BT-Drucksache 18/10611

zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Steffi Lemke, Peter Meiwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/8398 - Verbindliche Umwelt- und Sozialstandards in der internationalen Palmölproduktion verankern

Vom 12. Dezember 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10611
18. Wahlperiode 12.12.2016

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(19. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Steffi Lemke, Peter Meiwald,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/8398 –

Verbindliche Umwelt- und Sozialstandards in der internationalen
Palmölproduktion verankern

A. Problem
Palmöl ist das meistproduzierte Pflanzenöl weltweit. Die Produktion hat sich seit
1990 auf über 58 Millionen Tonnen nahezu versechsfacht. Dieser Boom geht mit
gravierenden sozialen und ökologischen Konsequenzen einher, wovon besonders
Schwellen- und Entwicklungsländer, die die wichtigsten Anbaugebiete zur Ver-
fügung stellen, betroffen sind. 85 % des weltweit gehandelten Palmöls werden in
Indonesien und Malaysia produziert. Für den Palmölanbau wurden seit 1990 25 %
der vorhandenen Waldflächen Indonesiens zerstört, unter anderem die ökologisch
wertvollen Torf- und Regenwälder. Hinzu kommen Folgeschäden durch den mas-
siven Einsatz von Dünger und Herbiziden. Nur 0,1 % des weltweit hergestellten
Palmöls stammt aus ökologischem Anbau. Darüber hinaus bedroht der Ausbau
der Plantagen durch Agrarkonzerne die traditionelle kleinbäuerliche Landbewirt-
schaftung und gefährdet damit die Ernährungssouveränität. Immer wieder kommt
es im Kontext von Landerschließungen zu Menschenrechtsverletzungen, der Be-
drohung und Ermordung von Aktivistinnen und Aktivisten, der Missachtung von
Arbeitsrechten und der Landrechte indigener Minderheiten.

Kritiker der Palmölproduktion monieren, dass das derzeit größte freiwillige Zer-
tifizierungssystem, der Runde Tisch für Nachhaltiges Palmöl (Round Table for
Sustainable Palmoil, RSPO), mit zu schwachen Standards arbeite und aufgrund
lückenhafter Kontroll- und Beschwerdemechanismen sowie fehlender Transpa-
renz relativ unwirksam sei.

Der Europäischen Union (EU), mit 5,67 Millionen Tonnen pro Jahr der drittgrößte
Importeur von Palmöl weltweit, kommt besondere Verantwortung zu. Die Ein-
führung verbindlicher Umwelt- und Sozialstandards für Palmölimporte in die EU

Drucksache 18/10611 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
sowie die Einrichtung eines unabhängigen Kontroll- und Beschwerdemechanis-
mus auf europäischer Ebene sind nach Auffassung der Antragsteller längst über-
fällig.

B. Lösung
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Kosten
Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10611
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/8398 abzulehnen.

Berlin, den 30. November 2016

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Dagmar G. Wöhrl
Vorsitzende

Peter Stein
Berichterstatter

Stefan Rebmann
Berichterstatter

Niema Movassat
Berichterstatter

Uwe Kekeritz
Berichterstatter

Drucksache 18/10611 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Peter Stein, Stefan Rebmann, Niema Movassat und Uwe
Kekeritz

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache 18/8398 in seiner 184. Sitzung am 08.07.2016 beraten
und an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur federführenden Beratung und an
den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, den Finanzausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft und Ener-
gie, den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, den Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, den
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und den Ausschuss für Menschenrechte und hu-
manitäre Hilfe zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Die Bundesregierung wird von den Antragstellern aufgefordert, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass Palm-
ölimporte in die EU an verbindliche Umwelt- und Sozialstandards geknüpft werden, die mindestens die Kriterien
der Charter der Palm Oil Innovations Group (POIG), einem Zusammenschluss von Zivilgesellschaft (Greenpeace,
Forest Peoples Programme u. a.) und Unternehmen, erfüllen.

