BT-Drucksache 18/10391

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2017 (Haushaltsgesetz 2017) - Drucksachen 18/9200, 18/9202, 18/9824, 18/9825, 18/9826 - hier: Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Vom 21. November 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10391
18. Wahlperiode 21.11.2016
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Niema Movassat, Heike Hänsel, Wolfgang Gehrcke,
Jan van Aken, Christine Buchholz, Sevim Dağdelen, Dr. Diether Dehm,
Annette Groth, Inge Höger, Andrej Hunko, Katrin Kunert, Stefan Liebich,
Dr. Alexander S. Neu, Dr. Petra Sitte, Alexander Ulrich und
der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 18/9200, 18/9202, 18/9824, 18/9825, 18/9826 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2017
(Haushaltsgesetz 2017)

hier: Einzelplan 23

Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Bundesentwicklungsminister Müller hat zum Beginn der 18. Wahlperiode die Berei-
che Ernährungssicherung und ländliche Entwicklung ganz oben auf seine politische
Agenda gesetzt, was nicht zuletzt in der Sonderinitiative „Eine Welt ohne Hunger“
(SEWOH) zum Ausdruck kommt. Diese Schwerpunktsetzung ist zu begrüßen. Aller-
dings macht ein genauer Blick auf die konkrete Politik des Bundesministeriums und
die Sonderinitiative schnell klar, dass eine Welt ohne Hunger so nicht zu schaffen sein
wird. Dafür gibt es mindestens drei Gründe:
a) Die Bundesregierung greift die starken Marktkonzentrationen auf den globalen

Agrarmärkten (z. B. in den Bereichen Saatgut, Düngemittel, aber auch Verarbei-
tung und Vertrieb) nicht an, sondern kooperiert im Rahmen der staatlichen Ent-
wicklungszusammenarbeit sogar mit Agrar- und Nahrungsmittelkonzernen wie
Bayer, BASF oder Unilever. Diese Konzerne nutzen die Entwicklungszusam-
menarbeit strategisch, um sich neue Märkte im globalen Süden zu erschließen

Drucksache 18/10391 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

und ihre dominante Position am Weltmarkt weiter zu festigen und noch auszu-
bauen. Wie nicht zuletzt die starke Kritik an der bevorstehenden Übernahme von
Monsanto durch Bayer gezeigt hat, ist der deutschen Öffentlichkeit durchaus be-
wusst, welche negativen Konsequenzen die ständig steigende Macht der Agrar-
konzerne für eine bäuerliche Landwirtschaft, die Biodiversität sowie die Welter-
nährung allgemein hat. Die Bevölkerung lehnt eine politische Unterstützung die-
ser Konzerne daher klar ab – ganz im Gegensatz zur Bundesregierung. Diese stellt
durch die politische und finanzielle Unterstützung von Großprojekten wie der
Neuen Allianz für Ernährungssicherung, der sogenannten Grünen Revolution für
Afrika (AGRA) sowie unternehmensfreundlichen Plattformen wie Scaling Up
Nutrition (SUN) die Entwicklungszusammenarbeit in den Dienst dieser Kon-
zerne.

b) Die lokale Bevölkerung und hier insbesondere die Kleinbäuerinnen und Klein-
bauern werden in der Politik der Bundesregierung höchstens als Zielgruppe be-
nannt, sind aber nicht aktiv in die Gestaltung der landwirtschaftlichen und länd-
lichen Entwicklung eingebunden. Dies betrifft die Konzeption von Projekten
(insbesondere auch der „Grünen Zentren“) ebenso wie die Gestaltung der Agrar-
forschung. Ländliche Entwicklungszusammenarbeit und Agrarforschung müssen
aber bei den Bedürfnissen und Potentialen der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern
ansetzen. Denn diese versorgen nach wie vor 70 bis 80 Prozent der Weltbevölke-
rung mit Nahrungsmitteln und bilden somit das Rückgrat der Welternährung. Zu-
dem fehlen für einen Großteil der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern und im länd-
lichen Raum auf absehbare Zeit Beschäftigungs- und Einkommensalternativen
außerhalb der Landwirtschaft.

c) Hunger und ländliche Armut sind auch die Folgen einer (Frei-)Handelspolitik,
die es den Industrieländern erlaubt, die Märkte des Globalen Südens mit billigen
Nahrungsmittelimporten zu überschwemmen und damit heimische Produzenten
vom Markt zu drängen. Dieses Problem findet in der Politik der Bundesregierung
jedoch keinerlei Beachtung. Im Gegenteil: Im Rahmen der eigenen Agrar- und
Handelspolitik (z. B. Förderung von Fleisch- und Milchexporten, Abschluss der
Wirtschaftspartnerschaftsabkommen – EPA – mit afrikanischen Ländern) trägt
die Bundesregierung sogar aktiv dazu bei, diesen zerstörerischen Trend fortzu-
setzen.

