BT-Drucksache 18/10385

Umsetzung der EU-Richtlinie über die Verwendung von Fluggastdatensätzen (PNR-Daten) und Einrichtung von Zentralstellen

Vom 21. November 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10385
18. Wahlperiode 21.11.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Sevim Dağdelen, Annette Groth, Inge Höger,
Ulla Jelpke, Jan Korte, Niema Movassat, Alexander Ulrich und der Fraktion
DIE LINKE.

Umsetzung der EU-Richtlinie über die Verwendung von Fluggastdatensätzen
(PNR-Daten) und Einrichtung von Zentralstellen

Am 27. April 2016 haben das Europäische Parlament und der Rat die Richtlinie
(EU) 2016/681 über die Verwendung von Fluggastdatensätzen (PNR-Daten) zur
Verhütung, Aufdeckung, Ermittlung und Verfolgung von terroristischen Strafta-
ten und schwerer Kriminalität beschlossen. Die Richtlinie muss bis zum 25. Mai
2018 in nationales Recht umgesetzt werden. Bis dahin müssen die EU-Mitglied-
staaten eine Zentralstelle einrichten, die für die Verarbeitung der Fluggastdaten
zuständig ist. Einzelne Mitgliedstaaten können eine gemeinsame Behörde als ihre
PNR-Zentralstelle einrichten oder benennen. Sie übermitteln Ergebnisse der Ver-
arbeitung von PNR-Daten an die zuständigen nationalen Strafverfolgungsbehör-
den oder geben diese an andere PNR-Zentralstellen weiter. Nach Artikel 2 der
PNR-Richtlinie können die EU-Mitgliedstaaten diese „freiwillig“ auf Flüge in-
nerhalb der EU anwenden (Ratsdokument 7829/16). Die Erhebung von PNR-Da-
ten soll außerdem auf Unternehmen ausgeweitet werden, die keine Fluggesell-
schaften sind, darunter Reisebüros oder Reiseveranstalter oder andere Dienstleis-
ter, die Flugbuchungen erbringen.
Zur Gewährleistung einer kompatiblen nationalen Umsetzung der PNR-Richtli-
nie in den Mitgliedstaaten sowie zur Erhöhung der „nationale[n] Aufdeckungsfä-
higkeiten“ dieser PNR-Zentralstellen hat die Europäische Union mehrere Maß-
nahmen beschlossen (Ratsdokument 9368/1/16). Eine informelle Arbeitsgruppe
zu „operativen PNR-Verfahren“ soll weitere Initiativen und Maßnahmen erarbei-
ten.
Auch die Bundesregierung arbeitet derzeit an einem Entwurf eines Gesetzes zur
Umsetzung der Richtlinie über die Verwendung von Fluggastdatensätzen in nati-
onales Recht. Dabei soll auch die Frage geklärt werden, auf welche Weise die
beim Bundeskriminalamt (BKA) angesiedelte PNR-Zentralstelle „verdächtige
und ungewöhnliche Reisemuster“ aufspürt und diese mit den anderen Zentralstel-
len (auch in Drittstaaten) austauscht. Entsprechende Kriterien für solche „Reise-
muster“ werden derzeit von Europol erarbeitet. Das bereits zitierte Ratsdokument
spricht hierzu von einer „Schichtung von Reisedaten mit anderen Erkenntnisquel-
len“. Aus Sicht der Fragesteller handelt es sich dabei um ein Profiling der Rei-
senden. Zu den Kriterien dieses Profilings will die Bundesregierung keine Stel-
lung nehmen. Das Bundesministerium des Innern verweist lediglich darauf, dass
diese „Gegenstand laufender Überlegungen“ seien (Bundestagsdrucksache
18/10113).

Drucksache 18/10385 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wann will die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung
der Richtlinie über die Verwendung von Fluggastdatensätzen in nationales
Recht vorlegen?
a) Welche Beratungen oder Anhörungen hat die Bundesregierung zur Um-

setzung der Richtlinie durchgeführt, und welche Sachverständigen aus
Behörden, Firmen oder Organisationen waren hierzu eingeladen?

b) Welche Beratungen oder Anhörungen sind zukünftig geplant, und wer
soll hierzu angehört werden?

c) Welche bei der deutschen Umsetzung auftretenden Herausforderungen
erfordern aus Sicht der Bundesregierung eine Abstimmung unter den Mit-
gliedstaaten, und welche Mitteilung hat sie hierzu an die Mitgliedstaaten
oder den Rat gerichtet?

2. Inwiefern will die Bundesregierung von Artikel 2 der PNR-Richtlinie Ge-
brauch machen und diese Richtlinie „freiwillig“ auf Flüge innerhalb der EU
anwenden (Ratsdokument 7829/16)?

3. Welche weiteren EU-Mitgliedstaaten wollen nach Kenntnis der Bundesre-
gierung von dieser in Artikel 2 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch ma-
chen?

