BT-Drucksache 18/10979

Klimaschutz in der Wärmeversorgung sozial gerecht voranbringen - Aktionsplan Faire Wärme starten

Vom 25. Januar 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10979
18. Wahlperiode 25.01.2017
Antrag
der Abgeordneten Dr. Julia Verlinden, Christian Kühn (Tübingen),
Bärbel Höhn, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Annalena Baerbock,
Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Steffi Lemke, Peter Meiwald, Harald
Ebner, Matthias Gastel, Stephan Kühn (Dresden), Nicole Maisch, Friedrich
Ostendorff, Markus Tressel, Dr. Valerie Wilms, Kai Gehring und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Klimaschutz in der Wärmeversorgung sozial gerecht voranbringen – Aktionsplan
Faire Wärme starten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Energiewende ist eines der größten Modernisierungsprojekte für Wirtschaft und
Gesellschaft seit der Nachkriegszeit. Sie bringt Deutschland voran – ökologisch, öko-
nomisch und demokratisch. Während der Umbau der Stromversorgung bereits ein gu-
tes Stück vorangekommen ist, tut sich im Wärmemarkt viel zu wenig: Die energetische
Sanierung von Gebäuden verläuft schleppend, die Sanierungsrate liegt bei unter einem
Prozent. Zudem werden Sanierungen häufig als Vorwand für massive Mietsteigerun-
gen angeführt, die Mieterinnen und Mieter aus ihrer alltäglichen Umgebung verdrän-
gen. Auch in Industrie und Gewerbe bleiben Energiesparmöglichkeiten vielfach unge-
nutzt. Die Folge: Der Wärmebedarf sinkt insgesamt nur langsam und der Anteil der
erneuerbar erzeugten Wärme stagniert auf niedrigem Niveau.
Mehr als die Hälfte des Endenergieverbrauchs in Deutschland wird für Warmwasser,
Raum- und Prozesswärme aufgewendet. Deshalb ist die herrschende Stagnation im
Wärmemarkt fatal. Ohne eine deutliche Senkung des Wärmeverbrauchs und den Um-
stieg auf erneuerbare Energien wird Deutschland seine Zusagen für den internationalen
Klimaschutz nicht erfüllen und sich auch nicht aus seiner Abhängigkeit von Kohle-,
Öl- und Gasimporten befreien können.
Investitionen in eine moderne Wärmeversorgung helfen nicht nur dem Klimaschutz,
sie wirken auch als Konjunkturprogramm für die Wirtschaft. Nach Berechnungen des
Bremer Energie Instituts führen allein die bestehenden Förderprogramme im Bereich
Gebäudesanierung zur Sicherung von jährlich 35.000 Arbeitsplätzen. Wenn es gelingt,
den Sanierungsstau aufzulösen, können deutlich höhere Konjunktureffekte erzielt und
viele neue Arbeitsplätze in Planungs- und Bauberufen sowie Handwerk und produzie-
rendem Gewerbe geschaffen werden.
Der Aufbruch in eine neue Wärmewelt ist überfällig. Deshalb braucht es ein Maßnah-
menpaket, das Energieeinsparung und Umstieg auf erneuerbare Wärme gleichermaßen

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voranbringt und die Energiewende im Strom- und im Wärmesektor zusammendenkt.
Weil der Wärmemarkt vielfältig und reich an Akteuren ist und unterschiedliche Vo-
raussetzungen in verschiedenen Quartieren und Regionen herrschen, muss auch der
Instrumentenkasten breit gefächert sein und die gesamte Wärmeerzeugung in den
Blick nehmen. Mit den richtigen Weichenstellungen ist der Umstieg auf 100 Prozent
erneuerbare Energien in der Wärmeversorgung binnen dreier Jahrzehnte möglich.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Aktionsplan Faire Wärme zu beschließen, der die finanziellen, rechtlichen und
institutionellen Rahmenbedingungen für den erfolgreichen Umbau der Wärmeversor-
gung in Deutschland neu ausrichtet, indem
• die bereitgestellten Mittel für erneuerbare Wärme, energetische Sanierung und

