BT-Drucksache 18/10875

Umweltverschmutzung durch Mikroplastikfreisetzung aus Kosmetika und Waschmitteln beenden

Vom 18. Januar 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10875
18. Wahlperiode 18.01.2017
Antrag
der Abgeordneten Peter Meiwald, Nicole Maisch, Steffi Lemke, Annalena
Baerbock, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Christian Kühn
(Tübingen), Dr. Julia Verlinden, Harald Ebner, Matthias Gastel, Stephan Kühn
(Dresden), Friedrich Ostendorff, Markus Tressel, Dr. Valerie Wilms und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Umweltverschmutzung durch Mikroplastikfreisetzung aus Kosmetika und
Waschmitteln beenden

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Seit den 50er Jahren ist die weltweite Kunststoffproduktion massiv angestiegen. Damit
nahm auch die Menge an Plastikmüll im Meer kontinuierlich zu. Mit der Zeit zerfällt
der Müll in kleine Teilchen, sogenanntes Mikroplastik. Auch der Abrieb von Autorei-
fen und aus Fleecejacken ausgewaschene Kunstfasern landen im Meer.
Mikroplastik entsteht aber nicht nur als Abfallprodukt, sondern wird in Kosmetika,
Wasch- und Reinigungsmitteln auch gezielt eingesetzt. Von Kläranlagen in der Regel
nicht herausgefiltert, gelangt Mikroplastik über das Abwasser in die Umwelt.
Immer mehr Studien belegen, dass Mikroplastik das Ökosystem Meer gefährdet. Die
Aufnahme von Mikroplastik durch die Tierwelt ist mittlerweile in vielen Studien un-
tersucht. Selbst in den Mägen von Speisefischen und pflanzenfressenden Muscheln
wurden hohe Mengen von Mikroplastik gefunden (www.awi.de/nc/ueber-uns/ser-
vice/presse/pressemeldung/mikroplastikpartikel-in-speisefischen-und-pflanzenfres-
sern.html). Zudem zieht Mikroplastik Schadstoffe wie ein Magnet an. Analysen von
Mikroplastik im Sediment der Nord- und Ostsee zeigen, dass die Teilchen deutlich
mehr Giftstoffe binden als bisher angenommen (www.haw-hamburg.de/news-online-
journal/newsdetails/artikel/schadstoffbelastung-durch-plastik-giftcocktails-im-sedi-
ment-hoeher-als-erwartet.html).
Im Oktober 2013 hat die Bundesregierung im „Kosmetikdialog“ mit Herstellern ver-
einbart, dass diese freiwillig aus der Verwendung von Mikroplastik in Körperpflege-
produkten aussteigen (http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/071/1807181.pdf). Eine
Vertreterin des Industrieverbands Kosmetik und Waschmittel (IKW) gab bei einem
Fachgespräch der grünen Bundestagfraktion im Frühjahr 2014 an, dass die Mitglieds-
unternehmen voraussichtlich bis 2015/2016 aus der Verwendung von Mikroplastik
aussteigen (www.gruene-bundestag.de/?id=4391780). Laut Eigenaussage decken die
vom IKW vertretenen Firmen 95 % des Marktes in Deutschland ab.

