BT-Drucksache 18/10934

zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/9676 - Brennstofflieferungen für belgische Atomkraftwerke stoppen

Vom 20. Januar 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10934
18. Wahlperiode 20.01.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
(16. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Annalena Baerbock, Bärbel
Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/9676 –

Brennstofflieferungen für belgische Atomkraftwerke stoppen

A. Problem
Die Antragsteller haben einen Antrag eingebracht, mit dem der Deutsche Bundes-
tag die Bundesregierung auffordern soll,

1. einen sofortigen Exportstopp für die Brennelementelieferungen mit aktuellen
Ausfuhrgenehmigungen der ANF Lingen zu den belgischen Atomkraftwerken
Doel und Tihange anzuordnen;

2. grundlegend keine Ausfuhrgenehmigungen in die deutsche Sicherheit gefähr-
dende Risiko-AKW wie Doel und Tihange in Belgien, Fessenheim und Catte-
nom in Frankreich oder Beznau und Leibstadt in der Schweiz zu erteilen;

3. im Sinne der Vollendung eines konsequenten und glaubwürdigen Ausstiegs
aus der Nutzung der Atomenergie, die gesetzlichen Voraussetzungen zur Still-
legung aller Anlagen des Kernbrennstoffkreislaufs zu schaffen.

B. Lösung
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN.

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Kosten
Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Drucksache 18/10934 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/9676 abzulehnen.

Berlin, den 18. Januar 2017

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

Bärbel Höhn
Vorsitzende

Steffen Kanitz
Berichterstatter

Marco Bülow
Berichterstatter

Hubertus Zdebel
Berichterstatter

Sylvia Kotting-Uhl
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10934
Bericht der Abgeordneten Steffen Kanitz, Marco Bülow, Hubertus Zdebel und Sylvia
Kotting-Uhl

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 18/9676 wurde in der 209. Sitzung des Deutschen Bundestages am 15. Dezember
2016 zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und
zur Mitberatung an den Ausschuss für Wirtschaft und Energie sowie den Ausschuss für die Angelegenheiten der
Europäischen Union überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Der Antrag beinhaltet im Wesentlichen, dass der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auffordern soll,

1. einen sofortigen Exportstopp für die Brennelementelieferungen mit aktuellen Ausfuhrgenehmigungen der
ANF Lingen zu den belgischen Atomkraftwerken Doel und Tihange anzuordnen, da Ausfuhrgenehmigungen
für Brennelemente in diese AKW gemäß § 3 Absatz 3 Nummer 2 des Atomgesetzes nicht mehr erteilt werden
dürfen;

2. grundlegend keine Ausfuhrgenehmigungen in die deutsche Sicherheit gefährdende Risiko-AKW wie Doel und
Tihange in Belgien, Fessenheim und Cattenom in Frankreich oder Beznau und Leibstadt in der Schweiz zu
erteilen;

3. im Sinne der Vollendung eines konsequenten und glaubwürdigen Ausstiegs aus der Nutzung der Atomenergie,
die gesetzlichen Voraussetzungen zur Stilllegung aller Anlagen des Kernbrennstoffkreislaufs (außer den für
die inländische Entsorgung erforderlichen) zu schaffen. Dies gilt insbesondere für die Urananreicherungsan-
lage Urenco in Gronau und die Brennelementefabrik ANF in Lingen (vgl. auch Bundesratsdrucksachen 147/12
und 390/15).

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat in seiner 96. Sitzung am 30. November 2016 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache 18/9676 abzulehnen.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union hat in seiner 77. Sitzung am 18. Januar 2017
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache 18/9676 abzulehnen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat den Antrag auf Drucksache 18/9676 in
seiner 100. Sitzung am 18. Januar 2017 abschließend beraten.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN führte aus, der Antrag beziehe sich auf die in der Brennelemente-
fabrik Advanced Nuclear Fuels GmbH (ANF) in Lingen produzierten Brennelemente, die unter anderem in die
belgischen Atomkraftwerke (AKW) Doel und Tihange, in die französischen Atomkraftwerke Fessenheim und
Cattenom sowie die Schweizer Atomkraftwerke Beznau und Leibstadt geliefert worden seien. Sie seien die wich-
tigste Zutat für den Betrieb dieser Anlagen. Aktuell lägen Ausfuhrgenehmigungen für die Atomkraftwerke Doel
und Tihange in Belgien vor. Der Antrag stütze sich auf ein Gutachten, das für die Ärzteorganisiation IPPNW
erstellt worden sei und das zu dem Schluss komme, dass die Ausfuhrgenehmigungen für die Brennelementeliefe-
rungen in bestimmte, risikobehaftete AKW rechtswidrig seien. Dabei werde argumentiert, dass der Bund bzw. die

