BT-Drucksache 18/11321

Erdgasinfrastruktur in Deutschland und der EU

Vom 16. Februar 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11321
18. Wahlperiode 16.02.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Annalena Baerbock, Dr. Julia Verlinden, Oliver Krischer,
Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke,
Peter Meiwald, Matthias Gastel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Erdgasinfrastruktur in Deutschland und der EU

Erdgas gehört in Deutschland derzeit zu einem zentralen Energieträger. Es macht
knapp über ein Fünftel am deutschen Primärenergieverbrauch aus. Die Prognosen
und Szenarien über den zukünftigen Bedarf gehen jedoch enorm auseinander, was
erhebliche Auswirkungen auf die derzeitigen Gasinfrastrukturplanungen haben
kann. So wird Erdgas „als effiziente Heizenergie, als dezentrale und hochmo-
derne Strom- und Wärmelösung, […] und natürlich auch als Energieträger für die
Stromerzeugung in modernen Kraftwerken“ (https://tinyurl.com/h5vllny) darge-
stellt und damit ein Wachstum der Branche suggeriert.
Zugleich hat sich die Staatengemeinschaft im Pariser Klimaabkommen zur Treib-
hausgasneutralität und damit zu einer dekarbonisierten Energieversorgung ver-
pflichtet.
Im Zwischenergebnis einer Studie von Prognos und Ecologic im Auftrag des
Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit kamen
die Autoren entsprechend zu dem Ergebnis, dass sich der Trend des sinkenden
Gasbedarfs fortsetzen wird, sich bisher jedoch nicht überall in den Szenarien für
die Gasnetzplanung widerspiegelt (https://tinyurl.com/hqua9bg). Die Autoren
kritisieren zudem, dass sich die Planung nur an Referenz-Szenarien orientieren,
die den Status quo fortschreiben, und nicht an den angestrebten klimapolitischen
Zielen.
Die vorhandene Erdgasinfrastruktur (insbesondere die Gasnetze) wiederum
könnte perspektivisch auch für eine dekarbonisierte Energieversorgung, z. B. in
Kombination mit der Power-to-Gas-Technik (aus erneuerbarem Strom erzeugter
Wasserstoff oder künstlich hergestelltes Methan), nutzbar sein.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Hält die Bundesregierung es für sinnvoll, dass die Erdgasnetzplanung auf

Szenarien beruht, die lediglich zehn Jahre in die Zukunft schauen, während
die Amortisationszeiten der Erdgasinfrastruktur bis zu 55 Jahre betragen
können (bitte begründen)?

2. Sieht die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Pariser Beschlüsse zum
Klimaschutz die Notwendigkeit, die bisherige Planung der Gasinfrastruktur
verstärkt auf ihre klimapolitischen Ziele abzustimmen?

Falls ja, wie will sie das machen?
Falls nein, warum nicht?

https://tinyurl.com/h5vllny
https://tinyurl.com/hqua9bg
Drucksache 18/11321 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass weitere Akteure wie
beispielsweise Verbände und Nichtregierungsorganisationen in die Erstel-
lung der Rahmenszenarien zum Gasbedarf und die Erstellung der Netzent-
wicklungspläne einbezogen werden (Antwort bitte begründen)?

4. Hält die Bundesregierung den Kapazitätsausbauanspruch nach § 39 der Gas-
netzzugangsverordnung für reformbedürftig vor dem Hintergrund, dass mehr
geplante Gaskraftwerke einen Anschluss an das Gasnetz benötigen würden
als nach Ansicht der Fernleitungsnetzbetreiber und der Bundesnetzagentur
gebraucht würden (vgl. z. B. Berichterstattung bei energate 6. Januar
2017)?
Wenn ja, welche Änderungen plant sie, wenn nein, warum nicht?

5. Geht die Bundesregierung davon aus bzw. verfügt sie über eigene Prognosen,
ob und wie sich die Jahreshöchstlast für Gas in den kommenden Jahren ver-
ändern wird?

6. Welche politischen Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem
aktuellen Entwurf für den Netzentwicklungsplan Gas?

