BT-Drucksache 18/11348

Privathaltung von Wildtieren in Deutschland - Umsetzung des Koalitionsvertrages

Vom 16. Februar 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11348
18. Wahlperiode 16.02.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Nicole Maisch, Steffi Lemke, Harald Ebner, Friedrich Ostendorff,
Matthias Gastel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Privathaltung von Wildtieren in Deutschland – Umsetzung des Koalitionsvertrages

Der Handel mit und die Privathaltung von Wildtieren in Deutschland sind – mit
Ausnahme von Arten, die dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen (eng-
lisch CITES) bzw. der EU-Artenschutzverordnung (EG) Nr. 338/97 unterliegen –
nicht oder nur unzureichend geregelt: Es ist zurzeit nicht bekannt, wie viele nicht-
domestizierte Säugetiere, Vögel, Reptilien, Amphibien, Fische oder Wirbellose
welcher Art in deutschen Privathaushalten gehalten werden. Ebenfalls nicht be-
kannt ist die Anzahl importierter Wildfänge, konkrete Importzahlen liegen, wenn
auch nicht auf Artenebene, nur für lebende Reptilien vor; alle anderen Tiergrup-
pen werden nicht einzeln erfasst, auch nicht die Lebendimporte. Die Folgen des
nahezu unkontrollierten Handels für die Biodiversität in den Herkunftsländern als
auch für den Naturschutz in Deutschland lassen sich meist erst spät erkennen und
Gegenmaßnahmen werden oft erst sehr spät ergriffen. Dies führt mitunter zu
Problemen durch invasive Arten oder durch die Einschleppung von Krankheiten
(z. B. die Pilzerkrankung „Salamanderfresser“ (Bsal), die Salamander- und
Molchbestände in mehreren europäischen Ländern, auch in Deutschland dezi-
miert hat). Um die Einbringung und Ausbreitung bestimmter, als invasiv einge-
stufter Arten zu stoppen, ist bereits seit 1. Januar 2015 eine entsprechende Ver-
ordnung (EU) Nr. 1143/2014 in Kraft. Dadurch sind Haltung, Handel, Transport
oder Zucht bestimmter Arten – wie Schmuckschildkröten oder Waschbären –
verboten. Dies schafft jedoch neue Probleme, da unklar ist, was langfristig mit
Tieren in bereits bestehenden Haltungen, deren Besitzer eine vorgeschriebene
Haltung unter Verschluss nicht gewährleisten können sowie in Tierheimen
und Auffangstationen geschehen soll. Hier muss schnellstmöglich Rechtsklar-
heit geschaffen werden.
Tierheime und Auffangstationen leiden unter dem unregulierten Handel, denn sie
werden mit der zunehmenden Anzahl exotischer Haustiere konfrontiert und sind
hierfür weder personell noch strukturell oder finanziell ausgestattet. Auch die öf-
fentliche Gefährdung durch unkontrollierte Haltung exotischer Wildtiere ist nicht
zu unterschätzen: Nur in acht der 16 Bundesländer existiert eine Gefahrtierrege-
lung, in allen anderen Bundesländern können Privatpersonen ohne jegliche Auf-
lage selbst hochgefährliche Arten wie grüne Mamba, Klapperschlangen oder Ti-
ger halten. Insbesondere der Verkauf über Tierbörsen und das Internet machen
unüberlegte Spontankäufe möglich. Exotische Haustiere stellen zudem ein we-
sentliches Reservoir von lebensbedrohenden und hochansteckenden Erregern für
Menschen und Tiere dar.

