BT-Drucksache 18/10619

Kooperation der Bundesregierung mit privaten Stiftungen am Beispiel der Bill, Hillary and Chelsea Clinton Foundation

Vom 9. Dezember 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10619
18. Wahlperiode 09.12.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Niema Movassat, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger,
Andrej Hunko, Katrin Kunert, Dr. Alexander S. Neu und der Fraktion DIE LINKE.

Kooperation der Bundesregierung mit privaten Stiftungen am Beispiel der Bill,
Hillary and Chelsea Clinton Foundation

Anfang November 2016 haben Medienberichte Zahlungen der Bundesregierung
an die Clinton Foundation öffentlich gemacht. Im dritten Quartal 2016, also auf
der Höhe des Wahlkampfs, flossen deutsche Steuergelder in Höhe von bis zu
5 Mio. US-Dollar vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit an die Familienstiftung. Bei dem genannten Betrag handele
es sich um „Finanzierungen im Rahmen der Klimaschutzinitiative“ (IKI). Dem-
nach dienten die deutschen Steuergelder der „Unterstützung von Forst- und Land-
schaftsrenaturierung in Ostafrika“. Dieses Projekt werde mit deutscher Kofinan-
zierung „unmittelbar von der Clinton Foundation in Kenia und Äthiopien durch-
geführt“ (siehe: www.welt.de/wirtschaft/article159791364/Bundesregierung-
zahlte-Millionen-an-Clinton-Stiftung.html).
Dies ist nicht die einzige Finanzierung der Clinton Foundation durch die Bundes-
regierung. Wie aus der Antwort auf die Schriftliche Frage 50 auf Bundestags-
drucksache 18/10551 des Abgeordneten Niema Movassat vom November 2016
hervorging, stellte zudem die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusam-
menarbeit und Entwicklung (GIZ) GmbH im Auftrag des Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) der Clinton Develop-
ment Initiative (DCI) für ein Projekt in Malawi von Juni 2013 bis Mai 2016 bis
zu 2,4 Mio. Euro aus dem Haushalt des BMZ über einen Finanzierungsvertrag
zur Verfügung (siehe: www.clintonfoundation.org/contributors?category=%241
%2C000%2C001%20to%20%245%2C000%2C000&page=1).
Ziel des Projekts war nach Aussage der Bundesregierung, über den Bau und die
Inbetriebnahme von Gesundheitszentren und durch Schulung von Gemeindege-
sundheitsarbeitern rund 500 000 Menschen im ländlichen Malawi Zugang zu es-
sentiellen Gesundheits-, HIV/AIDS- und Ernährungsdiensten zu verschaffen. Die
Bundesregierung schließt in ihrer Antwort aus, dass sie Mittel zur Verfügung ge-
stellt hat, die den Wahlkampf mitfinanziert haben.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung ein weiteres Projekt der Clinton-Stiftung
finanziell unterstützt, in dem es um die „Wiederherstellung von Wald-Ökosyste-
men“ in Indien, Kenia, El Salvador, Mexiko, Vietnam, Uganda und Peru gegan-
gen sei (siehe: www.huffingtonpost.de/2016/11/28/clinton-foundation-bundes-
umweltministerium-zahlungen_n_13275540.html).
Auch wenn die Zuwendungen nichts mit einer unmittelbaren Wahlkampfunter-
stützung zu tun haben, so sind die Verflechtungen der Clinton Stiftung, die mit
einem Jahresbudget von 250 Mio. US-Dollar, 2 000 Mitarbeitern und bis heute
2 Mrd. US-Dollar gesammelten Spenden über eine breite eigene Finanzierung

http://www.welt.de/wirtschaft/article159791364/Bundesregierung-zahlte-Millionen-an-Clinton-Stiftung.html
http://www.welt.de/wirtschaft/article159791364/Bundesregierung-zahlte-Millionen-an-Clinton-Stiftung.html
http://www.clintonfoundation.org/contributors?category=%241%2C000%2C001%20to%20%245%2C000%2C000&page=1
http://www.clintonfoundation.org/contributors?category=%241%2C000%2C001%20to%20%245%2C000%2C000&page=1
http://www.huffingtonpost.de/2016/11/28/clinton-foundation-bundes-umweltministerium-zahlungen_n_13275540.html
http://www.huffingtonpost.de/2016/11/28/clinton-foundation-bundes-umweltministerium-zahlungen_n_13275540.html
Drucksache 18/10619 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

