BT-Drucksache 18/10246

zu den Entwürfen für eine Durchführungsverordnung und zwei Durchführungsbeschlüsse der Europäischen Kommission über das Inverkehrbringen von Saatgut zum Anbau der gentechnisch veränderten Maislinien MON810, 1507 und Bt11 (Dokumente SANTE/10702/2016 CIS Rev. 3, SANTE/10703/2016 CIS Rev. 3, SANTE/10704/2016CIS Rev. 3) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Keine Zulassung der gentechnisch veränderten Maislinien MON810, 1507 und Bt11 für den Anbau in der EU

Vom 9. November 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10246
18. Wahlperiode 09.11.2016
Antrag
der Abgeordneten Harald Ebner, Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff,
Markus Tressel, Annalena Baerbock, Matthias Gastel, Bärbel Höhn, Sylvia
Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Stephan Kühn (Dresden), Christian Kühn
(Tübingen), Steffi Lemke, Peter Meiwald, Dr. Julia Verlinden, Dr. Valerie Wilms
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu den Entwürfen für eine Durchführungsverordnung und zwei
Durchführungsbeschlüsse der Europäischen Kommission über
das Inverkehrbringen von Saatgut zum Anbau der gentechnisch
veränderten Maislinien MON 810, 1507 und Bt11
(Dokumente SANTE/10702/2016 CIS Rev. 3, SANTE/10704/2016 CIS Rev. 3,
SANTE/10703/2016 CIS Rev. 3)

hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23
Absatz 3 des Grundgesetzes

Keine Zulassung der gentechnisch veränderten Maislinien MON 810, 1507
und Bt11 für den Anbau in der EU

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die EU-Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen wird seit den Verträgen von
Lissabon nicht mehr als Beschluss des Rates der Europäischen Union direkt von den
zuständigen Ministern in öffentlicher Sitzung gefasst, sondern in nichtöffentlicher Sit-
zung von Ministerialbeamten im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens-
und Futtermittel (SCoPAFF).1 Die Europäische Kommission hat im Juli 2016 ange-
kündigt, die Abstimmungen über die Zulassungen der gentechnisch veränderten Mais-
linien MON 810 von Monsanto (Erneuerungsantrag), 1507 von Dow/DuPont und Bt11
von Syngenta für den Anbau am 14. Oktober dieses Jahres anstreben zu wollen. Mitt-
lerweile werden die Abstimmungen für die Sitzung am 11. November erwartet. Im
1 im Unterausschuss für gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel (http://ec.eu-
ropa.eu/food/plant/standing_committees/index_en.htm)

http://ec.europa.eu/food/plant/standing_committees/index_en.htm
http://ec.europa.eu/food/plant/standing_committees/index_en.htm
Drucksache 18/10246 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Oktober soll lediglich erneut über die Vorschläge diskutiert werden. Die Bundesregie-
rung hat die Möglichkeit, schriftliche Kommentare einzureichen, nicht genutzt.2 Über
ihr Abstimmungsverhalten hat sich die Bundesregierung noch nicht geeinigt.3
Die Ablehnung der gentechnisch veränderten Maislinien innerhalb der Europäischen
Union ist groß. Schon zwei Drittel der Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, haben
von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, von den antragstellenden Unternehmen die
Herausnahme des eigenen Territoriums aus der beantragten Anbauzulassung zu erbit-
ten.4 Die Umsetzung der Opt-out-Richtlinie in deutsches Recht als zuverlässige
Grundlage für rechtssichere nationale Anbauverbote ist dagegen bis heute nicht er-
folgt.
Das Europäische Parlament hat die Zulassungen am 6. Oktober 2016 in drei Entschlie-
ßungen abgelehnt und die Kommission aufgefordert, die Vorschläge zurückzuziehen.5

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf,

a) die Vorschläge der Europäischen Kommission über die erneute Zulassung für den
Anbau der gentechnisch veränderten Maislinie MON 810 und über die erstmalige
Zulassung der Linien 1507 und Bt11 für den Anbau im Ständigen Ausschuss für
Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel abzulehnen und

b) die Zulassung der genannten Linien auch im Berufungsausschuss abzulehnen,
sollte es dort ebenfalls zur Abstimmung kommen.

Berlin, den 8. November 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen wird sowohl in Deutschland als auch in den anderen Mitgliedstaa-
ten der Europäischen Union von der Bevölkerung mit großer Mehrheit abgelehnt. Kommt es in den Gremien des
Rates der Europäischen Union zur Abstimmung, findet sich unter den Mitgliedstaaten jedoch regelmäßig weder
eine qualifizierte Mehrheit für noch eine qualifizierte Mehrheit gegen die Zulassung gentechnisch veränderter
Pflanzen zum Anbau in der EU. Von der Einführung der sogenannten Opt-out-Regelung, die es den Mitgliedstaa-
ten nun erlaubt, den Anbau von zugelassenen Gentech-Pflanzen auf ihrem Territorium zu beschränken oder zu
verbieten, erhofften sich die Europäische Kommission und vor allem auch erklärtermaßen die Gentechnik-Un-
ternehmen ein Aufbrechen dieser Patt-Situation beziehungsweise eine „Auflösung des Zulassungs-Staus“, wie
es die Industrie nennt. Die Erwartung ist, dass den Mitgliedstaaten die grundsätzliche Zustimmung zu den Gen-
technik-Zulassungen in Brüssel leichter fällt, wenn sie gleichzeitig im eigenen Land den Anbau verbieten dürfen.
Doch eine konsistente Politik sieht anders aus: Wer den Anbau im eigenen Land nicht will, muss die gentechnik-
freie Landwirtschaft vor Verunreinigung schützen. Das geht aber nur, wenn in Europa kein Flickenteppich aus
Ländern und Regionen mit und ohne Gentechnik-Anbau entsteht. Denn Gentech-Pollen macht nicht an Grenzen
halt und jeder Gentech-Anbau, auch im Nachbarland, beinhaltet das Risiko der unerwünschten Ausbreitung oder
2 Antwort auf Schriftliche Frage 70 auf Bundestagsdrucksache 18/9970
3 Antwort auf Schriftliche Frage 25 auf Bundestagsdrucksache 18/10095
4 www.zeit.de/wissen/umwelt/2015-10/eu-gentechnik-genmanipulierte-pflanzen-verbotsantrag
5 www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+20161006+TOC+DOC+XML+V0//DE

