BT-Drucksache 18/10247

Versorgung verbessern - Kompetenzen von Heilmittelerbringern ausbauen

Vom 9. November 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10247
18. Wahlperiode 09.11.2016
Antrag
der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg, Kordula Schulz-Asche,
Maria Klein-Schmeink, Dr. Harald Terpe, Dr. Franziska Brantner, Katja
Dörner, Kai Gehring, Tabea Rößner, Ulle Schauws, Doris Wagner, Beate
Walter-Rosenheimer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Versorgung verbessern – Kompetenzen von Heilmittelerbringern ausbauen

I. Der Bundestag wolle beschließen:

Für eine gute und an den Patientinnen und Patienten orientierte gesundheitliche Ver-
sorgung ist eine stärkere und gut abgestimmte Zusammenarbeit der verschiedenen Be-
rufsgruppen im Gesundheitswesen notwendig. Dazu muss auch die Aufgabenteilung
und -verteilung zwischen akademischen und nichtakademischen Gesundheitsberufen,
so auch den Heilmittelerbringern, überprüft und sinnvoll gestaltet werden.
Die im Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur „Stärkung der Heil- und Hilfs-
mittelversorgung (HHVG)“ enthaltenen Regelungen sind vor diesem Hintergrund
nicht ausreichend. Notwendig ist insbesondere ein mutiger Ausbau der Kompetenzen
von Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten, Logopädinnen und Logopäden so-
wie weiteren Heilmittelerbringern. Dazu gehört insbesondere die zügige Einführung
der so genannten „Blankoverordnung“ in die Regelversorgung. Hierbei stellen Ver-
tragsärztinnen und Vertragsärzte lediglich die Diagnose und verordnen eine Behand-
lung. Die Heilmittelerbringer entscheiden anschließend mit ihrem Wissen und ihrer
Erfahrung selbst über die jeweils geeignete Therapiemethode. Ziel ist eine bessere
Versorgungsqualität sowie eine wirtschaftlichere Versorgung.
Aufbauend auf eine solche Regelung ist die grundlegende Fortentwicklung der thera-
peutischen Berufe vonnöten, wie dies die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bereits in ihrem Antrag „Versorgung der Heilmittelerbringer stärken“ for-
dert (Bundestagsdrucksache 18/8399).
Obwohl sogar die AG Gesundheit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in einem Positi-
onspapier die Überführung der „Blankoverordnung“ in die Regelversorgung, aber
auch Modellprojekte zum „Direktzugang“ im Heilmittelbereich, vorgeschlagen hatte,
bleibt der Gesetzentwurf der Bundesregierung weiter hinter diesen Vorschlägen zu-
rück. Der Bundesrat fordert in seiner Stellungnahme zum HHVG, noch im laufenden
Gesetzgebungsverfahren die Voraussetzung für die modellhafte Erprobung des „Di-
rektzugangs“ zu schaffen. Beim so genannten „Direktzugang“ können die Patientinnen
und Patienten sich direkt an den Heilmittelerbringer wenden, ohne dass eine vorherige
Verordnung durch den Arzt erforderlich wäre.
Drucksache 18/10247 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
II. Vor diesem Hintergrund fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung

auf,

1. einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den die so genannte „Blankoverordnung“
in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung überführt wird,

2. zügig die Voraussetzungen für Modellvorhaben zur Erprobung des „Direktzu-
gangs“ im Heilmittelbereich zu schaffen.

