BT-Drucksache 18/1037

Umsetzung des deutsch-amerikanischen Abkommens zur Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität

Vom 2. April 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1037
18. Wahlperiode 02.04.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan van Aken, Christine Buchholz,
Annette Groth, Dr. André Hahn, Inge Höger, Ulla Jelpke, Niema Movassat,
Petra Pau, Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

Umsetzung des deutsch-amerikanischen Abkommens zur Vertiefung der
Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwiegender
Kriminalität

Während es um die transatlantische Datenübermittlung im Rahmen der PNR-
(PNR = Fluggastdatensatz) und SWIFT-Abkommen zwischen der Europäischen
Union und den USA in den letzten Jahren viele Kontroversen gab, haben
zahlreiche europäische Länder – ohne dass dies großes Aufsehen erregt hätte –
in den letzten Jahren mit den USA so genannte Preventing and Combating Seri-
ous Crime-Abkommen (PCSC) über den bilateralen Austausch personenbezo-
gener Daten unterzeichnet (Bundestagsdrucksache 17/6965). Ausdrückliches
Vorbild für diese PCSC ist das Abkommen zwischen der Regierung der Bundes-
republik Deutschland und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika
über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung
schwerwiegender Kriminalität, das am 1. Oktober 2008 in Washington D. C.
unterzeichnet wurde. Trotz erheblicher datenschutzrechtlicher Bedenken der
Oppositionsparteien, des Bundesrates und des Bundesbeauftragten für den
Datenschutz und die Informationsfreiheit wurde das Abkommen am 3. Juli 2009
vom Deutschen Bundestag ratifiziert. Indes kam es in den USA als „executive
agreement“ niemals im Kongress zur Abstimmung.
Nach dem Vorbild des Vertrages von Prüm sieht das Abkommen automatisierte
Abfragen der nationalen Polizeidatenbanken mit Fingerabdrücken und DNA-
Profilen zu Zwecken der Verfolgung – und im Falle der Fingerabdruckdaten
auch zur vorausschauenden Verhinderung – „schwerwiegender Kriminalität“
vor. Darüber hinaus können zum Zweck der Verhinderung „terroristischer Straf-
taten“ ohne vorheriges Ersuchen auch sensible personenbezogene Daten z. B.
zum Sexualleben oder der politischen Gesinnung von Betroffenen in so genann-
ten Spontanübermittlungen an die andere Vertragspartei weitergegeben werden.
Daten, die die Vertragsparteien nach diesem Abkommen gewonnen haben, dür-
fen für den Zweck strafrechtlicher Ermittlungen und zur Verhinderung einer
„ernsthaften Bedrohung für die öffentliche Sicherheit“ sowie in Gerichts- und
Verwaltungsverfahren, die im Zusammenhang mit strafrechtlichen Ermittlungs-
verfahren stehen, weiterverarbeitet und gespeichert werden. Mit Einverständnis
der datenübermittelnden Vertragspartei können die Daten auch zu jedem ande-
ren Zweck weiterverarbeitet sowie an Drittstaaten, internationale Organisatio-
nen und selbst an Privatunternehmen weitergegeben werden.

Drucksache 18/1037 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Artikel 11 des PCSC-Abkommens betont, dass „Privatpersonen aus dem
Abkommen keine Rechte erwachsen“. Das Recht zur Korrektur oder Löschung
von übermittelten Daten bleibt allein den datenübermittelnden Behörden vor-
behalten. Die Details der Datenverarbeitung sowie die Möglichkeiten zur Wahr-
nehmung von Betroffenenrechten überlässt das Abkommen dem jeweiligen
nationalen Recht. Allerdings ist das Datenschutzrecht in den USA nur rudimen-
tär entwickelt, und ein Auskunftsrecht existiert für Bürgerinnen und Bürger aus
anderen Staaten nicht. Abhilfe schaffen soll das deutsche Gesetz zur Umsetzung
des Abkommens (BGBl. 2009 I Nr. 59, S. 2998 f.), das das Bundeskriminalamt
(BKA) als nationale Kontaktstelle für den bilateralen Informationsaustausch be-
nennt und Betroffenen das Recht einräumt, dort eine Auskunftserteilung bei der
zuständigen US-amerikanischen Kontaktstelle zu beantragen. Allerdings kann
das BKA als Stellvertreter der Betroffenen es unterlassen, diese über den Inhalt
der von US-Stellen erteilten Auskunft zu unterrichten, wenn dadurch die
„ordnungsgemäße Erfüllung“ seiner Aufgaben oder die „öffentliche Sicherheit
oder Ordnung“ gefährdet wäre oder dem „Wohle des Bundes oder eines Landes
Nachteile“ bereitet würden. Der Schutz Betroffener vor behördlicher Willkür ist
damit weder jenseits noch diesseits des Atlantiks hinreichend gesichert.
Auf Bundestagsdrucksache 17/6965 hatte die Bundesregierung vor drei Jahren
erklärt, das „Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutsch-
land und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Ver-
tiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwer-
wiegender Kriminalität“ sei am 1. Oktober 2008 unterzeichnet worden, die
Regelungen zum automatisierten Austausch von DNA-Profilen seien aber noch
nicht in Kraft getreten. Es seien also „auf Grundlage des Abkommens noch
keine Daten ausgetauscht“ worden. Die Bundesregierung erörtere aber mit den
USA „die Einzelheiten der praktischen Umsetzung des Datenaustauschs“. Wann
die Gespräche beendet sein werden und der Datenaustausch aufgenommen wird,
lasse sich nicht absehen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Sind zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA inzwischen die

