BT-Drucksache 18/10720

Gründungen von Sozialunternehmen aus Hochschulen

Vom 14. Dezember 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10720
18. Wahlperiode 14.12.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kai Gehring, Dr. Thomas Gambke, Beate Walter-Rosenheimer,
Katja Dörner, Dr. Franziska Brantner, Maria Klein-Schmeink, Tabea Rößner,
Elisabeth Scharfenberg, Ulle Schauws, Kordula Schulz-Asche, Dr. Harald Terpe,
Doris Wagner, Beate Müller-Gemmeke und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Gründungen von Sozialunternehmen aus Hochschulen

Die Wirtschaftsweise des Social Entrepreneurship oder auch des Sozialunterneh-
mertums fokussiert, im Gegensatz zu üblichen profitorientierten Unternehmen,
Herausforderungen des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Die unternehmerische
Tätigkeit hat dabei den Zweck, soziale und ökologische Probleme zu lösen und
positiven gesellschaftlichen Wandel herbeizuführen. Die Verbindung des unter-
nehmerischen Denkens mit einem sozialen Leitgedanken hat hohes Mobilisie-
rungspotenzial – gerade auch für die jüngere, gut ausgebildete Bevölkerung. Dies
hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass vermehrt Unternehmensgründungen
mit gemeinnützigem Schwerpunkt aus Hochschulen heraus zu beobachten waren.
Der Anteil von Sozialunternehmerinnen und Sozialunternehmern mit akademi-
schem Hintergrund liegt dabei bei 80 Prozent (vgl. http://aktuell.ruhr-uni-bochum.
de/pm2012/pm00226.html.de).
Sozialunternehmen sehen sich in Deutschland vor grundlegenden Schwierigkei-
ten, die neben der Finanzierung auch fehlende Beratungsangebote betreffen.
Denn Sozialunternehmen haben aufgrund des gemeinnützigen Fokus ein im Ver-
gleich zu üblichen Unternehmen geringeres Ertragspotenzial (vgl. „Herausforde-
rungen bei der Gründung und Skalierung von Sozialunternehmen. Welche Rah-
menbedingungen benötigen Social Entrepreneurs?“, Endbericht für das Bundes-
ministerium für Wirtschaft und Energie, Dezember 2015). Somit gestaltet sich
auch die Finanzierung durch private Investoren und Banken als überaus schwie-
rig. Auch können staatliche Förderprogramme nur begrenzt abgerufen werden.
Oftmals liegt hier die Schwierigkeit in der Innovationskraft als Förderkriterium,
welches sich insbesondere auf technische und weniger auf gesellschaftliche In-
novationen im weiteren Sinne bezieht. Als Konsequenz sehen sich viele Sozial-
unternehmen gezwungen, ein hybrides Finanzierungsmodell aus öffentlichen und
privaten Mitteln zu wählen, welches wiederum mit geringer Flexibilität und recht-
lichen Schwierigkeiten verbunden ist, da gemeinnützige Tätigkeiten streng von
profitorientierten Tätigkeiten zu trennen sind.
Besonderes Potenzial sehen Sozialunternehmen und Experten in einer wirkungs-
orientierten staatlichen Mittelvergabe, etwa in Form von Social Impact Bonds,
anstelle der kostenbasierten Finanzierung. Die Grundidee ist dabei, dass Sozial-
unternehmen auf Basis von staatlichen Einsparungen infolge ihrer sozialen Tätig-
keit finanziert werden. Dabei kann es zunächst eine Vorfinanzierung durch pri-
vate Investoren geben, welche dann im Erfolgsfall zuzüglich einer Verzinsung
vom Staat erstattet wird.