https://www.awi.de/nc/ueber-uns/service/presse/pressemeldung/mikroplastikpartikel-in-speisefischen-und-pflanzenfressern.html
https://www.awi.de/nc/ueber-uns/service/presse/pressemeldung/mikroplastikpartikel-in-speisefischen-und-pflanzenfressern.html
https://www.awi.de/nc/ueber-uns/service/presse/pressemeldung/mikroplastikpartikel-in-speisefischen-und-pflanzenfressern.html
https://www.haw-hamburg.de/news-online-journal/newsdetails/artikel/schadstoffbelastung-durch-plastik-giftcocktails-im-sediment-hoeher-als-erwartet.html
https://www.haw-hamburg.de/news-online-journal/newsdetails/artikel/schadstoffbelastung-durch-plastik-giftcocktails-im-sediment-hoeher-als-erwartet.html
https://www.haw-hamburg.de/news-online-journal/newsdetails/artikel/schadstoffbelastung-durch-plastik-giftcocktails-im-sediment-hoeher-als-erwartet.html
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/071/1807181.pdf
https://www.gruene-bundestag.de/?id=4391780
Drucksache 18/10875 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Einer aktuellen Studie des Verbraucherportals Codecheck in Kooperation mit dem
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) e.V. zufolge findet Mikro-
plastik trotz dieser Ankündigungen nach wie vor breite Anwendung in Körperpflege-
produkten (http://corporate.codecheck.info/wp-content/uploads/2016/10/Code-
check_Mikroplastikstudie_2016.pdf). Im Vergleich der Jahre 2014 und 2016 sei die
Anzahl der Produkte, die Mikroplastik enthalten, sogar gestiegen. Laut Studie enthält
nach wie vor jedes dritte untersuchte Gesichtspeeling und mehr als jedes zehnte Kör-
perpeeling Polyethylen. Aber auch andere Kunststoffe, wie Nylon-12, Acrylates Co-
polymer oder Acrylate Crosspolymer würden verwendet.
Bisher hat die freiwillige Selbstverpflichtung der Hersteller also nicht zu der notwen-
digen und angekündigten Beendigung der Verwendung von Mikroplastik in Kosme-
tika geführt.
Laut Greenpeace Deutschland liegt dies daran, dass die Hersteller selbst festlegen, auf
welche Produktgruppen sich der freiwillige Verzicht bezieht, welche Arten von Mik-
roplastik er einschließt und in welchem Zeitrahmen er vollzogen sein soll. Greenpeace
hat die Selbstverpflichtungen der 30 umsatzstärksten Kosmetikhersteller im Sommer
2016 hinsichtlich Qualität und Fortschritt bewertet (www.greenpeace.de/themen/end-
lager-umwelt/plastik/umweltproblem-aus-der-tube). Insbesondere machen die Kos-
metikhersteller einen Unterschied zwischen flüssigem und festem Mikroplastik. So
bezieht sich die Ausstiegsempfehlung des europäischen Dachverbands Cosmetics Eu-
rope nur auf feste Kunststoffpartikel, die in abzuspülenden kosmetischen Produkten
aufgrund ihres Reinigungs- und Peelingeffekts eingesetzt werden
(www.ikw.org/schoenheitspflege/themen/wissenswertes/deutliche-reduktion-von-fes-
ten-kunststoffpartikeln-in-kosmetika/b221ece3e9a0a43cda0a8cbbad477e44/).
Gegenüber dem ZDF-Magazin „WISO“ erklärte ein Sprecher des Bundesumweltmi-
nisteriums im Oktober 2016, mit der Industrie sei ein freiwilliger Ausstieg bis 2020
vereinbart worden. Sollte der Ausstieg bis 2020 nicht vollzogen sein, müssten andere
Maßnahmen überlegt werden (https://presseportal.zdf.de/pressemitteilungen/mittei-
lung/zdf-magazin-wiso-bundesumweltministerium-lehnt-verbot-von-mikroplastik-in-
kosmetika-ab/seite/1/). Laut Meeresstrategierahmenrichtlinie muss allerdings bereits
bis 2020 ein guter Umweltzustand erreicht sein. Wenn der Ausstieg weiter verschleppt
wird, ist dies nicht realistisch.
Eine Studie im Auftrag der EU-Kommission schätzt, dass sich der Eintrag von primä-
rem Mikroplastik in Europa bis 2020 dank freiwilliger Selbstverpflichtungen halbiert
