BT-Drucksache 18/11361

Deutsche Initiative zur Aufgabenerweiterung von Europol

Vom 21. Februar 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11361
18. Wahlperiode 21.02.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Annette Groth, Inge Höger, Jan Korte,
Katrin Kunert, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu und der Fraktion
DIE LINKE.

Deutsche Initiative zur Aufgabenerweiterung von Europol

Auf Einladung des Bundeskriminalamtes (BKA) und der europäischen Polizeibe-
hörde Europol trafen sich vom 7. bis 8. Februar 2017 die „Polizeichefs“ der EU-
Mitgliedstaaten, Norwegens sowie der Schweiz in Berlin (Pressemitteilung BKA
vom 9. Februar 2017). Zu den Themen gehörten die aktuelle Sicherheitslage, das
jüngste Anschlagsgeschehen in den einzelnen Staaten sowie daraus abgeleitete
Handlungserfordernisse in der Terrorbekämpfung. Zudem seien Möglichkeiten
beraten worden, die polizeiliche Zusammenarbeit zur Terrorismusbekämpfung
stärker „von zentraler Stelle aus“ (unter anderem durch „Anpassung der beste-
henden Dateienlandschaft“) zu koordinieren. Die „Polizeichefs“ schlagen dem
BKA zufolge vor, diese europaweit stärkere Koordinierung bei Europol „voran-
zutreiben“. Hierzu soll das dort erst vor einem Jahr eingerichtete European Coun-
ter Terrorism Centre (ECTC) zu einem „zentralen Service-Dienstleister“ für die
Mitgliedstaaten ausgebaut und ein „Operational Steering Board“ eingerichtet
werden. Es würde mit den Leitern der Terrorismusabwehrabteilungen der natio-
nalen Zentralstellen besetzt. Dadurch würde die Arbeit des ECTC „strategisch
ausgestaltet und koordiniert“. Zu den Maßnahmen gehört die Einrichtung von
„staatenübergreifenden Teams, die sich gemeinsam identifizierter Schwerpunkt-
themen annehmen und kurzfristig Handlungsempfehlungen und Maßnahmen für
eine verbesserte Bekämpfung des internationalen Terrorismus entwickeln“.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Initiative ergriff das BKA zum Zustandekommen des außerordentli-

chen Treffens europäischer „Polizeichefs“ in Berlin?
a) Welche Behörden der in der BKA-Pressemitteilung genannten Länder ha-

ben hierzu „Polizeichefs“ entsandt?
b) Inwiefern wurde das Treffen im Rahmen der European Police Chiefs Con-

vention (EPCC) ausgerichtet?
2. Welche Handlungserfordernisse wurden von den „Polizeichefs“ aus der ak-

tuellen Sicherheitslage und dem jüngsten Anschlagsgeschehen in den einzel-
nen Staaten abgeleitet?

Drucksache 18/11361 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Welche Möglichkeiten zur polizeilichen Zusammenarbeit innerhalb Europas
bei der Bekämpfung des Terrorismus wurden beraten?
a) Hinsichtlich welcher Vorhaben wurde bei dem Treffen die „Anpassung

der bestehenden Dateienlandschaft“ thematisiert, und inwiefern geht dies
über die bereits bekannten und bestehenden Maßnahmen hinaus (Presse-
mitteilung BKA vom 9. Februar 2017, Bundestagsdrucksache 18/8323)?

b) Welche Möglichkeiten zur polizeilichen Zusammenarbeit innerhalb Eu-
ropas bei der Bekämpfung des Terrorismus wurden gefunden, und welche
Verabredungen wurden hierzu getroffen?

4. Welche Defizite sieht die Bundesregierung hinsichtlich der derzeitigen Auf-
gabenwahrnehmung des ECTC bei Europol?

5. Welche Aufgaben sollte das ECTC aus Sicht der Bundesregierung als „zen-
trale[r] Service-Dienstleister für die Mitgliedstaaten“ zukünftig überneh-
men?

