BT-Drucksache 18/10863

US- und NATO-Stützpunkt Ramstein unverzüglich schließen

Vom 17. Januar 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10863
18. Wahlperiode 17.01.2017
Antrag
der Abgeordneten Dr. Alexander S. Neu, Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke,
Jan van Aken, Christine Buchholz, Sevim Dağdelen, Dr. Diether Dehm,
Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger, Katrin Kunert, Stefan Liebich,
Niema Movassat, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

US- und NATO-Stützpunkt Ramstein unverzüglich schließen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Die Bundesregierung hat nach zweieinhalb Jahren endlich eingeräumt, dass US-
Kampfdrohnen, mit denen sogenannte „Gezielte Tötungen“ exekutiert werden,
auch über den in Rheinland-Pfalz gelegenen Militärstützpunkt Ramstein geführt
werden. In der Fragestunde des Bundestages am 30. November 2016 legte der
Staatsminister im Auswärtigen Amt dar, die US-Regierung habe nach Übersen-
dung eines Fragenkatalogs von April 2014 erst im August 2016 mitgeteilt, dass
„die globalen Kommunikationswege der USA zur Unterstützung unbemannter
Luftfahrzeuge Fernmeldepräsenzpunkte auch in Deutschland einschlössen, von
denen aus die Signale weitergeleitet würden. Einsätze unbemannter Luftfahr-
zeuge würden von verschiedenen Standorten aus geflogen, unter Nutzung diver-
ser Fernmelderelaisschaltungen, von denen einige auch in Ramstein laufen wür-
den. Außerdem teilte sie mit, dass im Jahr 2015 in Ramstein eine Vorrichtung zur
Verbesserung der bereits zuvor vorhandenen Fernmeldeausstattung fertiggestellt
worden sei, und sie hat uns darüber informiert, dass Ramstein eine Reihe weiterer
Aufgaben unterstütze, darunter die Planung, Überwachung, Auswertung von zu-
gewiesenen Luftoperationen“ (Plenarprotokoll 18/205, S. 20452 f.).
Wie also bereits 2013 von Medienvertreterinnen und -vertretern öffentlich ge-
macht, von Parlamentarierinnen und Parlamentariern, der Friedensbewegung und
z. B. der Kampagne „Stopp Ramstein“ immer wieder thematisiert und von einem
ehemaligen US-Drohnenpiloten unter anderem als Zeuge im NSA-Untersu-
chungsausschuss des Bundestages ausführlich geschildert wurde
(http://gleft.de/1xq), nutzt die US-Armee eine auf dem Stützpunkt Ramstein er-
richtete Satelliten-Relaisstation, über die alle für den Drohneneinsatz notwendi-
gen Signale übermittelt werden. Die Station erhält die Steuerbefehle über ein in-
terkontinentales Glasfaserkabel und kommuniziert sie an einen Satelliten in das
Einsatzgebiet der Drohne. Die Einbindung von Ramstein ist geographisch für die
Steuerung von Kampfdrohnen in den Einsatzgebieten unerlässlich, weil aufgrund
der Erdkrümmung eine Übermittlung von Satellitensignalen direkt aus den USA
in die Zielgebiete in Afrika, im Nahen und Mittleren Osten, Afghanistan, Pakistan

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unmöglich ist. Drohnenpilotinnen und -piloten loggen sich daher vor jedem Ein-
satz im Air and Space Operations Center in Ramstein ein. Zudem sitzen in
Ramstein AnalystInnen, die die Zielauswahl für Drohnenangriffe in den Einsatz-
gebieten unterstützen.

