BT-Drucksache 18/11051

Datenschutz und Big Data in der Immobilienwirtschaft

Vom 26. Januar 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11051
18. Wahlperiode 26.01.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Frank Tempel, Ulla Jelpke, Katrin Kunert,
Caren Lay, Birgit Menz, Petra Pau, Dr. Petra Sitte, Dr. Kirsten Tackmann und
der Fraktion DIE LINKE.

Datenschutz und Big Data in der Immobilienwirtschaft

Nach Recherchen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ haben mehrere Woh-
nungsbaugesellschaften die Datenschutzregularien nicht eingehalten (FAZ,
17. Oktober 2016). So sind persönliche Sozialdaten von potenziellen Mieterinnen
und Mietern über die Interessenten- und Suchformulare auf den Webseiten trotz
anders lautender Angabe unverschlüsselt übertragen worden. Laut FAZ traf dies
auf mindestens neun Unternehmen aus fünf Bundesländern zu. Mehrere Daten-
schutzbehörden und Datenschutzbeauftragte der Länder, so die FAZ weiter, ha-
ben eine zukünftige Massenprüfung geplant.
Die Digitalisierung und der Datenschutz werden für den Wohnungsmarkt immer
bedeutender; inzwischen wird ein stetig wachsender Anteil des Wohnungsmarkts
digital abgewickelt. Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Mietpreisbremse ist
die Mehrheit der Immobilieninserate inzwischen bei digitalen Anbietern zu fin-
den, da Immobilienunternehmen und Immobilieneigentümer die Vermittlung ih-
rer Wohnungen an neue spezialisierte Online-Wohnungssuchportale auslagern
(Süddeutsche Zeitung, 23. März 2016). Diese sammeln die persönlichen Sozial-
daten von potenziellen Mieterinnen und Mietern schon vorab und reichen diese
bei Interesse an Inseraten direkt an die Vermieter weiter. Die Unternehmen und
Eigentümer wollen so die fällige Maklercourtage umgehen.
Auch hat die Immobilienwirtschaft den Wert des Big Data für die Analyse des
Wohnungsmarktes entdeckt. Die Zeitschrift „immobilienwirtschaft“ berichtete,
dass bei einer Umfrage unter europäischen Immobilienunternehmen 77 Prozent
angaben, an der Nutzung von Big Data interessiert zu sein (immobilienwirtschaft,
02/2016). Big Data, so die Hoffnung in der Immobilienbranche, soll es ermögli-
chen, dass „das Haus sich seine Mieter selbst suchen wird, indem Suchende auf
Immobilienportalen ein Profil über sich erstellen. Auf Basis von Arbeitsort, Ein-
kommen, Familienstand, Hobbys und diversen Präferenzen“. Auch wird über die
automatisierte Erstellung von Profilen auf Basis der aggregierten Daten aus sozi-
alen Netzwerken nachgedacht (Handelsblatt, Journal Immobilienwirtschaft Juni
2016).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Kann die Bundesregierung die FAZ-Recherchen bestätigen, und hat sie dar-

über hinaus Kenntnis von weiteren Datenschutzverstößen bei der Übertra-
gung von persönlichen Daten seitens der Immobilienunternehmen und Woh-
nungsbaugesellschaften?

Wenn ja, welche sind dies (bitte auflisten)?

Drucksache 18/11051 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Hat die Bundesregierung allgemeine Kenntnisse zu Datenschutzverstößen
durch Immobilienunternehmen und Wohnungsbaugesellschaften, und wel-
cher Natur sind diese?

3. Beteiligt sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Bundesbeauftragte für
den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) an der geplanten Mas-
senprüfung von Immobilienunternehmen und Wohnungsbaugesellschaften
seitens der Landesdatenschutzbeauftragten?

4. Hat die Bundesregierung Kenntnis, ob bundeseigene Immobilienunterneh-
men bzw. Wohnungsbaugesellschaften oder Unternehmen, die Bundesbesitz
verwalten, die Datenschutzrichtlinien einhalten – gerade im Hinblick auf den
verschlüsselten Datentransfer privater Daten?

5. Verfügen alle bundeseigenen Immobilienunternehmen bzw. Wohnungsbau-
gesellschaften oder Unternehmen, die Bundesbesitz verwalten, über betrieb-
liche Datenschutzbeauftragte?

Wenn nein, welche nicht?
6. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Gefahr ein, dass die o. g. nicht

verschlüsselten Datentransfers abgefangen wurden?
7. Sind Fälle bekannt bei denen persönliche und sensible Daten abgefangen

wurden und ein krimineller Missbrauch betrieben wurde?

Wenn ja, welche sind dies?
8. Wie hoch schätzt die Bundesregierung allgemein die Gefahr ein, dass trotz

verschlüsselter Übertragung, die Daten abgefangen werden können (bitte be-
gründen)?

9. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Gefahr ein, dass die genannten
Online-Profile Ziel von Hackerangriffen sein könnten, mit dem expliziten
Ziel, sensible Sozialdaten abzugreifen?

10. Sind der Bundesregierung frühere Fälle bekannt, in denen Online-Profile
Ziel von Hackerangriffen waren?
Wenn ja, um welche Fälle handelte es sich dabei, und welcher Schaden ent-
stand dabei jeweils?

11. Wie sieht nach Einschätzung der Bundesregierung ein „dem Stand der Tech-
nik entsprechendes Verschlüsselungsverfahren“ aus (vgl. Bundesdaten-
schutzgesetz – Anlage zu § 9 Satz 1)?

12. Ist geplant oder wird erwägt, das Budget der Bundesbeauftragten für Daten-
schutz zu erhöhen mit dem Ziel der Schaffung neuer Planstellen zur besseren
Feststellung von Verstößen bei persönlichen Sozialdaten?

13. Ist geplant, das Bundesdatenschutzgesetz dahingehend zu überarbeiten, dass
Verstöße technischer Art bußgeldbewehrt sind?

14. Beobachtet die Bundesregierung die Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt
hin zu digitalen Wohnungsvermittlungen, und wenn ja, welche Schlussfolge-
rungen zieht sie daraus?

15. Sind die Digitalisierung des Wohnungsmarktes und die Entstehung der in der
Vorbemerkung genannten Online-Portale auf der Agenda der Datenschutz-
beauftragten, und sind hier bisher Verstöße gegen das Datenschutzgesetz er-
fasst worden (bitte einzeln auflisten)?

16. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass durch das Gesetz der „Miet-
preisbremse“ die Digitalisierung des Wohnungsmarktes vorangetrieben wurde
(Süddeutsche Zeitung, München, 23. März 2016), und wenn ja, welche Schluss-
folgerungen zieht sie daraus (bitte begründen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11051

17. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass durch die Digitalisierung der So-

zialdaten von potenziellen Mieterinnen und Mietern die Situation auf dem
Wohnungsmarkt in bestimmten Regionen und Städten noch angespannter
bzw. selektiver wird, weil mit dem Schutz der eigenen Daten ein potenziell
neues Ausschlusskriterium hinzukommt (bitte begründen)?

18. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Berliner Beauftragten für Da-
tenschutz und Informationsfreiheit, wonach Vermieter erst nach erfolgter
Besichtigung Anspruch auf Daten zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
besitzen (§ 28 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Bundesdatenschutzgesetzes;
vgl. MEINE PRIVATSPHÄRE ALS MIETER. Ratgeber zum Daten-
schutz 10, Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit),
und wenn ja, welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus (bitte begründen)?

19. Plant die Bundesregierung bzw. existieren schon Pläne das Bundesdaten-
schutzgesetz an die aktuellen Gegebenheiten der Digitalisierung anzupassen
bezüglich der Sicherheit, der Verschlüsselung und der Anonymisierung?

20. Wie hoch schätzt die Bundesregierung das Risiko ein, dass durch die von der
Digitalisierung ausgelöste Anonymisierung der Wohnungssuche der Miss-
brauch der Sozialdaten begünstigt wird, in dem über Scheinannoncen bei den
gängigen Internetportalen oder durch eigens angelegte Internetportale ver-
sucht wird die Sozialdaten potentieller Mieterinnen und Mieter zu erlangen?

21. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bunderegierung daraus, dass die Im-
mobilienwirtschaft inzwischen den Wert von Big Data erkannt hat und die
gesammelten Daten ihrer Mieterinnen und Mietern verarbeitet – gerade in
Hinblick auf den Datenschutz (s. Vorbemerkung)?

22. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, inwieweit und zu welchen
Zwecken die Immobilienwirtschaft die gesammelten Daten ihrer Mieterin-
nen und Mietern auswertet und verarbeitet?

23. Werden Immobilienunternehmen und Wohnungsgesellschaften von der Da-
tenschutzbeauftragten hinsichtlich der Nutzung von Big Data überprüft und
sind der Bundesregierung hier Verstöße gegen das Bundesdatenschutzgesetz
bekannt (bitte einzeln auflisten)?

24. Sind allgemein im Bereich des Big Data Gesetzesvorhaben bzw. -änderun-
gen vor allem hinsichtlich im Bereich des Datenschutzes (automatisierte Pro-
filerstellungen, Auswertung sozialer Netzwerke, s. Vorbemerkung) und der
Datensicherheit geplant, wenn ja, was genau ist geplant, und wenn nein, er-
achtet die Bundesregierung den bestehenden gesetzlichen Rahmen als aus-
reichend?

25. Welchen Einfluss hat nach Meinung der Bundesregierung Big Data auf den
Immobilienmarkt und konterkariert Big Data das Gesetz zur „Mietpreis-
bremse“?

Berlin, den 25. Januar 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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