BT-Drucksache 18/1075

Sicherheitsbewertung des Fahrzeug-Kältemittels R1234yf und Maßnahmen gegen mögliche Gesundheitsgefahren

Vom 24. März 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1075
18. Wahlperiode 24.03.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Annalena Baerbock, Stephan Kühn (Dresden), Peter Meiwald,
Dr. Valerie Wilms, Matthias Gastel, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl,
Oliver Krischer, Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke, Markus Tressel,
Dr. Julia Verlinden und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Sicherheitsbewertung des Fahrzeug-Kältemittels R1234yf
und Maßnahmen gegen mögliche Gesundheitsgefahren

Die Europäische Kommission hat Ende Januar 2014 ein Vertragsverletzungsver-
fahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet. Als Begründung wird
die mangelhafte Umsetzung der Richtlinie 2006/40/EG (MAC-Richtlinie) ge-
nannt. Die Daimler AG soll unter Billigung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA)
neue Pkw-Modelle in Form einer erweiterten Typgenehmigung der Vorgänger-
generation in den Verkehr bringen und durch die Nutzung des Kältemittels
R134a gegen die Vorgaben der MAC-Richtlinie verstoßen. Die Richtlinie
schreibt seit dem 1. Januar 2011 den Einsatz von Kältemittel mit einem Treib-
hauspotential <150 in neuen Pkw-Typen vor. Ab dem Jahr 2017 gelten die Vor-
gaben für alle Pkw-Neuzulassungen.
Die Daimler AG hatte im September 2012 mitgeteilt, das Kältemittel R1234yf,
welches als Ersatz für das klimaschädliche R134a gedacht war, aufgrund von Si-
cherheitsrisiken nicht einsetzen zu wollen. In simulierten Crashtests hatte sich
das Mittel entzündet – ein Gefährdungspotential, auf das bereits frühere Unter-
suchungen der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) und der Bundesanstalt für
Materialforschung und -prüfung hingewiesen haben. Ein erneuter Test der DUH
(www.duh.de/uploads/media/Brandtest_Kurzbericht_DUH_2014_01_24_
Kurzbericht_update_01.pdf) verweist überdies auf erhebliche Gesundheits-
gefahren, die im Falle einer indirekten Entzündung von R1234yf entstehen
können – etwa bei Fahrzeugbränden durch elektrische Defekte, überhitzten
Bremsen oder Reifen sowie durch Vandalismus.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Erachtet die Bundesregierung die Methodik und Vorgehensweise der derzei-

tigen Untersuchung durch das Joint Research Centre (JRC) als ausreichend,
um alle relevanten Sicherheitsrisiken von R1234yf zu bewerten (z. B. Brände
von Autotransportern mit R1234yf-Fahrzeugen)?

2. Sind angesichts der wachsenden Anzahl von Fahrzeugen mit R1234yf natio-
nale Regelungen geplant, um die Sicherheit im Straßenverkehr zu gewähr-
leisten (z. B. eine deutliche Kennzeichnung von Fahrzeugen mit R1234yf zur
Warnung von Rettungskräften und Ersthelfern, Einfahrverbote in geschlos-
sene Räume wie Tiefgaragen usw.)?

Drucksache 18/1075 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Plant die Bundesregierung gesetzliche Neuregelungen zu Sicherheitsvor-
schriften, durch die Servicepersonal in Werkstätten oder Anwohner vor
möglichen Gesundheitsgefahren durch R1234yf in möglichen Brandfällen
geschützt würden?

4. Ist der Bundesregierung bekannt, ob das Kältemittel R1234yf auch in der
stationären Kühlung eingesetzt werden soll, und wenn ja, welche Sicher-
heitsvorgaben sind für diesen Anwendungsbereich vorhanden bzw. in Pla-
nung?

5. Werden die in Bussen und Schienenfahrzeugen eingesetzten Kältemittel von
den zuständigen Genehmigungsbehörden erfasst?

6. Durch welche genehmigungsrechtlichen Vorgaben wird der sichere Einsatz
von Kältemitteln in Bussen und Schienenfahrzeugen gewährleistet?

7. Plant die Bundesregierung nationale Vorgaben, um den Einsatz von
R1234yf in Bussen und Schienenfahrzeugen zu verhindern?