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Drucksache 18/10934 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bundesländer selbst die entsprechenden AKW als sicherheitsgefährdend einstuften und bereits deren Abschaltung
gefordert hätten. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert einen sofortigen Exportstopp für die Brenn-
elementelieferungen mit aktuellen Ausfuhrgenehmigungen der ANF Lingen zu den belgischen Atomkraftwerken.
Darüber hinaus sollen keine Ausfuhrgenehmigungen in die deutsche Sicherheit gefährdende AKW erteilt werden.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN argumentierte, es sei eine verkürzte Interpretation, dass die Sicherheit
Deutschlands nur durch eine missbräuchliche Nutzung von hier gefertigten Brennelementen bedroht werden
könne. Vielmehr sei dies auch durch die übliche Nutzung, wenn der Reaktor an der Grenze zu Deutschland stehe
und besonders unsicher sei, gegeben.

Die Fraktion der CDU/CSU erklärte, es sei ein erheblicher Vorwurf, dass Ausfuhrgenehmigungen für Brenn-
elemente – insbesondere nach Belgien – rechtswidrig seien. Die Fraktion schloss sich der Position an, dass Aus-
fuhrgenehmigungen nicht nur dann zu untersagen seien, wenn von einer missbräuchlichen Verwendung oder mi-
litärischen Nutzung auszugehen sei, sondern eine Ausfuhr aus europarechtlichen Gründen auch dann zu untersa-
gen sei, wenn von der Brennstofflieferung eine besonders qualifizierte Gefahr von Störfällen ausgehe. Die Frak-
tion der CDU/CSU gehe davon aus, dass von der Brennstofflieferung von Lingen nach Belgien keine solche
Gefahr zu befürchten sei, weil die Ausfuhrgenehmigung sonst hätte untersagt werden müssen.

Die Fraktion der SPD führte aus, der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sei nachvollziehbar,
weil die genannten Atomkraftwerke an der Grenze zu Deutschland Gefahrenquellen darstellten, was die Bundes-
regierung ebenfalls konstatiere. Diese komme zu dem Schluss, dass es nur in der Verantwortung der nationalen
atomrechtlichen Aufsichtsbehörden liege, festzustellen, ob eine Gefährdung von diesen Atomkraftwerken aus-
gehe. Bundesministerin Dr. Hendricks habe mit ihren belgischen Kollegen eine grenzübergreifende Arbeitsgruppe
zur nuklearen Sicherheit vereinbart. Es stelle sich die Frage, ob die Einschätzung zum Eintritt einer besonders
qualifizierten Gefahr von Störfällen durch deutsche Behörden ausreiche und ab welcher Stufe diese Gefahr ein-
trete, was einer grundsätzlichen Klärung bedürfe.

Die Fraktion DIE LINKE. stellte dar, dass aus ihrer Sicht deutsche Kernelementefabriken nicht dafür sorgen
dürften, dass störungsanfällige Atomkraftwerke im Grenzgebiet betrieben werden könnten. Ein solcher Atomaus-
stieg sei nicht glaubhaft und es müsse nun gehandelt werden. Als eine erste Maßnahme sei es wichtig, zumindest
die Exporte von Brennelementen zu unterbinden, die offenkundig besonders risikoreich seien. Deutschland brau-
che endlich eine Politik, die den Anspruch erhebe, den Atomausstieg auch in Europa voranzubringen. Atomkraft-
werke in Deutschland für gefährlich zu erklären und abzuschalten, aber gleichzeitig den Betrieb in den Anrainer-
staaten hilflos hinzunehmen oder teilweise indirekt über EURATOM zu fördern, sei ein gefährliches Spiel mit
dem atomaren Super-GAU. Den Bürgerinnen und Bürgern in den Grenzregionen sei sehr bewusst, dass radioak-
tive Wolken nicht an den Grenzen Halt machten. Insbesondere in der Region rund um Aachen nähmen die Sorgen
stetig zu.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit beschloss mit den Stimmen der Frakti-
onen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
zu empfehlen, den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 18/9676 abzulehnen.

Berlin, den 18. Januar 2017

Steffen Kanitz
Berichterstatter

Marco Bülow
Berichterstatter

Hubertus Zdebel
Berichterstatter

Sylvia Kotting-Uhl
Berichterstatterin

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