4. Auf welche Weise will die Bundesregierung, wie im Ratsdokument 7829/16
niedergelegt, die Erhebung von PNR-Daten auf Unternehmen ausweiten, die
keine Fluggesellschaften sind, wie etwa Reisebüros oder Reiseveranstalter,
die Dienstleistungen im Zusammenhang mit Reisen – einschließlich Flugbu-
chungen – erbringen, für die sie PNR-Daten erheben und verarbeiten?

5. Welche EU-Mitgliedstaaten betreiben nach Kenntnis der Bundesregierung
bereits ein PNR-Datenaustauschsystem bzw. bereiten dieses vor?
a) Welche EU-Mitgliedstaaten haben bereits PNR-Zentralstellen eingerich-

tet?
b) Welche EU-Mitgliedstaaten wollen eine gemeinsame Behörde als ihre

PNR-Zentralstelle einrichten oder benennen?
6. In welcher Abteilung beim BKA wird die PNR-Zentralstelle angesiedelt, und

über welche Netzwerke wird diese an die übrigen nationalen Zentralstellen
angeschlossen?

7. Welche von der EU initiierten Maßnahmen zur kompatiblen nationalen Um-
setzung der PNR-Richtlinie in den Mitgliedstaaten sowie zur Erhöhung der
„nationale[n] Aufdeckungsfähigkeiten“ dieser PNR-Zentralstellen sind der
Bundesregierung bekannt, und welche ähnlichen, nationalen Maßnahmen
werden von der Bundesregierung durchgeführt?
a) Wer führt diese Maßnahmen an, und wer nimmt des Weiteren daran teil?
b) Wann sollen die Ergebnisse der Maßnahmen vorliegen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10385
8. Wer gehört nach Kenntnis der Bundesregierung der informellen Arbeits-
gruppe zu „operativen PNR-Verfahren“ an (bitte auch die teilnehmenden
PNR-Zentralstellen einzelner Mitgliedstaaten benennen), und wer führt diese
an?
a) Welchen PNR-Zentralstellen hat die informelle Gruppe bereits „operative

und technische Hilfe“ geleistet, und worin bestand diese Hilfe?
b) Welche Erfahrungen oder technischen Aspekte hat das BKA bereits in der

informellen Gruppe vorgetragen?
c) Welche Arbeiten werden in der informellen Arbeitsgruppe von Europol

übernommen?
d) Inwiefern soll die informelle Arbeitsgruppe auch Studien durchführen

oder Berichte erstellen, und wie werden diese vorgelegt und beraten?
9. Auf welche Weise könnten die Europol-Datenbanken aus Sicht der Bundes-

regierung zur Überprüfung oder zum Abgleich von PNR-Daten dienen, um
dadurch Verbindungen, Verdächtige oder Ermittlungsrichtungen zu gewin-
nen, und welche legislativen Änderungen wären hierfür erforderlich?

10. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern nach der
Einrichtung eines Europäischen Reiseinformations- und Genehmigungssys-
tems (ETIAS) auch Europol auf dort gespeicherte Daten zugreifen und diese
verarbeiten sollte?

11. Inwiefern und nach welcher Maßgabe sollten aus Sicht der Bundesregierung
auch europäische Geheimdienste auf die Daten im ETIAS sowie im geplan-
ten Ein-/Ausreisesystem (EES) zugreifen dürfen?

12. Wie stellt das Bundesinnenministerium wie vorgeschrieben sicher, dass die
abermals verlängerten Kontrollen an den Binnengrenzen an der deutsch-ös-
terreichischen Landgrenze nur dort durchgeführt werden, wo dies für erfor-
derlich und verhältnismäßig erachtet wird sowie nur als letztes Mittel einge-
setzt wird (Kommissionsdokument COM(2016) 711 final vom 25. Oktober
2016)?
a) Welche „alternativen Maßnahmen“ wurden geprüft, und aus welchem

Grund entfalten diese nicht „dieselbe Wirkung“?
b) In welcher Frequenz werden die nunmehr verlängerten Kontrollen an den

Binnengrenzen auf ihre Notwendigkeit, Häufigkeit sowie räumliche und
zeitliche Ausdehnung überprüft, um diese „an das Bedrohungsniveau
an[zu]passen“, und welche Abteilung der Bundespolizei bzw. des Bun-
desinnenministeriums nimmt diese Prüfungen vor?

c) Auf welche Weise werden die Kontrollen an den Binnengrenzen wie von
der Kommission im Prozess der „Rückkehr zu Schengen“ gefordert,
schrittweise aufgehoben?

13. Mit welchen Drittstaaten oder internationalen Organisationen sollen die
PNR-Zentralstellen nach Kenntnis der Bundesregierung nach derzeitigem
Stand Informationen austauschen?

14. Auf welche Weise könnten die PNR-Zentralstellen eine „Schichtung von
Reisedaten mit anderen Erkenntnisquellen“ vornehmen?