6. Mit welchen Mitgliedstaaten und nach welchem Verfahren wurde das vom
BKA in Abstimmung mit dem Bundesministerium des Innern erstellte Posi-
tionspapier hinsichtlich der verstärkten Einbindung von Europol bzw. einer
verstärkten Koordinierungsrolle der Agentur für Aufgaben der Terrorismus-
bekämpfung abgestimmt (Bundestagsdrucksache 18/10962)?

7. Wann will Europol nach Kenntnis der Bundesregierung die Untersuchungen
zu dem jüngsten Datenleck und dabei verlustig gegangenen, hochsensiblen
Daten zu Terrorismusermittlungen beendet haben (Bundestagsdrucksache
18/10870, Antwort zu Frage 4)?

8. Welche Terrorismusabwehrabteilungen der nationalen Zentralstellen der be-
teiligten Länder sollen aus Sicht der Bundesregierung einem „Operational
Steering Board“ angehören (bitte die Behörden benennen, sodass ersichtlich
wird, ob diese auch geheimdienstliche Aufgaben wahrnehmen)?
a) Inwiefern könnte ein „Operational Steering Board“ aus Sicht der Bundes-

regierung auch ohne Änderung der Europol-Verordnung eingerichtet wer-
den?

b) Welche strategischen Aufgaben sollte das „Operational Steering Board“
aus Sicht der Bundesregierung übernehmen?

c) Auf welche Weise sollte das „Operational Steering Board“ aus Sicht der
Bundesregierung auch koordinierend tätig werden, und mit welchen vor-
handenen Einrichtungen bei Europol müsste sich hierzu abgestimmt wer-
den?

9. Welche derzeitigen „Schwerpunktthemen“ sollten die einzurichtenden „staa-
tenübergreifenden Teams“ aus Sicht der Bundesregierung dringend verfol-
gen?

10. Mit welchen Dienstleistungen hat Europol die deutschen Behörden zu den
Ermittlungen rund um den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt im
Dezember 2016 unterstützt?
a) Welche Arbeitsgruppen haben deutsche Behörden hierzu mit Europol ge-

bildet?
b) Wie viele Informationen zu Zielpersonen, deren Kontaktpersonen sowie

Telefondaten wurden ausgetauscht, und aus welchen Europol-Beständen
stammten die Daten?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11361

11. Wie viele Angaben zu „Kreuztreffern“ („cross-match reports“), Analysen

(„operational analysis reports“), Berichte („intelligence packages“) sowie
Social-Media-Auswertungen („social media report packages“) wurden zum
Anschlag in Berlin von Europol erstellt?
a) Inwiefern wurden auch Ermittlungsansätze über das Terrorist Finance

Tracking Programme (TFTP) verfolgt, und wie viele „Leads“ haben Bun-
desbehörden via Europol von den US-Behörden erhalten?

b) Wie viele Informationsersuchen wurden über das EU-US-Fluggastdaten-
abkommen erfragt?

12. Wie viele Sicherheitsüberprüfungen hat Europol nach Kenntnis der Bundes-
regierung in griechischen und italienischen Flüchtlingslagern vorgenommen,
und wie viele „Treffer“ wurden dabei gefunden, denen laut dem Europol-
Direktor jetzt „nachgegangen“ werde (APA vom 13. Februar 2017, „Hin-
weise auf Terrorverbindungen in Flüchtlingscamps“)?

13. Wann soll der im Rahmen des FIU.NET geplante Abgleich verdächtiger
Transaktionen/Konten unter den nationalen Zentralstellen nach Kenntnis der
Bundesregierung umgesetzt werden (Bundestagsdrucksache 18/10962)?

14. Auf welche Weise könnte der Informationsaustausch zwischen europäischen
Geheimdiensten und Polizeibehörden aus Sicht der Bundesregierung „auf-
grund der anhaltenden Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus“
verbessert werden (Bundestagsdrucksache 18/10641, Antwort zu Frage 1)?

15. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, auf welche Weise
ein „Operational Steering Board“ bei Europol auch mit Geheimdiensten stra-
tegisch oder koordinierend zusammenarbeiten sollte?

16. Mit welchen Diensten oder geheimdienstlichen Lagezentren (etwa der Euro-
päischen Union oder der NATO) sollte sich Europol hierzu verständigen, um
eine engere Kooperation einzufädeln?

