BT-Drucksache 18/10659

zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Meiwald, Nicole Maisch, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/10382 - zu den Entwürfen der Kommission für zwei Rechtsakte zur Festlegung wissenschaftlicher Kriterien für die Bestimmung endokrinschädigender Eigenschaften im Zusammenhang mit Pflanzenschutzmitteln und Biozidprodukten (C(2016) 3751, C(2016) 3752) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Schutz vor Hormongiften verbessern - Die Kriterien für endokrine Disruptoren müssen dem Vorsorgeprinzip entsprechen

Vom 14. Dezember 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10659
18. Wahlperiode 14.12.2016

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
(16. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Meiwald, Nicole Maisch, Harald Ebner,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/10382 –

zu den Entwürfen der Kommission für zwei Rechtsakte zur Festlegung
wissenschaftlicher Kriterien für die Bestimmung endokrinschädigender
Eigenschaften im Zusammenhang mit Pflanzenschutzmitteln und
Biozidprodukten (C(2016) 3751, C(2016) 3752)

hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23
Absatz 3 des Grundgesetzes

Schutz vor Hormongiften verbessern – Die Kriterien für endokrine Disruptoren
müssen dem Vorsorgeprinzip entsprechen

A. Problem
Die Antragsteller haben einen Antrag eingebracht, mit dem der Deutsche Bundes-
tag die Bundesregierung nach Artikel 23 Absatz 3 Grundgesetz auffordern soll,
bei den weiteren Beratungen in der Europäischen Union durchzusetzen, dass

1. auch Chemikalien mit einer vermuteten endokrinen Schadwirkung beim Men-
schen als endokrine Disruptoren identifiziert werden,

2. der vorsorgeorientierte Ansatz der Pestizid- und Biozid-Verordnung beibehal-
ten wird, dass nämlich Ausnahmeregelungen für das Verbot einer Substanz
nur dann möglich sind, wenn die Exposition von Menschen gegenüber dieser
Substanz vernachlässigbar ist,

3. entsprechend der Empfehlung der Europäischen Chemikalienagentur ECHA
sichergestellt sein muss, dass alle relevanten wissenschaftlichen Studien in die
Bewertung einfließen und anhand wissenschaftlicher Kriterien gewichtet wer-
den.

Drucksache 18/10659 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Für den Fall, dass sich die Bundesregierung mit diesen Forderungen nicht durch-
setzen kann, sollen die vorgelegten Rechtsakte im Ständigen Ausschuss für die
Lebensmittelkette und Tiergesundheit bzw. im Rat der Europäischen Union abge-
lehnt und es soll auf eine zügige Überarbeitung des Kommissionsvorschlages ge-
drungen werden, damit ein geeigneter Kriterienkatalog geschaffen wird.

Schließlich soll der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auffordern, den
Deutschen Bundestag umfänglich in die Beratungen des Kriterienentwurfs ent-
sprechend den Regelungen des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundes-
regierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union
einzubeziehen.

B. Lösung
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN.

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Kosten
Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10659
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/10382 abzulehnen.

Berlin, den 14. Dezember 2016

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

Bärbel Höhn
Vorsitzende

Dr. Klaus-Peter Schulze
Berichterstatter

Ulli Nissen
Berichterstatterin

Ralph Lenkert
Berichterstatter

Peter Meiwald
Berichterstatter

Drucksache 18/10659 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Dr. Klaus-Peter Schulze, Ulli Nissen, Ralph Lenkert und
Peter Meiwald

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 18/10382 wurde in der 203. Sitzung des Deutschen Bundestages am 24. November
2016 zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und
zur Mitberatung an den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft sowie den Ausschuss für Gesundheit über-
wiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Der Antrag beinhaltet im Wesentlichen, dass der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auffordern soll, bei
den weiteren Beratungen in der Europäischen Union durchzusetzen, dass auch Chemikalien mit einer vermuteten
endokrinen Schadwirkung beim Menschen als endokrine Disruptoren identifiziert werden. Die Antragsteller füh-
ren aus, dies entspreche auch den wesentlichen Rahmenwerken für die Gefahrstoffeinstufung wie dem global
harmonisierten System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (GHS), und der CLP-Verordnung
(„Classification, Labelling and Packaging“). Der geforderte Nachweis des Wirkmechanismus („mode of action“)
als Voraussetzung einer Einstufung als Endokriner Disruptor soll gestrichen werden.

Außerdem soll der vorsorgeorientierte Ansatz der Pestizid- und Biozid-Verordnung respektiert und so beibehalten
werden, wie er vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen sei. Die Pestizidverordnung sehe eine Ausnahmeregelung
für das Verbot einer Substanz nur dann vor, wenn die Exposition von Menschen gegenüber dieser Substanz ver-
nachlässigbar sei. Dieser gefahrenbasierte Ansatz müsse entsprechend dem breiten wissenschaftlichen Konsens
bei der Identifizierung endokriner Disruptoren beibehalten werden, da er ein zentrales Element der Pestizidver-
ordnung darstelle und dem Vorsorgeprinzip entspreche.

Darüber hinaus müsse entsprechend der Empfehlung der Europäischen Chemikalienagentur ECHA sichergestellt
sein, dass alle relevanten wissenschaftlichen Studien in die Bewertung einfließen und anhand wissenschaftlicher
Kriterien gewichtet werden, anstatt bestimmte Studien zu präferieren und andere von der Bewertung auszuschlie-
ßen.

