BT-Drucksache 18/11395

Standardisierung europäischer Informationssysteme

Vom 28. Februar 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11395
18. Wahlperiode 28.02.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan van Aken, Annette Groth, Inge Höger,
Ulla Jelpke, Jan Korte, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Dr. Petra Sitte,
Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Standardisierung europäischer Informationssysteme

Unter Leitung des Bundeskriminalamtes arbeiten Europol, Interpol und einige
Mitgliedstaaten seit 2007 an einem „Universellen Nachrichtenformat“ („Univer-
sal Message Format“, UMF) für einen „verbesserten automatisierten Informati-
onsfluss“ (Bundestagsdrucksache 18/8323). Das UMF soll zum Standard für
sämtliche Daten zu Personen und Sachen in den europäischen Informationssyste-
men werden. Zusammen mit der Europäischen Agentur für das Betriebsmanage-
ment von IT-Großsystemen im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht (eu-LISA)
sollen Europol und Interpol außerdem prüfen, unter welchen Voraussetzungen
die dort geführten Informationssysteme in Abfragen eingebunden werden könn-
ten. Europol betreibt hierfür bereits ein Pilotprojekt unter dem Namen „Querying
Europol Systems“ (QUEST). Ein ähnliches Pilotprojekt wird bereits von einigen
EU-Mitgliedstaaten sowie Europol unter dem Namen „Automatischer Daten Aus-
tausch Prozess“ (ADEP) betrieben. Ziel ist die Entwicklung einer Anwendung,
um anhand von Suchkriterien festzustellen, in welchem Mitgliedsland der EU
„mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit polizeiliche Informationen zu einer bestimm-
ten Person vorliegen“ (Bundestagsdrucksache 18/8323). Schließlich werden die
Partner des sogenannten Prüm-Verbundes von der Europäischen Kommission
aufgefordert, zu prüfen, ob die nationalen Biometrie-Datenbanken auf EU-Ebene
angesiedelt werden könnten (http://gleft.de/1BX). Weitere Möglichkeiten zur
Verbesserung des europäischen Datentauschs soll die im Sommer 2016 gestartete
„hochrangige Sachverständigengruppe für IT-Systeme und Interoperabilität“ er-
arbeiten. Im Dezember 2016 hat die Gruppe einen Zwischenbericht veröffent-
licht. Der eigentlich für Juli 2017 angekündigte Abschlussbericht wurde auf April
dieses Jahres vorgezogen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Im Rahmen welcher Forschungen oder Pilotprojekte auf europäischer Ebene

befassen sich welche Behörden des Bundesministeriums des Innern (BMI)
mit dem verbesserten Datentausch, der „Interoperabilität“ von Informations-
systemen der Europäischen Union, dem Prinzip „One-Stop-Shop“ sowie der
Suche nach „Kreuztreffern“, bzw. welche Änderungen haben sich diesbezüg-
lich zur Bundestagsdrucksache 18/8323 ergeben?

Drucksache 18/11395 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Welche Fortschritte sind der Bundesregierung zum Projekt „Universal Mes-
sage Format“ (UMF 3) zur Standardisierung von Anfragen an nationale Po-
lizeisysteme der EU-Mitgliedstaaten und an internationale Systeme wie z. B.
das Europol Information System (EIS) bekannt?
a) Welche europäischen Informationssysteme oder Datenbanken arbeiten

nach Kenntnis der Bundesregierung bereits nach dem UMF-3-Standard?
b) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, wann bei Europol der

Webservice „QUEST“ in Betrieb gehen soll?
c) Auf welche Weise soll auch „QUEST“ UMF-kompatibel werden?

