BT-Drucksache 18/10389

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/9200, 18/9202, 18/9813, 18/9824, 18/9825, 18/9826 - zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2017 (Haushaltsgesetz 2017) hier: Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung

Vom 21. November 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10389
18. Wahlperiode 21.11.2016
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Alexander S. Neu, Christine Buchholz, Katrin Kunert
und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 18/9200, 18/9202, 18/9813, 18/9824, 18/9825, 18/9826 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2017
(Haushaltsgesetz 2017)

hier: Einzelplan 14

Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf zum Verteidigungshaushalt 2017
(Einzelplan 14 – EP 14) wird den aktuellen und künftig zu erwartenden Aufgaben einer
friedensorientierten und auf ziviler Konfliktlösung beruhenden Sicherheits- und Ver-
teidigungspolitik der Bundesrepublik nicht gerecht. Er sieht Gesamtausgaben in Höhe
von 36,6 Milliarden Euro vor und somit eine überdurchschnittliche Steigerung im Ver-
gleich zu den anderen Ressorts. Der Verteidigungshaushalt soll 2017 nach dem Willen
der Bundesregierung einen Anteil in Höhe von 11,1 Prozent am Gesamthaushalt errei-
chen und damit von allen Einzelplänen das zweithöchste Budget stellen – nach NATO-
Kriterien soll die Bundesrepublik Deutschland 2017 sogar 39,3 Milliarden Euro aus-
geben. Damit soll der Entwurf die sogenannte Trendwende des 50. Finanzplans bei der
Bundeswehr haushaltspolitisch umsetzen. Zum ersten Mal seit 1990 soll der Personal-
bestand der Bundeswehr erhöht werden. Darüber hinaus hat Bundesverteidigungsmi-
nisterin Dr. von der Leyen einen Rüstungskatalog von rund 1 600 Einzelmaßnahmen
vorgelegt, und deren finanzielles Volumen beläuft sich bis 2030 auf 130 Milliar-
den Euro.
Dieser Aufrüstungskurs spiegelt sich im vorgelegten Haushaltsentwurf der Bundesre-
gierung bereits wider. Er geht einher mit einem außenpolitischen Kurs, der auf den
Dauereinsatz der Bundeswehr an immer neuen Konfliktherden abzielt.

