BT-Drucksache 18/10623

auf die Kleine Anfrage - Drucksache 18/10450 - Einsatz von Uranmunition durch die US-Armee im Syrien-Krieg

Vom 13. Dezember 2016


Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom
9. Dezember 2016 übermittelt.
Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext.

Deutscher Bundestag Drucksache 18/10623
18. Wahlperiode 13.12.2016

Antwort
der Bundesregierung

auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke,
Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 18/10450 –

Einsatz von Uranmunition durch die US-Armee im Syrien-Krieg

V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r

Die Mehrheit des Deutschen Bundestages hat am 10. November 2016 die Be-
teiligung der Bundeswehr am Krieg in Syrien um ein weiteres Jahr verlängert
(Bundestagsdrucksache 18/9960).

Die US-Regierung hat im Oktober 2016 bestätigt, dass die US-Armee im No-
vember 2015 bei mindestens zwei Luftschlägen in Syrien Munition mit abge-
reichertem Uran verwendet hat. Dies ist lediglich der neuste bekannte Fall in
einer langen Kette von Militäreinsätzen mit Uranmunition, u. a. durch die USA,
Großbritannien, Russland, China, die Türkei, Israel, Pakistan, Saudi Arabien,
die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten und Kuweit (vgl. Bundestags-
drucksache 18/3407).

Der Einsatz von Uranmunition (DU-Munition, Depleted Uranium = Abgerei-
chertes Uran) kann gravierende langfristige Folgen für die Menschen und die
Umwelt haben. Darauf haben bereits sowohl die Weltgesundheitsorganisation
(WHO) im Jahr 2003 als auch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen
(UNEP) 2001 und 2010 hingewiesen.

Nach dem Einschlag von Uranmunition werden aufgrund der dabei entstehen-
den hohen Temperaturen Uran- und Uranoxid-Partikel freigesetzt, die sich weit-
räumig in der Umgebung verbreiten. Die Partikel werden auf verschiedenen
Wegen – Atmung, Nahrungsaufnahme oder Hautkontakt – vom menschlichen
Organismus aufgenommen und können in der Folge erhebliche Gesundheits-
schäden, die durch Weitervererbung auch noch künftige Generationen betreffen,
verursachen. Nach vielen Konflikten, in denen Uranmunition eingesetzt worden
ist, wie z. B. im Golf-Krieg 1991, im ehemaligen Jugoslawien 1995 und 1999,
in Afghanistan seit 2001 oder im Irak-Krieg 2003, wurden medizinische Auf-
fälligkeiten festgestellt, die sich in einen direkten Zusammenhang zur Verwen-
dung von Uranmunition bringen lassen (wie z. B. ein Anstieg der Krebsraten
und der Miss- und Totgeburten oder Trinkwasserverseuchung). In einigen Fäl-
len wurde diese Kausalität auch gerichtlich festgestellt: Ein schottisches Gericht
hat mit der Zuerkennung einer Kriegsrente für den Golfkriegsveteranen Kenny
Duncan im Jahr 2004 die Korrelation zwischen der Verwendung von Uranmu-
nition und besonderen Erkrankungen anerkannt.

http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2016/kw42-de-isis/475506
http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2016/kw42-de-isis/475506
http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2016/kw42-de-isis/475506
Drucksache 18/10623 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Erst im Mai 2016 hat ein Berufungsgericht in Rom einem italienischen Solda-
ten, der zwischen 1998 und 1999 im Rahmen einer Militärmission in Bosnien-
Herzegowina mit abgereichertem Uran in Kontakt gekommen war, 1,8 Mio.
Euro Entschädigung zugesprochen (www.stol.it/Artikel/Politik-im-Ueberblick/
Politik/Tod-wegen-Uran-Munition-Italien-verurteilt). Das Gericht stellt einen
unmissverständlichen Kausalzusammenhang zwischen der Erkrankung des Sol-
daten und dessen Kontakt zur Uranmunition her (www.ilsole24ore.com/
pdf2010/Editrice/ILSOLE24ORE/ILSOLE24ORE/Online/_Oggetti_Embedded/
Documenti/2016/05/20/Vacca.pdf).

Neben den bereits bestehenden, verheerenden Problemen, die aus dem syrischen
Krieg resultieren, kommt nun voraussichtlich noch die Verseuchung durch US-
Uranmunition hinzu.

Die internationale Staatengemeinschaft erkennt zunehmend die verhängnisvol-
len Auswirkungen von Uranmunition an sowie die damit verbundenen mögli-
chen Verletzungen des humanitären Völkerrechts, z. B. die Frage der Verhält-
nismäßigkeit, da aufgrund der Nach- und Nebenwirkungen der Einsatz nicht
unbedingt als „durch militärische Erfordernisse gerechtfertigt“ betrachtet wer-
den kann (Artikel 50 der Haager Landkriegsordnung). In jedem Falle ist der
auch von UNEP 2001 und 2010 anerkannte Vorsorgeansatz („precautionary ap-
proach“) zu beachten, wonach eine Waffe erst dann zum Einsatz kommen darf,
wenn zweifelsfrei belegt ist, dass sie keine Langzeitfolgen für die Umwelt und
für die Gesundheit der Zivilbevölkerung hat.