haben könnte, v. a. dank des Ausstiegs vieler Hersteller aus der Verwendung von Mik-
roplastik in Zahnpasta und Körperpflegeprodukten, die ausgespült werden und nicht
auf der Haut verbleiben. An der Nutzung von Mikroplastik in anderen Produktgrup-
pen, wie dekorativer Kosmetik, Shampoo oder Deodorants, werde sich allerdings
wahrscheinlich nichts ändern, so dass 2020 europaweit schätzungsweise immer noch
rund 4.500 Tonnen pro Jahr in Körperpflegeprodukten eingesetzt würden
(http://ec.europa.eu/environment/marine/good-environmental-status/descriptor-
10/pdf/MSFD%20Measures%20to%20Combat%20Marine%20Litter.pdf).
Die Studie kommt außerdem zu dem Schluss, dass die Ökodesign-Richtlinie Möglich-
keiten für die Regulierung von Mikroplastik aus Kosmetika bietet. Dazu müsse sich
ein Mitgliedsland dafür einsetzen, dass die zukünftige Vermeidung der Mikroplastik-
freisetzung aufgenommen und somit das Arbeitsprogramm auf weitere Produkte, die
nichts mit Energieeffizienz zu tun haben, ausgeweitet wird.
Primäres Mikroplastik wird auch in weiteren Alltagsprodukten eingesetzt, wie Wasch-
und Reinigungsmitteln. So zeichnete die Bundesumweltministerin im Oktober 2016
ein Waschmittel mit dem Blauen Engel aus, weil es kein Mikroplastik enthält
(www.bmub.bund.de/presse/pressemitteilungen/pm/artikel/blauer-engel-fuer-langle-
biges-smartphone-und-waschmittel-ohne-mikroplastik/).
http://corporate.codecheck.info/wp-content/uploads/2016/10/Codecheck_Mikroplastikstudie_2016.pdf
http://corporate.codecheck.info/wp-content/uploads/2016/10/Codecheck_Mikroplastikstudie_2016.pdf
http://www.greenpeace.de/themen/endlager-umwelt/plastik/umweltproblem-aus-der-tube
http://www.greenpeace.de/themen/endlager-umwelt/plastik/umweltproblem-aus-der-tube
http://www.ikw.org/schoenheitspflege/themen/wissenswertes/deutliche-reduktion-von-festen-kunststoffpartikeln-in-kosmetika/b221ece3e9a0a43cda0a8cbbad477e44/
http://www.ikw.org/schoenheitspflege/themen/wissenswertes/deutliche-reduktion-von-festen-kunststoffpartikeln-in-kosmetika/b221ece3e9a0a43cda0a8cbbad477e44/
https://presseportal.zdf.de/pressemitteilungen/mitteilung/zdf-magazin-wiso-bundesumweltministerium-lehnt-verbot-von-mikroplastik-in-kosmetika-ab/seite/1/
https://presseportal.zdf.de/pressemitteilungen/mitteilung/zdf-magazin-wiso-bundesumweltministerium-lehnt-verbot-von-mikroplastik-in-kosmetika-ab/seite/1/
https://presseportal.zdf.de/pressemitteilungen/mitteilung/zdf-magazin-wiso-bundesumweltministerium-lehnt-verbot-von-mikroplastik-in-kosmetika-ab/seite/1/
http://www.bmub.bund.de/presse/pressemitteilungen/pm/artikel/blauer-engel-fuer-langlebiges-smartphone-und-waschmittel-ohne-mikroplastik/
http://www.bmub.bund.de/presse/pressemitteilungen/pm/artikel/blauer-engel-fuer-langlebiges-smartphone-und-waschmittel-ohne-mikroplastik/
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10875
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– einen Gesetzentwurf vorzulegen, um Mikroplastik (definiert als synthetische Po-
lymere < 5mm) unverzüglich aus Kosmetika, Körperpflege-, Reinigungs- und
Waschmitteln zu verbannen;

– sich auf europäischer Ebene für die Ausweitung des Arbeitsprogramms der Öko-
design-Richtlinie über die Energieeffizienz hinaus einzusetzen und um die Ver-
meidung der Mikroplastikfreisetzung zu erweitern;

– die Aufnahme von Mikroplastik in die Abwasserverordnung als Voraussetzung
zur Erfüllung der Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie und der Meeresstrategie-
Rahmenrichtlinie zu prüfen.

Berlin, den 17. Januar 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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