Infrastruktur für die Wärmeversorgung auf insgesamt 7 Milliarden Euro jährlich
verdoppelt und die Antragsverfahren vereinfacht werden, damit die Förderung an-
kommt und gezielt wirkt;

• das Steuer- und Abgabensystem im Energiesektor so weiterentwickelt wird, dass
sich der CO2-Ausstoß eines Energieträgers stärker im Preis widerspiegelt und die
bestehende Bevorteilung von Heizöl gegenüber anderen Brennstoffen abgebaut
wird. So steigt der wirtschaftliche Anreiz, Energiesparmaßnahmen und Gebäudes-
anierungen durchzuführen und auf klimafreundliche Lösungen bei der Energie-
versorgung zu setzen;

• das selbst für Fachleute schwer zu durchblickende Regelungsdickicht im Gebäu-
debereich durch ein einfacheres und transparentes Energiesparrecht ersetzt wird,
das die CO2-Emissionen und den realen Wärmebedarf eines Gebäudes zu den we-
sentlichen Bemessungsgrößen macht;

• die Bundesstelle für Energieeffizienz zu einer leistungsfähigen Kompetenzstelle
ausgebaut wird, die in Ergänzung zu den regionalen Energieberatungsagenturen
über alle Fragen zum Energiesparen und zu den Förderprogrammen Auskunft ge-
ben kann, Ausschreibungen abwickelt sowie die Förderprogramme evaluiert und
weiterentwickelt.

Der Aktionsplan soll zudem folgende Bausteine und Maßnahmen umfassen:

1. Erneuerbare Energien zur Wärmeerzeugung zügig ausbauen, indem:
• die staatliche Subventionierung neuer Öl- oder Gasheizungen über die KfW ab

sofort eingestellt wird und stattdessen das Marktanreizprogramm für Erneuerbare
im Wärmemarkt (MAP) verbessert und aufgestockt wird;

• der von der EU vorgeschriebene Niedrigstenergie-Gebäudestandard für Neubau-
ten entsprechend dem KfW-Standard Effizienzhaus 40 definiert wird und so spä-
testens ab 2021 kaum noch Heizungen im Neubau zum Einsatz kommen, die auf
fossile Brennstoffe angewiesen sind;

• der Einsatz erneuerbarer Energien auch im Gebäudebestand anteilig verpflichtend
wird, wenn ohnehin ein Austausch der Heizungsanlage erforderlich ist, so dass
Erdöl und Erdgas auch im Bestand bis 2040 schrittweise und planbar weitestge-
hend durch erneuerbar betriebene Heizsysteme ersetzt werden;

• Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen durch eine entsprechende Ausgestaltung der
KWK-Förderung verstärkt von Mineralöl-, Kohle- und Erdgasbetrieb auf Abwär-
menutzung oder erneuerbare Brennstoffe umgestellt werden;

• Wärmenetze für die Einspeisung erneuerbarer Wärme sowie industrieller und ge-
werblicher Abwärme durch gesetzliche Regelungen geöffnet werden, um auch
die Nah- und Fernwärmeversorgung schrittweise zu dekarbonisieren;

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• temporäre Überschüsse an Wind- und Solarstrom über Power-to-Heat-Anwendun-

gen zur Wärmeerzeugung genutzt werden und so zur Sektorenkopplung zwischen
Strom- und Wärmemarkt beitragen.

