BT-Drucksache 18/10521

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksachen 18/9985, 18/10351, 18/10444 Nr.1.9 - Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes

Vom 30. November 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10521

18. Wahlperiode 30.11.2016

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung

– Drucksachen 18/9985, 18/10351, 18/10444 Nr. 1.9 –

Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes

A. Problem

Der Gesetzgeber ist bei Vorliegen einer neuen Einkommens- und Verbrauchs-
stichprobe (EVS) nach § 3 Absatz 5 des Asylbewerberleistungsgesetzes
(AsylbLG) verpflichtet, die Höhe des Bargeldbedarfs und des notwendigen Be-
darfs neu zu ermitteln. Dies verlangt auch das Urteil des Bundesverfassungsge-
richts (BVerfG) vom 18. Juli 2012, das den Gesetzgeber zu einer transparenten
und bedarfsgerechten Bemessung der Leistungssätze und deren Fortschreibung
verpflichtet.

B. Lösung

Die Bedarfssätze der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG werden auf Basis der
EVS 2013 und des Regelbedarfsermittlungsgesetzes (RBEG) verfassungskon-
form ermittelt und ausgestaltet. Die Bedarfsstufen für Erwachsene nach dem
AsylbLG würden unter Berücksichtigung der Anpassung der Regelbedarfsstufen
im RBEG neu strukturiert, wird in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung er-
läutert. Dabei werde im AsylbLG wegen der abweichenden Bedarfslage eine ge-
sonderte Bedarfsstufe für die Unterbringung in Sammelunterkünften geschaffen.
Die Anteile für Strom und Wohnungsinstandhaltungskosten (Abteilung 4) wür-
den aus den Bedarfssätzen für den notwendigen Bedarf im AsylbLG ausgeglie-
dert, da diese Leistungen im AsylbLG von den Leistungsbehörden – wie der
Hausrat – als Sachleistungen erbracht würden.

Um die Aufnahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit durch Leistungsberechtigte
nach dem AsylbLG bereits zu Beginn ihres Aufenthalts zu fördern, werde eine
dem SGB XII entsprechende Freibetragsregelung bei der Einkommensanrech-
nung für eine ehrenamtliche Tätigkeit im AsylbLG eingeführt.

Im Ausschuss wurden zusätzliche Änderungen beschlossen, wonach die im Ge-
setzentwurf vorgesehene Angleichung der Rechtsstellung beim Rechtskreiswech-
sel vom AsylbLG in das Zweite und Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB II und

Drucksache 18/10521 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

SGB XII) von Ausländern, die als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonven-
tion (GFK) anerkannt werden, an diejenige eines anerkannten Asylberechtigten
auf Personen ausgeweitet werden soll, denen subsidiärer Schutz zuerkannt wurde.
Auch deren Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG soll künftig – ebenso wie
bei Asylberechtigten und Flüchtlingen – bereits mit Ablauf des Monats enden, in
den ihre Anerkennung fällt, ohne dass sie zunächst die Rechtskraft dieser Ent-
scheidung abwarten müssen. Neben einer rein redaktionellen Änderung in der
Neufassung des § 3 AsylbLG wurde außerdem eine ergänzende Änderung der Re-
gelung zur Asylbewerberleistungsstatistik (§ 12 AsylbLG) beschlossen, mit der
klargestellt wird, dass sich die Datenerhebung als Bundesstatistik in Bezug auf
die Empfänger von „anderen Leistungen“ nicht auf die §§ 5a und 5b AsylbLG
bezieht. Denn die darin geregelte Möglichkeit, Leistungsberechtigte zur Teil-
nahme an einer Flüchtlingsintegrationsmaßnahme oder an einem Integrationskurs
zu verpflichten, betrifft keine Leistungen nach dem AsylbLG, weshalb im Rah-
men der Asylbewerberleistungsstatistik hierzu keine statistischen Erhebungen
durchgeführt werden. Schließlich wurde eine Änderung der Regelung zum Kon-
tenabrufverfahren nach § 93 Absatz 8 der Abgabenordnung (AO) beschlossen,
mit der die darin bislang nicht erfassten Träger des AsylbLG in den Kreis der
Abrufberechtigten aufgenommen werden. Die Möglichkeit, die Hilfebedürftigkeit
einer Empfängerin oder eines Empfängers von Sozialleistungen mittels Kontoab-
rufverfahren wird damit auch den Leistungsbehörden nach dem AsylbLG einge-
räumt, um auf diese Weise die Verhinderung von Sozialmissbrauch im AsylbLG
zu erleichtern. Um zugleich die Effizienz des Kontenabrufverfahrens auch in Zu-
kunft zu gewährleisten, wird dieses bisher überwiegend schriftlich durchgeführte
Abrufverfahren für alle Abrufberechtigten – also u. a. auch für die Jobcenter und
die Sozialämter – durch ein obligatorisch zu verwendendes elektronisches Abruf-
verfahren ersetzt.

Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksachen 18/9985, 18/10351 in geän-
derter Fassung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD ge-
gen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN.

C. Alternativen

Keine.

D. Kosten

1. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Die Änderung beim Rechtskreiswechsel für Personen, die als subsidiär Schutz-
berechtigte anerkannt werden, führt beim Bund zu Mehrausgaben in einer Grö-
ßenordnung von 750 000 Euro je Jahr; die Länder werden im entsprechenden Um-
fang entlastet.

2. Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Bei der Angleichung des Rechtskreiswechsels von Personen, denen subsidiärer
Schutzbedarf zuerkannt worden ist, an denjenigen von Asylberechtigten und an-
erkannten Flüchtlingen entsteht für Länder und Kommunen ein geringfügiger ein-
maliger Umstellungsbedarf. Langfristig sinkt der Erfüllungsaufwand aufgrund
der mit der Rechtsangleichung verbundenen Rechtsvereinfachung.

