BT-Drucksache 18/10858

zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer, Kai Gehring, Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/8259 - Im Jahr 2016 die Berufsbildung fit für die Zukunft machen

Vom 17. Januar 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10858
18. Wahlperiode 17.01.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
(18. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer, Kai Gehring,
Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/8259 –

Im Jahr 2016 die Berufsbildung fit für die Zukunft machen

A. Problem
Der Berufsbildungsbericht vermittelt auf den ersten Blick vor dem Hintergrund
der günstigen konjunkturellen Lage und der demographischen Entwicklung einen
soliden Eindruck des deutschen Ausbildungsmarktes. 100 Ausbildungsplatzsu-
chenden stehen fast 104 Angebote an Ausbildungsplätzen gegenüber. Allerdings
gibt es eine „Passungsproblematik“, da Berufswünsche, Ausbildungsplatzange-
bote und Anforderungen der Betriebe immer seltener zusammenpassen. Zentrale
Ziele der Allianz für Aus- und Weiterbildung sind nicht erreicht worden. Statt der
avisierten 20 000 zusätzlichen Ausbildungsplätze sind nur 7 300 von Seiten der
Wirtschaft zur Verfügung gestellt worden. Insgesamt 271 000 junge Menschen
befinden sich in Übergangsmaßnahmen und 185 000 im Altbewerberstatus. Im
Ausbildungsjahr 2015/2016 sind 41 000 Ausbildungsstellen unbesetzt geblieben,
und fast 25 Prozent der Auszubildenden brachen ihre Ausbildung vorzeitig ab. Im
Ergebnis stagniert seit dem Bildungsgipfel 2008 der Anteil von jungen Erwach-
senen ohne Berufsausbildung bei 13 Prozent.

Darüber hinaus zeigt der Berufsbildungsbericht, dass junge Menschen mit Migra-
tionshintergrund in Deutschland strukturell schlechtere Chancen auf einen Aus-
bildungsplatz haben.

B. Lösung
Die Bundesregierung soll aufgefordert werden,

1. dem Deutschen Bundestag bis zum 30.06.2016 ein Konzept und die haushal-
terisch hinterlegten Instrumente vorzulegen, um die im Berufsbildungsbe-
richt 2016 genannten zentralen Herausforderungen zur Zukunftsfähigkeit

Drucksache 18/10858 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

des dualen Systems schon im Ausbildungsjahr 2016/2017 angehen zu kön-
nen,

2. eine umfassende Ausbildungsgarantie unverzüglich umzusetzen, damit allen
jungen Menschen unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus der di-
rekte Zugang zu einer Berufsausbildung mit anerkanntem Abschluss und da-
mit der Weg in ein selbstbestimmtes Leben offensteht.

Hierfür legt die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen umfangreichen
Maßnahmenkatalog vor.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.

C. Alternativen
Annahme des Antrags auf Drucksache 18/8259.

D. Kosten
Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10858
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/8259 abzulehnen.

Berlin, den 28. September 2016

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Patricia Lips
Vorsitzende

Dr. Thomas Feist
Berichterstatter

Rainer Spiering
Berichterstatter

Dr. Rosemarie Hein
Berichterstatterin

Özcan Mutlu
Berichterstatter

Drucksache 18/10858 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Dr. Thomas Feist, Rainer Spiering, Dr. Rosemarie Hein
und Özcan Mutlu