2. Energieeffizienz und Energieeinsparung voranbringen, indem
• Energiesparmaßnahmen in Industrie, Gewerbe und Privathaushalten durch wett-

bewerbliche Ausschreibungen gefördert werden, deren Teilnahmebedingungen
einfach und praxistauglich gestaltet sind und für die 800 Mio. Euro jährlich zur
Verfügung stehen;

• branchenspezifische Benchmarks für die gewerbliche Wärmenutzung eingeführt
werden, die am Stand des technisch Machbaren ausgerichtet sind und zur Voraus-
setzung für Unternehmen werden, die Vergünstigungen bei Steuern und Abgaben
in Anspruch nehmen wollen;

• Konzepte wie das Gemeinschaftswohnen, Wohnungstauschbörsen oder Mehr-Ge-
nerationen-Häuser gezielt gestärkt werden, um passende Angebote für veränder-
ten Wohnraumbedarf z. B. im Alter oder von Ein-Personen-Haushalten zu schaf-
fen und so dem steigenden Wohnflächenverbrauch pro Kopf entgegenzuwirken.

3. Wärmeversorgung sozial gerecht modernisieren, indem
• eine robuste Mietpreisbremse mit einer Geltungsdauer von zehn Jahren eingeführt

wird, die anders als die bisherigen Regelungen der Bundesregierung für echten
Mieterschutz sorgt und Schlupflöcher, wie Ausnahmen bei Neubau oder umfas-
sender Modernisierung, ausschließt;

• die Modernisierungsumlage in der prozentualen Höhe deutlich abgesenkt und in
der absoluten Höhe gekappt wird und nur noch echte Energiesparmaßnahmen und
Barriere-Abbau sowie Einbruchschutz bei der Umlage berücksichtigt werden;

• selbst nutzende Eigentümerinnen und Eigentümer mit einem Steuerbonus bei
Maßnahmen zur energetischen Sanierung ihrer Wohnungen und Häuser unter-
stützt werden, der beim Bezug von Grundsicherungsleistungen nicht auf diese an-
gerechnet wird;

• ein Klimawohngeld eingeführt wird, das Haushalten mit kleinem Einkommen er-
möglicht, in energetisch saniertem Wohnraum zu wohnen;

• die Übernahme der Wohnungs- und Stromkosten in der Grundsicherung einfacher,
weniger streitanfällig und kostendeckend geregelt wird und dazu gesetzliche Rah-
menbedingungen für die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft entwickelt
werden.

4. Kommunen bei Wärmeplanung und Sanierung stärken, indem
• Kommunen mit Zuschüssen und günstigen Krediten dabei unterstützt werden, eine

umfassende Wärmeplanung aufzulegen und Sanierungsfahrpläne zu erstellen, die
geeignete Sanierungszeitpunkte und Maßnahmenpakete für unterschiedliche
Haus- und Gebietstypen aufzeigen;

• der Quartiersansatz nach vorne gestellt und ein finanzstarkes Förderprogramm für
die energetische Quartierssanierung in Höhe von 2 Mrd. Euro jährlich aufgelegt
wird, um warmmietenneutrale Sanierungen für Mieterinnen und Mieter mit klei-
nem Einkommen zu ermöglichen;

• der Einsatz von QuartiersmanagerInnen vom Bund besser gefördert wird, die bei
der Beteiligung von örtlichen Unternehmen, Gewerbetreibenden, EigentümerIn-
nen und MieterInnen am Umbau der Wärmeversorgung helfen.

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5. Nahwärme und Wärmespeicher ausbauen, indem
• Nahwärmenetze zielgerichtet ausgebaut und die entsprechenden Förderpro-

gramme erhöht werden;
• Kosten und ökologische Qualität der angebotenen Wärme transparent gemacht

und unabhängige Preiskontrollen gewährleistet werden;
• ein Förderprogramm in Höhe von 400 Mio. Euro für 10.000 Wärmespeicher auf-

gelegt wird, damit insbesondere Gemeinden oder Stadtteile mit Wärmenetzen
mindestens einen großen Wärmespeicher errichten können und so die Flexibilität
im Wärme- und Stromversorgungssystem erhöht wird.

