BT-Drucksache 18/1036

Olfaktorische Ermittlungen und entsprechende Forschungen von EU-Einrichtungen bzw. Bundesbehörden

Vom 2. April 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1036
18. Wahlperiode 02.04.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Christine Buchholz, Annette Groth, Ulla Jelpke,
Niema Movassat, Petra Pau, Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

Olfaktorische Ermittlungen und entsprechende Forschungen von
EU-Einrichtungen bzw. Bundesbehörden

Die Europäische Kommission fördert mehrere Projekte zur Identifizierung von
„terroristischen Bedrohungen“ mit chemischen, biologischen, radiologischen,
nuklearen und explosiven Gefahrstoffen (CBRNE). Noch im März 2014 will sie
hierzu eine Mitteilung herausgeben. Um die Ergebnisse auch für die Strafverfol-
gung nutzbar zu machen, fördert die Europäische Kommission im 7. Forschungs-
rahmenprogramm die Projekte „Sniffer“ und „Doggies“ zum Erschnüffeln von
Personen (http://cordis.europa.eu/projects/rcn/102348_en.html und http://cordis.
europa.eu/projects/285446). Die Technologien sollen sogar dazu dienen, uner-
wünschte Migrantinnen und Migranten aufzuspüren. Aus Deutschland sind die
Firmen EADS und G.A.S. Gesellschaft für analytische Sensorsysteme mbH
sowie das Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften – ISAS – e. V. daran
beteiligt.
Auch in Deutschland wird an entsprechenden Anwendungen geforscht. Bekannt
ist hierzu unter anderem die deutsche Bruker Daltonik GmbH (im Folgenden
Bruker), die auf eine Detektion gefährlicher Stoffe spezialisiert ist und mobile
Massenspektrometer herstellt (Telepolis, 25. Juni 2012). Es geht dabei um
CBRN-Stoffe, die zur Herstellung von Spreng- oder Brandsätzen genutzt wer-
den können und wie Drogen in kleinsten Spuren nachweisbar sind. Doch auch
aus anderen Stoffen bestehende „Gaswolken“ können aufgespürt werden.
Bruker wirbt damit, dass auch der Alkoholgehalt in der Luft gemessen werden
kann. Ausweislich der Produktbeschreibung kam das System bereits in einem
Stadion in Stuttgart zum Einsatz. So wollen Sicherheitsbehörden etwa alkoholi-
sierte Fans aufspüren, um etwaigen Regelverstößen zuvorzukommen. Laut der
Firma wurden Sensoren, die hierzu jedenfalls technisch in der Lage sind, bei der
Fußballweltmeisterschaft 2006, aber auch bei NATO- und G8-Gipfeln eingesetzt.
Im Projekt „Localisation of Threat Substances in Urban Society“ (LOTUS) ist
Bruker an einem ähnlichen EU-Forschungsprojekt beteiligt (www.foi.se/en/
Customer--Partners/Projects/LOTUS). Ziel ist die Entwicklung eines „Werk-
zeuges gegen Terrorismus“.
Im Rahmen der Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 nahm die
Generalbundesanwaltschaft Geruchsproben von Globalisierungsgegnerinnen
und -gegnern (Süddeutsche Zeitung, 22. Dezember 2010). Die Betroffenen
mussten kleine Eisenstangen mit schwitzigen Händen berühren. Unklar ist, auf
welche Weise die Proben ausgewertet wurden und welche Produkte welcher Fir-
men genutzt wurden. Die Maßnahme war durch den damaligen Bundesminister
des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble, als „probates Mittel, um mögliche Tatver-
dächtige zu identifizieren“ bezeichnet worden. Offen ist auch, wie oft die Tech-

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nik zur Anwendung kommt. Die Generalbundesanwaltschaft betont laut der
„Süddeutschen Zeitung“, dass „nur in Ausnahmefällen und bei schweren Straf-
taten Geruchsproben genommen würden“. Zudem benötige es eine „außeror-
dentlich gute – weil nicht kontaminierte – Geruchsquelle“, die nur sehr selten
vorliege.
Immer wieder kommen bei Ermittlungen auch so genannte Mantrailer-Hunde
zum Einsatz, um vermeintliche Spuren zu verfolgen. In Berlin wurden diese von
einem Hubschrauber der Bundespolizei zu einem Tatort gebracht (Berliner Zei-
tung, 28. November 2013). „Mantrailer-Hunde“ haben laut „Berliner Zeitung“
„noch empfindlichere Nasen als gewöhnliche Spürhunde und können angeblich
auch sehr schwache Geruchsspuren von Verdächtigen verfolgen“.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche von der Europäischen Union bzw. Europäischen Kommission ge-

förderten Forschungen zur Identifizierung von „Bedrohungen“ mit chemi-
schen, biologischen, radiologischen, nuklearen und explosiven Gefahrstof-
fen (CBRNE) sind der Bundesregierung bekannt?

2. An welchen dieser Forschungen beteiligen sich welche Behörden oder
sonstigen Einrichtungen des Bundes?

3. Inwiefern sind Ergebnisse dieser Forschungen nach Kenntnis der Bundes-
regierung auch geeignet, zur Strafverfolgung eingesetzt zu werden?

4. Inwiefern sollen die Forschungen nach Kenntnis der Bundesregierung auch
helfen, Gerüche oder andere Spuren von Personen zu verarbeiten?

5. Wie wird die Bundesregierung auf die Mitteilung der Europäischen Kom-
mission zum Aufspüren von chemischen, biologischen, radiologischen,
nuklearen und explosiven Gefahrstoffen (CBRNE) reagieren?