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 18/8259 in seiner 176. Sitzung am 9. Juni 2016 beraten
und dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur federführenden Beratung und
dem Innenausschuss, dem Haushaltsausschuss, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales, dem Ausschuss für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend sowie dem Ausschuss Digitale Agenda zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärt, dass der Berufsbildungsbericht auf den ersten Blick vor dem
Hintergrund der günstigen konjunkturellen Lage und der demographischen Entwicklung einen soliden Eindruck
des deutschen Ausbildungsmarktes vermittle. 100 Ausbildungsplatzsuchenden stünden fast 104 Angebote an Aus-
bildungsplätzen gegenüber. Allerdings gebe es eine „Passungsproblematik“, da Berufswünsche, Ausbildungs-
platzangebote und Anforderungen der Betriebe immer seltener zusammenpassten. Zentrale Ziele der Allianz für
Aus- und Weiterbildung seien nicht erreicht worden. Statt der avisierten 20 000 zusätzlichen Ausbildungsplätze
seien nur 7 300 von Seiten der Wirtschaft zur Verfügung gestellt worden. Insgesamt 271 000 junge Menschen
befänden sich in Übergangsmaßnahmen und 185 000 im Altbewerberstatus. Im Ausbildungsjahr 2015/2016 seien
41 000 Ausbildungsstellen unbesetzt geblieben, und fast 25 Prozent der Auszubildenden hätten ihre Ausbildung
vorzeitig abgebrochen. Im Ergebnis stagniert seit dem Bildungsgipfel 2008 der Anteil von jungen Erwachsenen
ohne Berufsausbildung bei 13 Prozent.

Vor dem Hintergrund soll der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auffordern,

1. dem Deutschen Bundestag bis zum 30.6.2016 ein Konzept und die haushalterisch hinterlegten Instrumente
vorzulegen, um die im Berufsbildungsbericht 2016 genannten zentralen Herausforderungen zur Zukunftsfä-
higkeit des dualen Systems schon im Ausbildungsjahr 2016/2017 angehen zu können,

2. eine umfassende Ausbildungsgarantie unverzüglich umzusetzen, damit allen jungen Menschen unabhängig
von Herkunft und Aufenthaltsstatus der direkte Zugang zu einer Berufsausbildung mit anerkanntem Ab-
schluss und damit der Weg in ein selbstbestimmtes Leben offensteht.

Dazu legt die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen umfangreichen Maßnahmenkatalog vor.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der mitberatende Innenausschuss, der Haushaltsausschuss, der Ausschuss für Arbeit und Soziales, der Aus-
schuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie der Ausschuss Digitale Agenda haben jeweils in ihren
Sitzungen am 28. September 2016 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. empfohlen, den An-
trag auf Drucksache 18/8259 abzulehnen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat den Antrag auf Drucksache
18/8259 in seiner 75. Sitzung am 28. September 2016 in Verbindung mit der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung „Berufsbildungsbericht 2016“, Bundestagsdrucksache 18/8300, beraten und empfiehlt:

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/10858
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärt, dass der Berufsbildungsbericht 2016 zunächst einen guten
Eindruck über die derzeitige Ausbildungssituation vermittle. Die günstige konjunkturelle Lage und die demografi-
sche Entwicklung seien mit Ursachen dafür, dass viele Jugendliche trotz schlechter persönlicher Ausgangslage
einen Ausbildungsplatz gefunden hätten. Sie kritisiet jedoch, dass trotz der positiven Entwicklungen zum Beispiel
die Ziele der Allianz für Aus- und Weiterbildung nicht erreicht worden seien. Nur noch 20 Prozent der Betriebe
bildeten aus, das Ziel der Allianz, 20 000 zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen, sei deutlich mit nur 7 300
Plätzen verfehlt worden. Circa 270 000 Jugendliche befänden sich in Übergangsmaßnahmen, die keine Sicherheit
böten, zu einem vollqualifizierenden Berufsabschluss zu führen.

Die Antragsteller weisen auf „regionale Disparitäten“ hin, da trotz einer großen Zahl von Ausbildungsplatzsu-
chenden 41 000 Stellen unbesetzt geblieben seien. Dies zeige, dass es der Bundesregierung bisher nicht gelungen
sei, die Strukturen für ein passgenaues Zusammenfinden von Betrieben und Ausbildungsplatzsuchenden zu schaf-
fen. Es sei auch eine Ressourcenverschwendung und „bildungspolitisch skandalös“, wenn Jugendliche mit Mig-
rationshintergrund strukturbedingt schlechtere Chancen bei der Aufnahme eines Ausbildungsplatzes hätten.