6. Energieberatung ausbauen und verbessern, indem
• existierende Energie- und Klimaschutzagenturen sowie Beratungsangebote z. B.

von Verbraucherzentralen, Diakonie oder Caritas ebenso finanziell unterstützt
werden wie der Aufbau neuer regionaler Energieberatungsagenturen in unterver-
sorgten Regionen, damit MieterInnen, WohnungsbesitzerInnen und InvestorInnen
ebenso wie kleine und mittlere Unternehmen, öffentliche Einrichtungen, Verwal-
tungen und Kommunen unabhängige Beratungen für Energiesparmaßnahmen und
die Umrüstung auf erneuerbare Energien in Anspruch nehmen können;

• gebäudeindividuelle Sanierungsfahrpläne flächendeckend zu einem zentralen In-
strument in der Energieberatung für Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer
gemacht und entsprechend gefördert werden;

• der Gebäude-Energieausweis vereinheitlicht und aussagekräftiger gemacht wird,
indem der Energiebedarf des Gebäudes leicht verständlich und unabhängig vom
Nutzerverhalten dargestellt und zusätzlich der gemessene Energieverbrauch der
vergangenen Jahre ausgewiesen wird;

• die Themen Energiesparen und energetische Modernisierung in der Aus- und Wei-
terbildung zu allen Bau-Berufen und zugehörigen Studiengängen stärker verankert
und Gewerke übergreifende Aspekte des Energiesparens im Berufsbildungsgesetz
(BBiG) und im Gesetz zur Ordnung des Handwerks (HWO) als verbindliche Lern-
inhalte eingefügt werden.

7. Bürgerenergiewende auf die Wärmeversorgung ausweiten, indem
• Modellprojekte gefördert werden, in denen energetische Sanierungen von öffent-

lichen Gebäuden wie Schulen, Schwimmbädern oder Rathäusern gemeinsam mit
den Bürgerinnen und Bürgern geplant, finanziert und umgesetzt werden;

• genossenschaftliche Lösungen gezielt unterstützt werden, insbesondere der Auf-
bau genossenschaftlich betriebener Wärmenetze;

• die Eigenversorgung mit Strom und Wärme aus erneuerbaren Energien und hoch-
effizienten KWK-Anlagen sowohl für Wohnungsunternehmen wie auch für pri-
vate Haushalte durch Befreiung von der EEG-Umlage und eine entsprechende
KWK-Förderung erleichtert wird, damit Energie kostengünstig und dezentral di-
rekt vor Ort erzeugt und genutzt werden kann.

8. Nachhaltige Bau- und Dämmstoffe fördern, indem
• ein Modellprogramm für ökologische Bau- und Dämmstoffe mit einem Pro-

grammvolumen von 20 Mio. Euro aufgelegt wird, aus dem u. a. ein KfW-Pro-
gramm ‚Natur Plus‘ finanziert wird;

• in der Ausbildung und beruflichen Weiterbildung in allen Bauberufen ebenso wie
in der Energieberatung die Nutzung von ökologisch vorteilhaften Baustoffen stär-
ker verankert wird;

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• das Bauen mit Holz durch eine nationale Holzbaustrategie erleichtert und unter-

stützt wird, die die Nutzung regionaler Rohstoffe gezielt voranbringt und gleich-
zeitig strenge soziale und ökologische Standards bei Holzanbau und -nutzung si-
cherstellt;

• die sogenannte graue Energie, die für die Erstellung eines Gebäudes bzw. für die
Herstellung der Bau- und Dämmstoffe verbraucht wird, bei deren die Klassifizie-
rung berücksichtigt wird.

