BT-Drucksache 18/11481

Umsetzung der Konzeption der Gedenkstättenförderung des Bundes in Sachsen und Neugestaltung der Ausstellung "Spuren des Unrechts" in Torgau

Vom 8. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11481
18. Wahlperiode 08.03.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Susanna Karawanskij, Sevim Dağdelen,
Dr. André Hahn, Ulla Jelpke und der Fraktion DIE LINKE.

Umsetzung der Konzeption der Gedenkstättenförderung des Bundes in Sachsen
und Neugestaltung der Ausstellung „Spuren des Unrechts“ in Torgau

Mit der Konzeption der künftigen Gedenkstättenförderung des Bundes wurden
im Jahr 1999 für zwei Gedenkstätten in Sachsen Festlegungen zur Schwerpunkt-
setzung hinsichtlich ihrer Thematik getroffen. Das Dokumentations- und Infor-
mationszentrum (DIZ) Torgau setzt sich für die „Aufarbeitung des Unrechts in
den verschiedenen Verfolgungsperioden des 20. Jahrhunderts ein. Es legt dabei
den Schwerpunkt auf das Bewahren der Erinnerung an die Opfer der Wehrmacht-
justiz“. In der Gedenkstätte Bautzen wiederum „soll das Unrecht in den beiden
Bautzener Gefängnissen während der nationalsozialistischen Diktatur, der sow-
jetischen Besatzung und der SED-Diktatur dokumentiert werden, wobei der
Schwerpunkt auf der Information über das Unrecht zwischen 1945 und 1989 lie-
gen wird“ (Bundestagsdrucksache 14/1569, Seite 21).
Während des Zweiten Weltkrieges befanden sich in Torgau zwei von acht Wehr-
machtgefängnissen: mit Fort Zinna das größte überhaupt und der Brückenkopf.
Als das Reichskriegsgericht, das höchste Gericht der Wehrmachtjustiz, im August
1943 nach Torgau verlegt wurde, war die Stadt endgültig zur Zentrale von Wehr-
machtjustiz und Wehrmachtstrafvollzug geworden. Hier wurden Tausende
Kriegsdienstverweigerer, Deserteure, „Wehrkraftzersetzer“, Zwangsrekrutierte,
„Kriegsverräter“ und Gegner des NS-Regimes aus den besetzten Gebieten gefan-
gengehalten, für den „Bewährungseinsatz“ gedrillt oder verurteilt und hingerich-
tet.
Seit Ende der 1990er-Jahre wird in Torgau eine Auseinandersetzung über die Er-
innerung an diese Zeit, speziell über die Gestaltung der Ausstellung „Spuren des
Unrechts“ geführt. Zwar war festgelegt worden, dass an diesem zentralen Ort der
NS-Militärjustiz im Zweiten Weltkrieg deren Verbrechen im Mittelpunkt stehen
sollen, doch sind diese Vorgaben von der Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur
Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft nie umgesetzt worden. Erst
im Jahr 2011 gelang es, sich im Rahmen der Stiftung auf eine Überarbeitung im
ursprünglich vereinbarten Sinn zu einigen. Hierfür wurden jedoch vom Freistaat
Sachsen keine Gelder bewilligt. Auf Drängen der Bundesvereinigung der Opfer
der NS-Militärjustiz kam es im Jahr 2015 mit der Verabschiedung eines Eckpunk-
tepapiers zu einem neuen Einigungsversuch, der auch einen Zeitplan vorsah.
Nachdem dieser jedoch nicht eingehalten wurde, ist eine konsensuale Realisie-
rung der Ausstellungsüberarbeitung erneut in unabsehbare Ferne gerückt. Es ist
folglich kaum zu erwarten, dass auch nur ein Opfer der NS-Militärjustiz an die-
sem zentralen Ort der Verfolgung eine angemessene Darstellung seines Verfol-
gungsschicksals erleben wird. Die Bundesvereinigung der Opfer der NS-Militär-
justiz kündigte deshalb kürzlich ihre weitere Mitarbeit an der Neugestaltung der

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Ausstellung „Spuren des Unrechts“ auf. Seit ihrer Gründung am 15. Februar 1994
ist die Stiftung Sächsische Gedenkstätten keiner Evaluation ihrer Arbeit und
Funktionsweise unterzogen worden, wie das bei vergleichbaren Einrichtungen
der Fall ist.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über die Umsetzung der Ge-

denkstättenkonzeption in Torgau speziell bezüglich der Ausstellung „Spuren
des Unrechts“ vor?

2. Wurden bei der Umsetzung der Gedenkstättenkonzeption weitere Vereinba-
rungen mit dem Freistaat Sachsen und/bzw. der Stiftung Sächsische Gedenk-
stätten getroffen, und wenn ja, welche konkret (bitte Inhalte der Vereinba-
rungen als Anlage beifügen)?

