?

15. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern die Prä-
senz der privaten Rettungsorganisationen in Teilen des Mittelmeers (etwa
der 24-Meilen-Zone) kontrolliert, reguliert oder eingeschränkt werden
sollte?
a) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, dass die italienische Staats-

anwaltschaft gegen private Rettungsorganisation wegen des „verdächti-
gen“ Betriebs von Drohnen ermittelt, da dies auf eine Zusammenarbeit
mit sogenannten Schleusern hindeuten würde (The Local vom 17. Februar
2017, „Italian investigators probe private migrant aid boats off Libya“)?

b) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern Italien nunmehr
Drohnen in Libyen einsetzt bzw. den dortigen Behörden entsprechende
Luftfahrzeuge liefern will?

Drucksache 18/11483 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

16. Auf welche Weise könnte aus Sicht der Bundesregierung auch der EU-Haus-

halt finanziell zur Ausbildung der libyschen Küstenwache beitragen, auch
wenn eine unmittelbare Finanzierung der Operation EUNAVFOR MED aus-
geschlossen ist (Ratsdok. 5684/1/17)?
a) Welche konkreten Planungen sind ihr hierzu bekannt?
b) Worin bestehen die in einer Finanzhilfevereinbarung mit dem italieni-

schen Innenministerium niedergelegten Komponenten zur Unterstützung
der libyschen Küstenwache (Seenotrettungstätigkeit und Ausbildung,
durchgeführt von der Internationalen Organisation für Migration) und
zum „Aufbau des libyschen Staatsapparats“ (in Zusammenarbeit mit dem
Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen)?

17. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern von der
libyschen Küstenwache mit Unterstützung von EU-Missionen aufgebrachte
und zurückgebrachte Geflüchtete nicht in Haftanstalten, sondern beispiels-
weise in dazu bereiten Gemeinden untergebracht werden könnten?

18. Wie viele der in EUNAVFOR MED ausgebildeten Angehörigen von Marine
und Küstenwache haben sich nach Abschluss der Maßnahmen Milizen ange-
schlossen bzw. sind unter deren Befehlsgewalt zurückgekehrt?

19. Welche einzelnen „Schulungen“ der libyschen Küstenwache wurden nach
Kenntnis der Bundesregierung durch die EU-Grenzagentur Frontex vorge-
nommen, und welche weiteren Maßnahmen „werden angedacht“ (Ratsdok.
5684/1/17)?

20. Welches weitere, neue Programm zur Unterstützung der libyschen Küsten-
wache soll sich dabei nach Kenntnis der Bundesregierung aus Sicht des Rates
anschließen, „um zu gewährleisten, dass die unterschiedlichen Schulungs-
maßnahmen unter den verschiedenen Programmen dazu beitragen, das ganze
Spektrum des Bedarfs der libyschen Küstenwache zu decken“ (Ratsdok.
5684/1/17)?

Berlin, den 6. März 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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