http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2015-10/eu-gentechnik-genmanipulierte-pflanzen-verbotsantrag
http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+20161006+TOC+DOC+XML+V0//DE
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10246
Verunreinigung. Deshalb ist wirkliche Gentechnikfreiheit nur zu erreichen, wenn auch die Zustimmung zur An-
bauzulassung in Brüssel versagt wird, um den Anbau in ganz Europa zu verhindern.
Das deutsche Landwirtschaftsministerium votiert jedoch üblicherweise für Zustimmung, das deutsche Umwelt-
ministerium für Ablehnung – weshalb sich die Bundesregierung in der Vergangenheit meist enthalten hat.
Im Falle eines Patts obliegt es der Europäischen Kommission, innerhalb einer gewissen Frist die Zulassung aus-
zusprechen. Werden nach erfolgter Zulassung neue wissenschaftliche Erkenntnisse publiziert, die ein Risiko für
Umwelt oder Gesundheit vermuten lassen, können die einzelnen Mitgliedstaaten auf Grundlage des Vorsorge-
prinzips vorübergehend den Anbau untersagen. Von dieser Möglichkeit hatten im Fall der Maislinie MON 810,
der einzigen seit 1998 in der EU zum Anbau zugelassenen gentechnisch veränderten Maislinie, mehrere Mit-
gliedstaaten Gebrauch gemacht, darunter Deutschland. Die neue Opt-out-Regelung bietet nun weitere Möglich-
keiten, den Anbau längerfristig national zu beschränken oder zu verbieten. Ein Großteil der EU-Staaten hat be-
reits von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihre Territorien von den Unternehmen freiwillig aus dem Gültig-
keitsbereich der geplanten Anbauzulassungen herausnehmen zu lassen. Tatsächliche nationale Verbote auf Basis
der neuen Möglichkeiten gibt es bisher noch in keinem EU-Staat. In größerem Umfang wird MON 810 aktuell
nur in Spanien angebaut.
Die gentechnisch veränderte Maislinie 1507 von DuPont Pioneer und Dow Agrosciences enthält wie MON 810
von Monsanto und Bt11 von Syngenta ein Gen des Bakteriums Bacillus thuringiensis (Bt), welches dazu führt,
dass die Pflanze in allen Teilen Bt-Toxin produziert, das vor allem für bestimmte Insekten giftig ist. In Deutsch-
land soll mit dieser Methode insbesondere der Maiszünsler bekämpft werden, ein Schmetterling, dessen Raupen
sich von der Maispflanze ernähren. Inwieweit dieses Vorgehen Risiken für andere Insekten und Gliederfüßer
über und unter der Erde, für mit Bt-Mais gefütterte Nutztiere und letztlich für den Menschen birgt, ist umstritten.
Im Vergleich zu MON 810 und Bt11 enthält 1507 eine andere, weniger erforschte Variante des Bt-Toxins in
zudem deutlich höheren Konzentrationen.
Die Maislinie 1507 befindet sich seit über 10 Jahren im Zulassungsverfahren. Immer wieder wurden neue Zweifel
an der Sicherheit der gentechnischen Veränderungen laut. Nach der mehrmaligen Bewertung durch die EFSA
weigerten sich die Antragsteller schließlich, weitere Auflagen der Europäischen Kommission zu erfüllen und
reichten erfolgreich Untätigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof ein. Am 6. November 2013 beschloss die
Europäische Kommission deshalb, dem Rat der Europäischen Union zeitnah einen Entscheidungsvorschlag für
die Anbau-Zulassung der gentechnisch veränderten Maislinie 1507 vorzulegen. Dieses Verfahren wurde durch
die Änderung der EU-Freisetzungsrichtlinie (Opt out) unterbrochen und nun wieder aufgenommen.
Die Risiken der zur Zulassung anstehenden Sorten für Umwelt und Gesundheit sind also nicht ausreichend ge-
klärt, deshalb muss die Bundesregierung sie ablehnen. Wer wirklich die Vorbehalte des Großteils der Bevölke-
rung anerkennt und es ernst meint mit der Gentechnikfreiheit in Deutschland, muss ohnehin Nein sagen zur
europaweiten Zulassung von Gentechnik-Anbau.
Da ein gleichlautender Antrag der antragstellenden Fraktion vom Plenum des Deutschen Bundestages am
20.10.2016 zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen wurde, derselbe in der 45. Kalenderwoche dort
jedoch nicht abgeschlossen werden wird, eine Positionierung des Deutschen Bundestages aber spätestens in der
45. Kalenderwoche notwendig ist, legt die antragstellende Fraktion den Antrag dem Deutschen Bundestag zur
erneuten Beschlussfassung vor.

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