BT-Drucksache 18/10683

Grenzüberschreitende Projekte zu vorhersagender Polizeiarbeit

Vom 12. Dezember 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10683
18. Wahlperiode 12.12.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan Korte, Frank Tempel, Annette Groth,
Dr. André Hahn, Inge Höger, Ulla Jelpke, Jan Korte, Katrin Kunert,
Niema Movassat und der Fraktion DIE LINKE.

Grenzüberschreitende Projekte zu vorhersagender Polizeiarbeit

Die Innenminister der Niederlande, Belgiens, Deutschlands sowie der Länder
Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen haben die Vertiefung
ihrer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit gegen „Eigentumskriminalität und
Wohnungseinbruchsdiebstahl“ beschlossen (Bundestagsdrucksache 18/10541).
Eine „Aachener Erklärung“ benennt hierzu acht „konkrete Maßnahmenpakete"
zur Verfolgung von sogenannten „reisenden Tätergruppen“. Details stehen laut
dem Bundesministerium des Innern noch nicht fest, noch in diesem Jahr soll
hierzu eine Auftaktsitzung der beteiligten Landeskriminalämter, dem Bundeskri-
minalamt als Zentralstelle sowie den kriminalpolizeilichen Zentralstellen Belgi-
ens und der Niederlande stattfinden. Dann könnten auch Details zur gemeinsamen
Beteiligung an nationalen und internationalen Projekten der Sicherheitsforschung
zur Vorhersagesoftware („Predictive Policing“) verabredet werden, innerhalb de-
rer „neue Präventions- und Bekämpfungskonzepte entwickelt werden“ sollen.
Die Tageszeitung „WAZ“ berichtet, dass Rheinland-Pfalz, Bayern, Baden-Würt-
temberg und Hessen bereits in einem ähnlichen Acht-Punkte-Plan kooperierten.
Die drei Länderpolizeien arbeiten demnach auch bezüglich der Entwicklung von
Vorhersagesoftware zusammen. Ähnliche Pläne hatte der Bundesminister des In-
nern, Dr. Thomas de Maizière, vor einem Jahr im Anschluss an ein informelles
Ministertreffen einiger EU-Staaten mitgeteilt. Laut dem Bundesinnenminister
soll die Europäische Kommission ein entsprechendes Forschungsprojekt auflegen
(Pressekonferenz zum G6-Innenministertreffen am 2. November 2015). Mit
Blick auf Frankreich erklärte Dr. Thomas de Maizière, andere Länder verfügten
im Bereich der „Predictive Analytics“ über „mehr Erfahrung als wir“. Konkrete
Projekte wurden jedoch bislang nicht angestoßen. Die Anstrengungen der Regie-
rungen Deutschlands und Frankreichs zur europaweiten Verbreitung von Soft-
ware zur Vorhersage von Einbruchsdiebstahl mündeten jedoch in das EU-Rats-
dokument 6876/16, das an alle Mitgliedstaaten zur Bekämpfung „reisende Täter-
gruppen“ verteilt wurde.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung die auf Initiative von

Frankreich und Deutschland von den Justiz- und Innenministern der EU am
13. Oktober 2016 verabschiedeten „Schlussfolgerungen des Rates zu organi-
sierten Wohnungseinbrüchen“ umsetzen?

2. Sofern zur Umsetzung der Schlussfolgerungen auch Projekte zu „Predictive
Policing“ umgesetzt oder initiiert werden sollen, um welche Vorhaben bzw.
Pläne handelt es sich dabei?

Drucksache 18/10683 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Auf welche Weise hat das Bundesinnenministerium versucht, die Europäische
Kommission zur Auflage eines Forschungsprojekts zu „Predictive Policing“
zu bewegen (Pressekonferenz zum G6-Innenministertreffen am 2. November
2015), und wie hat diese darauf reagiert?

4. Sofern das Ansinnen zunächst abgelehnt wurde, welche Gründe wurden der
Bundesregierung dazu mitgeteilt?

5. Wann werden die Projekte ausgewählt, die im Themenbereich der Förder-
richtlinie „Zukünftige Sicherheit in Urbanen Räumen“ innerhalb des Rah-
menprogramms der Bundesregierung „Forschung für die zivile Sicherheit“
vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der
Agence Nationale de la Recherche (ANR) gefördert werden (Bundestags-
drucksache 18/7966)?

