BT-Drucksache 18/10763

Internationale Herausgabe sogenannter elektronischer Beweismittel

Vom 20. Dezember 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10763
18. Wahlperiode 20.12.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan van Aken, Eva Bulling-Schröter,
Annette Groth, Dr. André Hahn, Inge Höger, Ulla Jelpke, Jan Korte, Birgit Menz,
Niema Movassat, Martina Renner, Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

Internationale Herausgabe sogenannter elektronischer Beweismittel

Die Europäische Union will den Zugang von Polizei und Geheimdiensten auf die
Server von Internetanbietern erleichtern (Ratsdokument 15072/16). Das Doku-
ment enthält Vorschläge zur Umsetzung der Ratsschlussfolgerungen zur „Ver-
besserung der Strafjustiz im Cyberspace“ vom Juni dieses Jahres zur Erlangung
„elektronischer Beweismittel“ (Pressemitteilung des Rates vom 9. Juni 2016).
Dabei geht es vor allem um die Betreiber von Cloud-Diensten in den USA. Zwar
gibt es bereits ein Rechtshilfeabkommen in Strafsachen zwischen der Europäi-
schen Union und den USA, allerdings wird der Rechtsweg von europäischen Er-
mittlerinnen und Ermittlern als zu umständlich und langwierig bewertet. Dies
geht aus einem Fragebogen hervor, der von Behörden aus 24 Mitgliedstaaten be-
antwortet wurde und dessen Antworten im Ratsdokument 15072/16 zusammen-
gefasst sind. Dabei kam heraus, dass die Ermittlerinnen und Ermittler oft unter-
schiedliche Wege zur Erlangung der „elektronischen Beweismittel“ gehen. Mög-
lich ist der Weg über die internationale Rechtshilfe oder die Direktanfrage bei
Internetdienstleistern.
Während die internationale Rechtshilfe als zu langwierig kritisiert wird, existiert
für Direktanfragen keine Verpflichtung zur Beantwortung durch die Firmen. Nun
soll ein Internetportal errichtet werden, wo sich in einem ersten Schritt die Er-
mittlungsbehörden und Staatsanwaltschaften vernetzen und ihre Kontaktstellen
hinterlegen. Später könnte die Plattform derart ausgebaut werden, dass über eine
einmalige Suchanfrage Ersuchen bei mehreren Internetanbietern landen und sich
die Behörden gegenseitig über bereits gestellte Herausgabeverlangen informie-
ren.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern der Zu-

gang von Polizei und Geheimdiensten auf digitale Daten bei Internetanbie-
tern innerhalb und außerhalb der Europäischen Union erleichtert werden
sollte?

2. Welche Vorschläge zur erleichterten Herausgabe „elektronischer Beweismit-
tel“ hat die Bundesregierung diesbezüglich auf europäischer Ebene gemacht,
und wo wurden diese beraten?

3. Auf Basis welcher Rechtshilfeabkommen verlangen Bundes- und nach
Kenntnis der Bundesregierung auch Landesbehörden gewöhnlich die Her-
ausgabe elektronischer Beweismittel bei Internetanbietern im Ausland, ins-
besondere den USA?

Drucksache 18/10763 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Inwiefern bewertet auch die Bundesregierung den Weg der Rechtshilfe als
zu umständlich und langwierig?

5. Bei welchen Betreibern von Cloud-Diensten in den USA haben Bundesbe-
hörden in der Vergangenheit Direktanfragen gestellt, und in welchem Um-
fang wurden diese beantwortet (sofern der Umfang nicht statistisch erfasst
wird, bitte näherungsweise schätzen)?

6. Inwiefern werden die Direktanfragen von einem Richter oder von der Staats-
anwaltschaft legitimiert, und welche Haltung vertritt die Bundesregierung
zur Frage, ob die Herausgabe der verlangten Daten durch die Anbieter bei
Direktanfragen verpflichtend ist?

7. In welchem Umfang reagieren die Internetanbieter bei Direktanfragen der
Bundes- und nach Kenntnis der Bundesregierung auch Landesbehörden (so-
fern der Umfang nicht statistisch erfasst wird, bitte näherungsweise schät-
zen)?

8. Welche Angaben enthält das bei Direktanfragen mitgeschickte Formular zu
den betroffenen Accountinhabern sowie den verlangten Datentypen?

9. Welche Erfahrungen haben Bundesbehörden mit Herausgabeverlangen oder
sonstigen Ersuchen zur Zusammenarbeit mit dem Internetanbieter Telegram
gemacht, und in welchem Umfang wurde diesen durch die Firma entspro-
chen?

10. An welchen Sitz der Firma wurden entsprechende Ersuchen bzw. Herausga-
beverlangen gerichtet?

11. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, für welche Maßnahmen die
Europäische Kommission 1 Mio. Euro bereitstellt, um die rechtlichen Mög-
lichkeiten der Rechtshilfe beziehungsweise Direktanfragen zu analysieren?