Die Fraktion vermisse das klare Bekenntnis der Bundesregierung zur Integration, und sie kritisiert, dass mit dem
Integrationsgesetz von 2016 die Chance nicht ergriffen worden sei, einen besseren Zugang zur beruflichen Bil-
dung zu ermöglichen und das enorme Integrationspotenzial der dualen Ausbildung zu nutzen. Die Bundesregie-
rung habe auch die notwendige Reform des Berufsbildungsgesetzes immer wieder verschoben.

Sie fordere daher die Bundesregierung auf, ein umfassendes Konzept und die Instrumente des Haushalts 2017
vorzulegen, um die Weichen für die Zukunftsfähigkeit des dualen Systems bereits im Ausbildungsjahr 2016/2017
stärken zu können. Elemente seien die Lösung des Passungsproblems von ausbildungsplatzsuchenden Jugendli-
chen und anbietenden Betrieben, die Steigerung der Ausbildungsbeteiligung kleiner und mittlerer Betriebe, die
Aufnahme einer Digitalisierungsstrategie, die Verbesserung der Integrationsangebote für junge Flüchtlinge und
die Verbesserung der Anerkennungsverfahren.

Die Fraktion habe bereits im Mai 2015 ein umfassendes Konzept für eine Ausbildungsplatzgarantie vorgelegt.
Damit solle durch eine Strukturreform des Übergangssystems allen ausbildungsinteressierten Jugendlichen unab-
hängig vom Aufenthaltsstatus und der Bleibeperspektive die Chance für einen Berufsabschluss eröffnet werden.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schließt ihre Berichterstattung mit dem Hinweis, dass mit einer „ech-
ten“ Strukturreform der Bundesregierung eine Ausbildungsplatzgarantie gewährleistet werden könne, von der
sich die Bundesregierung aber offensichtlich mit der Allianz für Aus- und Weiterbildung verabschiedet habe.

Die Fraktion der CDU/CSU erwidert auf die Kritik der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN am Integrati-
onsgesetz, dass die Bundesregierung die Voraussetzungen geschaffen habe, dass Unternehmen, die bereit seien,
Flüchtlinge auszubilden, Rechtsicherheit bekämen.

Vor dem Hintergrund, dass insbesondere kleine und mittlere Unternehmen nicht ausbildeten, sollte das Angebot
überbetrieblicher Ausbildungsstätten und Kompetenzzentren nicht noch weiter ausgedünnt werden. Es sei für
Betriebe und Auszubildende nur schwer zumutbar, weit entfernte Ausbildungsstätten zu nutzen. Die Fraktion der
CDU/CSU sei Willens, entsprechend der Bundeszuständigkeit tätig zu werden, ohne in die Gefahr zu geraten,
dass sich die Länder mit Programmforderungen an den Bund wendeten, die er nicht erfüllen könne.

Ein Grund, warum viele kleine und Kleinstbetriebe nicht mehr ausbildeten, sei, dass eine Reihe von Berufen aus
der Meisterpflicht entlassen worden sei. Dies habe zum Beispiel beim Beruf des Fliesenlegers dazu geführt, dass
sich die Zahl der Betriebe versechsfacht, aber die Zahl der Ausbildungsbetriebe halbiert habe. Die Zahl derjeni-
gen, die an einer Aufstiegsfortbildung teilnähmen oder teilgenommen hätten, sei um ca. 80 Prozent zurückgegan-
gen.

Da junge Menschen mit einem Migrationshintergrund einen schlechteren Zugang zu einer Berufsausbildung hät-
ten, sei das Netz der KAUSA-Beratungsstellen verdoppelt worden. Man verweise auf eine Einrichtung in Leipzig,

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wo Beratung aus einer Hand von Menschen mit interkulturellen Kompetenzen angeboten werde. Diese sei bei der
Bundesagentur für Arbeit nicht immer vorhanden.