Leider weigert sich die Bundesregierung bislang, sich der Forderung vieler
Staaten nach einer internationalen Ächtung von Uranmunition zu beteiligen.
Am 1. November 2016 hat sich die Bundesregierung erneut enthalten, als der
Erste Ausschuss zu Abrüstungs- und Fragen der internationalen Sicherheit der
UN-Generalversammlung mehrheitlich eine Resolution beschlossen hat, die
den Weg zur Ächtung von DU ebnen könnte (www.bandepleteduranium.org/
en/unga-first-l63-depleted-uranium-results).

1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Einsatz von mindes-
tens 5 100 Einheiten von Munition mit abgereichertem Uran durch die US-
Armee im November 2015 in Syrien (www.uranmunition.org/die-usa-
bestaetigen-dass-sie-abgereichertes-uran-in-syrien-verschossen-haben/)?

Der Bundesregierung ist die diesbezügliche Presseberichterstattung bekannt. Dar-
über hinaus liegen ihr keine eigenen Erkenntnisse vor.

2. Zu welchem Zeitpunkt und auf welchem Wege hat die Bundesregierung über
den Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran durch die US-Armee im
November 2015 in Syrien Kenntnis erhalten?

Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen.

3. Welche weiteren Einsätze von Munition mit abgereichertem Uran durch die
US-Armee seit 1. Januar 2014 sind der Bundesregierung bekannt (weltweit)?

Der Bundesregierung liegen dazu keine eigenen Erkenntnisse vor.

4. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Einsatz von Munition
mit abgereichertem Uran im Syrien-Krieg sowie im Irak seit 1. Januar 2014,
unabhängig davon, welche Armee oder Miliz sie einsetzt?

Über den Einsatz dieser Waffen in Syrien und dem Irak liegen der Bundesregie-
rung keine eigenen Erkenntnisse vor.

http://www.stol.it/Artikel/Politik-im-Ueberblick/Politik/Tod-wegen-Uran-Munition-Italien-verurteilt
http://www.stol.it/Artikel/Politik-im-Ueberblick/Politik/Tod-wegen-Uran-Munition-Italien-verurteilt
http://www.ilsole24ore.com/pdf2010/Editrice/ILSOLE24ORE/ILSOLE24ORE/Online/_Oggetti_Embedded/Documenti/2016/05/20/Vacca.pdf
http://www.ilsole24ore.com/pdf2010/Editrice/ILSOLE24ORE/ILSOLE24ORE/Online/_Oggetti_Embedded/Documenti/2016/05/20/Vacca.pdf
http://www.ilsole24ore.com/pdf2010/Editrice/ILSOLE24ORE/ILSOLE24ORE/Online/_Oggetti_Embedded/Documenti/2016/05/20/Vacca.pdf
http://www.bandepleteduranium.org/en/unga-first-l63-depleted-uranium-results
http://www.bandepleteduranium.org/en/unga-first-l63-depleted-uranium-results
http://www.uranmunition.org/die-usa-bestaetigen-dass-sie-abgereichertes-uran-in-syrien-verschossen-haben/
http://www.uranmunition.org/die-usa-bestaetigen-dass-sie-abgereichertes-uran-in-syrien-verschossen-haben/
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10623

5. Welche Rolle hat der Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran durch
die US-Armee im November 2015 in Syrien bei den Gesprächen zwischen
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama im
November 2016 in Berlin gespielt?

Zu Inhalten vertraulicher Gespräche der Bundeskanzlerin und von Mitgliedern
des Bundeskabinetts mit Vertretern ausländischer Regierungen äußert sich die
Bundesregierung grundsätzlich nicht.

6. Inwieweit hat die Bundesregierung in bilateralen Gesprächen, auf NATO-
und UN-Ebene, sowie im Kreise der Teilnehmer-Staaten der „Operation In-
herent Resolve“ den Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran durch
die US-Armee im November 2015 in Syrien thematisiert?

Der Bundesregierung liegen keine eigenen Erkenntnisse über einen solchen Ein-
satz vor. Dementsprechend war dieser auch nicht Thema von Gesprächen.

7. Welche Entschädigungsleistungen an die syrische Zivilbevölkerung plant
die US-Regierung nach Kenntnis der Bundesregierung aufgrund der zu er-
wartenden Probleme in den Bereichen Umwelt und Gesundheit (https://
nwoobserver.wordpress.com/2009/11/15/huge-rise-in-birth-defects-in-falluja/),
und inwieweit wird sich US-Bündnispartner Deutschland an dieser Entschä-
digung bzw. an Hilfsmaßnahmen beteiligen?