Drucksache 18/11348 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wie stark der europäische Heimtiermarkt – und hierbei nimmt Deutschland eine
zentrale Rolle ein – für die Dezimierung von Wildbeständen Verantwortung trägt,
zeigen nicht nur jüngste Studien (z. B. www.sciencedirect.com/science/
article/pii/S0006320716301987), sondern auch die vielen Schutzanträge, die bei
der 17. CITES-Tagung vorgelegt und akzeptiert wurden. Hierzu gehören Berber-
affen, aber v. a. auch dutzende Reptilien und Amphibien wie afrikanische
Zwergchamäleons, der Borneo-Taubwaran, diverse Frösche und Kröten aus Ma-
dagaskar, der psychedelische Gecko aus Vietnam oder die lateinamerikanischen
Alligator-Baumschleichen (https://cites.org/eng/cop/17/prop/index.php). Auch
die Bundesregierung hat hierzu eigene erfolgreiche Anträge eingebracht.
CDU, CSU und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag Ende 2013 unter anderem
beschlossen, gegen den illegalen Handel mit Wildtieren und mit deren Produkten
vorzugehen, Handel mit und private Haltung von exotischen und Wildtieren bun-
deseinheitlich zu regeln, Importe von Wildfängen in die EU grundsätzlich zu ver-
bieten und gewerbliche Tierbörsen für exotische Tiere zu untersagen. Umgesetzt
wurde hiervon bislang nichts, stattdessen gab das Bundesministerium für Ernäh-
rung und Landwirtschaft ein Forschungsprojekt („Exopet-Studie“) in Auftrag,
das bis April 2017 untersuchen soll, ob und wenn ja, in welchem Umfang, über-
haupt ein Problem existiert. Die Studienbetreiber haben den Fragestellern vorlie-
genden Informationen zufolge bereits angekündigt, dass der Termin April 2017
nicht realisierbar ist, so dass vor Ende der aktuellen Legislaturperiode keine
rechtsverbindlichen Konsequenzen mehr zu erwarten sind.
Da aufgrund der Vergabe der Exopet-Studie konkrete und verbindliche Be-
schlüsse zur Regelung des Wildtierhandels und der Privathaltung von Wildtieren
in dieser Legislaturperiode ausgebremst wurden, haben die Koalitionsfraktionen
der CDU/CSU und SPD im Sommer 2016 per Antrag (Bundestagsdrucksache
18/8707) diverse Prüfaufträge beschlossen und Vorschläge eingefordert.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche konkreten Tätigkeiten und Ergebnisse gab es seit dem Bundestags-

beschluss vom Juli 2016 im Hinblick auf die darin gestellten Forderungen?
2. Für welche Tierarten gab es seither einen Vorstoß des Bundesministeriums

für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, sie in Annex D der EU-
Artenschutzverordnung aufzunehmen, bzw. für welche Tierarten ist dies
noch in der laufenden Legislaturperiode vorgesehen wie im Antrag (Bundes-
tagsdrucksache 18/8707) wie folgt gefordert, „sich auf EU-Ebene für eine
Überwachung solcher Tierarten einzusetzen, die in großem Umfang in die
Gemeinschaft eingeführt werden.“?

3. Inwieweit ist die Bundesregierung tätig, um – dem Antrag (Bundestags-
drucksache 18/8707) entsprechend – auf EU-Ebene eine Verordnung zu er-
reichen, die analog dem US Lacey Act den Import, Handel und Besitz von
Arten verbietet, die in ihrem Heimatland illegal eingefangen bzw. exportiert
wurden?
Gibt es hierzu bilaterale Anstrengungen, um Verbündete unter den anderen
EU-Ländern zu finden?

4. Welchen Umsetzungsstand hat die Forderung aus dem Antrag (Bundestags-
drucksache 18/8707) „die Leitlinien zur Durchführung von Tierbörsen zu ak-
tualisieren und einen Weg aufzuzeigen, wie eine Rechtsverbindlichkeit für
gewerbliche Anbieter gerichtsfest hergestellt werden kann“ sowie „zu prü-
fen, welche Möglichkeiten bestehen, den Internethandel mit Wildtieren zu
reglementieren“?
Welche Bundesministerien sind hierbei involviert?

http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0006320716301987
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0006320716301987
https://cites.org/eng/cop/17/prop/index.php
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11348
5. Inwiefern wurde bisher auf die Bundesländer eingewirkt, Tierbörsen inten-
siver zu überwachen?

Falls noch nicht geschehen, wie genau soll eingewirkt werden?
6. Überprüft die Bundesregierung aktuell eine bundesweit einheitliche Rege-

lung für ein Gefahrtiergesetz?
7. Wird bereits gemeinsam mit den Bundesländern an „klaren und bundesweit

einheitlich geltenden Definitionen gefährlicher Wildtiere“ und „entsprechen-
den Rahmenregelungen für die Haltung in Privathand im Sinne der Gefah-
renabwehr“ gearbeitet, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

8. Wie möchte die Bundesregierung beim Thema Fachkundenachweis sicher-
stellen, dass die entsprechenden Prüfungen von unabhängigen Instanzen ab-
genommen werden, sodass weder ein finanzielles Eigeninteresse noch ein
Interessenskonflikt besteht?

9. Wie ist der aktuelle Stand und Zeitplan zur nationalen Umsetzung der
„EU-Verordnung über die Prävention und das Management der Einbrin-
gung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten Verordnung (EU)
Nr. 1143/2014“?

10. Inwieweit wird bei der Umsetzung der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 der
Tierschutz ausreichend Berücksichtigung finden?
Dies zum einen im Hinblick darauf, dass die EU-Verordnung eine Tötung
von Tieren nicht ausschließt, zum anderen angesichts der prekären Situation
von Tierheimen und Auffangstationen, die z. B. mit zahllosen Schmuck-
schildkröten und Waschbären konfrontiert sind und diese Tiere zwar mög-
licherweise aufnehmen, aber nicht mehr weitervermitteln dürften?
Welche Regelungen werden getroffen zum Umgang mit eingezogenen oder
beschlagnahmten Tieren invasiver Arten?