Zur Kritik der Fraktion DIE LINKE. an der Vielfalt von Förderprogrammen erklärt die Fraktion der CDU/CSU,
dass diese der Systematik der Bildungsketten entsprächen und nicht nur regional ausgerichtet sein dürften, son-
dern auch einen Mehrwert für die Bundesebene haben müssten. Die Fraktion der CDU/CSU wolle die duale Be-
rufsausbildung weiter stärken und damit die Chancen der qualifizierten Teilhabe von schlecht qualifizierten jun-
gen Menschen am Arbeitsmarkt verbessern. Mit der Assistierten Ausbildung sei Betrieben ein Instrument zur
Förderung von Menschen mit schlechteren Startchancen, insbesondere auch junger Flüchtlinge, an die Hand ge-
geben worden.

Die Fraktion führt weiter aus, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine Reform des Berufsbildungs-
gesetzes gefordert habe, ohne allerdings konkrete Vorschläge vorzulegen. Von Seiten des BMBF gebe es Vor-
schläge und auch von der SPD-Fraktion. Diese halte man jedoch für teilweise überholt und auch sachfremd. Die
Koalitionsfraktionen hätten sich im Übrigen im Koalitionsvertrag auf eine Evaluation festgelegt und diese auch
durchgeführt. Vor diesem Hintergrund sehe sie keinen zeitlichen Druck, auch wenn die Förderung der Berufsbil-
dung und beruflichen Weiterbildung weiterhin auf der Agenda stehe. Dem Vorschlag des Angebots eines Bücher-
geldes könne die Fraktion sich anschließen, aber eines kostenfreien Meisterstudiums nur insofern, dass dafür
ausreichende finanzielle Mittel vorhanden seien. Positiv anzumerken sei, dass die Zahl derjenigen, die sich be-
rufsbegleitend weiterbildeten, bei 50 Prozent liege. Mit der Gesetzesnovellierung der beruflichen Weiterbildung
seien diesbezüglich auch größere Anreize gesetzt worden.

Zu Fragen der überbetrieblichen Ausbildungsstätten und Übergangsmaßnahmen sei man mit den Trägern im Ge-
spräch. Es gehe um eine betriebsnähere Ausbildung, die auch die Chancen der Teilnehmenden real verbessere. In
diesem Zusammenhang wolle man auch auf die Gefahr hinweisen, dass die „Billigheimer“ auf dem Markt „gutes
Geld“ verdienen wollten, während die Kammern mit qualifizierten Maßnahmen und Ausbildern im Vergleich
dazu als zu teuer erschienen. Daher habe das BMBF auch ein spezielles Programm für das Handwerk angeboten.
Es werde vorgeschlagen, gemeinsam mit dem BMAS eine „Beruflichkeitsklausel“ für Übergangsmaßnahmen
vorzusehen, die die notwendige Qualität im Hinblick auf den Start in eine reale Berufsausbildung gewährleiste.

Die Fraktion DIE LINKE. eröffnet ihre Berichterstattung mit einem Lob des Berufsbildungsberichtes. Er habe
nahezu alle Themen und Probleme in der Berufsbildung sehr solide analysiert. Sorge bereite ihr allerdings, dass
sich die Befunde kaum verbessert hätten und bei allen Parametern unter 1 Prozent lägen. Die neu abgeschlossenen
Ausbildungsverträge lägen mit 522 000 auf dem niedrigen Niveau des Vorjahres, und die Quote der Ausbildungs-
betriebe sei leicht gesunken. Einen Aufwuchs habe es nur bei den unbesetzten Ausbildungsstellen gegeben. Sie
vermute, dass die Unternehmen bisher wenig zur Verbesserung der Situation beigetragen hätten, da sie in der
Vergangenheit auf eine genügende Zahl von aussichtsreichen Auszubildenden hätten zurückgreifen können. An-
dererseits habe es auch 80 000 unvermittelte Bewerberinnen und Bewerber gegeben; 60 000 davon wären im
sogenannten Übergangssystem untergekommen. Sie spricht die fehlende Mobilität von Ausbildungsplatzsuchen-
den an. Während nach der deutschen Einheit viele junge Menschen aus Ostdeutschland in Westdeutschland einen
Ausbildungsplatz gesucht und auch gefunden hätten, sei aktuell die Mobilität junger Erwachsener in den alten
Bundesländern eher bescheiden. Dies sei ihrer Auffassung nach kein Berufsbildungs-, sondern ein kulturelles
Problem.