8. Sieht die Bundesregierung in der Entscheidung des Technical Committee on
Motor Vehicles (TCMV) zur zeitlichen Verzögerung der MAC-Richtlinie
ebenfalls einen Widerspruch zum Gebot der Technikneutralität?

9. Was hat die Bundesregierung unternommen, um den Einsatz alternativer
klimafreundlicher Kältemittel – wie CO2 – zu fördern und so die technolo-
gieneutrale Umsetzung der MAC-Richtlinie zu unterstützen?

10. Wann wurden der Bundesregierung und ihren nachgeordneten Behörden
erstmals Sicherheitsbewertungen des Kältemittels R1234yf durch welche
Institutionen mitgeteilt, und welche Schlussfolgerungen und Handlungsauf-
träge zog sie aus diesen?

11. Hat die Bundesregierung aufgrund der Sicherheitsbewertungen des Kälte-
mittels R1234yf durch Dritte Anlass für eigene Sicherheitsbewertungen ge-
sehen, wenn ja, mit welchem Ergebnis, und wenn nein, warum nicht?

12. Seit wann war der Bundesregierung und dem KBA bekannt, dass deutsche
Fahrzeughersteller davon absehen wollen, das Kältemittel R1234yf in ihren
neuen Fahrzeugen einzusetzen und somit nicht die Vorgaben der MAC-
Richtlinie umsetzen, und was hat sie unternommen, um ein Vertragsverlet-
zungsverfahren aus diesem Grund zu vermeiden?

13. Hat die Bundesregierung im Zuge der gesetzlichen Frist für die Abgabe der
Bewertungsergebnisse für R1234yf im Rahmen von REACH (Registration,
Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) eine eigene Bewer-
tung an die ECHA (European Chemicals Agency) übermittelt, wenn ja, mit
welchen Ergebnissen, und wie ist der Stand des Verfahrens in dieser Sache?

14. Welche konkreten umfassenden Abstimmungsprozesse innerhalb der Bun-
desregierung und mit nachgeordneten Behörden machen den Antrag auf
Fristverlängerung im Vertragsverletzungsverfahren (www.spiegel.de vom
28. Juni 2013, „Entscheidung des KBA: Mercedes feiert Etappensieg im
Kältemittelstreit“) notwendig, welche konkretisierten Vorwürfe hinsichtlich
der Anwendung typabgrenzender Merkmale des Anhangs II der Richtlinie
2007/46/EG sowie unrechtmäßiger Mehrfachtypgenehmigungen für einen
Fahrzeugtyp werden seitens der Bundesregierung analysiert, und welche
Schlussfolgerung zieht sie aus den Ergebnissen?

15. Welche konkreten Schritte unternahm bzw. erwägt die Bundesregierung, da-
mit es zu einer zügigen Einigung über die Umsetzung der MAC-Richtlinie
kommt und ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof abgewendet
werden kann?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1075
16. Welche Alternativen sieht die Bundesregierung zur Einhaltung des in der
Richtlinie 2006/40/EG geforderten GWP <150, wenn aus Sicherheitsbeden-
ken R1234yf nicht als Kältemittel genutzt werden kann?

17. Wenn die Bundesregierung Alternativen zum Einsatz von R1234yf sieht,
welche Umstände stehen einer Anwendung dieser Alternativen entgegen?

18. Für den Fall, dass die Bundesregierung derzeit keine Alternativen zur An-
wendung von R1234yf sieht, gibt es Überlegungen, die entstehenden Treib-
hausgaseffekte übergangsweise durch andere Maßnahmen der Automobil-
hersteller zu kompensieren, und wenn ja, welche, oder gibt es Überlegun-
gen, eine Verlängerung der Übergangsfristen für die Richtlinie 2006/40/EG
zu erwirken?

19. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
daraus, dass verschiedene Automobilhersteller zur Umgehung der Vorgaben
aus der Richtlinie 2006/40/EG bestehende Typengenehmigungen auf neue
Modelle erweitern und fortschreiben (www.spiegel.de vom 28. Juni 2013,
„Entscheidung des KBA: Mercedes feiert Etappensieg im Kältemittel-
streit“)?

Berlin, den 20. März 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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