15. Sofern die Überlegungen zur Frage, wie die beim BKA angesiedelte PNR-
Zentralstelle „verdächtige und ungewöhnliche Reisemuster“ (etwa durch
eine „Schichtung von Reisedaten mit anderen Erkenntnisquellen“) aufspürt,
weiterhin „Gegenstand laufender Überlegungen“ sind, wann sollen diese
Überlegungen abgeschlossen sein?

Drucksache 18/10385 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

16. Welche Verfahren oder Systeme zum Abgleich „verdächtige[r] und unge-

wöhnliche[r] Reisemuster“ oder zur „Schichtung von Reisedaten mit an-
deren Erkenntnisquellen“ hat die Bundesregierung für ihre Überlegungen
bislang geprüft oder gesichtet, und welche weiteren Prüfungen oder
Marktsichtungen sind hierzu geplant?

17. Wann sollen nach Kenntnis der Bundesregierung die Durchführungsent-
scheidungen zu Datenformaten und Übertragungsprotokollen im Rahmen
der Umsetzung der PNR-Richtlinie veröffentlicht und festgelegt werden?
a) Welche Datenformate werden von den Fluggesellschaften für ihre Daten-

übermittlungen an PNR-Zentralstellen derzeit unterstützt (sofern dies
nicht für die gesamte Europäische Union bekannt ist, bitte für Deutsch-
land mitteilen)?

b) Welche Projekte oder technischen Verfahren sind der Bundesregierung
bekannt, um die PNR-Zentralstellen untereinander „interoperabel“ zu ge-
stalten (bitte auch entsprechende Vorschläge benennen)?

18. Wann soll das von Ungarn geführte EU-Projekt zum grenzüberschreitenden
Austausch von PNR-Daten zwischen PNR-Zentralstellen „Pilot Programme
for Data Exchange of the Passenger Information Units“ (PNRDEP), an dem
auch Bulgarien, Litauen, Portugal, Rumänien, Spanien und Europol teilneh-
men, abgeschlossen werden, und sofern dieses bereits abgeschlossen ist, wel-
che Ergebnisse sind dazu bekannt (Bundestagsdrucksache 18/8323)?

19. An welchen bereits bestehenden Projekten oder Verfahren sollen sich die
PNR-Zentralstellen im Bereich der Interoperabilität orientieren (etwa UMF3,
Ma3tch, ADEP, siehe Bundestagsdrucksache 18/9762)?
a) Wann soll das EU-geförderte Projekt (UMF3) zur Entwicklung von Stan-

dards zur grenzüberschreitenden Kommunikation von Sicherheitsbehör-
den beendet sein, und wann soll die schrittweise Implementierung in be-
stehende Systeme beginnen?

b) Welche Systeme sind bereits „UMF-kompatibel“, und in welchen „Teil-
bereichen“ wird der Standard bereits eingesetzt?

20. Auf welche Weise wird nach Kenntnis der Bundesregierung die Einrichtung
und Vernetzung der PNR-Zentralstellen auch in der Expertengruppe „Infor-
mationssysteme und Interoperabilität“ („High Level Expert Group“) behan-
delt, die ein strategisches Gesamtbild der künftigen Informationsarchitektur
der EU im Bereich Grenzen und Sicherheit erarbeiten soll (Mitteilung der
Kommission vom 6. April 2016)?
a) Welche Subgroups der „High Level Expert Group“ sind der Bundesregie-

rung bekannt?
b) Wann sollen die Subgroups bzw. die Kommission als deren weisungsbe-

fugte Behörde ihre ersten Zwischenberichte oder Empfehlungen vorle-
gen?

21. Auf welche Weise wird die Einrichtung und Vernetzung der PNR-Zentral-
stellen auch in der Ratsarbeitsgruppe „Zusammenarbeit im Zollwesen“ be-
handelt, und welche Pläne existieren zur Einbindung der Zollbehörden in die
PNR-Zentralstellen?

22. Auf welche Weise wird die Einrichtung und Vernetzung der PNR-Zentral-
stellen auch in der Ratsarbeitsgruppe „Informationsaustausch und Daten-
schutz“ (DAPIX) behandelt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/10385

23. Auf welche Weise werden beim Bundesinnenministerium schon jetzt soge-

nannte Advanced Passenger Informations (API-Daten) für das Grenzma-
nagement verarbeitet, und für Reisende aus welchen Staaten ist eine solche
Verarbeitung zwingend vorgeschrieben?
a) Welche rechtlichen und technischen Maßnahmen werden derzeit unter-

nommen, um API-Daten zukünftig systematisch mit dem Schengener In-
formationssystem (SIS II) und der von Interpol geführten SLTD-Daten-
bank abzugleichen?

b) Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern hierzu
die derzeit geltende API-Richtlinie überarbeitet werden soll?

c) Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern die
EU-Mitgliedstaaten API-Daten für alle ankommenden und abgehenden
Flüge verarbeiten sollen?

Berlin, den 21. November 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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