Die Fraktion DIE LINKE. fragt den Vertreter der Bundesregierung, ob sich der Aufwuchs von 20 000 Personen
im Übergangssystem vor dem Hintergrund des Anstiegs von Geflüchteten in Deutschland erklären lasse. Sie gehe
davon aus, dass realistisch nicht alle 250 000 junge Menschen das Übergangssystem mit der Perspektive einer
Berufsausbildung verlassen würden. Dies sei nur mit einem immensen Aufwuchs an Ausbildungsplätzen möglich,
der jedoch nicht realistisch sei. Daher müssten geeignete Maßnahmen getroffen werden, damit die jungen Men-
schen erst gar nicht in das Übergangssystem wechseln müssten. Die Anzahl von Personen in Ausbildungsgängen
ohne Berufsabschluss beziffere sie mit aktuell 237 000. Gründe für diese hohe Zahl sehe sie nicht nur in der
„Passungsproblematik“, sondern auch in der Zahl der Ausbildungsplätze, der Ausbildungsqualität und -bereit-
schaft der Betriebe.

Sie kritisiert die große Anzahl von ca. 50 Programmen auf der Bundesseite und erklärt, dass diese auf ihre Sinn-
haftigkeit überprüft werden sollten und inwieweit sie flächendeckend eine Wirksamkeit erzeugten. Sie äußert ihr

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/10858
Unverständnis gegenüber der fehlenden Bereitschaft der Bundesregierung, das BBiG zu novellieren. Die Fraktion
DIE LINKE. werde noch in der laufenden Legislaturperiode den konkreten Novellierungsbedarf aufzeigen.

Die Fraktion spricht darüber hinaus die schulische Berufsausbildung an, die sie zwar nicht „dualisieren“ wolle;
sie gehöre zwar zur Berufsbildung, sei aber trotzdem Ländersache. Es gäbe Bundesgesetze, wie das Gesetz zur
Generalisierung der Pflegeberufe, wo die Verantwortung auf Landesebene liege. Über diese Problematik werde
auch im Bildungsausschuss nicht gesprochen. Die Fraktion DIE LINKE. habe mehrfach Anträge zur Verbesse-
rung der Ausbildungssituation vorgelegt. Sie schlage unter anderem auch eine andere Ausbildungsfinanzierung
vor. Überbetriebliche Bildungsstätten würden über den Bundeshaushalt gefördert. Die Frage sei, wie darüber hin-
aus Unternehmen solidarisch an der Ausbildungsfinanzierung beteiligt werden könnten. Der Ausbildungsreport
des DGB weise in jedem Jahr branchenspezifisch unterschiedliche Defizite auf. Eine Selbstverpflichtung der Be-
triebe und Unternehmen und auch ein neuer Pakt helfe ihrer Auffassung nach nicht.

Zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN führt die Fraktion DIE LINKE. aus, dass sie dem Fest-
stellungteil weitgehend zustimme. Beim Forderungsteil schlösse sich die Fraktion der Erleichterung der Anerken-
nungsverfahren, den Maßnahmen zur Berufsorientierung und -beratung, der Teilzeitausbildung und Inklusion an.
„Dual Plus“ als außerbetriebliche Ausbildungsstätten und quasi als neue Säule des Übergangssystems lehne sie
ab. Problematisch sei auch die unkritische Betrachtung der Jugendberufsagenturen. Daher enthalte sich die Frak-
tion DIE LINKE. beim Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Stimme.