6. Was ist der Bundesregierung zur möglichen Nutzung von Geräten zur Iden-
tifizierung von CBRN-Stoffen oder Massenspektrometern bei der EU-Poli-
zeiagentur Europol bekannt?

7. Welche von der Bundesregierung geförderten Forschungen zur Identifizie-
rung von „Bedrohungen“ mit chemischen, biologischen, radiologischen,
nuklearen und explosiven Gefahrstoffen haben nach Kenntnis der Bundes-
regierung seit dem Jahr 2004 stattgefunden?

8. An welchen dieser Forschungen beteiligen sich welche Behörden oder
sonstigen Einrichtungen des Bundes, und welche weiteren Teilnehmenden
sind der Bundesregierung bekannt?

9. Inwiefern sollen die Forschungen auch helfen, Gerüche oder andere Spuren
von Personen zu verarbeiten?

10. Inwiefern sind Ergebnisse dieser Forschungen auch nach Kenntnis der Bun-
desregierung geeignet, zur Strafverfolgung eingesetzt zu werden?

11. Inwiefern betreibt bzw. betrieb oder unterstützte auch die Bundesregierung
Projekte wie „LOTUS“, „Sniffer“ und „Doggies“ zum Erschnüffeln von
Personen, und worum handelt(e) es sich dabei?

12. Inwiefern haben welche Bundesbehörden in welchen Projekten seit dem
Jahr 2004 mit der Firma Bruker zusammengearbeitet, und welches Ziel ver-
folgten diese?

13. Welche elektronischen Geräte welcher Hersteller zum Erfassen, Verarbei-
ten, Analysieren und Speichern auch kleinster nachweisbarer Spuren wer-
den beim Bundeskriminalamt, beim Zollkriminalamt und bei der Bundes-
polizei genutzt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1036
14. Inwiefern nutzen Bundesbehörden (auch mobile) Massenspektrometer, und
wozu kommen diese zum Einsatz?

15. Welche Daten werden von den Geräten erhoben?
16. Welche Produkte welcher Firmen haben welche Behörden in welchem Jahr

beschafft, und welche Gelder wurden hierfür aufgewendet?
17. Inwiefern können die Geräte auch den Alkoholgehalt in der Luft messen?
18. Inwiefern existier(t)en bei Polizeien des Bundes Überlegungen oder For-

schungen, diese auch zum Identifizieren alkoholisierter Personen einzuset-
zen?

19. Im Rahmen welcher strafrechtlicher Ermittlungen haben welche Bundes-
behörden bereits Massenspektrometer bzw. Geräte zur Identifizierung von
Bedrohungen mit chemischen, biologischen, radiologischen, nuklearen und
explosiven Gefahrstoffen (CBRNE) eingesetzt?

20. Inwiefern wurden und werden die Geräte auch zur Gefahrenabwehr ge-
nutzt?

21. Inwiefern trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung – wie von der Firma
Bruker behauptet – zu, dass ihre Sensoren bereits bei der Fußballweltmeis-
terschaft 2006, aber auch bei NATO- und G8-Gipfeln eingesetzt worden
sind, und welche Behörde hatte dies nach Kenntnis der Bundesregierung
verantwortet?

22. Wo werden die Geruchsproben (etwa von Globalisierungsgegnerinnen und
-gegnern, die im Vorfeld des G8-Gipfels entnommen wurden) gelagert?

23. Sofern diese nicht gelagert werden, inwiefern werden diese digitalisiert und
verarbeitet (bitte auch angeben, wo diese gespeichert wurden/werden)?

24. Auf welche Weise wurden bzw. werden die Geruchsproben ausgewertet
(bitte hierzu das technische Verfahren erläutern)?

25. Welche Produkte welcher Firmen wurden bzw. werden bei Bundesbehörden
für die Erhebung, Verarbeitung und Speicherung von Geruchsproben einge-
setzt?

26. Inwiefern hält die Bundesregierung an der Aussage des früheren Bundes-
innenministers, Dr. Wolfgang Schäuble, fest, der die Auswertung von Ge-
ruchsproben als „probates Mittel, um mögliche Tatverdächtige zu identifi-
zieren“, bezeichnete?

27. Wie oft haben die Generalbundesanwaltschaft bzw. andere Bundesbehör-
den die Verarbeitung von Geruchsproben seit dem Jahr 2004 beantragt und
durchgeführt?

28. In wie vielen Fällen sind dadurch Spuren erlangt worden, die wesentlich zur
Aufklärung von Tatumständen beitragen konnten?

29. Sofern hierzu keine Auskünfte erteilt werden können, welche herausragen-
den oder überhaupt erinnerlichen Fälle kann die Bundesregierung hierzu
mitteilen, damit sich die Fragestellerinnen und Fragesteller ein Bild über
Art und Häufigkeit der Nutzung machen können?

30. Inwiefern verfügen Bundesbehörden über so genannte Mantrailer-Hunde?
31. Sofern Bundesbehörden über keine eigenen Tiere verfügen, wo werden

diese für entsprechende Einsätze vorgehalten?

Drucksache 18/1036 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
32. Wie oft wurden „Mantrailer-Hunde“ durch Bundesbehörden von welchen
anderen Behörden oder Privatpersonen seit dem Jahr 2004 angefragt (bitte
die Zahlen für jedes einzelne Jahr ausweisen)?

33. Welche Kosten entstehen hierfür gewöhnlich (vor allem im Falle des Aus-
leihens bei Privatpersonen)?

Berlin, den 1. April 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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