Einzelheiten der technischen Ausgestaltung für den automatisierten Abruf
von daktyloskopischen Daten geregelt (bitte die in Artikel 6 Absatz 2 des Ab-
kommens vorgesehene Durchführungsvereinbarung(en) beifügen)?

2. Sind die Einzelheiten der technischen Ausgestaltung für den automatisierten
Abruf von DNA-Profilen inzwischen durch eine oder mehrere Durchfüh-
rungsvereinbarungen geregelt, so dass die Artikel 7 bis 9 des Abkommens in
Kraft getreten sind (wenn ja, bitte die Durchführungsvereinbarung(en) bei-
fügen)?

3. Welche Behörden und Abteilungen (bitte Organisationseinheiten konkret be-
nennen) sind auf US-amerikanischer Seite als nationale Kontaktstellen für
den Datenaustausch nach Artikel 6 (daktyloskopische Daten), Artikel 9
(DNA-Profile) und Artikel 10 Absatz 7 (Daten zur Verhinderung terroris-
tischer Straftaten) des Abkommens benannt?

4. Seit wann ist der automatisierte Abruf von daktyloskopischen Daten bzw.
DNA-Profilen im Wirkbetrieb?

5. Falls der automatisierte Datenabruf noch nicht im Wirkbetrieb ist, wie ist der
aktuelle Stand der Umsetzung, welcher Natur sind die Schwierigkeiten, und
wann ist die Aufnahme des Wirkbetriebes zu erwarten?

6. Wie viele Anfragen für einen automatisierten Datenabruf hat es seit Beginn
des Wirkbetriebs zwischen den Vertragspartnern gegeben (bitte nach abfra-
gender Kontaktstelle und Datenkategorie aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1037
7. Wie viele Übereinstimmungen von daktyloskopischen Daten oder DNA-
Profilen nach Artikel 4 bzw. 7 des Abkommens hat es seitdem gegeben
(bitte nach abfragender Kontaktstelle, Datenkategorien und Deliktarten auf-
schlüsseln)?

8. In wie vielen Fällen einer Übereinstimmung wurden im Rahmen der
Rechtshilfe weitere personenbezogene und sonstige Daten übermittelt (bitte
nach abfragender Kontaktstelle, Datenkategorie und Deliktarten aufschlüs-
seln)?

9. Wie viel Zeit vergeht in der Regel zwischen der Feststellung einer Überein-
stimmung von automatisiert abgerufenen Daten und der Übermittlung wei-
terer personenbezogener und sonstiger Daten im Rahmen der Rechtshilfe?

10. In wie vielen und welchen Fällen hat das BKA entsprechend Artikel 13 Ab-
satz 1 des Abkommens seine Zustimmung zur Weiterverarbeitung der über-
mittelten Daten zu anderen als den im Abkommen vorgesehenen Zwecken
gegeben, und mit welcher Begründung?

11. Auf welcher Ebene wird innerhalb des BKA die Zustimmung zur Weiter-
verarbeitung der übermittelten Daten zu anderen Zwecken entschieden, und
wie wird eine solche Zustimmung dokumentiert?

12. In wie vielen Fällen wurde das BKA ersucht, stellvertretend für möglicher-
weise Betroffene bei US-amerikanischen Stellen um Auskunft zu gespei-
cherten Daten zu ersuchen?

13. Wurden solche Anfragen durch die US-amerikanischen Kontaktstellen je-
mals verweigert, und wenn ja, wie häufig?

14. Wie häufig machte das BKA von seiner Möglichkeit Gebrauch, Betroffene
nicht über entsprechende Auskünfte zu unterrichten?

Berlin, den 1. April 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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