11. Hat die Bundesregierung bereits über die Länder den Bedarf an Auffangsta-
tionen für Wildtiere ermittelt?
Inwiefern und in welchem Umfang gedenkt die Bundesregierung, einen Bei-
trag zu den hierfür erforderlichen finanziellen Mittel bereitzustellen?

12. Sollen von Seiten der Bundesregierung gemeinsam mit den Bundesländern
Vollzugshinweise zur Anwendung und Umsetzung des Durchführungsgeset-
zes für die Vollzugsbehörden erarbeitet werden, um Rechtssicherheit zu ge-
währleisten?

Wenn ja, wann?
Wenn nein, warum nicht?

13. Wird die Bundesregierung sich dafür einsetzen, dass bei etwaigen Manage-
mentmaßnahmen für invasive Arten vorrangig tierschutzgerechte Möglich-
keiten Anwendung finden, um sowohl Stress als auch Schmerzen, Leiden
und Schäden der betroffenen Tiere (gemäß Artikel 19 Absatz 3 der Verord-
nung (EU) Nr. 1143/2014) zu minimieren oder ganz zu vermeiden?

Wenn ja, welche Maßnahmen könnten das sein?
Wenn nein, warum nicht, und welche anderen Maßnahmen zieht die Bundes-
regierung in Betracht?

14. Wie bewertet die Bundesregierung im Hinblick auf geplante Management-
maßnahmen, dass die Populationen von dem Jagdrecht unterliegenden inva-
siven Arten, wie dem Waschbären, stetig ansteigen und damit offensichtlich
nicht durch jagdliche Mittel verringert werden können?

Drucksache 18/11348 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

15. Inwiefern plant die Bundesregierung die Verursacher, wie etwa Tierhändler

oder -züchter, von (illegal) eingeschleppten oder entkommenen invasiven
Arten stärker in die Verantwortung zu nehmen und diesen eine Kostentra-
gungspflicht aufzuerlegen?

16. Plant die Bundesregierung angesichts vieler unklarer Regelungen hinsicht-
lich Tierheimen und Auffangstationen, aber auch Zoos, sich auf EU-Ebene
für eine Überarbeitung der genannten Verordnung inklusive der Liste der in-
vasiven Arten einzusetzen?

Wenn nein, warum nicht?
17. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass in

Österreich seit April 2016 der Verkauf von Wildtieren auf Börsen und Mes-
sen verboten und infolgedessen die größte Reptilienbörse Österreichs nach
Bayern (Passau) umgezogen ist, da in Deutschland die Auflagen für Wild-
tierbörsen weiterhin den Verkauf ermöglichen?

18. Sind der Bundesregierung die Studien u. a. des Robert Koch-Institutes
(www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2013/Ausgaben/09_13.
pdf?__blob=publicationFile) zur Zunahme von Reptilien-assoziierten Sal-
monellosen v. a. bei Säuglingen und Kleinkindern bekannt?

Falls ja, welche Konsequenzen zieht sie daraus?
19. Lässt das Bundesministerium für Gesundheit wissenschaftliche Erkenntnisse

und Veröffentlichungen zu Zoonosen (z. B. https://veterinaryresearch.
biomedcentral.com/articles/10.1186/1297-9716-44-36) auswerten, die durch
den Heimtierhandel eingeschleppt werden können?

20. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass
Nordrhein-Westfalen sein geplantes Gefahrtiergesetz nun doch nicht zeitnah
verabschiedet und somit auch weiterhin acht Bundesländer ohne jegliche Re-
gelung für die Haltung von Gefahrtieren sind?

21. Von welchem Personenkreis wird die derzeit in Arbeit befindliche Aktuali-
sierung der Gutachten über Mindestanforderungen an die Haltung von Rep-
tilien, Zierfischen, Kleinvögeln, Papageien, Greifvögeln, Straußenvögeln er-
arbeitet, und wann ist mit Ergebnissen zu rechnen?
Inwiefern stellen diese Dokumente aus Sicht der Bundesregierung Vorgaben
für eine artgerechte Haltung der jeweiligen Tierarten sicher?

Berlin, den 14. Februar 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2013/Ausgaben/09_13.pdf?__blob=publicationFile
http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2013/Ausgaben/09_13.pdf?__blob=publicationFile
https://veterinaryresearch.biomedcentral.com/articles/10.1186/1297-9716-44-36
https://veterinaryresearch.biomedcentral.com/articles/10.1186/1297-9716-44-36

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.