6. Sofern die Begünstigten bereits ausgewählt wurden, um welche Projekte und
Teilnehmenden handelt es sich (bitte die Behörden, Kommunen, Sicherheits-
und Rettungskräfte, Einrichtungen des Gesundheits- und Pflegewesens, Un-
ternehmen der privaten Sicherheitswirtschaft sowie Betreiber kritischer Inf-
rastrukturen konkret benennen)?

7. Wann und wo hat die Auftaktsitzung der an der „Aachener Erklärung“ betei-
ligten Kriminalämter stattgefunden?

8. Welche einzelnen Maßnahmen für „gemeinsame operative Aktivitäten“ und
„Auswerte- und Analyseprojekte“ befinden sich nach Kenntnis der Bundes-
regierung nunmehr in der Diskussion, der Planung oder der Durchführung zu
den Bestandteilen
a) intensivierter und kontinuierlicher Informationsaustausch;
b) gemeinsame Auswerte- und Analyseprojekte sowie operative Aktivitäten;
c) enge Kooperation für die Durchführung paralleler Ermittlungen oder ge-

meinsamer Ermittlungsverfahren unter Leitung und in Absprache mit den
zuständigen Justizbehörden;

d) Initiierung und Umsetzung grenzüberschreitender Präventionsaktivitäten;
e) Austausch von „Best-practice-Konzeptionen“, um den Einbau von Si-

cherheitstechnik sowie ein sicherheitsbewusstes Verhalten des Einzelnen
zu fördern,

f) koordinierter Informationsaustausch zwischen Strafverfolgungs- und
Verwaltungsbehörden zur Reduzierung von Gefahren für die öffentliche
Sicherheit und Ordnung;

g) Verhinderung des Investierens inkriminierter Gelder in legale Handels-
und Unternehmensstrukturen sowie deren Nutzung für kriminelle Zwe-
cke;

h) gemeinsame Beteiligung an nationalen und internationalen Projekten der
Sicherheitsforschung „wie z. B. zu Predictive Policing“?

9. Welche Produkte und Verfahren welcher Hersteller hat das Bundeskriminal-
amt hinsichtlich der Beobachtung zum Thema „Kriminalitätsvorhersage“ so-
wie zur Nutzung „offener Quellen“ im Rahmen seiner „Erhebungsphase“ be-
reits begutachtet, und welche dieser Produkte wurden weiter auf ihre Taug-
lichkeit untersucht?

10. Welche offenen oder nichtoffenen polizeilichen Datenquellen sind aus Sicht
der Bundesregierung überhaupt für die Nutzung im Bereich der algorithmus-
gestützten „Kriminalitätsvorhersage“ geeignet, bzw. für welche dieser Da-
tenquellen werden Produkte und Verfahren in der „Erhebungsphase“ in Au-
genschein genommen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10683

11. Wann sollen der „Erhebungsphase“ welche weiteren Phasen folgen, und wel-

che Partner werden daran beteiligt?
12. In welchen Arbeitsgruppen oder sonstigen Zusammenarbeitsformen infor-

mieren, engagieren bzw. koordinieren sich welche Bundesbehörden gemein-
sam mit welchen Landesbehörden zur Einführung oder Bewertung von Vor-
hersagesoftware („Predictive Policing“)?

13. Was ist dem Bundeskriminalamt aus der länderübergreifenden Zusammen-
arbeit zur Vorhersagesoftware darüber bekannt, welche Landeskriminaläm-
ter welche Analysesoftwareprodukte testen und welche Bundesländer hierzu
Studien durchführen?

14. Welche Überlegungen existieren nach Kenntnis der Bundesregierung zur
Einrichtung eines Forschungsprojektes zur Vorhersage von Straftaten bei der
Deutschen Hochschule der Polizei (Landtag Schleswig-Holstein, Drucksa-
che 18/4416), und welche Ziele werden dort verfolgt?

Berlin, den 12. Dezember 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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