BT-Drucksache 18/10728

Menschenrechtliche Situation der Geflüchteten in Bulgarien

Vom 16. Dezember 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10728
18. Wahlperiode 16.12.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Annette Groth, Inge Höger, Christine Buchholz,
Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Katrin Kunert, Kersten Steinke, Alexander Ulrich und
der Fraktion DIE LINKE.

Menschenrechtliche Situation der Geflüchteten in Bulgarien

Bulgarien wird vorgeworfen, dass Zurückweisungen (Push-Backs) von Geflüch-
teten und Migrantinnen und Migranten durch die Grenzpolizei vorgenommen
werden. Laut Amnesty International sind die Aufnahmebedingungen für Asylsu-
chende äußerst schlecht. Integrationspläne für anerkannte Flüchtlinge fehlen völ-
lig (www.amnesty.de/jahresbericht/2016/bulgarien). Es gibt weiterhin „Beden-
ken hinsichtlich der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende, insbesondere in
Bezug auf Essen, Unterkunft und Zugang zu Gesundheitsfürsorge sowie Hygie-
neartikeln“ (www.amnesty.de/jahresbericht/2016/bulgarien). Ein afghanischer
Flüchtling berichtet, dass ihm „in Bulgarien die Polizei sein Geld und das Mobil-
telefon abgenommen [habe]“ (vgl. Winter auf der Balkanroute, Neues Deutsch-
land, 5. Dezember 2016, S. 8).
Nachdem Geflüchtete im bulgarischen Flüchtlingslager Harmanli gegen die aus
ihrer Sicht unhaltbaren Zustände protestiert hatten, ging die Polizei mit Wasser-
werfern und Gummigeschossen gegen die Geflüchteten vor. Dabei wurden durch
die bulgarischen Behörden 400 Flüchtlinge festgenommen (www.tagesschau.de/
ausland/krawalle-bulgarien-fluechtlinge-101.html). Die Geflüchteten zündeten
Matratzen und Autoreifen an, nachdem in dem Lager Krankheiten wie Krätze,
andere Hautkrankheiten und angeblich auch Malaria ausgebrochen waren (www.
tagesschau.de/ausland/krawalle-bulgarien-fluechtlinge-101.html). In dem Zen-
trum waren bei 128 Flüchtlingen vor allem Hautkrankheiten und Virusinfek-
tionen festgestellt worden (www.welt.de/politik/ausland/article159676493/
Ausgangssperre-wegen-Krankheiten-in-Fluechtlingslager.html).
Repressionen gegen Flüchtlinge sind in Bulgarien an der Tagesordnung (www.fr-
online.de/panorama/fluechtlinge-gestrandet-in-serbien,1472782,34992080.html).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche konkreten Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die men-

schenrechtliche Lage von Geflüchteten in Bulgarien vor?
2. Welche konkreten Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die gesell-

schaftliche Stimmung gegenüber Geflüchteten in Bulgarien vor, nachdem in
den letzten Monaten eine Reihe von Demonstrationen gegen Geflüchtete
stattgefunden hat?

3. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der Ausschreitun-
gen und Übergriffe gegen Geflüchtete in Bulgarien (bitte nach konkreten
Übergriffen und Ausschreitungen aufschlüsseln)?

http://www.amnesty.de/jahresbericht/2016/bulgarien
http://www.tagesschau.de/ausland/krawalle-bulgarien-fluechtlinge-101.html
http://www.tagesschau.de/ausland/krawalle-bulgarien-fluechtlinge-101.html
http://www.tagesschau.de/ausland/krawalle-bulgarien-fluechtlinge-101.html
http://www.tagesschau.de/ausland/krawalle-bulgarien-fluechtlinge-101.html
http://www.welt.de/politik/ausland/article159676493/Ausgangssperre-wegen-Krankheiten-in-Fluechtlingslager.html
http://www.welt.de/politik/ausland/article159676493/Ausgangssperre-wegen-Krankheiten-in-Fluechtlingslager.html
http://www.fr-online.de/panorama/fluechtlinge-gestrandet-in-serbien,1472782,34992080.html
http://www.fr-online.de/panorama/fluechtlinge-gestrandet-in-serbien,1472782,34992080.html
Drucksache 18/10728 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Sind der Bundesregierung Übergriffe gegen Geflüchtete durch bulgarische
Behörden und Angehörige des Grenzschutzes bekannt, und wenn ja, welche?

5. Werden nach Informationen der Bundesregierung auch weiterhin Push-Backs
durch bulgarische Grenzbehörden durchgeführt?
a) Wenn ja, welche konkreten Schritte unternimmt die Bundesregierung, um

diese mit internationalem Recht nicht zu vereinbarenden Zurückweisun-
gen von Geflüchteten zu unterbinden?

b) Wenn nein, wer überwacht die Einhaltung des internationalen Rechts an
der bulgarisch-türkischen Grenze?

6. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Frontex sind aktuell an der
bulgarisch-türkischen Grenze eingesetzt?

7. Wie viele deutsche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Behörden sind ak-
tuell an der bulgarisch-türkischen Grenze im Rahmen von Frontex einge-
setzt?

8. Gibt es von Seiten der deutschen Frontex-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter
konkrete Informationen über Menschenrechtsverletzungen an der bulga-
risch-türkischen Grenze, und wenn ja, welche konkreten Sachverhalte wur-
den hier genannt?

