BT-Drucksache 18/11249

Erkenntnisse zum Erlanger Doppelmord an Shlomo Lewin und Frida Poeschke

Vom 13. Februar 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11249
18. Wahlperiode 13.02.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Martina Renner, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke, Katrin Kunert
und der Fraktion DIE LINKE.

Erkenntnisse zum Erlanger Doppelmord an Shlomo Lewin und Frida Poeschke

Am 19. September 1980 wurden der Verleger und Rabbiner Shlomo Lewin und
dessen Lebensgefährtin Frida Poeschke in ihrer Wohnung in Erlangen mit jeweils
vier Schüssen getötet. Die Ermittlungen führten nicht zu einer Verurteilung, da
der mutmaßliche Täter, Uwe Behrendt, sich angeblich 1981 im Libanon das Le-
ben nahm. Uwe Behrendt, der 1974 von der Bundesregierung aus dem Strafvoll-
zug der Deutschen Demokratischen Republik freigekauft wurde, war unter ande-
rem Mitglied der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ (Vgl.: Wikipedia: „Shlomo Le-
win“, https://de.wikipedia.org/wiki/Shlomo_Lewin & Wikipedia: Uwe Behrendt,
https://de.wikipedia.org/wiki/Uwe_Behrendt). Das Verfahren gegen den Neonazi
Karl-Heinz Hoffmann und dessen Lebensgefährtin Franziska Birkmann, bei de-
nen Uwe Behrendt zum Tatzeitpunkt wohnte, endeten mit einem Freispruch, ob-
wohl am Tatort eine Brille von Franziska Birkmann gefunden wurde, obwohl er-
wiesen ist, dass Karl-Heinz Hoffmann gemeinsam mit Uwe Behrendt den Schall-
dämpfer für die Tatwaffe hergestellt hat und Uwe Behrendt nach der Tat bei der
Vernichtung von Beweisen und der Flucht in den Libanon unterstützte (vgl.:
„Chef, ich hab den Vorsitzenden erschossen“, DER SPIEGEL 47/1984 vom
19. November 1984, www.spiegel.de/spiegel/print/d-13512120.html & Drucksa-
che des Bayerischen Landtages 17/6182). Uwe Behrendt soll später im Libanon
gestorben und seine Leiche dort vergraben worden sein (vgl.: Ulrich Chaussy:
„Oktoberfest – das Attentat“, aktualisierte und erweiterte Neuausgabe 2015, S.
249).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Hat der Generalbundesanwalt im Zuge seiner Ermittlungen zum Anschlag

auf das Oktoberfest Akten aus den Ermittlungen im Mordfall Lewin/
Poeschke beigezogen, und wenn ja, wann, und welche?

2. Welche Aktenbestände sind nach Kenntnis der Bundesregierung beim Bun-
deskriminalamt zum Mordfall Lewin/Poeschke vorhanden (bitte nach Haupt-
akten, Personenakten, Spuren- und Lichtbildakten und sonstigen Aktenkate-
gorien auflisten)?

3. Welche Aktenbestände sind nach Kenntnis der Bundesregierung beim Bun-
desamt für Verfassungsschutz zum Mordfall Lewin/Poeschke vorhanden (bitte
nach Hauptakten, Personenakten, Spuren- und Lichtbildakten und sonstigen
Aktenkategorien auflisten)?

https://de.wikipedia.org/wiki/Shlomo_Lewin
Drucksache 18/11249 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Welche Aktenbestände sind nach Kenntnis der Bundesregierung beim Bun-
desnachrichtendienst zum Mordfall Lewin/Poeschke vorhanden (bitte nach
Hauptakten, Personenakten, Spuren- und Lichtbildakten und sonstigen Ak-
tenkategorien auflisten)?

5. Besitzt die Bundesregierung Kenntnis über mögliche Aktenbestände auslän-
discher Nachrichtendienste zum Mordfall Lewin/Poeschke (bitte unter An-
gabe der Nachrichtendienste und der thematischen Bezüge beantworten)?

6. Liegen im Bundesamt für Verfassungsschutz Quellenmeldungen oder Treff-
berichte mit Bezug zum Mordfall Lewin/Poeschke bzw. zum mutmaßlichen
Täter Uwe Behrendt vor?

7. Liegen im Bundesnachrichtendienst Quellenmeldungen oder Treffberichte
mit Bezug zum Mordfall Lewin/Poeschke bzw. zum mutmaßlichen Täter
Uwe Behrendt vor?

8. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitarbeiterinnen bzw. Mitar-
beiter oder Quellen deutscher Geheimdienste vor dem 19. September 1980
Kenntnis über die Mordpläne an Shlomo Lewin und Frieda Poeschke hatten?

9. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Franziska Birkmann zu ir-
gendeinem Zeitpunkt als Quelle oder Mitarbeiterin eines deutschen Nach-
richtendienstes tätig war?

10. Welche deutschen Ministerien und Behörden waren an den Verhandlungen
und/oder der Durchführung des Freikaufs von Uwe Behrendt aus dem Straf-
vollzug der Deutschen Demokratischen Republik 1974 beteiligt?

11. Wurden im Zusammenhang mit dem Freikauf Uwe Behrendts 1974 neben
den 50 000 DM, die für den Freikauf seitens der Bundesrepublik Deutsch-
land aufgebracht wurden, weitere Beträge und/oder Leistungen seitens der
Bundesregierung und ihrer Behörden eingesetzt (bitte Leistungen und Be-
träge nebst Verwendungszweck auflisten)?

12. Erhielt Uwe Behrendt seitens der Bundesregierung oder einer ihrer Behörden
nach seinem Freikauf im Jahr 1974 Geld- und/oder Sachwerte für einen Neu-
anfang in der Bundesrepublik Deutschland (bitte Geld- und Sachwerte unter
Nennung der bereitstellenden Institution auflisten)?

13. Erbrachte Uwe Behrendt im Gegenzug für den Freikauf Leistungen für die
Bundesregierung und/oder eine bzw. mehrere ihrer Behörden (bitte die Leis-
tungen, die Behörden und die jeweiligen Zeiträume auflisten)?

14. Welche Erkenntnisse liegen zu Uwe Behrendt im Nachrichtendienstlichen
Informationssystem (NADIS) bzw. Nachrichtendienstlichen Informations-
system Wissensnetz (NADIS WN) vor (bitte unter Nennung der Daten der
jeweiligen Einträge und der eintragenden Behörde beantworten)?

15. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Uwe Behrendt als Quelle oder
Mitarbeiter eines deutschen Geheimdienstes tätig war?

16. Ist der Bundesregierung bekannt, dass Uwe Behrendt unmittelbar nach dem
Mord an Shlomo Lewin und Frida Poeschke in die Deutsche Demokratische
Republik ausreiste, und wie bewertet die Bundesregierung diesen Umstand?

17. War Uwe Behrendt nach Kenntnis der Bundesregierung im Besitz falscher
Papiere, wenn ja, zu welchem Zeitpunkt, und wie gelangten diese in den Be-
sitz von Uwe Behrendt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11249

18. Ist der Bundesregierung bekannt, dass Karl-Heinz Hoffmann nach dem Ok-

toberfestattentat im Libanon ein Papier diktiert haben soll, in welchem das
Attentat als Komplott ausländischer, insbesondere israelischer Nachrichten-
dienste dargestellt wurde?
Falls ja, wie schätzt die Bundesregierung diesen Umstand ein?

19. Geht die Bundesregierung davon aus, dass Uwe Behrendt für weitere Taten
verantwortlich ist, und wenn ja, für welche?

20. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Todesumstände
des mutmaßlichen Täters Uwe Behrendt vor?

21. Wie wurde der Leichnam des Uwe Behrendt nach Kenntnis der Bundesre-
gierung identifiziert?

22. Wodurch wurde nach Kenntnis der Bundesregierung ausgeschlossen, dass es
sich bei dem Leichnam nicht um das vermisste Mitglied der „Wehrsport-
gruppe Ausland“ Kay-Uwe Bergmann handelt?

23. Wo befindet sich nach Kenntnis der Bundesregierung zum jetzigen Zeitpunkt
der Leichnam von Uwe Behrendt?

24. Mit welchen ausländischen Behörden bestanden bezüglich der Suche nach
dem Leichnam von Uwe Behrendt und dessen Identifizierung Kooperatio-
nen?

25. Hat die Generalbundesanwaltschaft im Zuge der wieder aufgenommenen Er-
mittlungen zum Anschlag auf das Oktoberfest am 26. September 1980 auch
die Wiederaufnahme von Ermittlungen in der Mordsache Lewin/Poeschke
geprüft?
Wenn ja, mit welchem Ergebnis, bzw. wenn nein, mit welcher Begründung?

Berlin, den 13. Februar 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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