Den Trägern der Leistungen nach dem AsylbLG entsteht durch das Kontenabruf-
verfahren ein geringfügiger einmaliger Mehraufwand. Bei den in § 93 Absatz 8

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10521

Satz 1 Nummer 1 bis 5 AO genannten Trägern von Leistungen sowie den Be-
darfsträgern, die Kontenabrufersuchen nach § 93 Absatz 8 Satz 2 AO tätigen, ent-
steht, soweit sie von der bisher zulässigen Möglichkeit eines schriftlichen Kon-
tenabrufverfahrens Gebrauch gemacht haben, durch die Umstellung auf das obli-
gatorische elektronische Kontenabrufverfahren ein nicht bezifferbarer einmaliger
Mehraufwand, wenn nicht das Bundeszentralamt für Steuern jeweils Ausnahmen
von der elektronischen Übermittlung erteilt. Beim Bundeszentralamt für Steuern
ergibt sich durch die erforderliche elektronische Anbindung der Abrufberechtig-
ten ein geringer einmaliger Mehraufwand, der durch den Wegfall des papierge-
bundenen Anfrageverfahrens kompensiert wird. Beim Informationstechnikzent-
rum Bund (ITZBund) entstehen keine Mehraufwände, da die Vorkehrungen für
die elektronische Anbindung bereits geschaffen wurden.

Drucksache 18/10521 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Gesetzentwurf auf Drucksachen 18/9985, 18/10351 mit folgenden Maßgaben,
im Übrigen unverändert anzunehmen:

1. Artikel 1 wird wie folgt geändert:

a) Nummer 1 Buchstabe b wird wie folgt gefasst:

b)‚ Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 wird wie folgt gefasst:

2.„ das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Ausländer
als Asylberechtigten oder als Flüchtling nach § 3 des Asylge-
setzes anerkennt oder ihm subsidiären Schutz nach § 4 des
Asylgesetzes zuerkennt oder ein Gericht das Bundesamt zu
einer solchen Anerkennung oder Zuerkennung verpflichtet,
auch wenn die Entscheidung noch nicht unanfechtbar ist.“ ‘

b) In Nummer 4 werden in § 3 Absatz 3 Satz 3 die Wörter „bei Unter-
bringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen,“ gestrichen.

c) Nummer 9 Buchstabe a wird wie folgt gefasst:

‚a) In Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe c wird das Wort „ausschließ-
lich“ gestrichen und wird die Angabe „(§§ 4 bis 6)“ durch die
Angabe „(§§ 4, 5 und 6)“ ersetzt.‘

2. Nach Artikel 1 wird folgender Artikel 1a eingefügt:

‚Artikel 1a

Änderung der Abgabenordnung

§ 93 der Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom
1. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3866; 2003 I S. 61), die zuletzt durch Artikel 3
Absatz 13 des Gesetzes vom 26. Juli 2016 (BGBl. I S. 1824) geändert wor-
den ist, wird wie folgt geändert:

1. Absatz 8 Satz 1 wird wie folgt geändert:

a) In Nummer 4 wird das Wort „und“ durch ein Komma ersetzt.

b) In Nummer 5 wird nach dem Wort „Wohngeldgesetz“ das Wort
„und“ eingefügt.

c) Nach Nummer 5 wird folgende Nummer 6 eingefügt:

„6. der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz“.

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2. Nach Absatz 8 wird folgender Absatz 8a eingefügt:

„(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern
sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich be-
stimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Ab-
satz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern
kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das
Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergeb-
nisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8
gilt entsprechend.“ ‘

Berlin, den 30. November 2016

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Kerstin Griese
Vorsitzende

Jutta Eckenbach
Berichterstatterin

Drucksache 18/10521 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Jutta Eckenbach

A. Allgemeiner Teil

I. Überweisung

1. Überweisung

Der Gesetzentwurf auf Drucksachen 18/9985 ist in der 197. Sitzung des Deutschen Bundestages am 21. Oktober
2016 an den Ausschuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung sowie an den Innenausschuss, den
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, den Haushaltsausschuss sowie den Ausschuss für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend zur Mitberatung überwiesen worden. Der Haushaltsausschuss befasst sich darüber hinaus ge-
mäß § 96 GOBT mit dem Gesetzentwurf. Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung befasst sich
gutachtlich mit der Vorlage.

2. Voten der mitberatenden Ausschüsse

Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner Sitzung am 30. November 2016 beraten und mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN die Annahme des Gesetzentwurfs empfohlen.

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, der Haushaltsausschuss und der Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend haben den Gesetzentwurf in ihren Sitzungen am 30. November 2016 beraten und
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Gesetzentwurfs in der Fassung des vorliegenden Änderungsan-
trages empfohlen.

3. Gutachtliche Stellungnahme

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung hat sich am 20. Oktober 2016 gutachtlich mit dem Ge-
setzentwurf befasst und festgestellt, dass eine Nachhaltigkeitsrelevanz nicht gegeben sei. Die Darstellung der
Nachhaltigkeitsprüfung sei umfassend und plausibel. Eine Prüfbitte wurde daher nicht für erforderlich gehalten.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

In Umsetzung des Regelungsauftrags in § 3 Absatz 5 AsylbLG (bisherige Fassung) wird die Höhe der Geldleis-
tungen für den notwendigen persönlichen Bedarf neu festgesetzt. Die durch diese Geldleistungen abgedeckten
pauschalierten Bedarfe werden dabei ausweislich des Gesetzentwurfs auf der Grundlage der im Regelbedarfs-
Ermittlungsgesetz durchgeführten Sonderauswertungen der neuen EVS 2013 verfassungskonform neu ermittelt
und ausgestaltet. Der Zuschnitt der einzelnen Bedarfsstufen sowie die Zusammensetzung des notwendigen Be-
darfs werden dabei fortentwickelt; neben den notwendigen Anpassungen an die geänderte Regelbedarfsstufensys-
tematik im RBEG tragen diese Änderungen zugleich der besonderen Bedarfslage von Leistungsberechtigten –
speziell bei Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften – Rechnung.

