BT-Drucksache 18/11147

Bestandsentwicklung der bundesrepublikanischen Kormoranpopulation und deren Auswirkung auf die Artenvielfalt in heimischen Gewässern

Vom 10. Februar 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11147
18. Wahlperiode 10.02.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Caren Lay, Ulla Jelpke, Susanna Karawanskij,
Kerstin Kassner, Katrin Kunert, Thomas Lutze, Birgit Menz,
Dr. Kirsten Tackmann, Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

Bestandsentwicklung der bundesrepublikanischen Kormoranpopulation und
deren Auswirkung auf die Artenvielfalt in heimischen Gewässern

Sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene werden die Pläne zur Um-
setzung eines Kormoran-Managementplanes nicht weiterverfolgt, so das Bundes-
ministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) in den
Antworten auf zwei Schriftliche Fragen (vgl. Schriftliche Fragen 81 und 82 auf
Bundestagsdrucksache 18/9191). Am 4. Dezember 2008 beschloss das Europa-
parlament mehrheitlich die Entschließung zur Erstellung eines Europäischen Kor-
moran-Managementplans zur Reduzierung der zunehmenden Schäden durch
Kormorane für Fischbestände, Fischerei und Aquakultur (vgl. 2008/2177(INI)).
Die Europäische Kommission lehnt jedoch eine europäische Lösung mit dem
Verweis auf einzelstaatliche oder regionale Initiativen zur Lösung der Kormoran-
problematik ab (vgl. Agra-Europe 35/16). So initiierte die Europäische Kommis-
sion mehrere interdisziplinäre Forschungsprojekte, den Austausch der verschie-
denen Interessengruppen und erarbeitete einen Leitfaden zur Anwendung des Ar-
tikels 9 der Vogelschutzrichtlinie, um den nationalen Behörden Hilfestellung bei
der Kormoranproblematik zu leisten.
Auf nationaler Eben wurde mit dem Beschluss der Agrarministerkonferenz
(AMK) am 27. Oktober 2011 eine gemeinsame Arbeitsgruppe ins Leben geru-
fen, die einen nationalen Kormoran-Managementplan vorlegen sollte. Aus der
oben genannten Antwort auf die Schriftliche Frage geht jedoch hervor, dass die
nationale Lösung inzwischen gescheitert ist und zwar laut BMUB zum einen auf
Grund der Stagnation bzw. des Rückgangs der Kormoranpopulation und zum an-
deren aufgrund der „Zuständigkeit der Länder“ eine nationale Lösung „nicht
durchführbar“ sei.
Dem stagnierenden bzw. rückläufigen Kormoranbestand widersprechend berich-
tete jedoch „FOCUS Online“ am 17. Juni 2016 darüber, dass in Mecklenburg-
Vorpommern der Kormoranbestand im Jahr 2016 im Vergleich zum Jahr 2008
um über 15 Prozent angestiegen ist und somit inzwischen eine kritische Größe für
die dortige Fischereiwirtschaft erreicht hätte. Eine Sprecherin der Europäischen
Kommission wies ebenfalls darauf hin, dass die Kormoranbestände in bestimmten
europäischen Gebieten anwachsen (vgl. Agra-Europe 35/16, 29. August 2016).

Drucksache 18/11147 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie groß ist nach Kenntnis der Bundesregierung der aktuelle Kormoranbe-
stand in Deutschland (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln in durchzie-
hende sowie residente Brutpaare), und wie entwickelte er sich seit 2010 (vgl.
Bundestagsdrucksache 17/980)?

Auf Grundlage welcher Untersuchungen wurde er ermittelt?
2. Hat das BMUB Kenntnis über den europäischen Kormoranbestand und auf

welcher Grundlage wurde er ermittelt (bitte nach einzelnen Ländern auf-
schlüsseln in durchziehende sowie residente Brutpaare)?

3. Wie beurteilt das BMUB den Kormoranbestandsanstieg in Mecklenburg-
Vorpommern in Bezug auf die getroffene Aussage, dass der Bundesbestand
in den letzten Jahren stagnierte bzw. rückläufig war (siehe Vorbemerkung)?

4. In welchen spezifischen Gebieten oder Bundesländern ist dem BMUB ein
Anstieg der Kormoranpopulation bekannt (bitte einzeln aufschlüsseln)?