verfügt, zwischen Lobby-Gruppen, Unternehmen und Politik äußerst kritisch zu
bewerten. An die Stiftung fließen Spenden u. a. von Konzernen wie Coca-Cola,
Monsanto, Exxon Mobil und Microsoft. Aber auch umstrittene Millionenbeträge
von Rüstungskonzernen und Rohstoffhändlern finden sich in der Spenderliste
(siehe: www.nzz.ch/nzzas/nzz-am-sonntag/us-wahlen-die-geheimen-geschaefte-
der-clintons-ld.112396).
Von grundsätzlicherer Bedeutung ist der zunehmende Einfluss großer philanth-
ropischer Stiftungen auf die internationale Entwicklungszusammenarbeit, zu de-
nen auch die Clinton Foundation zu zählen ist. Philanthropen leisten heute Zah-
lungen in Millionen- bzw. Milliardenhöhe, bestimmen das Agenda-Setting auf
Konferenzen und haben einen immensen Gestaltungsspielraum inne, den früher
nur Staatschefs besaßen. Die Bundesregierung begrüßt und unterstützt die zuneh-
mende Rolle von Philanthropen in der Entwicklungszusammenarbeit. Mit Aus-
gaben der Bill und Melinda Gates Foundation (BMGF) in Höhe von 3,9 Mrd. US-
Dollar im Jahr nähern diese sich dem Entwicklungshaushalt westlicher Industrie-
staaten an.
Im Jahr 2011 haben das BMZ und Entwicklung und die BMGF mit der Unter-
zeichnung eines Memorandum of Understanding (MoU) gemeinsame Ziele, Prin-
zipien und Methoden ihrer entwicklungspolitischen Zusammenarbeit in den Be-
reichen Gesundheit, Wasser, Landwirtschaft und ländliche Entwicklung sowie
Stadtentwicklung und Mikrofinanzen etabliert. Die Bundesregierung attestiert
den privaten Stiftungen mehr Risikofreudigkeit. Außerdem „gelinge es ihnen
häufig, die breite Öffentlichkeit noch stärker für globale Themen zu interessie-
ren“, beschreibt das BMZ ihre Kooperation mit rund 60 privaten und Unterneh-
mensstiftungen, für sie eine eigens gegründete Beratungsstelle betreibt (siehe
www.bmz.de/de/ministerium/wege/bilaterale_ez/akteure_ez/private-stiftungen-
und-philanthropie/index.html).
Diese Verzahnung von philanthropischem Kapital, multinationalen Unterneh-
men, Regierungen und Entwicklungsprojekten sowie Multi-Akteurspartnerschaf-
ten nimmt seitdem weiter zu und wurde in aktuellen Studien kritisch ausgewertet.
Zu bemängeln ist, dass oft an UN-Institutionen und Regierungen in den Partner-
ländern vorbei agiert wird. Ferner stellen Kritiker fest, dass der weltweite Einfluss
von einigen wenigen Privatpersonen, die ihre Milliarden zweckgebunden für
wohltätige Zwecke einsetzen, Ausdruck der zunehmend ungleichen Vermögens-
verteilung weltweit ist. Begünstigt durch eine Steuerpolitik, die das Vermögen
der Superreichen in den letzten Jahren zulasten mittlerer und armer Bevölke-
rungsschichten stark hat ansteigen lassen, sind sie eine Folge der neoliberalen
Wirtschaftspolitik weltweit (www.globalpolicy.org/images/pdfs/GPFEurope/
Philanthropic_Power_online.pdf).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Mit welcher Begründung hat die Bundesregierung die Entscheidung getrof-

fen, einer privaten amerikanischen Stiftung mit einem Jahresbudget von
250 Mio. US-Dollar und umstrittenen Spenden von großen internationalen
Konzernen, wie Coca-Cola, Monsanto und Goldman Sachs, von deutschen
Steuergeldern finanzierte und der Entwicklungszusammenarbeit dienende
Beträge in Millionenhöhe zu überweisen?

2. Wie ist der Zeitpunkt der Kooperation ausgerechnet im Wahljahr 2016 zu
erklären?

3. Welche besondere entwicklungspolitische Expertise weist die Clinton Stif-
tung auf, die andere mögliche Partnerorganisationen nicht aufweisen?

http://www.nzz.ch/nzzas/nzz-am-sonntag/us-wahlen-die-geheimen-geschaefte-der-clintons-ld.112396
http://www.nzz.ch/nzzas/nzz-am-sonntag/us-wahlen-die-geheimen-geschaefte-der-clintons-ld.112396
http://www.bmz.de/de/ministerium/wege/bilaterale_ez/akteure_ez/private-stiftungen-und-philanthropie/index.html
http://www.bmz.de/de/ministerium/wege/bilaterale_ez/akteure_ez/private-stiftungen-und-philanthropie/index.html
http://www.globalpolicy.org/images/pdfs/GPFEurope/Philanthropic_Power_online.pdf
http://www.globalpolicy.org/images/pdfs/GPFEurope/Philanthropic_Power_online.pdf
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10619
4. Sind der Bundesregierung die zahlreichen Skandale rund um die Clinton Stif-
tung bekannt, insbesondere Hinweise darauf, dass gegen Spenden an die Stif-
tung Termine mit Hillary Clinton vermittelt wurden (siehe www.zeit.de/
politik/ausland/2016-08/hillary-clinton-e-mails-leaks-stiftung-spender), und
wie bewertet sie dieses Faktum?