Die Fraktion der SPD kritisiert einleitend die Wortwahl der Berichterstatterin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN im Rahmen ihrer Kritik an der Bundesregierung. Begriffe wie „skandalös“ oder „planloses Vorgehen“
würden dem Berufsbildungssystem in Deutschland nicht gerecht. Beim Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN werde begrüßt, dass die Fraktion offensichtlich ihren Weg zur Berufsschule vor dem Hintergrund der
Forderung eines Ausbauprogramms für Berufsschulen gefunden habe (Abschnitt II Nummer 2 Buchstabe m des
Antrags).

Sie lehne jedoch die Forderung der Segmentierung von Ausbildungsinhalten in Teilqualifikationen ab. Relativ
kurze Anlernzeiten würden mit Zertifikaten abgeschlossen, mit denen keine auskömmliche Entlohnung erreicht
werden könne. Der strukturelle Ansatz der SPD-Fraktion sehe nach wie vor eine zweijährige, im Regelfall eine
dreieinhalbjährige Ausbildung mit einem komplexen Abschluss vor. Man halte es für ausgesprochen problema-
tisch, wenn die 13 Lernfelder in den Berufsbildungszweigen in einzelne Teilabschnitte aufgespaltet würden.

Zu den Bemerkungen der Fraktion der CDU/CSU, die Ausführungen der SPD-Fraktion zum BBiG seien überholt
und nicht mehr zeitgemäß, wird erklärt, dass es immer schwieriger werde, für die Abschlussprüfungen ehrenamt-
liche Prüfer zu bekommen. Die Reaktion der IHK auf dieses Problem sei, Prüfungszentren einzurichten. Demge-
genüber schlage die SPD-Fraktion eine gesetzliche Regelung zur Anzahl, zum Prüfungsauftrag, zur Freistellung
und Finanzierung der Prüfer vor. Die Probleme der Freistellung ihrer ehrenamtlich Aktiven hätten auch zuneh-
mend das DRK, die Feuerwehr und das THW – dies werde ausdrücklich bedauert.

Die Fraktion der SPD habe auch die Frage des Jugendarbeitsschutzes im BBiG angesprochen. Sie halte die Dif-
ferenzierung zwischen unter 18-Jährigen und über 18-Jährigen für einen Anachronismus. Ein sehr wichtiges An-
liegen sei die Feststellung eines Anspruchs auf eine dreieinhalbjährige Ausbildung für junge Menschen, die be-
reits eine zweijährige Ausbildung begonnen hätten. Diese Regelung würde viele Ungleichheiten beseitigen.

Die Fraktion der SPD kritisiert am Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Fokussierung auf die
außerbetriebliche Ausbildung. Langjährige Erfahrungen im Berufsschuldienst hätten gezeigt, dass es häufig das
Interesse des Ausbildungsbetriebes sei, mit der Ausbildung Geld zu verdienen und nicht primär, den jungen Men-
schen auszubilden. Selbst Betriebe, die ausbildeten und außerbetriebliche Ausbildungsplätze angeboten hätten,
hätten die Auszubildenden nicht in ihren Betrieben lernen lassen. Das bedeute, dass die Verbindung von Theorie
und betrieblicher Praxis, Schule und Arbeitsalltag an deren Ende ein gut ausgebildeter Facharbeiter stehe, nicht
gewährleistet sei. Man warne auch davor, dass Geräte in außerbetrieblichen Werkstätten zu alt und nicht mehr
markttauglich sein könnten und der Staat eine dauerhaft angelegte Modernisierung finanziell nicht leisten könne.