5. In welchen spezifischen Gebieten oder Ländern der Europäischen Union ist
dem BMUB ein Anstieg der Kormoranpopulation bekannt (bitte einzeln auf-
schlüsseln)?

6. Wie schätzt die Bundesregierung die Bestandsentwicklung von Kormoranen
in der Bundesrepublik Deutschland und Europa ein?

7. Welchen Einfluss hatte die Bejagung und Vergrämung von Kormoranen
nach Kenntnis der Bundesregierung auf den Populationsbestand in der Ver-
gangenheit?

8. Welche expliziten Zuständigkeiten der Bundesländer sind für einen nationa-
len Kormoran-Managementplan hinderlich (siehe Vorbemerkung)?

9. In welchen Bundesländern ist eine Kormoranverordnung in Kraft getreten,
und welche Anstrengungen zur Harmonisierung der Verordnungen hat die
Bundesregierung unternommen (vgl. Bundestagsdrucksache 17/7352)?

10. Welche der im vom Deutschen Bundestag am 10. Dezember 2011 beschlos-
senen Antrag auf Bundestagsdrucksache 17/7352 „Fischartenschutz voran-
bringen – Vordringliche Maßnahmen für ein Kormoranmanagement“ formu-
lierten Aufforderungen ist die Bundesregierung bis zum heutigen Zeitpunkt
nachgekommen und welchen nicht (bitte auflisten und begründen)?

11. Wann hat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Kormoran seit dem Beschluss der
Agrarministerkonferenz getagt, und mit welchen konkreten Ergebnissen
(bitte auflisten)?

12. Welche konkreten Initiativen von Bund und Ländern gehen auf den Leitfa-
den der Europäischen Kommission zur Umsetzung des Artikels 9 der Vogel-
schutzrichtlinie in der Bundesrepublik Deutschland bzw. in den einzelnen
Bundesländern zurück?

13. Welchen Beitrag hat die Bundesregierung zur Einhaltung der Europäischen
Wasserrahmenrichtlinie (Richtlinie 2000/60/EG) sowie dessen Umsetzung
(Maßnahmenplan) im ersten Bewirtschaftungszeitraum (bis 2015) in Bezug
auf den Schutz und den Bestand gefährdeter Fischarten geleistet?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11147

14. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass hohe Kormoranbestände in

Fließgewässern die Zielstellungen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie
in Bezug auf Fischbestände unerreichbar werden lassen (vgl. J. Schneider,
WRRL-Qualitätsindikator Fischfauna und Kormoranfraßdruck. Vortrag
Fachtagung Fischartenschutz und Gewässerökologie, Jena 19./20. Februar
2016)?
a) Wenn ja, welche Konsequenzen werden daraus gezogen?
b) Wenn nein, bitte begründen?

15. Sind der Bundesregierung Fließgewässer oder Binnengewässer bekannt, die
auf Grund des Kormoranbestandes nicht den notwendigen Fischbestand zur
Einhaltung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie aufweisen?

16. Welche Kormoran-Gesamtpopulationsgröße ist nach Einschätzung der Bun-
desregierung zulässig, um die heimischen Fischbestände im Rahmen der Eu-
ropäischen Wasserrahmenrichtlinie gewährleisten zu können?

17. In welchen Bundesländern werden nach Kenntnis der Bundesregierung
Teichwirten, Binnenfischern Ausgleichszahlungen für die durch Kormorane
entstandenen wirtschaftlichen Verluste gewährt?

18. Wie hoch wurden die Verluste durch Kormorane eingeschätzt, und wie hoch
waren die Ausgleichszahlungen in den vergangenen Jahren (bitte nach Bun-
desländern und Jahren aufschlüsseln)?

19. Welche Informationen hat die Bundesregierung über Schäden durch ange-
stiegene Kormoranpopulationen, die zur Aufgabe fischereiwirtschaftlicher
Betriebe seit 2010 geführt haben?

20. Wie beurteilt die Bundesregierung die Kormoran-Managementpläne der
Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutschland, und wird in diesem Be-
reich mit den Nachbarländern zusammengearbeitet?
Wenn ja, wie genau sieht die Zusammenarbeit aus (bitte nach einzelnen Län-
dern aufzeigen)?

Berlin, den 7. Februar 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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