Berlin, den 24. Januar 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

Die Bundesregierung hat in ihrem Energiekonzept von 2010 beschlossen, bis 2020 den Treibhausgasausstoß in
Deutschland gegenüber 1990 um 40 Prozent zu reduzieren. Doch von diesem Ziel ist Deutschland inzwischen
weit entfernt, wie beispielsweise der jüngste Klimaschutzbericht der Bundesregierung zeigt. Gleichzeitig müss-
ten die Anstrengungen bei Klimaschutz, Energieeinsparung und dem Ausbau erneuerbarer Energien nach den
internationalen Beschlüssen zum Klimaschutz von Paris noch deutlich erhöht werden. Insofern besteht im Wär-
mesektor, der für die Hälfte des Endenergieverbrauchs und damit für einen Großteil der CO2-Emissionen verant-
wortlich ist, erheblicher Handlungsbedarf. Zudem liegt Deutschland im europäischen Vergleich beim Anteil er-
neuerbarer Energien an der Wärmeversorgung abgeschlagen hinter Ländern wie Frankreich, Italien oder Öster-
reich. In Dänemark ist der Anteil der Erneuerbaren im Wärmemarkt sogar dreimal so hoch wie hierzulande.
Um die Energiewende endlich auch im Wärmesektor erfolgreich zu gestalten und die Umstellung auf erneuerbare
Wärme voranzubringen, bedarf es eines Paradigmenwechsels:
• Die Energiesparförderung muss einfacher, zugänglicher und wirksamer werden. Zudem braucht es leicht

nachvollziehbare Zuständigkeiten und zentrale Ansprechpartner und Informationsangebote für alle.
• Statt Verdrängung und Mietpreissteigerungen in Ballungszentren tatenlos zuzusehen, müssen Fördermittel

zielgerichtet für Haushalte mit geringem Einkommen eingesetzt werden. Zusätzlich muss ein soziales Miet-
recht geschaffen und die Grundsicherung verbessert werden, damit sich auch Menschen mit kleinem Ein-
kommen guten Wohnraum leisten können.

• Statt energetische Sanierung nur von Haus zu Haus zu denken, müssen die Kommunen als zentrale Akteure
für die kommunale Wärme- und Sanierungsplanung gestärkt werden und gemeinschaftlich geplante Sanie-
rungsprojekte im Dorf oder Stadtviertel umgesetzt werden.

• Statt auf wenige Akteure zu setzen, sind attraktive Beteiligungsmöglichkeiten vor Ort der richtige Weg, um
das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen beim Umbau der Wärmeversorgung zu
verstärken.

• Und statt weiterhin viel Wärme ungenutzt in die Umgebung abzugeben, müssen in Industrie und Gewerbe
die konsequente Nutzung von Abwärme sowie die energetische Optimierung von Prozessen zum Standard
werden.

Der Aktionsplan Faire Wärme umfasst vor diesem Hintergrund ein Bündel von wirksamen Maßnahmen, um
Energieeffizienz und Energiesparen voranzubringen. Sie reichen von verbesserten Rahmenbedingungen durch
eine Neujustierung des Steuer- und Abgabensystems bis hin zu konkreten Förderprogrammen für Gebäudesa-
nierung oder Energiesparmaßnahmen in Industrie und Gewerbe. Die derzeitigen Steuersätze für Heizöl und Erd-
gas spiegeln umgerechnet pro Tonne CO2 nicht annähernd die verursachten externen Kosten wider. Außerdem