Drucksache 18/10389 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Auch angesichts der aufgeheizten sicherheitspolitischen Situation in Europa setzt der
Haushaltsentwurf der Bundesregierung die völlig falschen Signale. Eine Abschaffung
der Obergrenzen bei den Großwaffensystemen, der geplante Wiedererwerb von
100 Kampfpanzern Leopard II sowie die geplante Übernahme der Führung eines zu-
sätzlichen NATO-Bataillons in Litauen konterkarieren jegliche Bekundungen für Ver-
trauensbildung in Richtung Russland. Der Raketenschutzschirm in Osteuropa, an dem
sich die Bundesregierung weiterhin beteiligen will, befördert einen neuen nuklearen
Rüstungswettlauf zwischen Ost und West. Die Aufstellung einer eigenen Cyberstreit-
macht macht die Bundeswehr zur Akteurin in einem globalen Operationsraum, in dem
die Grenzen zwischen Militärischem und Zivilem ignoriert werden.
Die Bundesregierung verweigert bis heute jede ehrliche Bilanz der bisherigen Aus-
landseinsätze. Die Beteiligung an den Auslandseinsätzen hat den Terror nicht gestoppt,
sondern seine internationale Ausbreitung begünstigt. Ungeachtet des Scheiterns aller
militärischen Lösungsversuche will die Bundesregierung die Mittel für Auslandsein-
sätze der Bundeswehr mehr als verdoppeln. Die Beteiligung an den in den letzten
zwölf Monaten neu begonnenen Auslandsmissionen (in Syrien/Irak und der Ägäis)
sowie die Einsatzerweiterungen bei MINUSMA und dem anstehenden AWACS-Ein-
satz über der Türkei zeigen, dass die militärische Einsatzorientierung weiter verstärkt
wird. Ausdruck dieser Ausrichtung ist die geplante Ausstattung der Bundeswehr mit
Kampfdrohnen, beginnend mit dem beabsichtigten Erwerb der bewaffnungsfähigen
HERON-TP. Die Entwicklung einer europäischen Kampfdrohne unter deutscher Füh-
rung wird überdies Milliardensummen verschlingen. Der Einsatz von Kampfdrohnen
ist auf eine vertiefte Beteiligung an asymmetrischen Kriegen wie in Afghanistan ge-
richtet. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Beschaffung von Kampfdrohnen
zur Entgrenzung der Kriegsführung führt, vor allem weil dadurch die Hemmschwelle
für militärisches Eingreifen sinkt. Die US-Streitkräfte haben mit Kampfdrohnen be-
reits Tausende Menschen per Fernbedienung getötet. Zahllose Zivilistinnen und Zivi-
listen kamen und kommen dabei ums Leben.
Das Rüstungsbeschaffungswesen birgt in seinem derzeitigen Zustand enorme finanzi-
elle Risiken. Allein die zwölf größten Rüstungsprojekte der Bundeswehr sind bislang
um 12,2 Milliarden Euro teurer geworden als in der Ursprungsplanung vorgesehen.
Ungeachtet dessen will die Bundesregierung 2017 die Ausgaben für laufende und neue
Rüstungsprojekte um 11 Prozent erhöhen und voraussichtlich für drei neue Rüstungs-
großprojekte (TLVS, MKS 180, Euro-Kampfdrohne) Verträge abschließen. Mit der
Verfolgung der NATO-Rüstungsziele von Wales, die auf eine Steigerung der Vertei-
digungsausgaben auf über 60 Milliarden Euro hinauslaufen würden, drohen weitere,
immense Kostensteigerungen zu Lasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Zur
selben Zeit fehlen Ländern und Kommunen die Mittel für den Bau von vier Millionen
dringend gebrauchten Sozialwohnungen, die Gelder für 150 000 dringend benötigte
Pflegerinnen und Pfleger in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen und Mittel für
den dringend nötigen Ausbau von Schulen und Kindergärten. Diese Pläne sind daher
nicht nur friedenspolitisch, sondern auch haushaltspolitisch unverantwortlich.
Auch die Ausgaben für die Nachwuchswerbung und Öffentlichkeitsarbeit sollen im
kommenden Jahr auf 35,3 Millionen Euro wachsen. Das Geld soll für Werbekampag-
nen an Schulen, für Ausbildungsmessen und andere jugendrelevante Veranstaltungen
ausgegeben werden. Die Bundesrepublik Deutschland weigert sich weiterhin, die
mehrmaligen Empfehlungen des UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes umzuset-
zen, auf die Anwerbung von unter 18-Jährigen für die Streitkräfte zu verzichten, und
gefährdet damit die Glaubwürdigkeit ihrer eigenen Bemühungen auf internationaler
Ebene zur Ächtung der Rekrutierung von Kindersoldaten in bewaffneten Konflikten.
All dies zeigt: Der Entwurf der Bundesregierung für den EP 14 ist politisch falsch
ausgerichtet. Eine Trendwende in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Bun-
desrepublik Deutschland ist überfällig – jedoch eine hin zu Deeskalation, Vertrauens-

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schaffung und Abrüstung in Europa sowie eine auf Krisenprävention und Gerechtig-
keit angelegte nachhaltige Politik in den Ländern des Südens. Dies erfordert eine Neu-
ausrichtung in der Verwendung der hierfür im EP 14 vorgesehenen Mittel. Ein erster
Schritt dazu ist die sofortige Kürzung der Gesamtausgaben des EP 14 um 6 Milliar-
den Euro. Des Weiteren ist vom gescheiterten Konzept der vernetzten Sicherheit Ab-
stand zu nehmen und die von vielen Hilfsorganisationen kritisierte zivil-militärische
Zusammenarbeit einzustellen. Stattdessen sind die für humanitäre Hilfe und wirt-
schaftliche Entwicklung vorhandenen zivilen Institutionen deutlich besser finanziell
auszustatten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

dem Bundestag einen Haushaltsentwurf insbesondere für den Einzelplan 14 vorzule-
gen, der, in einem ersten Schritt, die folgenden Punkte beinhaltet:
1. die Gesamtausgaben des EP um 6 Milliarden Euro zu kürzen, insbesondere

− alle derzeitigen Auslandseinsätze der Bundeswehr zu beenden, sich nicht an
neuen Auslandseinsätzen zu beteiligen und den dafür eingestellten Betrag
von 730 Millionen Euro einzusparen,

− alle Beschaffungsvorhaben und Projekte der Forschung und Entwicklung
von Waffensystemen für Auslandseinsätze und solche zur Aufrüstung in Eu-
ropa einzustellen, d. h. in jedem Falle die folgenden:
– Wiederbeschaffung 100 Leopard II
– 131 GTK Boxer
– europäische bewaffnungsfähige Drohne UAV MALE
– Taktischer Luftverteidigungsverbund Typ MEADS
– Mehrzweck-Kampfschiff MKS 180
– Eurohawk-Nachfolgesystem TRITON (SLWÜA-Serie)
– deutscher Anteil des Projekts NATO AGS (Global Hawk)
– radarsatellitengestütztes Aufklärungssystem SARah
– Eurofighter und AESA-Radar
– A400M
– Unterstützungshubschrauber TIGER
– NH-90-Hubschrauber und Hubschrauber Sea Lion
– Schützenpanzer PUMA
– Fregatte 125
– Projekt TANDEM X;