Um das Risiko von Doppelleistungen zu vermeiden, werden die regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben für
Haushaltsenergie und Wohnungsinstandhaltung (Abteilung 4) aus den Leistungssätzen für den notwendigen Be-
darf ausgegliedert. Speziell bei Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften werden diese Bedarfe – vergleich-
bar dem Bedarf an Hausrat – regelmäßig durch Sachleistungen gedeckt. Dieser besonderen Bedarfslage wird
dadurch Rechnung getragen, dass diese Bedarfe zukünftig (ebenso wie der Hausrat) gesondert erbracht werden.

Die Bedarfsstufen für Erwachsene nach dem AsylbLG werden unter Berücksichtigung der in Artikel 1 des RBEG-
E vorgesehenen Neuabgrenzung der Regelbedarfsstufen im RBEG neu strukturiert. Dabei wird im AsylbLG we-
gen der abweichenden Bedarfslage eine gesonderte Bedarfsstufe für erwachsene Leistungsberechtigte geregelt,

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/10521

die während des Bezugs von Grundleistungen in Sammelunterkünften untergebracht sind. Da die besondere Be-
darfssituation während der Gemeinschaftsunterbringung auch nach Ablauf der Wartefrist (nach § 2 Absatz 1
AsylbLG) fortwirkt, wird – abweichend vom RBEG – eine entsprechende spezielle Bedarfsstufe auch für die
Bezieher von Leistungen nach § 2 AsylbLG geschaffen.

Im AsylbLG wird eine Freibetragsregelung für steuerbefreite Einnahmen aus ehrenamtlichen Tätigkeiten auf-
genommen, die der im SGB XII entspricht. Mit dieser Änderung soll – ebenso wie mit den entsprechenden Re-
gelungen im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und SGB XII – das Ehrenamt gestärkt und zugleich der
Anreiz für Asylsuchende und Flüchtlinge erhöht werden, sich bereits in den ersten 15 Monaten ehrenamtlich zu
betätigen.

III. Öffentliche Anhörung von Sachverständigen

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Beratung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/9985 in seiner
91. Sitzung am 21. Oktober 2016 aufgenommen und die Durchführung einer öffentlichen Anhörung von Sach-
verständigen beschlossen. Die Anhörung, in der zugleich das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur
Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch thematisiert wurde, fand in der 95. Sitzung am
28. November 2016 statt. Nicht alle Sachverständigen haben sich zu allen Vorlagen geäußert.

Die Teilnehmer der Anhörung haben schriftliche Stellungnahmen abgegeben, die in der Ausschussdrucksache
18(11)849 zusammengefasst sind.

Folgende Verbände, Institutionen und Einzelsachverständige haben an der Anhörung teilgenommen:

Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände

Bundesagentur für Arbeit

Statistisches Bundesamt

Deutscher Landkreistag

Deutscher Städtetag

Bundesrechnungshof

Deutscher Gewerkschaftsbund

Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V.

Deutscher Caritasverband e. V.

Diakonie Deutschland, Evangelischer Bundesverband, Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V.

Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland

Dr. Andy Groth

Dr. Irene Becker.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) argumentiert, der vorliegende Entwurf
eines Asylbewerberleistungsänderungsgesetzes komme der Verpflichtung nach, bei Vorliegen einer neuen Ein-
kommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), die Regelbedarfe nach SGB II, dem SGB XII und dem Asylbewer-
berleistungsgesetz neu zu ermitteln. Die Regelbedarfe würden in einem transparenten und verfassungsgemäßen
Verfahren ermittelt. Sie deckten das Existenzminimum ab, wahrten den Lohnabstand und würden, wo erforder-
lich, fortentwickelt. Spezifische Bedarfe würden gezielt etwa durch das Bildungs- und Teilhabepaket abgedeckt.
Teilhabe werde nicht nur durch Geldleistungen gesichert. Gerade in der Grundsicherung komme es darauf an,
Bezieher von Grundsicherungsleistungen beim Weg aus der Grundsicherung zu unterstützen und die Anreize für
die Aufnahme einer Beschäftigung zu verbessern.

Die Bundesagentur für Arbeit weist darauf hin, dass § 1 Absatz 3 Nummer 2 dahingehend neu gefasst werde,
dass die Leistungsberechtigung bei Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonven-
tion (GFK) analog der Asylberechtigung bei gerichtlicher Entscheidung mit Ablauf des Monats der Entscheidung

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ende, auch wenn die Entscheidung noch nicht unanfechtbar sei. Bezüglich des Endes der Leistungsberechtigung
nach dem AsylbLG sollten die Flüchtlinge nach der GFK den Asylberechtigten gleichgestellt werden. Für die
Leistungsberechtigung im SGB II bedeute dies bei einer Entscheidung im Verwaltungsverfahren nur eine Klar-
stellung, da aufgrund der geänderten Rechtsauffassung des BMAS zur gespaltenen Behördenentscheidung und
der sich daraus ergebenen Rechtsfolgen zum positiven Teil der Entscheidung die drei Personengruppen Asylbe-
rechtigte, Flüchtlinge nach der GFK und subsidiär Schutzberechtigte bereits gleichbehandelt würden. Die Gleich-
stellung auch hinsichtlich einer gerichtlichen Entscheidung sei zu begrüßen. Die verbleibende Ungleichbehand-
lung der subsidiär Schutzberechtigten bei einer gerichtlichen Entscheidung sollte ebenfalls beseitigt werden, um
Klarheit zu schaffen und Prozesse zu vereinfachen.