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unterscheidet sich die Besteuerung stark. Während eine Tonne CO2 beim Erdgas über die Energiesteuer umge-
rechnet mit ca. 27 Euro bepreist wird, kostet dieselbe Menge CO2 beim leichten Heizöl nur ca. 23 Euro und beim
schweren Heizöl, das insbesondere in der Industrie genutzt wird, sogar nur rund 8 Euro.
Weil Energiesparmaßnahmen und Energieeffizienz von der Bundesregierung nicht konsequent genug vorange-
bracht werden, verpufft immer noch viel zu viel Wärme ungenutzt in der Umgebung. Damit geht wertvolle Ener-
gie verloren, die aufwändig erzeugt und teuer bezahlt wird. Diese Energie muss eingespart oder zumindest als
Abwärme genutzt werden, damit der verbleibende Energiebedarf umso leichter mit erneuerbaren Energien ge-
deckt werden kann.
Auch für den Umstieg auf erneuerbare Energien tut die Bundesregierung viel zu wenig. Im Gegenteil: Mit ihrer
Förderung für neue Öl- und Gasheizungen über die KfW zementiert sie die Abhängigkeit von fossilen Brenn-
stoffen noch und verhindert damit den Rückgang von Treibhausgasemissionen im Gebäudebereich. Staatliche
Förderung darf es vor dem Hintergrund internationaler Klimaschutzverpflichtungen nur für klimafreundliche
Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energien geben. Darüber hinaus muss die Nutzung regenerativ erzeugter
Wärme auch im Gebäudebestand verbindlich werden.
Indem Wärmeversorgung im Zusammenhang der örtlichen Gegebenheiten gedacht und geplant wird und statt der
Einzelfallbetrachtung Quartierslösungen in den Fokus rücken, können effizientere und flexiblere Lösungen für
die Wärmeversorgung geschaffen werden. Doch die Bundesregierung verkennt bisher sowohl die Bedeutung von
Wärmenetzen, als auch den Hebel des Quartiersansatzes bei der energetischen Gebäudesanierung. Wärmenetze,
Wärmeplanung und Quartiersansatz bergen erhebliches Potenzial für die Energiewende im Wärmesektor und
müssen daher allesamt stärker gefördert werden. Als Vorbild für die kommunale Umsetzung kann die Städte-
bauförderung und ihr bewährtes Programm der behutsamen städtebaulichen Sanierung dienen. Jede Kommune
kann mit den vorgeschlagenen Instrumenten einen für ihre Situation geeigneten Weg zu energetischer Gebäude-
sanierung und klimafreundlicher Wärmeversorgung einschlagen.
Während die Bundesregierung viel zu wenig gegen explodierende Mieten in Ballungsräumen und Verdrängung
von alteingesessenen Mieterinnen und Mietern tut, wollen wir den Aufbruch in die Neue Wärmewelt sozial und
ausgewogen gestalten. Haushalten mit kleinen Einkommen und Grundsicherungsbeziehende, die in selbst ge-
nutzten Eigenheimen wohnen, fehlt in der Regel das Geld für eine energetische Sanierung oder andere Energie-
sparmaßnahmen. Das muss bei der Förderung berücksichtigt werden. Der Umbau der Wärmeversorgung muss
mit einer vorausschauenden Mietrechts- und Wohnungspolitik flankiert werden. Nur so kann sichergestellt wer-
den, dass energetische Modernisierungen nicht zur Verdrängung von Menschen aus städtischen Quartieren miss-
braucht werden und auch Haushalte mit kleinerem Einkommen in energetisch hochwertigem Wohnraum leben
können.
Über die Klima- und Umweltbilanz eines Gebäudes entscheidet nicht nur der energetische Standard, sondern
auch das verwendete Material. In Beton steckt beispielsweise schon durch die Produktion viel „graue Energie“.
Durch den weltweiten Bauboom steigt der CO2-Ausstoß zusätzlich an. Deshalb muss anders gebaut werden:
ressourcenschonender, nachhaltiger, klimafreundlicher. Um diesen Wandel in der Bauwirtschaft anzustoßen, be-
darf es einer neuen Bewertungssystematik von Bau- und Dämmstoffen ebenso wie einer gezielten Förderung von
ökologischen Materialien und der Holzbauweise.
Viele Menschen wollen mitmachen bei der Energiewende im Wärmesektor. Doch oft sind EigentümerInnen,
MieterInnen oder Gewerbetreibende unsicher, wie sie sich beteiligen können oder was die richtige und wirt-
schaftlichste Maßnahme für sie ist. Da hilft unabhängige und qualifizierte Beratung von Gewerke übergreifend
denkenden Energieberaterinnen und Energieberatern, die auf Gebäude und Quartiere abgestimmte Vorschläge
erarbeiten sowie attraktive Beteiligungsmöglichkeiten. Eine Energiewende mit hoher Beteiligung vor Ort sichert
den Rückhalt in der Bevölkerung und macht die Energiewende zu einem umfassenden Erfolg.
Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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