2. Im vorrangig von der US-Regierung proklamierten „Krieg gegen den Terror“ ha-
ben Kampfdrohneneinsätze, mit denen die sogenannten „Gezielten Tötungen“
exekutiert werden, in den letzten 15 Jahren immer stärkere Verbreitung gefunden.
Angegriffen werden nicht nur militärisch ausgerüstete Gegner in Gefechtsszena-
rien, sondern auch Personen, die als Anführer von Aufstandsbewegungen oder
Terrorgruppen bezeichnet werden. Die Zielpersonen landen auf justiziell nicht
überprüfbaren Todeslisten oder werden aufgrund „verdächtiger“ Verhaltensmus-
ter ausgewählt und angegriffen. Regierungen, Militärs und Geheimdienste ent-
scheiden in unüberprüfbaren Verfahren über die Verhängung und den Vollzug
dieser „Todesstrafe“ an Verdächtigen. Diese Drohnenangriffe treffen statt oder
neben den anvisierten Zielpersonen eine große Anzahl von Zivilistinnen und Zi-
vilisten, die getötet und verletzt werden.
Die geübte Praxis des US-Drohnenkriegs verstößt gegen das Völkerrecht. Essen-
tiell für die „Gezielten Tötungen“ ist die Weiterleitung der Steuersignale über die
Relaisstation in Ramstein.
Die Nutzung des Territoriums der Bundesrepublik Deutschland durch Truppen
anderer NATO-Staaten setzt voraus, dass diese Truppen sich im Rahmen des gel-
tenden Rechts bewegen. Das stellte der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwal-
tungsgerichts (2 WD 12.04) schon im Jahr 2005 fest. Die allgemeinen Regeln des
Völkerrechts sind über Artikel 25 des Grundgesetzes Bestandteil des deutschen
Rechts. Die Völkerrechtswidrigkeit des US-Drohnenkriegs bedeutet damit zu-
gleich eine rechtswidrige Nutzung des Stützpunktes Ramstein. Die Bundesregie-
rung ist befugt, aber auch verpflichtet, zu kontrollieren, ob die US-Kräfte in
Ramstein im Rahmen des Rechts agieren. Sie muss alles unternehmen, um zu
verhindern, dass vom Territorium der Bundesrepublik Deutschland aus rechts-
widrige Militäreinsätze unterstützt werden.
Dies wird durch eine Entschließung des Europäischen Parlaments zum Einsatz
von bewaffneten Drohnen (2014/2567(RSP)) vom 25. Februar 2014 bekräftigt,
in der die EU-Mitgliedstaaten aufgefordert werden, sie mögen „keine rechtswid-
rigen gezielten Tötungen verüben oder solche Tötungen durch andere Staaten be-
günstigen“. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates hat zudem ge-
fordert, dass Mitgliedstaaten, die US-Drohnenangriffe durch Kooperation bei der
Transmission auf ihrem Territorium ermöglichen, die Angriffe untersuchen müs-
sen, um die Einhaltung ihrer Verpflichtungen zu garantieren (Resolution 2051
(2015), „Drones and targeted killings: the need to uphold human rights and inter-
national law“, Nummer 8.3).
Die Bundesregierung hat bislang nicht reagiert. Das Auswärtige Amt erklärt
zwar, es gelte „weiterhin die Zusicherung der Vereinigten Staaten, dass Aktivitä-
ten in US-Militärliegenschaften in Deutschland im Einklang mit dem geltenden
Recht erfolgen“. Die Nutzung der Air Base Ramstein für den US-Drohnenkrieg
sei „kein völkerrechtswidriger Vorgang“. Die Bewertung von Einsätzen der
Drohnen sei „immer von den Umständen des Einzelfalls abhängig“ (Plenarproto-
koll 18/205, S. 20453 f.). Diese Darstellung wird jedoch durch einschlägige Ab-
handlungen, darunter auch Gutachten des Deutschen Bundestages, entkräftet
(Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, Sachstand WD 2 – 3000 – 034/14,
„Ausübung militärischer Gewalt durch ausländische Staaten von Militärbasen in
Deutschland“):
„Unstreitig ist dagegen, dass Deutschland völkerrechtswidrige Militäroperatio-
nen (oder gar Kriegsverbrechen), die durch ausländische Staaten von deutschem

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10863

Territorium aus durchgeführt werden, nicht dulden darf. Die völkerrechtswidrige
„Exekution“ eines Terrorverdächtigen durch Kampfdrohnen außerhalb eines be-
waffneten Konflikts kann daher, wenn die Bundesregierung davon weiß und nicht
dagegen protestiert, eine Beteiligung an einem völkerrechtlichen Delikt darstel-
len.“