Berlin, den 8. November 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

Heilmittelerbringer sind Dienstleister und Dienstleisterinnen, die Heilbehandlungen im Bereich der physikali-
schen Therapie und Physiotherapie, der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie, der Ergotherapie und der Podologie
durchführen. Sie bilden eine wichtige Säule in der Gesundheitsversorgung – auch und gerade vor dem Hinter-
grund einer immer älter werdenden Bevölkerung. Sie tragen zum Behandlungserfolg nach einem medizinischen
Eingriff bei oder helfen Patientinnen und Patienten bereits verlorene Fähigkeiten wiederzuerlangen oder Kom-
pensationsmöglichkeiten zu entwickeln. Für eine gute Gesundheitsförderung und Prävention von bestimmten
Erkrankungen werden Heilmittelerbringer im Rahmen der wachsenden Volkskrankheiten wie Rückenbeschwer-
den, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine noch wichtigere Rolle spielen. So sorgen sie beispiels-
weise dafür, dass gesundheitsfördernde Maßnahmen ergriffen werden, damit eine Erkrankung verhindert wird
oder sich nicht weiter verschlechtert.
Nach der Gesundheitspersonalrechnung des Statistischen Bundesamtes waren im Jahr 2013 bundesweit 222 000
Physiotherapeuten, Masseure und medizinische Bademeister tätig gegenüber 194 000 im Jahr 2009 und 125 000
im Jahr 2000. Auch die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Heilmittel sind alleine im
Zeitraum zwischen 2010 und 2014 von 4,61 Mrd. Euro auf 5,69 Mrd. Euro um 23,4 Prozent angestiegen (vgl.
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur
„Versorgung mit Heilmitteln – Einkommenssituation und Verteilung der Heilmittelerbringer in Deutschland“,
Bundestagsdrucksache 17/7283).
Diese Zahlen verdeutlichen die steigende Bedeutung von Heilmittelleistungen. Ihre großen Potenziale für eine
höhere Versorgungsqualität der Patientinnen und Patienten, aber auch in Bezug auf die Vermeidung hoher Fol-
gekosten werden noch längst nicht ausreichend erkannt und ausgeschöpft. Für eine höhere Qualität und bessere
finanzielle Stabilität des Gesundheitswesens ist es daher wichtig, perspektivisch die Handlungsmöglichkeiten der
Heilmittelerbringer zu stärken, etwa dort, wo eine ärztliche Ausbildung nicht notwendigerweise erforderlich ist.
Dabei müssen die spezifischen Kompetenzen, Kenntnisse und Erfahrungen der Heilmittelerbringer aufgegriffen
werden. Nicht zuletzt ist eine enge und abgestimmte Zusammenarbeit der Berufsgruppen für eine hohe Versor-
gungsqualität der Patientinnen und Patienten ausschlaggebend.
Um die Potenziale der Heilmittelleistungen bzw. -erbringer umfassend einschätzen, fördern und nutzen zu kön-
nen, ist unter anderem die Schaffung einer validen Datenbasis und die grundlegende Fortentwicklung der Be-
rufsbilder der Heilmittelerbringer vonnöten. Entsprechende Forderungen an die Bundesregierung zur Auflage
einer wissenschaftlichen Studie sowie zur Einberufung einer Facharbeitsgruppe formuliert die Bundestagsfrak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrem Antrag „Versorgung der Heilmittelerbringer stärken – Valide Da-
tengrundlage zur Versorgung und Einkommenssituation von Heilmittelerbringern schaffen“ (Bundestagsdruck-
sache 18/8399).
Die beiden im Antrag geforderten Instrumente der modellhaften Erprobung des „Direktzugangs“ und der Über-
führung der „Blankoverordnung“ in die Regelversorgung sind zwei in der Diskussion stehende Instrumente, um

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10247
die Kompetenzen der Heilmittelerbringer zu stärken, die Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe sinnvoller aus-
zutarieren und damit die Versorgungsqualität zu erhöhen.
Die Regierungsparteien sprechen sich im gemeinsamen Koalitionsvertrag von 2013 selbst für Modellvorhaben
zur Erprobung neuer Formen der Substitution ärztlicher Leistung und bei Erfolg für deren Überführung in die
Regelversorgung aus, ebenso die AG Gesundheit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im oben genannten Positi-
onspapier vom März 2015. Die 89. Gesundheitsministerkonferenz forderte das Bundesgesundheitsministerium
einstimmig dazu auf, die Voraussetzungen für die modellhafte Erprobung des „Direktzugangs“ zu prüfen. Der
Bundesrat plädiert in seiner Stellungnahme zum HHVG sogar dafür, noch im laufenden Gesetzgebungsverfahren
für ein Heil- und Hilfsmittelversorgungsstärkungsgesetz (HHVG) die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür
zu schaffen.
Deshalb ist es nicht nachvollziehbar, warum die Bundesregierung diese Forderungen bisher nicht aufgegriffen
hat und beide Instrumente nicht in der geforderten Form durch das HHVG verankert bzw. die Voraussetzungen
dafür schafft. Sofern als Voraussetzung für Modellprojekte zum „Direktzugang“ neben gesetzlichen Änderungen
im SGB V eine Überarbeitung der Gesetze über die jeweiligen Gesundheitsfachberufe erforderlich ist, unter-
streicht dies die Dringlichkeit der Fortentwicklung dieser Berufsbilder, wie es die Bundestagsfraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN im oben genannten Antrag auf Bundestagsdrucksache 18/8399 fordert.

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