http://aktuell.ruhr-uni-bochum.de/pm2012/pm00226.html.de
http://aktuell.ruhr-uni-bochum.de/pm2012/pm00226.html.de
Drucksache 18/10720 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Die meisten Sozialunternehmen sind auf lokaler Ebene aktiv und weisen Umsätze
von einigen hunderttausend Euro auf. Genauere Aussagen sind indes schwierig
zu treffen, da es bisher keine belastbare Datenbasis gibt. Auch der Begriff des
Sozialunternehmens ist nicht fest umrissen. Weiterhin fehlt es an einheitlichen
Mess- und Vergleichskriterien zur Wirksamkeit der unternehmerischen Tätigkeit.
Eine vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Auftrag gegebene
Studie zur Situation von Sozialunternehmen (www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/
PDF/Publikationen/Studien/herausforderungen-bei-der-gruendung-und-skalierung-
von-sozialunternehmen,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.
pdf) hat festgestellt, dass sich viele Unterstützungsstrukturen für die Gründung
solcher Unternehmen auf wenige Metropolen konzentrieren. Eine flächende-
ckende und bedarfsgerechte Beratung ist nicht gegeben.
Von Seiten der Bundesregierung stellte die o. g. Studie aus dem Jahr 2015 eine
der ersten Aktivitäten zum Themenkomplex Sozialunternehmertum dar. Diese
enthält ergänzend zur aktuellen Bestandsaufnahme auch Handlungsempfehlun-
gen für die Politik. Spezielle Förderprogramme, die auf die Bedürfnisse von So-
zialunternehmen zugeschnitten sind, gibt es auf Bundesebene nicht. So stellt das
EXIST-Gründerstipendium eine wichtige Unterstützung von Unternehmensgrün-
dungen dar, allerdings adressiert es nicht explizit Sozialunternehmen. Zudem gibt
es bisher wenig Öffentlichkeit und Sensibilität für die Potenziale des Sozialunter-
nehmertums. Dies zeigt sich auch an bestehenden Gründungsförderungen und
Beratungseinrichtungen vieler Hochschulen. Vereinzelt vorhandene Lehrstühle
können keine praxisnahe Beratung ersetzen. Gerade Hochschulen bieten als lo-
kale Impulsgeber und Forschungseinrichtungen jedoch viel Entwicklungspoten-
zial.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie hoch schätzt die Bundesregierung das Innovations- und Lösungspoten-

zial von Sozialunternehmen in Bezug auf gesellschaftliche und soziale Her-
ausforderungen in Deutschland ein?

2. Wie schätzt die Bundesregierung das gesellschaftliche Integrationspotenzial
von Sozialunternehmen in Bezug auf das Zusammenwirken von Zivilgesell-
schaft, Wirtschaft und Politik ein?

3. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil an Sozialunter-
nehmen an allen Unternehmungen in Deutschland?

4. Welche Strategie verfolgt die Bundesregierung, um Sozialunternehmertum
in Deutschland zu stärken?

5. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bisher ergriffen, um Sozialun-
ternehmen zu fördern?

6. Wie möchte die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Ländern da-
rauf hinwirken, flächendeckende Unterstützungsstrukturen für Sozialunter-
nehmen sicherzustellen?

7. Welchen Beitrag können Hochschulen aus Sicht der Bundesregierung leis-
ten, um Sozialunternehmertum zu stärken vor dem Hintergrund, dass 80 Pro-
zent der Sozialunternehmer einen akademischen Abschluss besitzen?

8. Wie können aus Sicht der Bundesregierung Hochschulen als Impulsgeber vor
Ort in sozialunternehmerische Initiativen eingebunden werden, insbesondere
vor dem Hintergrund, dass viele Sozialunternehmen lokal aktiv sind?

Welche weiteren Mittel brauchen Hochschulen dazu?
9. Welchen Beitrag können akademische Lehre und Forschung leisten, um so-

zialunternehmerische Initiativen zu unterstützen?

http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/Studien/herausforderungen-bei-der-gruendung-und-skalierung-von-sozialunternehmen,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf
http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/Studien/herausforderungen-bei-der-gruendung-und-skalierung-von-sozialunternehmen,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf
http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/Studien/herausforderungen-bei-der-gruendung-und-skalierung-von-sozialunternehmen,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf
http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/Studien/herausforderungen-bei-der-gruendung-und-skalierung-von-sozialunternehmen,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10720

10. Wie können akademische Lehre und Forschung zu einer größeren Sensibili-

tät und Aufmerksamkeit zum Thema beitragen, sodass neben der Öffentlich-
keit auch vermehrt private Investoren den Mehrwert von Sozialunternehmer-
tum erkennen?

11. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit, vorhandene Gründungs-
einrichtungen an den Hochschulen auch verstärkt zur Beratung von Sozial-
unternehmen zu schulen?
Welche zusätzlichen Ressourcen bräuchten die Einrichtungen, um eine be-
darfsgerechte Beratung und Unterstützung zu gewährleisten?

12. Inwiefern kann das Service Learning an Hochschulen die Gründung von So-
zialunternehmen begünstigen sowie den Austausch zwischen Zivilgesell-
schaft und Unternehmertum fördern?

13. Wie kann gesellschaftliches Engagement neben dem Studium besser geför-
dert werden und im Rahmen des Studiums in die Lehre verankert und aner-
kannt werden?

14. Wie kann unternehmerisches Denken und Gründergeist in der akademischen
Lehre, besonders in wirtschaftswissenschaftlichen Fächern, gefördert wer-
den?

15. An welchen Hochschulen sind die meisten Unternehmensgründungen zu ver-
zeichnen?
Sind diese Hochschulen durch besondere Gründerprogramme gekennzeich-
net?
Welche Programme sind das?