Darüber hinaus soll sie auf EU-Ebene darauf hinwirken, dass ein unabhängiger Kontroll- und Beschwerdemecha-
nismus eingerichtet wird, der die Einhaltung dieser Standards gewährleistet. Biogene Kraftstoffe aus Palmöl sol-
len für die Erreichung der Klimaziele im Rahmen der Erneuerbare-Energien-Richtlinie und der Kraftstoffquali-
tätsrichtlinie nicht mehr anrechenbar sein. Innerhalb der EU soll die Kennzeichnungspflicht für Palmöl auf Kos-
metika, Wasch- und Reinigungsmittel, biogene Kraftstoffe sowie Finanzprodukte erweitert werden.

Weiterhin fordern die Antragsteller die Bundesregierung auf, auf nationaler Ebene eine Palmölreduktionsstrategie
zu entwickeln. Darin soll unter anderem die Finanzierung von Waldschutz- und Wiederaufforstungsprojekten
sowie menschenrechtsbasierte Programme zur Förderung kleinbäuerlicher ökologischer Landwirtschaft in palm-
ölproduzierenden Ländern geregelt werden. Bei bilateralen Regierungsverhandlungen soll darauf geachtet wer-
den, dass strengere Standards für die Palmölproduktion gesetzt und schützenswerte Torf- und Regenwaldflächen
kartografisch erfasst werden.

Flankierend dazu sollen Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit gefördert werden, mit denen gewerk-
schaftliche Organisationen auf Palmölplantagen gestärkt und Schutzprogramme für Regenwälder und Torfböden
ins Leben gerufen werden. Schließlich soll die Bundesregierung eine Übersicht aller mit Mitteln der Entwick-
lungszusammenarbeit geförderten Palmölprojekte erstellen und diese einer kritischen Überprüfung unterziehen.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat die Vorlage 18/8398 in seiner 122. Sitzung am
30.11.2016 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des
Antrags.

Der Finanzausschuss hat die Vorlage 18/8398 in seiner 95. Sitzung am 30.11.2016 beraten und empfiehlt mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD bei einer Stimmenthaltung aus der Fraktion der CDU/CSU
gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.
die Ablehnung des Antrags.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat die Vorlage 18/8398 in seiner 96. Sitzung am 30.11.2016 beraten
und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des Antrags.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/10611
Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft hat die Vorlage 18/8398 in seiner 69. Sitzung am
30.11.2016 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen
der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags.

Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur hat die Vorlage 18/8398 in seiner 90. Sitzung am
30.11.2016 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des
Antrags.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat die Vorlage 18/8398 in seiner 98.
Sitzung am 30.11.2016 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des
Antrags.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe hat die Vorlage 18/8398 in seiner 74. Sitzung am
30.11.2016 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des
Antrags.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat die Vorlage in seiner 71. Sitzung
am 30. November 2016 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. die Ab-
lehnung des Antrags.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärt, mit ihrem Antrag habe sie ein Problem thematisiert, welches
inzwischen große Dimensionen angenommen habe: Allein zwischen Juni und November 2015 seien in Indonesien
1,8 Millionen Hektar Wald brandgerodet worden, um darauf Palmölplantagen anzulegen. Diese Problematik finde
man auch andernorts, etwa in Malaysia, in Lateinamerika und in Afrika. Zum einen führe der Palmölanbau durch
den Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln zu ökologischen Problemen beim Wasser und bei der Biodiversität,
zum anderen gefährde er die Erreichung der vereinbarten Klimaschutzziele. Alle bisher von der EU in Auftrag
gegebenen Gutachten bestätigten, dass Palmöl in der CO2-Bilanz doppelt bis dreifach so schädlich wie herkömm-
lich verwendetes Dieselöl sei. Trotzdem habe man infolge des Einflusses der Agrarlobby Biodiesel jahrelang
subventioniert. Darüber hinaus würden sich im Kontext der Nachfrage nach sehr großen nutzbaren Landflächen
in einer Größenordnung von Hunderttausenden Hektar menschenrechtliche Konflikte ergeben. Vielerorts würden
die dort lebenden Menschen von ihrem Land gewaltsam vertrieben. Man beantrage nicht, die schon vorhandenen
Palmölplantagen abzuschaffen, sondern fordere die Bundesregierung auf, auf nationaler und europäischer Ebene
ein Konzept vorzulegen, wonach nur noch zertifiziertes Palmöl zugelassen werden dürfe. Die bisherigen Bemü-
hungen in diese Richtung, wie beispielsweise das Forum Nachhaltiges Palmöl (FONAP), halte man für unzu-
reichend, weil die Standards zu niedrig und die Kontrollen zu schwach seien. Ein vorbildliches Zertifizierungs-
system sei das System von POIG, ein Zusammenschluss von Zivilgesellschaft und Unternehmen, bei der auch
Greenpeace mitmache.