17. Inwiefern und nach welcher Maßgabe dürfen Informationen aus Europol-Da-
tenbanken nicht nur an Inlandsgeheimdienste der EU-Mitgliedstaaten gelan-
gen, sondern von diesen auch an die dortigen Auslandsgeheimdienste an ei-
nen Auslandsgeheimdienst übermittelt werden?

18. Inwiefern wurde oder wird nach Kenntnis der Bundesregierung die Frage der
intensiveren Kooperation der europäischen geheimdienstlichen „Counter
Terrorism Group“ (CTG) und Europol auf Ebene des Rates der Europäischen
Union in diesem Jahr weiter behandelt?

19. Welche weiteren Sondierungen zwischen der CTG und Europol sind der
Bundesregierung seit ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage auf Bundestags-
drucksache 18/10641 (zu Frage 9) bekannt geworden, wer nahm daran teil,
und welche Ergebnisse zeitigten diese?

20. Inwiefern hat die Bundesregierung mittlerweile eine „abschließende Hal-
tung“ zur Frage entwickelt, ob eine Zusammenarbeit von CTG und Europol
auf den Bereich „Terrorismus“ beschränkt bleiben sollte oder auch schwere
grenzüberschreitende Kriminalität umfassen könnte (Bundestagsdrucksache
18/10113, Antwort zu Frage 6)?

Drucksache 18/11361 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

21. Inwiefern liegen mittlerweile Anhaltspunkte zu möglichen Maßnahmen ei-

ner vertieften Zusammenarbeit vor, die von den Leitern der CTG-Dienste auf
ihrer Sitzung am 26. Oktober 2016 diskutiert wurden?
a) Welche weiteren Themen haben die Leiter bzw. die geschäftsführenden

Vorsitzenden der Geheimdienste auf dem Treffen diskutiert?
b) Welche Themen wurden bei einer „Erkundungsmission“ unter Teilnahme

des Bundesamtes für Verfassungsschutz im Oktober 2016 hinsichtlich der
vertieften Zusammenarbeit von CTG und Europol behandelt?

c) Welche Behörde welches Landes hat den aktuellen Vorsitz der CTG inne?
22. Was ist der Bundesregierung mittlerweile über Pläne bekannt, die CTG in

die Erstellung von Risikoindikatoren einzubinden, mit denen Europol die
Daten von Asylsuchenden in den Hotspots in Griechenland oder Italien ana-
lysiert?

23. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, ob die „operative Plattform“
der CTG in Den Haag, wie vom EU-Anti-Terrorismus-Koordinator berichtet,
erste „operative Ergebnisse“ erzielte (Ratsdok. 13627/16 und Bundestags-
drucksache 18/10641, Antwort zu Frage 7; es wird nicht nach dem Inhalt der
operativen Ergebnisse gefragt)?

24. Führten diese „operative[n] Ergebnisse“ im Nachgang zu Maßnahmen von
ebenfalls in der „operativen Plattform“ mitarbeitenden Geheimdiensten mit
Polizeivollmachten, etwa durch Observationen, Razzien oder Festnahmen?

25. Wo haben nach Kenntnis der Bundesregierung welche weiteren Treffen der
„Paris-Gruppe“ für einen „offenen und vertrauensvollen Austausch über ver-
schiedene Sicherheitsthemen von nachrichtendienstlicher Relevanz“ stattge-
funden, und welche Themen wurden behandelt?

26. Da die Zahl der „Non-paper“, die auf EU-Ebene (Regierungen der EU-Mit-
gliedstaaten, Europäische Kommission, Europäischer Auswärtiger Dienst
etc.) verfasst worden sind, „aufgrund ihres informellen Charakters“ von der
Bundesregierung statistisch nicht erfasst wird, inwiefern ist es wenigstens
möglich, einen Überblick über die Anzahl der vom Bundesinnenministerium
selbst erstellten „Non-paper“ zu gewinnen (Antwort auf die Schriftliche
Frage 7 der Abgeordneten Inge Höger auf Bundestagsdrucksache 18/11119;
bitte für die Jahre 2014, 2015 und 2016 gesondert ausweisen)?

Berlin, den 21. Februar 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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