3. Mit welchem Ergebnis wurde in dem Pilotprojekt „Pilot Programme for Data
Exchange of the Passenger Information Units“ (PNRDEP) Möglichkeiten
der Vernetzung der nationalen PNR-Zentralstellen und des Austauschs der
PNR-Daten untereinander untersucht bzw. gefunden (Bundestagsdrucksache
18/8323)?
a) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, welche Technologie be-

reits bestehender Informationssysteme für das Projekt PNRDEP einge-
setzt werden soll?

b) Welche bereits vorhandenen Netzwerke, etwa das polizeiliche SIRENE-
Netzwerk oder das bei Europol angesiedelte Netzwerk für Finanzermitt-
lungen bzw. das bei Europol eingerichtete SIENA-Netzwerk, könnten aus
Sicht der Bundesregierung für den Informationsaustausch unter den PNR-
Zentralstellen genutzt werden?

c) Inwiefern hält es die Bundesregierung für technisch möglich, zur Verar-
beitung von Daten des EU-PNR die sogenannte Ma3tch-Technologie
(Autonomous Anonymous Analysis) zu nutzen?

d) Was kann die Bundesregierung zu einem Pilotprojekt „PIU net“ mitteilen,
das von Behörden der Niederlande, Deutschlands, Großbritanniens und
der Vereinigten Staaten von Amerika durchgeführt wird (Ratsdoku-
ment 12204/16)?

e) Inwiefern sind der Bundesregierung mittlerweile die Kosten und die teil-
nehmenden Drittparteien von PNRDEP bekannt geworden?

f) Welche drei Pilotprojekte werden an den Flughäfen in Hamburg, Berlin-
Schönefeld und Köln/Bonn durchgeführt, bei denen unter anderem Pas-
sagierkontrollen und Einsatz des Sicherheitspersonals optimiert werden
sollen (airliners.de vom 17. Februar 2017, „Bundespolizei mahnt mehr
Sicherheit an deutschen Airports an“)?

4. Wann soll das Projekt „Automation of Data Exchange Processes“ (ADEP)
von Behörden aus Frankreich (Federführung), Finnland, Irland, Spanien,
Deutschland sowie Ungarn (Beobachter) nach Kenntnis der Bundesregie-
rung abgeschlossen sein?
a) Welche Aufgaben und Arbeiten werden vom Bundeskriminalamt durch

die Leitung und die Koordination des Projekts ADEP übernommen?
b) Welche Kosten entstehen für das Pilotprojekt insgesamt, welche Kosten

werden von der Bundesregierung und welche von der Europäischen Kom-
mission übernommen?

c) Mit welchem Ergebnis wurde in ADEP geprüft, ob die „Secure Informa-
tion Exchange Network Application“ (SIENA), das Europol Information
System (EIS) oder die Ma3tch-Technologie, die im FIU-NET (Financial
Intelligence Units) Anwendung findet, auch in ADEP eingesetzt werden
könnte?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11395
d) Aus welchem Grund ist die Ma3tch-Technologie aus Sicht der Bundesre-
gierung hierfür nicht geeignet?

e) Welche dezentralen Datenbestände sollen in ADEP vernetzt werden?
f) Mit welchen Funktionalitäten würde das Bundeskriminalamt Teilnehmer

am Pilotverfahren von ADEP?
5. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern die Umsetzung des

Vertrages von Prüm auch in der sogenannten European Forensic Science
Area (EFSA 2020) behandelt wird?
a) Inwiefern sollen hierfür nach Ansicht der Bundesregierung die Überein-

stimmungsregeln der Loci angepasst werden?
b) Was ist der Bundesregierung über Diskussionen zur Aufnahme von Ge-

sichtsbildern in den Abgleich über das Prüm-Verfahren bekannt?
c) Was ist der Bundesregierung über Pläne bekannt, dass Europol als Prüm-

Partner biometrische Daten auch mit Drittstaaten austauschen könnte
(Ratsdokument 9368/1/16)?

6. Welche neuen rechtlichen Mittel sollten den europäischen Behörden im
Kampf gegen den Terrorismus „an die Hand“ gegeben werden, „um den Ge-
brauch von verschlüsselter elektronischer Kommunikation im Rahmen straf-
rechtlicher und administrativer Ermittlungen berücksichtigen zu können“,
wie es der Bundesminister des Innern Thomas de Maizière mit seinem fran-
zösischen Amtskollegen zuletzt an die Europäische Kommission übermit-
telte und kurz darauf mit dem EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos be-
sprach (Pressemitteilung BMI vom 21. Februar 2017, „EU-Kommissar
Avramopoulos zu Gast im BMI“)?