2. daraus die Mittel in Höhe der 2017 geplanten Aufstockung des EP 14 von
2,3 Milliarden Euro zur Aufnahme, Rettung und humanitären Versorgung Ge-
flüchteter zur Verfügung zu stellen; weiterhin zur Aufstockung der Mittel für die
Entwicklungszusammenarbeit im Einzelplan 23, für humanitäre Hilfe und für
Maßnahmen der zivilen Krisenprävention im Einzelplan 05, für die Erreichung
von 0,7 Prozent BIP (ODA-Quote);

3. durch folgende Maßnahmen einen wichtigen Beitrag zu Entspannung, Abrüstung
und ziviler Konfliktlösung zu leisten:
− in einem ersten Schritt sicherzustellen, dass die Bundeswehr an der Statio-

nierung von weiteren NATO-Bataillonen im Baltikum sowie an Manövern in
der Ukraine und in Osteuropa nicht teilnimmt; sowie insbesondere die deut-
sche Beteiligung an der NATO Very High Readiness Joint Task Force und
am Staff HQ North East in Szczecin zu beenden;

Drucksache 18/10389 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

− sich aus dem friedensgefährdenden Projekt des NATO-Raketenabwehr-
schirms zurückzuziehen, insbesondere die Stationierung des Hauptquartiers
in Ramstein nicht zuzulassen, die Ausrüstung von Fregatten der Bundesma-
rine für eine Teilnahme am Schirm zu stoppen und für eine Projekteinstellung
zu werben;

− weitere dringend nötige abrüstungspolitische Schritte hin zu einer neuen ver-
traglichen Regelung für konventionelle Waffensysteme in Europa im Sinne
des auf dem OSZE-Gipfel 1999 vereinbarten Anpassungsabkommens zum
KSE-Vertrag mit nationalen und regionalen Obergrenzen für Großwaffen-
systeme zu unternehmen, um die Vertrauensbildung gegenüber der Russi-
schen Föderation zu unterstützen und einer weiteren Eskalationsdynamik ent-
gegenzuwirken;

− die technische nukleare Teilhabe Deutschlands durch die Auflösung des Tor-
nado-Geschwaders in Büchel zu beenden. Die für die Modernisierung der
Atomwaffen und der Tornado-Träger-Flugzeuge vorgesehenen Mittel wer-
den gestrichen. Ihre Lagerung ist zu beenden;

− auf die Beschaffung/das Leasing von bewaffnungsfähigen Drohnen vom Typ
HERON TP zu verzichten, aus der Entwicklung einer europäischen Kampf-
drohne auszusteigen und eine Konvention der Vereinten Nationen zum Ver-
bot der Bewaffnung von Drohnen zu unterstützen;

− den weiteren Ausbau des Gefechtsübungszentrums zur urbanen Kriegsfüh-
rung in der Colbitz-Letzlinger Heide (GüZ) und alle Tiefflüge über dem Ge-
biet sofort zu stoppen;

− auf die Nachwuchswerbung der Bundeswehr an Schulen und anderen jugend-
relevanten Einrichtungen und die Anwerbung von unter 18-Jährigen für eine
militärische Ausbildung bei der Bundeswehr zu verzichten;

− die von der Bundeswehr mitfinanzierten Rüstungsforschungsvorhaben an
Universitäten und Hochschulen umgehend zu beenden;

4. die weiteren Einsparungen im Einzelplan 14 unter anderem für die Finanzierung
folgender Maßnahmen zu nutzen:
− die verbleibenden eingesparten Mittel für die Einzelpläne Soziales, Bildung

und Gesundheit zur Verfügung zu stellen;
− bei der Entwicklung von zivilen Nachnutzungskonzepten für geschlossene

und zu schließende Bundeswehrstandorte die betroffenen Kommunen durch
Einrichtung eines Konversionsfonds im Bundeshaushalt zu unterstützen;

− ehemaligen Bundeswehrangehörigen beim Wiedereinstieg in das zivile Be-
rufsleben außerhalb der Bundeswehr finanzielle und soziale Unterstützung
zu gewähren;

− Soldatinnen und Soldaten mit Einsatzschädigungen, insbesondere mit post-
traumatischen Belastungsstörungen und anderen schwerwiegenden Erkran-
kungen, sowie die Radarstrahlengeschädigten der Bundeswehr und der ehe-
maligen Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR durch die Aufstockung des
Stiftungsvermögens der „Deutschen Härtefallstiftung“ dem neuesten medizi-
nischen Erkenntnisstand gemäß zu unterstützen.

Berlin, den 21. November 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

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