Deutscher Landkreistag und Deutscher Städtetag weisen in einer gemeinsamen Stellungnahme darauf hin,
dass die im AsylbLG vorgesehene neue Regelbedarfsstufe in Gemeinschaftsunterkünften in der Praxis unter-
schiedlich bewertet werde. Grundsätzlich werfe die Anbindung an die Wohnform Fragen auf. Bei Unterbringung
von Asylbewerbern außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen sollte Haushaltsenergie nicht zwingend gesondert er-
bracht werden müssen. Insbesondere bei angemietetem Wohnraum würde dies zusätzlichen Verwaltungsaufwand
und Diskussionen um wirtschaftliches Verbrauchsverhalten auslösen. Der Freibetrag für ehrenamtliche Tätigkei-
ten von Asylbewerbern führe zu Verwerfungen mit den Arbeitsgelegenheiten, bei denen eine geringere Auf-
wandsentschädigung vorgesehen sei. Der Zeitplan für beide Gesetzgebungsverfahren sehe eine Verabschiedung
Mitte Dezember 2016 vor. Dies lasse eine verwaltungsmäßige Vorbereitung und Umsetzung zum vorgesehenen
Inkrafttreten vieler Änderungen zum 1.1.2017 nicht zu. Es werde darum gebeten, den Landkreisen und Städten
die erforderliche Vorbereitung zu ermöglichen und das Inkrafttreten zu verschieben.

Der Bundesrechnungshof führt aus, dass § 3 Absatz 5 des AsylbLG den Gesetzgeber verpflichte, die Höhe des
Bargeldbedarfs und des notwendigen Bedarfs ebenfalls dann neu zu ermitteln, wenn eine neue Einkommens- und
Verbrauchsstichprobe (EVS) vorliege. Auch hier habe die Bundesregierung Sonderauswertungen der im Jahr
2013 vorgelegten EVS herangezogen. Die Ausgaben für Leistungen nach dem AsylbLG trügen die Länder und
Kommunen. Die externe Finanzkontrolle obliege damit den Landesrechnungshöfen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert, das soziokulturelle Existenzminimum für alle hier lebenden
Menschen durch eine einheitliche und gleiche Sozialleistung sicherzustellen. Das Grundrecht auf ein menschen-
würdiges Existenzminimum gelte für alle hier lebenden Menschen. Das Asylbewerberleistungsgesetz und Aus-
schlussregelungen für EU-Bürger seien abzuschaffen. Auf Arbeits- und Ausbildungsverbote, Residenzpflicht und
Einweisung in Sammellager sei zu verzichten. Der gleiche Zugang aller hier lebenden Menschen zu existenzsi-
chernden Leistungen sei sicherzustellen. Ausgehend von dieser Grundüberzeugung begrüße der DGB Schritte,
die auf einen Abbau nachteiliger Sonderregelungen im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) und auf eine An-
gleichung des Leistungsniveaus an die Leistungshöhe der Grundsicherung (SGB II, SGB XII) hinwirkten. Auf
die Leistungen nach dem AsylbLG seien Asylsuchende, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen sei, sowie
Geduldete angewiesen. Zentrale Inhalte des vorliegenden Gesetzentwurfs zielten in eine diametral andere Rich-
tung: Das Leistungsniveau werde für eine große Gruppe von Leistungsberechtigten weiter abgesenkt und mit der
Ausweitung der Leistungsgewährung in Form von Sachleistungen würden die Unterschiede zur Grundsicherung
(SGB II/SGB XII) weiter vertieft. Die wesentlichen Änderungen des Gesetzes seien u. a.: Leistungsansprüche
würden abgesenkt, indem Leistungsberechtigte in Gemeinschaftsunterkünften generell statt Leistungen nach der
Regelbedarfsstufe 1 (100 %) nur noch Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 2 (90 %) erhielten. Diese Zuord-
nung in die niedrige Regelbedarfsstufe 2 werde auch beibehalten, wenn Leistungsberechtigte nach einer Wartezeit
von 15 Monaten Analogleistungen entsprechend den Leistungen des SGB XII erhielten. Leistungen für Woh-
nungsinstandhaltungskosten und Haushaltsenergie würden aus dem Ansatz für den notwendigen Bedarf heraus-
gerechnet und sollten gesondert, oftmals als Sachleistung, erbracht werden. Die Höhe der Leistungssätze werde
entsprechend der neuen Festsetzung der Regelsätze durch das Regelbedarfsermittlungsgesetz angepasst.

Der Deutsche Caritasverband spricht sich für eine Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes und eine
Überführung der Personengruppen in die Hilfesysteme der Bücher II und XII des Sozialgesetzbuches aus. Die
grundsätzliche Kritik beziehe sich unter anderem darauf, dass das Asylbewerberleistungsgesetz die Teilhabe der
Leistungsberechtigten am gesellschaftlichen Leben in Deutschland erschwere. In der Praxis seien Mitarbeitende
der Caritas zudem häufig mit den negativen Auswirkungen auf den Gesundheitszustand durch die beschränkte
Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz konfrontiert. In Zeiten, in denen ein breiter Konsens hinsicht-
lich der Notwendigkeit einer frühzeitigen Integration bestehe, greife der Entwurf wichtige Herausforderungen

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nicht auf und erschwere die Teilhabe von Leistungsberechtigten. Zu den Einzelregelungen z. B.: Bereits seit In-
krafttreten des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren blieben einzelne der im RBEG als regelbe-
darfsrelevant ausgewählten Verbrauchsausgaben unberücksichtigt. Auch bei der Neubemessung auf Grundlage
der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013 würden diese nicht berücksichtigt. Betroffen hiervon seien die
Abteilungen 9 (Freizeit, Unterhaltung, Kultur), Abteilung 10 (Bildung) und Abteilung 12 (Sonstige Dienstleis-
tungen). Es sei unzulässig, in dieser Form auf das soziokulturelle Existenzminimum der Betroffenen zuzugreifen.
Die hier in Frage stehenden Teilhabeleistungen gehörten zum individuellen, persönlichen Bedarf und hingen nicht
von der Dauer des Aufenthalts oder einer Bleibeperspektive ab. Sie seien deshalb für die gesamte Dauer des
Aufenthalts in Deutschland zu sichern. Diese Streichung sei auch anhand der Begründung des hier bewerteten
Gesetzentwurfs nicht schlüssig: Wenn an anderer Stelle zu Recht die Bedeutung des Engagements beispielsweise
in Sportvereinen betont werde, sei es nicht plausibel, für eine Kürzung bei Sport- und Musikunterricht sowie der
hierfür benötigten Ausrüstung und Gebrauchsgüter zu argumentieren.

Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland kritisiert, dass die von der Bundesregierung in ihrem Entwurf eines
Dritten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes vorgeschlagenen Regelungen den Vorgaben
aus Völker- und Verfassungsrecht nicht gerecht würden. Vor allem werde nicht ausreichend dargelegt und in
einem transparenten Verfahren nachgewiesen, dass die Bedarfe der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG
sich signifikant von denjenigen anderer Hilfeempfänger unterschieden. Der vorgesehene Umfang der Leistungen
nach dem AsylbLG entspreche nicht dem tatsächlichen Hilfebedarf. Das Gesetz lege somit die Leistungen nicht
auf der Grundlage einer realitätsgerechten, am tatsächlichen Bedarf der Betroffenen orientierten und schlüssigen,
nachvollziehbaren Berechnung fest. Stattdessen seien es erkennbar migrationspolitische Erwägungen, die die
Hauptrolle bei den Erwägungen gespielt hätten. Die Einführung eines Freibetrages für Aufwandsentschädigungen
aus ehrenamtlicher Tätigkeit sei dagegen zu begrüßen. Allerdings sollten zusätzlich Einnahmen aus einer Tätig-
keit im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Freiwilligen Sozialen Jahres zu den privilegierten Ein-
künften zählen. Ferner behebe der Gesetzentwurf nicht den erheblichen Mangel, dass § 1 AsylbLG weiterhin
Personengruppen mit äußerst unterschiedlichen aufenthaltsrechtlichen Situationen und Lebenssituationen zusam-
menfasse. Es fehle an einer nachvollziehbaren Begründung dafür, dass alle diese Gruppen im Wesentlichen die-
selben Bedürfnisse hätten und weshalb es zwischen diesen Leistungsberechtigten und Empfängern von Leistun-
gen nach dem SGB II/XII signifikante Unterschiede bei den Bedarfssituationen geben solle, die unterschiedliche
Leistungsregelungen rechtfertigten. Der spezifischen Situation von Menschen mit besonderen Bedürfnissen trage
das AsylbLG weiterhin nicht ausreichend Rechnung. Auch liefere der Gesetzentwurf keine nachvollziehbare Be-
gründung für das Beibehalten des AsylbLG.

Der Deutsche Anwaltverein kritisiert, dass, nachdem der existenznotwendige Grundbedarf im Bereich der sozi-
okulturellen Teilhabe bereits zum 17.3.2016 um 10 € gekürzt worden sei, der Gesetzgeber durch die beabsichtigte
Schaffung einer gesonderten Bedarfsstufe für erwachsene Leistungsberechtigte in Sammelunterkünften eine wei-
tere Möglichkeit der Einsparung im Haushalt der Länder und Kommunen finde. Auch die Einführung einer Frei-
betragsregelung für Ehrenamtliche könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Gesetzgeber mit dieser
Neuregelung noch einmal weiter von den Grundsätzen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum
Asylbewerberleistungsgesetz entferne. Der Deutsche Anwaltverein halte auch deswegen weiterhin an seiner For-
derung zur Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes fest. Z. B. zur „besonderen Bedarfssituation“ in Sam-
melunterkünften: Der Gesetzgeber begründe die Annahme von „Einspareffekten“ durch das Zusammenleben in
Sammelunterkünften wie folgt: Wohnraum sowie Küche, Sanitär- und Aufenthaltsräume würden gemeinschaft-
lich genutzt. Im Haushalt vorhandene Gebrauchs- und Verbrauchsgüter würden gemeinsam angeschafft und ge-
nutzt und so Kosten gespart. Haushaltsbezogene Aufwendungen würden – sofern nicht durch Sachleistungen ge-
deckt – nicht von jedem Leistungsberechtigten allein getragen werden. Dies würde etwa die persönlichen Bedarfe
an Mediennutzung betreffen, da Festnetz- und Internetanschlüsse regelmäßig zur gemeinschaftlichen Nutzung
bereitgestellt und nicht selbst angeschafft werden müssten. Darüber hinaus würden sich Einsparungen durch die
Möglichkeit zur gemeinsamen Nutzung oder zum Austausch bei den Bedarfen an Freizeit, Unterhaltung und Kul-
tur ergeben. Zudem bestünden Einspareffekte beim notwendigen Bedarf an Nahrung, indem Lebensmittel oder
zumindest der Küchengrundbedarf gemeinsam eingekauft und gemeinsam genutzt würden. Diese Darstellung von
Einspareffekten beruhe nicht auf einer fundierten, mit belastbaren Zahlen erhobenen Untersuchung über das Zu-
sammenleben erwachsener Leistungsberechtigter in einer Sammelunterkunft, sondern auf einer freihändigen Ein-
schätzung des Gesetzgebers ohne Bezug zur Realität. Die Lebenssituation in Sammelunterkünften lasse sich er-
sichtlich nicht mit den Einspareffekten in Paarhaushalten vergleichen. Die Bewohner führten keine Einstands-
und Verantwortungsgemeinschaft wie in einem Paarhaushalt oder innerhalb einer Familie, sondern lebten in einer

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Zwangsgemeinschaft unterschiedlicher Herkunft und Kultur. Sie bildeten auch keine mit einer Familie vergleich-
bare Gemeinschaft, in der zumutbar zu erwarten sei, dass sie tatsächlich füreinander einstünden und „aus einem
Topf“ wirtschafteten – wie dies das Bundesverfassungsgericht zur Frage der Verfassungsmäßigkeit bei der Er-
mittlung der Bedürftigkeit der unter 25-jährigen Kinder in einem häuslichen Näheverhältnis innerhalb einer Fa-
milie angenommen habe (BVerfG, Urt. v. 27.7.2016 – 1 BvR 371/11).