7. Worum handelt es sich beim Projekt „MedSec TP Net“ zur Schaffung eines
Netzwerkes zwischen Sicherheitsakteuren im Mittelmeerraum, das im Rah-
men des EU-Forschungsrahmenprogramms „Horizon 2020“ durchgeführt
wird und an dem sich die Bundespolizei beteiligt?
a) Welche weiteren Partner arbeiten mit welchen Beiträgen in dem Projekt

mit?
b) Welche „Nicht-EU Sicherheitsbehörden“ welcher Länder sollten aus

Sicht der Bundesregierung an der in Projekt „MedSec TP Net“ entwickel-
ten „Kommunikation und Koordination zwischen Endnutzern“ teilneh-
men?

8. Worum handelt es sich nach Kenntnis der Bundesregierung bei dem EU-For-
schungsprojekt „Maritime Integrated Surveillance Awareness“ (MARIS),
das nach Kenntnis der Fragesteller dem „Kampf gegen die illegale Einwan-
derung, Menschenschmuggel, Terrorismus und Piraterie“ dienen soll, welche
Methoden werden darin entwickelt, und wer nimmt daran teil?

9. Welche Daten welcher Informationssysteme werden in dem Projekt verar-
beitet und kompatibel gemacht?

10. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern die Projekte „Deci-
sion Support Platform for Detecting Radicalisation and Over/Cover Terrorist
Communications through the Internet“, „Real-Time Early Detection and
Alert System for Online Terrorist Content based an SNA and Complex Event
Processing“ und „DEtecting TErrorist ContentT and the InterneT“ mittler-
weile im EU-Forschungsrahmenprogramm „Horizon 2020“ zur Förderung
ausgewählt wurden (Bundestagsdrucksache 18/7794, Schriftliche Frage 13
des Abgeordneten Andrej Hunko), welches Ziel verfolgen die Projekte, und
wer nimmt daran teil?

Drucksache 18/11395 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

11. Was ist der Bundesregierung über Ziel, Inhalt und Teilnehmende eines im

Rahmen des EU-Forschungsrahmenprogramms „Horizon 2020“ durchge-
führten Projekts „Law Enforcement agencies human factor methods and
Toolkit for the Security and protection of CROWDs in mass gatherings“
(LETS-CROWD) bekannt (http://gleft.de/1BZ)?

12. Worum handelt es sich bei dem ebenfalls im Rahmen des EU-Forschungs-
rahmenprogramms „Horizon 2020“ durchgeführten Projekts „Tools for the
Investigation of TrANsactions In Underground Markets“ (TITANIUM) des
Bundeskriminalamtes, welches Ziel wird darin verfolgt, und wer nimmt da-
ran teil (Bundestagsdrucksache 18/10929, Frage 19 der Kleinen Anfrage der
Fraktion DIE LINKE.)?

13. Welche Aufgaben werden vom Kriminaltechnischen Institut des Bundeskri-
minalamtes und von Interpol im EU-Forschungsprojekt „Speaker Identifica-
tion Integrated Project“ (SiiP) übernommen (www.siip.eu)?
a) Welche Techniken und Verfahren der Sprachverarbeitung und forensi-

schen Phonetik werden in SiiP beforscht?
b) Inwiefern sind auch Geheimdienste mittelbar oder unmittelbar an SiiP be-

teiligt?
c) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern die in dem For-

schungsprojekt erlangten Erkenntnisse oder Ergebnisse über dort betei-
ligte Firmen auch Geheimdiensten zugänglich gemacht werden sollen?

d) Inwiefern werden beim Bundeskriminalamt mittlerweile Techniken zum
sogenannten Textmining eingesetzt (Bundestagsdrucksache 17/14832,
Antwort zu Frage 3 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE.)?

e) Welche „marktgängige[n] Produkte“ nutzt der Bundesnachrichtendienst
zur Sprechererkennung oder für Zwecke des automatischen Stimmenver-
gleichs, und auf welche Weise integriert der Auslandsgeheimdienst diese
„in eigene Prozesse“ (Bundestagsdrucksache 17/14832, Antwort zu
Frage 6 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE.)?

Berlin, den 28. Februar 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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