Die Fraktion der CDU/CSU wendet ein, man müsse zuerst einmal bei den Standards und Zertifizierungen an-
setzen. Im Antrag selbst werde eingeräumt, dass die eingeführte Menge an Palmöl nur 8,5 bis 9 % des Weltver-
brauchs ausmache und Deutschland weniger als 3 % importiere; die Hälfte davon stamme aus nachgewiesener-
maßen zertifiziertem Anbau. Insofern sei der Einfluss Deutschlands auf das Geschehen relativ gering. Wenn die
Antragsteller auf kleinbäuerliche Strukturen abheben würden, sei das insofern kontraproduktiv, weil bei einer
Reduzierung des Anbaus zuerst die Kleinbauern und weniger die Großbetriebe betroffen wären. Der Hinweis auf
die CO2-Bilanz sei irreführend, da biogene Ersatzstoffe wesentlich schlimmere Auswirkungen für die Umwelt
und die Natur zur Folge haben würden. Wenn man einen Hektar Anbaufläche für Palmöl ersetzen wolle, müsse
man fünf bis acht Hektar für den Anbau von anderen Pflanzenölen reservieren. Selbst die von den Antragstellern
geforderte Kennzeichnung finde längst auf freiwilliger Basis statt. Vor diesem Hintergrund werde man den Antrag
ablehnen.

Drucksache 18/10611 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Die Fraktion der SPD schließt sich der Einschätzung der Fraktion der CDU/CSU an. Mit dem Antrag würden
teilweise sinnvolle Forderungen gestellt, insgesamt aber seien sie deutlich überzogen. So habe beispielsweise
FONAP 50 Mitglieder, den kritischen World Wild Life Fund (WWF). Dieser mache beim Textilbündnis nicht
mit, weil er die Kriterien als nicht ausreichend bewerte. Das zeige, dass FONAP sich auch dem richtigen Weg
befinde. Insgesamt seien die Initiativen ein lobenswertes Vorhaben, darum werde man den Antrag ablehnen.

Die Fraktion DIE LINKE. erklärt, der Antrag sei in der Analyse sehr gut, gehe aber mit seinen politischen
Forderungen nicht weit genug, um damit die Probleme beim Palmölanbau grundlegend zu lösen. Es bräuchte
effektivere Mittel, damit die ungebremste Nachfrage reduziert werde. Zertifizierungen würden nur dazu führen,
dass irgendwann in Europa ein „Premium-Palmöl“ angeboten würde, woanders in der Welt aber alles so weiter-
laufe wie bisher und der „Flächenfraß“ nicht gestoppt werde. Darum werde man sich bei der Abstimmung enthal-
ten.

Berlin, den 30. November 2016

Peter Stein
Berichterstatter

Stefan Rebmann
Berichterstatter

Niema Movassat
Berichterstatter

Uwe Kekeritz
Berichterstatter

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