Die Sachverständige Dr. Irene Becker wendet ein, dass das Statistikmodell unter theoretisch-methodischen Ge-
sichtspunkten nur bedingt zur Berechnung des soziokulturellen Existenzminimums geeignet sei, so dass auf die
Einhaltung grundlegender Voraussetzungen zu achten sei, wie: Als zentrale Vorbedingung sei eine sachgerechte
Abgrenzung der statistischen Basis dahingehend vorzunehmen, dass Zirkelschlüsse vermieden würden und für
die Referenzgruppe Ausgrenzungsprozesse aufgrund materieller Armut nicht anzunehmen seien, vielmehr ein
Mindestmaß an gesellschaftlicher Teilhabe möglich sei. Dementsprechend seien Personen bzw. Haushalte, die
einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bzw. XII hätten, sowie generell Gruppen, bei denen das sozio-
kulturelle Existenzminimum nicht gedeckt sei, vorab aus der Grundgesamtheit auszuklammern. Andernfalls wür-
den die gruppenspezifischen Durchschnittsausgaben nicht den Mindestbedarf spiegeln, sondern von der zu über-
prüfenden Regelleistung selbst bzw. von existenziellen Mangellagen beeinflusst sein. Hier zeige sich ein Dilemma
des Statistikmodells. Die Anknüpfung an statistische Durchschnittsbeträge (im Sinne „unechter“ Durchschnitte)
sei nur unter der Voraussetzung gerechtfertigt, dass ein Ausgleich der Unterschiede zwischen individuellen Aus-
gaben für einzelne Güter und Dienstleistungen und errechneten Mittelwerten – diese Abweichungen spiegelten
die jeweiligen persönlichen Umstände und Interessen – angenommen werden könne. Dementsprechend sei die
Definition der regelbedarfsrelevanten Ausgaben weitgehend methodisch vorgegeben. Die Basisannahme sei nicht
für alle Ausgabearten gleichermaßen zutreffend.

Weitere Einzelheiten der Stellungnahmen sind den Materialzusammenstellungen sowie dem Protokoll der öffent-
lichen Anhörung im Ausschuss zu entnehmen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Gesetzentwurf auf Drucksache 18/9985 in seiner 97. Sitzung am
30. November 2016 abschließend beraten. Der Ausschuss hat dem Deutschen Bundestag dabei mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN die Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung empfohlen.

Der Entwurf für ein Drittes Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes sieht vor, dass die Bedarfe
für Strom und Wohnungsinstandhaltung (Abteilung 4 der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe) aus dem Leis-
tungssatz ausgegliedert werden. Diese Bedarfe sollen zukünftig – ebenso wie nach geltender Rechtslage bereits
der Hausrat – gesondert als Sach- oder Geldleistung erbracht werden. In der Anhörung zum Gesetzentwurf am
28. November 2016 im Bundestag haben verschiedene Sachverständige kritisiert, dass diese Neuregelung zu ei-
nem erheblichen Verwaltungsmehraufwand führen werde. Die Koalitionsfraktionen haben die Bundesregierung
deshalb gebeten, im 3. Quartal des Jahres 2018 über die Erfahrungen mit der Neuregelung und insbesondere den
hiermit verbundenen Erfüllungsaufwand zu berichten. Zugleich wurden die Länder gebeten, die Bundesregierung
hierbei zu unterstützen.“

Die Fraktion der CSU/CSU erinnerten daran, dass man das Asylverfahren beschleunigt und vereinfacht sowie
Fehlanreize beseitigt habe. Insbesondere erhielte Asylbewerber nunmehr vorrangig Sachleistungen anstelle von
Geldleistungen. Dies werde jetzt auch bei der Berechnung der Regelbedarfe berücksichtigt. Gerade in den Sam-
melunterkünften, in denen zahlreiche Menschen leben, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
beziehen, würden nicht alle notwendigen Leistungen von den Bewohnern selbst erbracht. Dazu zählten beispiels-
weise die Kosten für das Wohnen, für Strom oder auch die Wohnungsinstandsetzung. Hier habe es in der Vergan-
genheit oft eine Doppelleistung gegeben – Regelbedarf und Zur-Verfügung-Stellung einer Unterkunft – die nun
korrigiert werde. Weiter sei davon auszugehen, dass das gemeinsame Zusammenleben in Sammelunterkünften
Einspareffekte ermöglichen könne. Mit der Reduzierung des Regelsatzes beim notwendigen Bedarf schaffe man
Klarheit und auch mehr Gerechtigkeit im Sinne aller, die in Deutschland auf staatliche Hilfen angewiesen seien.
Zugleich würden Fehlanreize in der bisherigen Asylpolitik reduziert und abgebaut. Mit dem Gesetz werde auch
die ehrenamtliche Tätigkeit von Asylbewerbern gefördert. Durch die neu eingeführte Freibetragsregelung würden
sie ermutigt, sich in die Gesellschaft einzubringen und gleichzeitig Sprache und Kultur kennenzulernen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/10521

Die Fraktion der SPD betonten, dass auch Geflüchtete und Geduldete einen Anspruch auf die Gewährleistung
eines menschenwürdigen Existenzminimums hätten. Dessen Berechnung erfolge nach dem Asylbewerberleis-
tungsgesetz geringfügig anders. Grundsätzlich werde zwischen notwendigem Bedarf, etwa für Kleidung und Es-
sen und persönlichem Bedarf, etwa für kulturelle Aspekte unterschieden. Nach diesem Gesetzentwurf neu sei,
dass der notwendige Bedarf künftig anders geregelt werde, indem die Bedarfe für Strom und Wohnungsinstand-
haltung aus dem Leistungssatz ausgegliedert würden, wie dies schon beim Hausrat der Fall sei. Dies bedeute, dass
diese Leistungen als Sachleistungen erbracht würden und nicht mehr im Regelsatz enthalten seien. Dies sei grund-
sätzlich sachgerecht. Allerdings sollte – entsprechend der Hinweise vieler Sachverständiger in der Anhörung –
im weiteren Verlauf geprüft werden, ob eine Ausgestaltung als Kann-Regelung sinnvoll wäre. Dies würde Kom-
munen mit überwiegend dezentraler Unterbringung, beim Verwaltungsaufwand entlasten. Ferner werde eine neue
Bedarfsstufe für erwachsene Leistungsberechtigte geschaffen, die in Sammelunterkünften untergebracht seien.
Erwachsene unter 25 Jahren, die unverheiratet seien und bei ihren Eltern lebten, kämen in die Bedarfsstufe 3.
Besonders erfreulich sei es, dass man endlich geschafft habe, die Ehrenamtspauschale für Asylsuchende umzu-
setzen und damit eine Gleichbehandlung zu Leistungsberechtigten aus der Grundsicherung für Arbeitssuchende
und dem Sozialgesetzbuch XII herzustellen. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes dürften Geflüchtete bis zu 200
Euro, die sie als Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Tätigkeiten erhalten, wenn sie zum Beispiel im Fuß-
ballverein Jugendliche trainieren, behalten. Damit werde auch die erbrachte Integrationsleistung gewürdigt.