9. Wie viele Geflüchtete befinden sich aktuell in den verschiedenen Einrichtun-
gen für Flüchtlinge in Bulgarien (bitte nach Einrichtungen aufschlüsseln)?

10. Welche konkreten Informationen liegen der Bundesregierung zu problema-
tischen Standards in den bulgarischen Einrichtungen für Geflüchtete vor?

11. Wie viele Geflüchtete wurden seit 1. Januar 2015 von Deutschland nach Bul-
garien abgeschoben (bitte nach Monaten aufschlüsseln)?

12. Werden von Seiten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge „Zugehö-
rige besonders verletzlicher Gruppen“ (www.proasyl.de/wp-content/uploads/
2015/12/Dublin_Ratgeber_Erste_Hilfe_2015.pdf, S. 15) nach Bulgarien ab-
geschoben?
a) Wenn ja, warum hat sich diese Position des Bundesamts für Migration

und Flüchtlinge seit dem Jahr 2015 verändert?
b) Wenn nein, was ist die offizielle Begründung für die Aussetzung von Ab-

schiebungen nach Bulgarien für Zugehörige besonders verletzlicher
Gruppen?

13. Welche konkreten Verstöße gegen menschenrechtliche Standards für Ge-
flüchtete in Bulgarien sind der Bundesregierung bekannt?

14. Teilt die Bundesregierung die Aussagen von Amnesty International, dass
es weiterhin „Bedenken hinsichtlich der Aufnahmebedingungen für Asyl-
suchende, insbesondere in Bezug auf Essen, Unterkunft und Zugang zu
Gesundheitsfürsorge sowie Hygieneartikeln“ gibt (www.amnesty.de/
jahresbericht/2016/bulgarien)?

15. Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage in der „Frankfurter Rund-
schau“, dass „Repressionen gegen Flüchtlinge in Bulgarien an der Tagesord-
nung“ sind (www.fr-online.de/panorama/fluechtlinge-gestrandet-in-serbien,
1472782,34992080.html)?

http://www.proasyl.de/wp-content/uploads/2015/12/Dublin_Ratgeber_Erste_Hilfe_2015.pdf
http://www.proasyl.de/wp-content/uploads/2015/12/Dublin_Ratgeber_Erste_Hilfe_2015.pdf
http://www.amnesty.de/jahresbericht/2016/bulgarien
http://www.amnesty.de/jahresbericht/2016/bulgarien
http://www.fr-online.de/panorama/fluechtlinge-gestrandet-in-serbien,1472782,34992080.html
http://www.fr-online.de/panorama/fluechtlinge-gestrandet-in-serbien,1472782,34992080.html
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10728

16. Welche konkreten Schritte unternimmt die Bundesregierung, um die mit in-

ternationalem Recht und mit EU-Recht nicht zu vereinbarende geplante Ab-
schiebung von Tausenden von Geflüchteten aus Bulgarien zu unterbinden
(www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlingslager-harmanli-bulgarien-will-
tausend-fluechtlinge-abschieben-a-1123198.html)?

17. Teilt die Bundesregierung die Aussage bulgarischer Behörden, dass „Bulga-
rien Unruhestifter unter Flüchtlingen künftig internieren und von der Außen-
welt abschotten“ will (Überfordertes Bulgarien, Neue Züricher Zeitung,
S. 4.)?

18. Hält die Bundesregierung eine solche Abschottung von Geflüchteten, wie sie
in Frage 5 aufgezeigt wurde, mit der Genfer Flüchtlingskonvention und eu-
ropäischem Recht vereinbar?
a) Wenn ja, mit welchen rechtlichen Grundlagen lässt sich ein solches Vor-

gehen gegen Geflüchtete begründen?
b) Wenn nein, was wird die Bundesregierung konkret unternehmen, um eine

solche menschenrechtlich nicht zu vertretende Isolation von Geflüchteten
zu verhindern?

19. Welche konkreten Informationen liegen der Bundesregierung über die „Bür-
gerwehren“ vor, die nach Medienberichten „auf brutale Art und Weise“ an
der bulgarisch-türkischen Grenze Jagd auf Geflüchtete machen (www.zdf.
de/politik/auslandsjournal/buergerwehren-in-bulgarien-auslandsjournal-vom-
08-06-2016-100.html)?

20. Welche konkreten Schritte durch die Bundesregierung oder die EU-Instituti-
onen wurden unternommen, um dieses illegale Vorgehen der selbsternannten
Bürgerwehren an der bulgarisch-türkischen Grenze zu stoppen?

21. Wurden nach Informationen der Bundesregierung Mitglieder dieser Bürger-
wehren durch die bulgarische Justiz wegen ihres illegalen Handels strafrecht-
lich verfolgt und gerichtlich verurteilt?

Berlin, den 15. Dezember 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

http://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlingslager-harmanli-bulgarien-will-tausend-fluechtlinge-abschieben-a-1123198.html
http://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlingslager-harmanli-bulgarien-will-tausend-fluechtlinge-abschieben-a-1123198.html
http://www.zdf.de/politik/auslandsjournal/buergerwehren-in-bulgarien-auslandsjournal-vom-08-06-2016-100.html
http://www.zdf.de/politik/auslandsjournal/buergerwehren-in-bulgarien-auslandsjournal-vom-08-06-2016-100.html
http://www.zdf.de/politik/auslandsjournal/buergerwehren-in-bulgarien-auslandsjournal-vom-08-06-2016-100.html
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