Sollte sich die Bundesregierung mit diesen Forderungen nicht durchsetzen, soll der Deutsche Bundestag die Bun-
desregierung auffordern, die vorgelegten Rechtsakte im Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tier-
gesundheit bzw. im Rat abzulehnen und auf eine zügige Überarbeitung des Kommissionsvorschlages zu dringen,
sodass ein geeigneter Kriterienkatalog geschaffen wird.

Schließlich soll der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auffordern, den Deutschen Bundestag umfänglich
in die Beratungen des Kriterienentwurfs entsprechend den Regelungen des Gesetzes über die Zusammenarbeit
von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union einzubeziehen.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft hat in seiner 69. Sitzung am 30. November 2016 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache 18/10382 abzulehnen.

Der Ausschuss für Gesundheit hat in seiner 97. Sitzung am 14. Dezember 2016 mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN emp-
fohlen, den Antrag auf Drucksache 18/10382 abzulehnen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/10659
IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat den Antrag auf Drucksache 18/10382 in
seiner 99. Sitzung am 14. Dezember 2016 abschließend beraten.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN äußerte, bisher habe es wenig Unterstützung für die Vorschläge der
EU-Kommission zum Umgang mit hormonell wirksamen Giftstoffen gegeben. Auf der anderen Seite sei die auch
von Deutschland vorgebrachte Kritik an dem Vorschlag der EU-Kommission aus Sicht der Fraktion noch nicht
weitgehend genug. Die EU-Kommission höhle schon jetzt das Vorsorgeprinzip im Vorgriff auf die geplanten
Freihandelsabkommen TTIP und CETA aus. Es würden Formulierungen gewählt, die ein Verbot einzelner Stoffe
fast unmöglich machten; zudem würden nicht zumutbare Beweisführungspflichten vorgeschlagen. Auch die
Überarbeitung des ursprünglichen Entwurfs durch die EU-Kommission ändere daran nichts. Die Fraktion forderte
die Bundesregierung auf, gegenüber der EU-Kommission eine eindeutige Position zur Biozidverordnung und zur
Pestizidverordnung zu beziehen und sich für die Beibehaltung des in diesen Verordnungen verankerten Vorsor-
geprinzips einzusetzen. Die Langzeitfolgen der hormonell wirksamen Stoffe seien nicht zu unterschätzen und
inzwischen durch viele Studien nachgewiesen, weshalb äußerste Vorsicht angebracht sei.

Die Fraktion der CDU/CSU erklärte, es sei sehr unglücklich, dass die EU-Kommission so lange für die Vorlage
eines neuen Entwurfs brauche. Auch sei kritisch zu bewerten, dass zwei Urteile des EuGH erforderlich gewesen
seien, um Bewegung in das Verfahren zu bringen. Der Antrag benenne viele inhaltlich unterstützenswerte Punkte.
Auf der anderen Seite wolle die EU-Kommission nun doch einen Vorschlag vorlegen, der diskutiert werden müsse
und zu dem sich die beiden zuständigen Ressorts erst noch abstimmen müssten. Die von der Weltgesundheitsor-
ganisation WHO erarbeitete Definition solle weiter verfolgt werden. Die Fraktion empfahl, noch den Entwurf der
EU-Kommission abzuwarten, um dann in die fachliche Diskussion einzusteigen.

Die Fraktion der SPD erklärte, die Wirkungen endokrinschädigender Stoffe auf Menschen, aber auch auf Tiere
seien gewaltig. Hier sei ein Handeln der Europäischen Union überfällig. Die Fraktion setze darauf, dass die EU-
Kommission nun auf Druck der Bundesregierung tätig werde. Zwar stimme die Fraktion der SPD mit wesentli-
chen Punkten des vorliegenden Antrags überein, setze aber eher auf die Chance eines Kompromisses innerhalb
der EU.

Die Fraktion DIE LINKE. führte aus, natürliche oder chemische Stoffe, die die Hormonaktivität bei Men-
schen beeinflussten, seien für Mensch und Tier kritisch zu bewerten. Es bestehe die Sorge, dass die EU-Kommis-
sion hier in vorauseilendem Gehorsam in Bezug auf geplante Freihandelsabkommen das Vorsorgeprinzip opfere.
TTIP und CETA wirkten also schon, bevor sie ratifiziert seien, indem in einem wichtigen Chemikalienbereich
das Vorsorgeprinzip ausgehebelt und auf das sogenannte wissenschaftsbasierte Risikoprinzip umgestellt werde,
ohne jedoch die Haftungsklagemöglichkeiten der USA zu übernehmen. Die Fraktion begrüßte den Antrag der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und erwarte von der Bundesregierung, dass diese in Brüssel das Vorsor-
geprinzip verteidige. Das Vorsorgeprinzip sei aus Sicht der Fraktion nicht verhandelbar.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit beschloss mit den Stimmen der Frakti-
onen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
zu empfehlen, den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 18/10382 abzulehnen.

Berlin, den 14. Dezember 2016

Dr. Klaus-Peter Schulze
Berichterstatter

Ulli Nissen
Berichterstatterin

Ralph Lenkert
Berichterstatter

Peter Meiwald
Berichterstatter

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