7. Wann, wo und mit welchem konkreten Ziel soll die bilaterale Arbeitsgruppe
zu Nord Stream 2 gegründet werden (www.zeit.de/politik/ausland/2017-
02/angela-merkel-polen-besuch-jaroslaw-kaczynski/seite-2)?
a) Welche Ressorts der Bundesregierung sollen durch welche Vertreter be-

teiligt sein?
b) Wird das Bundeskanzleramt in dieser Arbeitsgruppe mitwirken, und

wenn ja, durch welche Abteilung?
c) Wird das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in dieser Ar-

beitsgruppe mitwirken, und wenn ja, durch welche Abteilung?
d) Wird das Auswärtige Amt in dieser Arbeitsgruppe mitwirken, und wenn

ja, durch welche Abteilung?
e) Sollen Vertreter der Europäischen Kommission in der Arbeitsgruppe mit-

wirken, und wenn ja, aus welchen Bereichen?
f) Sollen Vertreter der deutschen und polnischen Energiewirtschaft sowie

der deutschen und polnischen Zivilgesellschaft in der Arbeitsgruppe mit-
wirken können (bitte begründen)?

g) Wie wollen Deutschland und Polen die anderen EU-Mitgliedstaaten über
die Ergebnisse der Arbeitsgruppe informieren?

h) Plant die Arbeitsgruppe gemeinsame Gespräche mit dem russischen
Staatskonzern Gazprom bzgl. der Nord-Stream-2-Pipeline zu führen?

i) Sollen die Arbeiten dieser Arbeitsgruppe bereits vor einem möglichen Ur-
teil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur OPAL-Pipeline abge-
schlossen werden (bitte begründen)?

8. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache,
dass die Nachfrage nach der verbleibenden Transportkapazität für OPAL bis-
her gering war (siehe Energie und Management, 1. Februar 2017) für die
Notwendigkeit der geplanten EUGAL-Pipeline?

9. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den beiden Sze-
narien ENTSOG Green/ENTSOG Grey des europäischen Verbands der Gas-
fernleitungsnetzbetreiber ENTSOG für die Erdgasinfrastruktur in Deutsch-
land, insbesondere vor dem Hintergrund, dass weitere Prognosen und An-
nahmen zu anderen Schlüssen kommen?

http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-02/angela-merkel-polen-besuch-jaroslaw-kaczynski/seite-2
http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-02/angela-merkel-polen-besuch-jaroslaw-kaczynski/seite-2
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11321

10. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass mehr erneuerbare Energien

und verstärkte Energieeffizienz zu einem niedrigeren Erdgasbedarf führen
können, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus für die deutsche
Gasinfrastruktur sowie für die europäischen Verhandlungen zum sogenann-
ten Winterpaket der Europäischen Kommission?

11. Mit welchen Maßnahmen wird die Bundesregierung bis zum Jahr 2020 ins-
besondere im Wärmesektor dafür sorgen, die Abhängigkeit von fossilen
Energieträgern substanziell zu senken?

12. Mit welchen Maßnahmen wird die Bundesregierung nach dem Jahr 2020 ins-
besondere im Wärmesektor dafür sorgen, die Abhängigkeit von fossilen
Energieträgern substanziell zu senken?

13. Welche Rolle werden nach Einschätzung der Bundesregierung „Power-to-
Gas“-Technologien künftig spielen, und über welche Kenntnisse bzgl. des
Treibhausgas-Fußabdrucks von „Power-to-Gas“-Technologien und ihrer
Prozessemissionen verfügt die Bundesregierung?

14. In welchem Maße könnte die derzeitige sowie die neu geplante Gasinfra-
struktur für Windgas und andere „Power-to-Gas“-Formen genutzt werden?

15. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung bzgl. Methanemissionen/Meth-
anleckagen, die bei Transport und Speicherung von Erdgas entstehen, und
wie wirken sich diese auf die Gesamttreibhausgasemissionsbilanz des Ener-
gieträgers aus?
Wer prüft und überwacht diese Leckagen?

16. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung bzgl. des Energieverbrauchs für
Förderung und Transport von Erdgas, und wie wirkt sich dieser auf die Ge-
samtreibhausgasemissionsbilanz des Energieträgers aus?

17. Wie werden Methanemissionen/Methanleckagen, die bei Transport und
Speicherung von Erdgas entstehen, bei der Planung zur Modernisierung und
zum Ausbau der Erdgasinfrastruktur berücksichtigt?

18. Welche technischen Mindestanforderungen werden an Leitungssysteme und
Kompressorstationen zum Schutz vor Leckagen gestellt, und wer überprüft
diese?

19. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass eine Umrüstung der gasbetrie-
benen Verdichterstationen auf elektrische Antriebe einen Beitrag zum Kli-
maschutz leisten könnte?
a) Wenn ja, wie viel CO2 ließe sich einsparen, und welche konkreten Pläne

dafür hat die Bundesregierung dahingehend, falls sie keine hat, warum
nicht?

b) Wie viele Verdichterstationen werden nach Kenntnis der Bundesregie-
rung in Deutschland elektrisch betrieben, wie viele davon mit Gas?

c) Wie hoch ist der Energieverbrauch der Verdichterstationen in Deutsch-
land pro Jahr, und welchen Anteil am Gesamtenergieverbrauch haben sie?

20. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über Gasleckagen im deutschen
Verteilnetz, und wie und durch wen werden diese überprüft?

Berlin, den 14. Februar 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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