Um dem Ziel einer Welt ohne Hunger wirklich näherzukommen, muss es in vielen
Politikbereichen zu größeren Veränderungen kommen. In der Entwicklungszusam-
menarbeit und damit im Einzelplan 23 sind hierbei Änderungen bei den Schwerpunkt-
setzungen und Ausgaben notwendig.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

a) die staatliche Entwicklungszusammenarbeit mit Bayer und anderen Agrarkonzer-
nen umgehend zu beenden und dafür im Haushalt keine Mittel (z. B. im Rahmen
von develoPPP oder der Grünen Zentren) mehr zur Verfügung zu stellen;

b) die bisher in den Haushalten 2014 bis 2017 vorgesehenen, aber noch nicht ausge-
zahlten Mittel für die Grünen Zentren einzufrieren, bis unter Einbeziehung nati-
onaler und lokaler Vertreter von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern geklärt ist, ob
die Grünen Zentren den Bedürfnissen und Ansprüchen dieser Gruppen entspre-
chen, und diese Mittel andernfalls für eben solche Initiativen und Projekte umzu-
widmen;

c) die Haushaltsmittel in Höhe von 1 Mio. Euro für das SUN-Sekretariat zu strei-
chen (Kapitel 2303 Titel 687 01) und stattdessen 2 Mio. Euro dem Fachgremium
der Vereinten Nationen für Ernährungsfragen UNSCN zur Verfügung zu stellen;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10391
d) die im Rahmen der SEWOH vorgesehenen Haushaltsmittel von 11,3 Mio. Euro

für AGRA zu streichen;
e) die im Rahmen der SEWOH vorgesehenen Haushaltsmittel von 10 Mio. Euro für

„Power of Nutrition“ zu streichen;
f) eine Enquete unter der Leitung von Hans Herren vom Weltagrarbericht einzube-

rufen, die Wege aufzeigen soll, wie die nationale und internationale Agrarfor-
schung mittelfristig im Sinne einer nachhaltigen, an den Bedürfnissen und Poten-
tialen der Bäuerinnen und Bauern orientierten, diversifizierten und gesunden
Nahrungsmittelproduktion umzubauen ist, und dafür ausreichend Haushaltsmittel
bereitzustellen;

g) die Bewilligung der Gelder an die internationale Agrarforschung (Kapitel 2303
Titel 687 03 und 687 04) an die Bedingungen zu knüpfen, dass
i) mit den Forschungsgeldern lokal angepasste, den Bedürfnissen der Klein-

bauern entsprechende Technologien gefördert werden;
ii) dem Erhalt einer hohen Diversität an Sorten hohe Priorität eingeräumt wird;
iii) es zu keiner weiteren Privatisierung der Agrarforschung kommt;

h) bei der Förderung einer an den Klimawandel angepassten Landwirtschaft nicht
das industriefreundliche, von der Globalen Allianz für klimaintelligente Land-
wirtschaft (GACSA) vertretene Modell einer climate smart agriculture zu fördern
(beispielsweise innerhalb der Maßnahmennummern 21 und 22 der SEWOH oder
indirekt durch die Finanzierung der Beratungsgruppe für internationale Agrarfor-
schung (Consultative Group on International Agricultural Research, CGIAR)
(Kapitel 2303 Titel 687 03), sondern auf lokalen Erfahrungen und Bedingungen
aufbauenden Anpassungsstrategien;

i) jegliche direkte oder indirekte Kooperation mit der Melinda-and-Bill-Gates-Stif-
tung im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit zu beenden bzw. auf deren
Beendigung hinzuwirken;

j) die neue Allianz für Ernährungssicherung der G7 zu beenden bzw. daraus auszu-
treten;

k) in der EU sich für einen Stopp des Abschlusses weiterer EPAs einzusetzen bzw.
bereits abgeschlossene Verträge im Sinne des Erhalts lokaler Landwirtschafts-
märkte in den Ländern des Südens neu zu verhandeln und künftig den erpresseri-
schen Druck aus den Verhandlungen zu nehmen und den Ländern des Globalen
Südens in der Handelspolitik mehr Spielräume zuzugestehen, die eigenen Agrar-
märkte vor zerstörerischen Importen zu schützen.

Berlin, den 21. November 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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