12. Wer soll diese nach gegenwärtigem Stand – sofern es sich bei diesen Maß-
nahmen um eine Studie handelt – durchführen, und wann sollen Ergebnisse
vorliegen?

13. Auf welche Weise könnte aus Sicht der Bundesregierung umgesetzt werden,
dass Internetanbieter, die nicht in der Bundesrepublik Deutschland ge-
schäftsansässig sind, außerhalb der bestehenden Rechtshilfeverfahren in
Strafsachen „auf Grundlage einer entsprechenden internationalen Vereinba-
rung“ zu einer Zusammenarbeit verpflichtet werden (Bundestagsdrucksache
18/10591)?

14. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern die Cy-
bercrime-Konvention des Europarates hinsichtlich einer Erleichterung der
Rechtshilfe zur Herausgabe „elektronischer Beweismittel“ überarbeitet wer-
den müsste?
a) Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern die Cy-

bercrime-Konvention des Europarates zur Herausgabe „elektronischer
Beweismittel“ angewandt werden könnte, auch wenn sich der Sitz der In-
ternetdienstleister nicht in einem Teilnehmerstaat, sondern beispielsweise
in den USA befindet?

b) Wann will das Cybercrime-Convention-Committee des Europarates nach
Kenntnis der Bundesregierung über die Frage diskutieren?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10763

15. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern die Euro-

päische Ermittlungsanordnung (EEA) zur Herausgabe „elektronischer Be-
weismittel“ genutzt werden könnte, auch wenn sich der Sitz der Internet-
dienstleister in einem Drittstaat (insbesondere den USA) befindet?
a) Was ist der Bundesregierung über die Ergänzung der EEA mit einer No-

tifikationslösung bekannt, um den Direktzugriff bei Internetdienstleistern
in einem Drittstaat zu erleichtern?

b) Welche eigenen Vorschläge für eine solche Notifikationslösung hat die
Bundesregierung gegenüber den EU-Mitgliedstaaten gemacht?

16. In welchen Fällen sind deutsche Sicherheitsbehörden aus Sicht der Bundes-
regierung befugt, per „Fernzugriff“ in der Cloud zu ermitteln, auch wenn der
physische Ort der Server unbekannt ist?

17. Welche weiteren Erläuterungen kann die Bundesregierung zum „Problem im
Zusammenhang mit der Anwendung von Carrier-Grade Network Address
Translation“ machen, das ihr laut der Bundestagsdrucksache 18/10591
„ebenfalls bekannt“ ist?

18. Was ist der Bundesregierung über Pläne zur Einrichtung eines Internetportals
bekannt, mit dem sich in einem ersten Schritt die Ermittlungsbehörden und
Staatsanwaltschaften vernetzen, wo soll dieses nach gegenwärtigem Stand
beim Europarat angesiedelt sein, und welche Daten sollen dort hinterlegt
werden?

19. Inwiefern könnten sich die ermittelnden Behörden aus Sicht der Bundesre-
gierung mithilfe des Internetportals auch gegenseitig über bereits gestellte
Herausgabeverlangen informieren?

20. Welche Auswirkungen hat aus Sicht der Bundesregierung das Urteil des
zweiten US-Berufungsgerichts vom 14. Juli 2016, das entschied, dass US-
Cloud-Anbieter mit Sitz in Europa nicht aufgrund der bestehenden nationa-
len Gesetzgebung der USA gezwungen werden können, personenbezogene
Daten ihrer Kunden herauszugeben, für die Strafverfolgungs- und Justizbe-
hörden der EU, die ihrerseits Direktanfragen zur Herausgabe elektronischer
Beweismittel bei Internetanbietern mit Sitz in den USA fordern?
a) Was ist der Bundesregierung über die Ergebnisse einer Prüfung dieser

Auswirkungen durch die EU-Agenturen Eurojust oder Europol bekannt?
b) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, unter welchem Gesichts-

punkt die erleichterte Herausgabe „elektronischer Beweismittel“ auch
beim jüngsten EU-US-Ministertreffen in Washington behandelt wurde?

c) Wo und von wem soll die dort begonnene Diskussion nun weitergeführt
werden?

d) Welche Themen stehen derzeit auf der Agenda des kommenden „EU-US-
Cyber-Dialogs“?

21. Wann will das neue „Netzwerk der Justizbehörden und Experten im Bereich
Cyberkriminalität“ (EJCN) nach Kenntnis der Bundesregierung sein erstes
Arbeitsprogramm vorlegen?

22. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, unter welchem Gesichtspunkt
die erleichterte Herausgabe „elektronischer Beweismittel“ auch beim zwei-
ten „EU Internet Forum“ am 8. Dezember 2016 in Brüssel behandelt wurde?

Berlin, den 20. Dezember 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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