Die Fraktion DIE LINKE. kritisierten, dass mit den vorgesehenen Leistungskürzungen das Urteil des Bundes-
verfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz aus dem Jahr 2012 weiter ausgehöhlt werde. Die Kürzung
der Leistungen um 10 Prozent bei erwachsenen Alleinstehenden in Erstaufnahme- und Gemeinschaftsunterkünf-
ten sei willkürlich. Sie basiere auf der realitätsfernen Annahme, Asylsuchende in Gemeinschaftsunterkünften
würden wie familiär verbundene Paarhaushalte gemeinsam wirtschaften, einkaufen und kochen und könnten des-
halb entsprechende Einsparungen erzielen. Eine solche „Zwangsverpartnerung“ habe mit einer realistischen Be-
darfsermittlung, wie vom Verfassungsgericht gefordert, nichts gemein. Diese Kürzung sei offenkundig migrati-
onspolitisch motiviert – und damit ganz klar verfassungswidrig. Die Herausnahme der Stromkosten werde zu
einem großen bürokratischen Verwaltungsaufwand bei den in Wohnungen untergebrachten Menschen führen,
weil die Übernahme dieser Kosten dann individuell beantragt, geprüft und bewilligt werden müssten. Insgesamt
hält die Fraktion an ihrer Forderung fest, das Asylbewerberleistungsgesetz als diskriminierendes Sondergesetz
abzuschaffen und die Betroffenen in das allgemeine Fürsorgesystem zu überführen. Diese Forderung werde auch
von vielen Verbänden und den Kirchen vertreten.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wiesen darauf hin, dass die Leistungen für Asylbewerber in Sam-
melunterkünften um 10% gekürzt würden. Die Begründungen der Bundesregierung seien nicht sachgerecht. Die
Begründung könne nicht sein, dass es darum gehe Fehlanreize abzubauen. Bereits jetzt lägen die Grundleistungen
des Asylbewerberleistungsgesetzes deutlich niedriger als die Hartz-IV-Regelsätze. Wenn man die Grundsiche-
rungsleistungen für Asylbewerbende noch weiter nach unten drücken wolle, werde dadurch die Integration noch
weiter erschwert. Der Koalition fehle es schlichtweg am politischen Willen, Asylbewerbern ein menschenwürdi-
ges Leben in Deutschland zu ermöglichen. ES wurde daran erinnert, dass das Bundesverfassungsgericht bereits
2012 die bisherigen Leistungssätze für »evident unzureichend« und deshalb für verfassungswidrig erklärt habe.
Konsequent sei letztlich die Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes, um dem Existenzminimum zweiter
Klasse endlich ein klare Absage zu erteilen. Die massive Schlechterstellung der Leistungsberechtigten nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz bei den Leistungen müsse beendet werden.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Asylbewerberleistungsgesetz – AsylbLG)

Zu Nummer 1

Zu Buchstabe a (§ 1 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2)

Mit der im Gesetzentwurf enthaltenen Änderung in § 1 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 wird die Rechtsstellung eines
Ausländers, der als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) anerkannt wird, beim Rechtskreis-
wechsel vom AsylbLG in das Zweite Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und in das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch

Drucksache 18/10521 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

(SGB XII) an diejenige eines anerkannten Asylberechtigten angeglichen. Hiernach endet die Leistungsberechti-
gung nach dem AsylbLG zukünftig auch für GFK-Flüchtlinge bereits mit Ablauf des Monats, in den ihre Aner-
kennung fällt, ohne dass sie zunächst die Rechtskraft dieser Entscheidung abwarten müssen.

Mit der Neufassung von Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzentwurfs wird diese Gleichstellung beim
Rechtskreiswechsel auf Ausländer erstreckt, denen nach § 4 des Asylgesetzes (AsylG) subsidiärer Schutz zuer-
kannt worden ist. Für die Gleichbehandlung dieser Personengruppe beim leistungsrechtlich relevanten Rechts-
kreiswechsel spricht, dass Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über die
Zuerkennung von subsidiärem Schutz – ebenso wie Entscheidungen des BAMF über die Anerkennung als Asyl-
berechtigter oder als Flüchtling nach § 3 AsylG mit ihrer Bekanntgabe an den Antragsteller unanfechtbar sind.
Soweit in diesem Fall gegen einen Bescheid des BAMF Rechtsmittel mit dem Ziel eingelegt werden, als Flücht-
ling anerkannt zu werden, hat dies keine Auswirkung auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzes. Dieser bleibt
in jedem Fall erhalten. Vor diesem Hintergrund erscheint es gerechtfertigt, dass auch diesen Personen die Leis-
tungen nach dem AsylbLG zukünftig nur so lange gewährt werden, bis die erste positive – behördliche oder ge-
richtliche – Entscheidung über Zuerkennung von subsidiärem Schutz vorliegt.

Zu Buchstabe b (§ 3 Absatz 3 Satz 3)

In § 3 AsylbLG, der durch den Gesetzentwurf neu gefasst wird, werden in Absatz 3 Satz 3 die Wörter „, bei
Unterbringung außerhalb von Erstaufnahmeeinrichtungen,“ gestrichen. Diese rein redaktionelle Änderung im
Wortlaut der Norm dient der Klarstellung, da § 3 Absatz 3 insgesamt allein die Leistungen regelt, die im An-
schluss an die Erstaufnahme gewährt werden, und es somit des gesonderte Hinweises hierauf nicht bedarf.