Der Bundesregierung liegen keine eigenen Erkenntnisse über diesbezügliche
Pläne vor.

8. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Soldatinnen und Soldaten der
Bundeswehr im Rahmen ihres Einsatzes in der Türkei und in Syrien („Ope-
ration Inherent Resolve“) mit abgereichertem Uran in Kontakt kommen, be-
reits in Kontakt gekommen sind bzw. noch Kontakt haben werden?

Der Bundesregierung liegen keine Informationen über Kontakte von Soldatinnen
und Soldaten der Bundeswehr mit abgereichertem Uran im Rahmen ihres Einsat-
zes im Rahmen der Operation Inherent Resolve vor.

Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen.

9. Welche Maßnahmen ergreift die Bundeswehr zum Schutz der Bundeswehr-
angehörigen vor abgereichertem Uran im Rahmen von „Operation Inherent
Resolve“?

Bundeswehrangehörige werden in der lehrgangsgebundenen einsatzlandspezifi-
schen Ausbildung über möglicherweise zu treffende Schutzmaßnahmen unter-
richtet.

10. Wie bewertet die Bundesregierung ihr Abstimmungsverhalten im Ersten
Ausschuss zu Abrüstungs- und Fragen der internationalen Sicherheit der
UN-Generalversammlung am 1. November 2016 angesichts des neuerlichen
Bekanntwerdens eines Einsatzes von Uranmunition (www.irinnews.org/
analysis/2016/10/06/exclusive-iraq-war-records-reignite-debate-over-us-use-
depleted-uranium)?

Die von Indonesien und den anderen Staaten im Jahr 2016 in die VN-Generalver-
sammlung eingebrachte Resolution zu den „Auswirkungen des Einsatzes von
Waffen und Munition, die abgereichertes Uran enthalten“ konnte durch die Bun-
desregierung nicht unterstützt werden, da sie den aktuellen Forschungsstand zum

https://nwoobserver.wordpress.com/2009/11/15/huge-rise-in-birth-defects-in-falluja/
https://nwoobserver.wordpress.com/2009/11/15/huge-rise-in-birth-defects-in-falluja/
http://www.irinnews.org/analysis/2016/10/06/exclusive-iraq-war-records-reignite-debate-over-us-use-depleted-uranium
http://www.irinnews.org/analysis/2016/10/06/exclusive-iraq-war-records-reignite-debate-over-us-use-depleted-uranium
http://www.irinnews.org/analysis/2016/10/06/exclusive-iraq-war-records-reignite-debate-over-us-use-depleted-uranium
Drucksache 18/10623 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Thema (u. a. aus Untersuchungen des Umweltprogramms der Vereinten Natio-
nen, der Internationalen Atomenergiebehörde, der Weltgesundheitsorganisation
und der Europäischen Union) nicht angemessen widerspiegelt. Auch die Kern-
aussage des Berichtes des Wissenschaftlichen Ausschusses der Vereinten Natio-
nen zur Untersuchung der Auswirkungen der atomaren Strahlung von Anfang Juli
2016 (Dokumentnummer A/71/46), dass Reste von abgereichertem Uran in der
Umwelt kein nachgewiesenes radiobiologisches Risiko für die Bevölkerung vor
Ort darstellen, war in der Resolution nicht berücksichtigt worden. In den Ver-
handlungen konnte trotz der Bemühungen der Bundesregierung keine dem wis-
senschaftlichen Stand angemessene Darstellung erreicht werden. Aus diesem
Grund hatte sich Deutschland bereits bei der Abstimmung zur Vorgängerresolu-
tion im Jahr 2014 enthalten und diese Position im Jahr 2016 ebenso wie andere
EU-Partner beibehalten.

11. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem neuerlichen Be-
kanntwerden eines Einsatzes von Uranmunition für ihre künftige Positionie-
rung zur Ächtung von Munition mit abgereichertem Uran?

Die Bundesregierung nimmt die sachliche Auseinandersetzung um mögliche
Auswirkungen des Einsatzes von Munition mit abgereichertem Uran sehr ernst
und verfolgt Forschungsergebnisse renommierter Wissenschaftler und unabhän-
giger Forschungsinstitute hierzu aufmerksam. Das Institut für Radiobiologie der
Bundeswehr wertet mit Partnerforschungseinrichtungen fortlaufend aktuelle Pub-
likationen zu diesem Thema aus. Auf der Grundlage dieser Studien liegt bisher
kein wissenschaftlicher Beweis zur erhöhten Schädlichkeit von abgereichertem
Uran für die Bevölkerung vor. Daher sieht die Bundesregierung aktuell keinen
Anlass, ihre Positionierung zu ändern.

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Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

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