16. Inwiefern können die Erkenntnisse und Ergebnisse aus der Forschung des
Programms „Forschung für Nachhaltige Entwicklung“ (FONA) sozialunter-
nehmerisch umgesetzt werden?

17. Wie will das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
die Forderungen aus dem EFI-Gutachten 2016 (www.bmbf.de/files/EFI_
Gutachten_2016.pdf) nach verstärkter Förderung und Erforschung von sozi-
aler Innovation erfüllen?

18. Wie viele Reallabore (siehe EFI-Gutachten 2016, www.bmbf.de/files/EFI_
Gutachten_2016.pdf) möchte das BMBF in dieser Legislatur einrichten und
fördern?

19. Welche weiteren Maßnahmen zur Untersuchung und Erforschung der nöti-
gen Rahmenbedingungen für den Erfolg von sozialunternehmerischer Tätig-
keit und deren nachhaltigen Wirkung wird das BMBF ergreifen?

20. Welchen Beitrag plant die Bundesregierung zur weiteren Förderung von So-
zialunternehmen in der Gründungs- und Wachstumsphase zu leisten, insbe-
sondere vor dem Hintergrund, dass sich private Förderungen aufgrund gerin-
gerer Erträge im Vergleich zu profitorientierten Unternehmen als schwierig
erweisen?

21. Welche Änderungen gesetzlicher Rahmenbedingungen sieht die Bundesre-
gierung als sinnvoll an, um die Möglichkeit von hybriden Finanzierungsmo-
dellen aus privaten und öffentlichen Mitteln zu vereinfachen?
Wie müssten öffentliche Förderprogramme gestaltet sein, um diesem Aspekt
gerecht zu werden?

22. Wann beabsichtigt die Bundesregierung, die im Koalitionsvertrag zwischen
CDU, CSU und SPD angekündigte bürokratische Erleichterung für Sozial-
unternehmen durch die Schaffung einer entsprechenden Unternehmensform
umzusetzen?

http://www.bmbf.de/files/EFI_Gutachten_2016.pdf
http://www.bmbf.de/files/EFI_Gutachten_2016.pdf
Drucksache 18/10720 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

23. Welche Förderprogramme und weitere Anreize plant die Bundesregierung

zur Gründung von Sozialunternehmen zu setzen?
24. Inwiefern plant die Bundesregierung Anreize zu setzen, um Kooperationen

zwischen Sozialunternehmen und Wohlfahrtsverbänden zu stärken?
25. Mit welchen rechtlichen und finanziellen Mitteln plant die Bundesregierung

vorhandene Innovationspotenziale für Social Entrepreneurship innerhalb be-
stehender Unternehmen und Organisationen zu fördern?

26. Wie plant die Bundesregierung die Handlungsempfehlungen aus der vom Bun-
desministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) beauftragten Studie (www.
bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/Studien/herausforderungen
-bei-der-gruendung-und-skalierung-von-sozialunternehmen,property=pdf,
bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf) umzusetzen?

27. Inwiefern unterscheidet sich die Tätigkeit und Wirkung von üblichen profit-
orientierten Unternehmen im Vergleich zu sozialorientierten Unternehmen
bei der Erfüllung von gesellschaftlichen Aufgaben?

28. Wie müsste das Innovationskriterium bei Förderprogrammen ausgestaltet
werden, damit auch Innovationen aus dem sozialunternehmerischen Bereich
besser unterstützt werden können?

29. Inwiefern plant die Bundesregierung, belastbare Daten zur Wirkung und
Skalierung von Sozialunternehmen erheben zu lassen?

30. Wie hoch ist der Anteil von Sozialunternehmen unter den Abrufen des ERP-
Venture-Capital-Fondinvestment-Programms?

31. Wie hoch ist der Anteil von Sozialunternehmen beim Abruf des EXIST-
Gründerstipendiums (bitte nach Unternehmensgrößen und Unternehmens-
branchen aufschlüsseln)?

32. Wie schätzt die Bundesregierung das Potenzial von wirkungsorientierter
Mittelvergabe im öffentlichen Beschaffungswesen ein?
Wie kann die Bundesregierung diese mit Blick auf Sozialunternehmen för-
dern?

Berlin, den 14. Dezember 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/Studien/herausforderungen%0b-bei-der-gruendung-und-skalierung-von-sozialunternehmen,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf
http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/Studien/herausforderungen%0b-bei-der-gruendung-und-skalierung-von-sozialunternehmen,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf
http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/Studien/herausforderungen%0b-bei-der-gruendung-und-skalierung-von-sozialunternehmen,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf
http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/Studien/herausforderungen%0b-bei-der-gruendung-und-skalierung-von-sozialunternehmen,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf

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