3. Wann und wie wurde seitens der Bundesregierung die Einhaltung der Fest-
legungen hinsichtlich der Schwerpunktsetzung in der Gedenkstättenkonzep-
tion überprüft?

4. Welche Konsequenzen ergeben sich/sind vorgesehen für den Fall der Nicht-
umsetzung der Schwerpunktfestlegungen der Gedenkstättenkonzeption?

5. In welcher Höhe wurden vom Bund auf Grundlage der Gedenkstättenkon-
zeption (Bundestagsdrucksache 14/1569) Fördergelder an die Stiftung Säch-
sische Gedenkstätten für das DIZ Torgau und für die Gedenkstätte Bautzen
ausgezahlt (bitte nach Jahren und Gedenkstätte angeben)?

6. Wie hat sich die Finanzierung der Ausstellung konkret entwickelt (bitte nach
Jahr, Kosten und Verwendung aufschlüsseln)?

7. Wurde seitens der Bundesregierung die Mittelverwendung im Sinne der
Schwerpunktsetzungen der Gedenkstättenkonzeption geprüft, und wenn ja,
wann, und mit welchem Ergebnis?

8. Sieht die Bundesregierung in der bisherigen Ausstellung „Spuren des Un-
rechts“ die im Gedenkstättenkonzept vorgenommene Schwerpunktfestle-
gung bei diesem Thema als umgesetzt an, und wie begründet sie ihre Auf-
fassung?

9. Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass auf Schloss Hartenfels
bis zum Jahr 2013, neben einem Vorraum zur Stadt- und Gefängnisge-
schichte, eine thematische und räumliche Drittelung der Ausstellung exis-
tierte, so dass in der Konsequenz die Zeit nach 1945 deutlich umfassender
dokumentiert war als die Verbrechen der NS-Militärjustiz und die Bundes-
vereinigung der Opfer der NS-Militärjustiz erst im Jahr 2013 erreichen
konnte, dass die Fläche gleichmäßig geteilt ist?

10. Wie bewertet die Bundesregierung die Genese dieser erinnerungspolitischen
Auseinandersetzung vor dem Hintergrund, dass der Deutsche Bundestag
zwar in den Jahren 1997, 1998, 2002 und 2009 Beschlüsse zur Rehabilitie-
rung der Opfer der NS-Militärjustiz gefasst hat, in Torgau aber die ursprüng-
lich vorgesehene Schwerpunktsetzung zugunsten dieser NS-Opfergruppe bis
heute nicht umgesetzt wurde?

11. Sieht die Bundesregierung hierin eine Konterkarierung ihrer Konzeption zur
Gedenkstättenförderung, und wie begründet sie ihre Auffassung?

12. Ist eine Vertreterin oder ein Vertreter des Bundes an den Planungs- und Kon-
zeptionsarbeiten zur Ausstellung „Spuren des Unrechts“ des DIZ Torgau be-
teiligt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11481

13. Seit wann ist der Bundesregierung bekannt, dass die Bundesvereinigung Op-

fer der NS-Militärjustiz e. V. mit der Begründung, dass die in der Vorbemer-
kung benannte Schwerpunktsetzung auf das Bewahren der Erinnerung an die
Opfer der Wehrmachtsjustiz bis heute nicht umgesetzt wurde, die Mitarbeit
am DIZ Torgau Anfang Dezember 2016 eingestellt hat?

Wenn ja, welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht sie daraus?
14. Beabsichtigt die Bundesregierung aufgrund der Aufkündigung der Mitarbeit

durch die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz e. V. aktuell eine
Überprüfung der Umsetzung der Gedenkstättenkonzeption (bitte begrün-
den)?

15. Ist der Bundesregierung die Stellungnahme des Vertreters des Landesverban-
des der Jüdischen Gemeinde in Sachsen im Beirat der Stiftung Sächsische
Gedenkstätten zur Neugestaltung der Ausstellung „Spuren des Unrechts“ be-
kannt, und wenn ja, welche Schlussfolgerungen zieht sie aus der dort vorge-
brachten Kritik?

16. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Umstand,
dass im Pendant Bautzen von 1989 bis 2016 überhaupt nicht an die Opfer der
NS-Diktatur erinnert, sondern ausschließlich das Unrecht von 1945 bis 1989
dargestellt wurde?

17. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die Stiftung Sächsische
Gedenkstätten seit ihrer Gründung keiner Evaluation ihrer Arbeit und Funk-
tionsweise unterzogen worden ist, und welche Schlussfolgerungen zieht sie
daraus?

Berlin, den 6. März 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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