Zu Buchstabe c (§ 12 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe c)

Der Änderungsbefehl zu § 12 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe c AsylbLG wird neu gefasst. Die Streichung des
Wortes „ausschließlich“ ist bereits in dem ursprünglichen Gesetzentwurf enthalten; diese Änderung wird in der
Neufassung lediglich übernommen. Ergänzend hierzu wird die Angabe (§§ 4 bis 6) durch die Angabe (§§ 4, 5
und 6) ersetzt. Hierdurch wird klargestellt, dass sich die die Datenerhebung als Bundesstatistik in Bezug auf die
Empfänger von „anderen Leistungen“ nicht auf die mit dem Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 (BGBl. I
S. 1939) neu eingeführten §§ 5a und 5b AsylbLG bezieht, da diese keine „anderen Leistungen“ nach diesem Ge-
setz regeln. Die §§ 5a und 5b AsylbLG ermächtigen die Leistungsbehörden nach diesem Gesetz, bestimmte Leis-
tungsberechtigte in Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen zuzuweisen oder zur Teilnahme an einem Integrationskurs
zu verpflichten. Bei den Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen und Integrationskursen handelt es sich jedoch nicht
um Leistungen nach dem AsylbLG. Die §§ 5a und 5b schaffen eine sanktionsbewehrte Verpflichtungsmöglich-
keit, regeln jedoch nicht die Bereitstellung der darin genannten Maßnahmen. Im Rahmen der Asylbewerberleis-
tungsstatistik werden daher zu den neuen §§ 5a und 5b keine statistischen Erhebungen durchgeführt.

Zu Nummer 2 (Änderung der Abgabenordnung – AO)

Zu Artikel 1a Nummer 1 (§ 93 Absatz 8 Satz 1 AO)

Der geltende § 93 Absatz 8 AO ermächtigt die Träger der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende
nach dem SGB II, der Sozialhilfe nach dem SGB XII, der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungs-
förderungsgesetz, der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz sowie
von Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz dazu, einen Kontenabruf durchzuführen, soweit dies zur Überprüfung
des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen erforderlich ist und ein vorheriges Auskunftsersuchen an den Be-
troffenen nicht zum Ziel geführt hat oder keinen Erfolg verspricht. Die Träger der Leistungen nach dem AsylbLG
werden von dieser Norm bislang nicht erfasst. Durch die Änderung von § 93 Absatz 8 werden diese Träger in den
Kreis der Abrufberechtigten aufgenommen. Denn es erscheint sinnvoll und sachgerecht, dass das Vorliegen der
Leistungsvoraussetzungen auch für die Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG mittels Kontenabrufverfahren
überprüft werden kann. Damit wird auch im Bereich des AsylbLG dem allgemeinen Interesse Rechnung getragen,
die Gewährung ungerechtfertigter Leistungen und Sozialmissbrauch zu verhindern.

Zu Artikel 1a Nummer 2 (§ 93 Absatz 8a AO)

Um die Effizienz des Kontenabrufverfahrens auch in Zukunft zu gewährleisten ist es notwendig, dass das bisher
überwiegend schriftlich durchgeführte Abrufverfahren durch ein obligatorisch zu verwendendes elektronisches
Abrufverfahren ersetzt wird. Nur so kann eine zuverlässige und schnelle Bearbeitung der Abrufersuchen sicher-
gestellt und Übertragungsfehler bei der Bearbeitung papiergebundener Kontenabrufersuchen vermieden werden.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/10521

Der neue Absatz 8a regelt daher, dass sowohl Kontenabrufersuchen an, als auch deren Beantwortung durch das
Bundeszentralamt für Steuern auf elektronischem Weg zu übermitteln sind.

Die Anbindung der Bedarfsträger an das elektronische Kontenabrufverfahren kann beispielweise über die bereits
existierende amtliche Schnittstelle des BZSt-Online-Portals (BOP) erfolgen. Hierbei wird für die Abrufe als amt-
licher Datensatz ein dort bereits vorhandenes Webformular verwendet. Technisch setzt dieses Verfahren und da-
mit die Nutzung des BOP beim Bedarfsträger einen Arbeitsplatz-PC mit bestehendem Internetanschluss und frei-
geschalteten USB-Port voraus. Für die Anbindung über BOP haben die Bedarfsträger für ihre Mitarbeiter, die
Kontenabrufersuchen stellen, Zugänge zum BOP zu beantragen und entsprechende Registrierungen vorzuneh-
men. Wegen der hohen Sicherheitsanforderungen im Kontenabruf erfolgt die Registrierung für das elektronische
Verfahren mittels ELSTER-Spezial. Dies bedeutet, dass jeder Bedarfsträgernutzer mit einem ELSTER-Stick aus-
gestattet wird, der im Rahmen der Registrierung personalisiert wird. Mit diesem USB-Stick kann sich der Be-
darfsträgernutzer beim BOP anmelden und über das dort vorhandene Web-Formular ein Kontenabrufersuchen
stellen und elektronisch an das BZSt senden. Das Ergebnis des Kontenabrufs wird dem Bedarfsträgernutzer an
sein im BPO vorhandenes Postfach übermittelt und ist dort für ihn abrufbar.

Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen, zum Beispiel
während einer angemessenen Übergangsfrist, in der die Bedarfsträger die organisatorischen und technischen Vo-
raussetzungen für die Nutzung des BOP schaffen. Durch die entsprechende Anwendung der § 87a Absatz 6 bis 8
und § 87b Absatz 1 und 2 AO wird sichergestellt, dass die allgemein geltenden datenschutzrechtlichen und tech-
nischen Regelungen für die elektronischen Datenübermittlungen an die Finanzbehörden anzuwenden sind.

Berlin, den 30. November 2016

Jutta Eckenbach
Berichterstatterin

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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