5. In welchem Zeitraum und in welcher Höhe hat die Bundesregierung das Pro-
jekt zur „Wiederherstellung von Wald-Ökosystemen“ in Indien, Kenia, El
Salvador, Mexiko, Vietnam, Uganda und Peru ebenfalls in Kooperation mit
der Clinton Foundation finanziert?

6. Wurden diese drei und möglicherweise andere Kooperationsprojekte mit der
Clinton Foundation bereits intern und/oder extern evaluiert, und falls nein,
mit welcher Begründung wurde keine interne und/oder externe Evaluation
vorgenommen?

7. Mit welcher Begründung hat die GIZ im Auftrag des BMZ den Finanzie-
rungsvertrag für das Projekt der Clinton Foundation in Malawi die Finanzie-
rung abgewickelt, wenn doch die GIZ als Durchführungsorganisation und
nicht als Entwicklungsbank fungiert (siehe: www.giz.de/de/mediathek/416
08.html)?

8. Gibt oder gab es neben den oben erwähnten drei Fällen noch weitere Finan-
zierungen der Clinton Stiftung durch die Bundesregierung, und sind weitere
Kooperationen mit der Stiftung geplant (bitte Projekte und Höhe der Finan-
zierung auflisten)?

9. Wieso finanziert die Bundesregierung anstelle von großen, privaten, meist
US-Stiftungen nicht direkt kleinere Nichtregierungsorganisationen (NGOs)
und Projektpartner in den Ländern selbst?

10. Mit welcher Begründung informiert die Bundesregierung jenseits von Ant-
worten auf Schriftliche Fragen, Mündliche Fragen und Kleine Anfragen
nicht transparenter über aktuelle Partnerschaften und Kooperationen, z. B. in
Form von öffentlichen Listen?

11. Ist eine externe Evaluation der Kooperation der Bundesregierung mit priva-
ten Stiftungen geplant, und falls nicht, wieso nicht?

12. Wann und in welchem Rahmen hat die Bundesregierung ein MoU mit der
Clinton Foundation abgeschlossen, und welche Inhalte umfasst es (bitte im
Detail auflisten)?

13. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der von ihr festgestell-
ten Sorge, dass „die WHO in einem immer stärker werdenden Maß abhängig
von einer kleinen Anzahl von Gebern geworden ist“ (siehe Antwort der Bun-
desregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/8714,
Frage 24)?

14. In welcher Höhe finanziert die Bundesregierung Gespräche, Reisen, Besuche
von Vertretern privater Stiftungen wie Bill und Melinda Gates nach Berlin
(bitte Auflistung der Finanzierungen solcher Reisen und Besuche seit dem
Jahr 2005 für alle privaten Stiftungen, mit denen im Bereich der Entwick-
lungszusammenarbeit kooperiert wird und die ihren Sitz in Industrieländern
haben)?

15. Teilt die Bundesregierung die Sorge der Fragesteller über eine gefährliche
Vermischung von öffentlichen Geldern, Unternehmensinteressen und Politik
am Beispiel der Clinton Stiftung, die auch Spenden von Konzernen wie
Coca-Cola, Monsanto, Exxon Mobil oder Microsoft, aber auch umstrittene
Millionenbeträge von Rüstungskonzerne und Rohstoffhändlern erhält?

http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-08/hillary-clinton-e-mails-leaks-stiftung-spender
http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-08/hillary-clinton-e-mails-leaks-stiftung-spender
http://www.giz.de/de/mediathek/41608.html
http://www.giz.de/de/mediathek/41608.html
Drucksache 18/10619 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

16. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Risiko, dass pri-

vate oder Unternehmensstiftungen durch ihre Machtkonzentration im Be-
reich der Entwicklungszusammenarbeit demokratische Prozesse konterka-
rieren könnten?

17. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Umstand,
dass immer mehr zweckgebundene Gelder an die WHO und die UN fließen
und diese somit abhängig von einer kleinen Anzahl von Gebern werden?

18. Mit welchen konkreten Mechanismen plant die Bundesregierung eine stär-
kere Kontrolle und Transparenz in den Verwaltungsgremien der WHO?

19. Mit welchen privaten Stiftungen mit Sitz in Industrieländern wurden durch
die Bundesregierung seit dem Jahr 2009 im Rahmen der Entwicklungszu-
sammenarbeit kooperiert (bitte Auflistung der Stiftungen, der Projekte, des
Zeitraums und der Projektsummen)?

20. Wie hoch ist der jährliche Gesamtbetrag der insgesamt an private Stiftungen
geflossenen Gelder aus dem Entwicklungshaushalt (bitte seit dem Jahr 2009
auflisten)?

21. Welchen Anteil betragen die Gelder aus dem BMZ an private Stiftungen am
Gesamthaushalt des Einzelplans 23 (bitte die jährlichen Gesamtbeträge seit
dem Jahr 2009 auflisten)?

Berlin, den 9. Dezember 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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