3. Der US- und NATO-Stützpunkt Ramstein Air Base in Rheinland-Pfalz diente
schon lange zuvor als das militärische Luft- und Drehkreuz der USA und der
NATO zur konventionellen Kriegführung in Europa, Afrika, dem Nahen und
Mittleren Osten. In den letzten Jahren ist die Bedeutung des Militärstandortes
Ramstein kontinuierlich gewachsen. Neben seiner Funktion als Drehkreuz für den
Drohnenkrieg dient Ramstein auch als Einsatzzentrale der in Deutschland statio-
nierten Atomwaffen sowie als Führungs-, Kommando- und Kontrollstützpunkt
für das NATO-Raketenabwehrsystem. Dieses Raketenabwehrsystem ist friedens-
gefährdend. Es zielt unter anderem darauf ab, die sogenannte nukleare Zweit-
schlagskapazität Russlands zu neutralisieren, also die Möglichkeit, auf einen nuk-
learen Angriff eines NATO-Staates mit einem Gegenschlag zu reagieren. Damit
bringt das Raketenabwehrsystem das nukleare Gleichgewicht und das Abschre-
ckungspotential zwischen der NATO und der Russischen Föderation zum Vorteil
der NATO ins Wanken und erhöht die Kriegsgefahr.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. unter Bezugnahme auf die rechts- und vertragswidrige Nutzung der Ramstein Air
Base seitens der USA die Stationierungsabkommen mit den USA und der NATO
für die Air Base Ramstein unverzüglich aufzukündigen;

2. die US-Regierung und die übrigen NATO-Mitgliedstaaten aufzufordern, sämtli-
che militärischen Operationen (Planung, Ausführung, Bewertung etc.), die über
die Ramstein Air Base laufen, derart vollumfänglich zu beenden, dass bereits im
Zeitraum der Kündigungsfristen keinerlei operative Maßnahmen mehr über die
Air Base ausgeführt werden;

3. die Forderung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates umzusetzen
und die US-Drohnenangriffe selbst hinsichtlich der vorgeworfenen Rechtsbrüche
zu untersuchen und entsprechende Ermittlungen zu eröffnen (Resolution 2051
(2015), „Drones and targeted killings: the need to uphold human rights and inter-
national law“);

4. alle Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die auf der Ramstein Air Base,
gleich in welcher Verwendung, dienen, unverzüglich und ersatzlos aus dem Stütz-
punkt abzuziehen;

5. die Liegenschaft des Militärstützpunktes in ein Konversionsprogramm zu über-
führen, indem die Bundesregierung gemeinsam mit dem Land Rheinland-Pfalz
und der ansässigen Zivilbevölkerung ein umfassendes Konversionsprogramm
entwickelt.

Berlin, den 17. Januar 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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Begründung

Nach dem Grundgesetz dürfen deutsche Hoheitsträger auf oder über deutschem Hoheitsgebiet keine völkerrechts-
widrigen Handlungen vornehmen bzw. Zustände dulden. Angesichts dessen dürfen sie deshalb z. B. auch keine
Überflugrechte gewähren oder Signalweiterleitungen dulden, wenn diese etwa von ausländischen Streitkräften
im Rahmen völkerrechtswidriger Militäraktionen in Anspruch genommen werden sollen.
Die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geht dabei davon aus, dass z. B. „die Zuständigkeits-
und Verfahrensvorschriften betreffend die Nutzung deutschen Luftraums geeignet (sind), eine bestimmende Mit-
wirkung aller deutschen Behörden an völkerrechtswidrigen Handlungen effektiv zu verhindern“ (BVerwG, Urteil
v. 24.07.2008 – BVerwG 4 A 3001.07 – juris, Rn. 84, 87 – zum militärischen Nachtflugbetrieb auf dem Flughafen
Leipzig/Halle –; BVerwG, Beschluss v. 20.01.2009 – BVerwG 4 B 45.08 – US Flughafen Ramstein).

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