Die Fraktion der SPD geht ebenfalls auf die Frage der Ausbildungsgarantie ein. Diese könne nur der Staat garan-
tieren. Wenn sich aber der Staat gemeinsam mit den Kammern und der IHK zu stark in die außerbetriebliche

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Ausbildung einbringe, dann werde die Verknüpfung mit den Betrieben gelöst. Daher empfehle man, das Berufs-
bildungssystem in Deutschland nicht schlechter zu machen als es ist.

Die Fraktion weist auf die Berufsschule als einen wichtigen Partner im System hin, der stärker in die Pflicht
genommen werden könnte. In der Bauwirtschaft gebe es schon lange ein funktionierendes flächendeckendes Be-
rufsgrundschuljahr. Man plädiere dafür, dieses auch in anderen Bereichen zusammen mit den Firmen wieder ein-
zuführen. Die Berufsschulen könnten dabei eine wesentliche Rolle spielen. Sie appelliere abschließend, die Ver-
antwortung des Bundes für die Berufsbildung ernst zu nehmen, sich nicht in Kompetenzstreitigkeiten mit den
Ländern zu begeben und an der notwendigen Finanzierung für die Renovierung und Modernisierung der Berufs-
schulen und anderer Schulformen mitzuwirken.
Die Bundesregierung antwortet auf die Frage der Fraktion DIE LINKE. nach dem Anteil der Abbrecher von
Ausbildungen, dass 50 Prozent dieser Personen einen anderen Ausbildungsberuf wählten. Diese Quote relativiere
den negativen Eindruck daher ein wenig. Bei ihrer Kritik an der Ausbildungsbereitschaft von Betrieben sollte man
berücksichtigen, dass sich Betriebe aus der Ausbildung auch zurückzögen, da sie über Jahre hinweg erfolglos
Ausbildungsplätze ausgeschrieben hätten. Im Übrigen seien große Unternehmen in einer Region eventuell auch
attraktiver für junge Menschen als ein kleiner Handwerksbetrieb. Das BIBB habe mit einer Erhebung feststellen
können, dass 44 Prozent der Betriebe ihre Ausbildungsplätze nicht oder nur teilweise hätten besetzen können. Zur
Anmerkung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass die Selbstverpflichtung der Allianz zur Schaffung
von 20 000 zusätzlichen Ausbildungsplätzen nicht erreicht worden sei, führt sie aus, dass diese zwar ein Jahr zu
spät erfolgt sei, aber in diesem Jahr bereits überschritten werden konnte. Was die Ausbildungsgarantie angehe,
seien Vereinbarungen der Allianz bereits umgesetzt worden. Die Beratung und Betreuung der Ausbildungsplatz-
suchenden erfolge durchgehend im gesamten Jahr, und auch noch zum 30.09. würden Ausbildungsplätze – auch
im Wunschberuf – angeboten. Dann zeige sich aber häufig auch die Bereitschaft oder Nichtbereitschaft, auch
längere Strecken bis zum Ausbildungsplatz in Kauf zu nehmen.

Zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärt sie, dass viele Aussagen im Feststellungsteil von
Seiten der Bundesregierung geteilt werden könnten. Beim Forderungsteil finde man allgemeine Aussagen zu
Problemen und allgemeine Lösungsbeschreibungen, die bereits bekannt seien und von der Bundesregierung auch
angegangen würden. Man vermisse konkrete Vorschläge, wie zum Beispiel das Passungsproblem gelöst werden
könnte. Zu den Themen „Mobilität“, „Image der Berufsbildung“ und „Berufsorientierung“ wolle man noch einmal
auf vier Initiativen der Bundesregierung hinweisen: „JOBSTARTER plus“, „Informationsoffensive“, „Berufsori-
entierungsprogramm“ und „Bildungsketteninitiative“.

Berlin, den 28. September 2016

Dr. Thomas Feist
Berichterstatter

Rainer Spiering
Berichterstatter

Dr. Rosemarie Hein
Berichterstatterin

Özcan Mutlu
Berichterstatter

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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