BT-Drucksache 18/10245

Überfälle der libyschen Küstenwache auf deutsche und belgische Rettungsmissionen im Mittelmeer

Vom 8. November 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10245
18. Wahlperiode 08.11.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,
Christine Buchholz, Annette Groth, Jan Korte, Niema Movassat,
Dr. Alexander S. Neu, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Überfälle der libyschen Küstenwache auf deutsche und belgische
Rettungsmissionen im Mittelmeer

In mindestens fünf Fällen ist die zur Marine gehörende libysche Küstenwache
bereits gegen eine belgische und vier deutsche Rettungsmissionen im Mittelmeer
vorgegangen, teilweise fielen dabei auch Schüsse. Unter anderem wurden auch
Rettungseinsätze behindert, zu denen die Schiffe der Seenotretter vom Maritime
Rescue Coordination Center Rom (MRCC), der Seenotrettungsleitstelle für das
gesamte Mittelmeer, entsandt wurden. Dabei übernahm die Crew die Rolle eines
„On Scene Coordinators“, was gemäß dem Seerecht das zuerst eingetroffene, das
am besten ausgerüstete Schiff oder das von der Rettungsleitstelle angewiesene
Schiff bezeichnet. „On Scene Coordinators“ können hinzu kommenden Schiffen
Weisungen erteilen. Dies hätte auch von der libyschen Küstenwache befolgt wer-
den müssen.
Am 24. April 2016 stürmten Bewaffnete ein Schiff der Rettungsorganisation Sea
Watch außerhalb libyscher Hoheitsgewässer und schüchterten die Besatzung mit
Warnschüssen ein (Telepolis vom 9. Juni 2016). Das eingesetzte Schnellboot trug
libysche Hoheitszeichen. Die Bundesregierung bestätigt, es habe sich eine „uni-
formierte Besatzung eines Festrumpfschlauchbootes“ der libyschen Küstenwache
gehandelt (Bundestagsdrucksache 18/8659). Das Schiff der Sea Watch habe sich
außerhalb der libyschen Territorialgewässer befunden. Angeblich habe die Küs-
tenwache das Rettungsschiff der illegalen Fischerei verdächtigt.
Am 17. August 2016 wurde das Rettungsschiff „Bourbon Argos“ der Organisa-
tion Ärzte ohne Grenzen von einem zunächst nicht identifizierten Schnellboot
beschossen und geentert (Pressemitteilung vom 26. August 2016). Einige Ge-
schosse beschädigten die Brücke des Rettungsschiffes, die Besatzung flüchtete
in einen Sicherheitsraum. Die libysche Einheitsregierung bestätigte schließlich,
dass die Schüsse von einem Schiff ihrer Küstenwache abgegeben worden waren
(Guardian vom 28. August 2016). Ärzte ohne Grenzen betont, die „Bourbon Ar-
gos“ sei 24 Seemeilen vor der libyschen Küste gefahren. Im Nachgang erklärte
die Bundesregierung, das taktische Einsatzhauptquartier der EU-Militärmission
EUNAVFOR MED sei vom MRCC von dem Angriff unterrichtet worden (Bun-
destagsdrucksache 18/9965). Das deutsche Schiff „Werra“, das britische Schiff
„Enterprise“ sowie Hubschrauber des italienischen Flugzeugträgers „Garibaldi“
seien daraufhin unverzüglich zur Position der „Bourbon Argos“ gefahren. Zum
Schutz „vor einem weiteren Zwischenfall dieser Art“ sei den vor Ort befindlichen
NGO-Schiffen durch die Seenotrettungsleitstelle in Rom empfohlen worden, das
Gebiet in Richtung Norden zu verlassen. Die libysche Küstenwache habe eine
„interne Untersuchung“ des Vorfalls zugesichert. Die Bundesregierung schreibt,

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es habe sich bei der Besatzung des libyschen Bootes der libyschen Küstenwache
wohl um „unerfahrenes und nicht entsprechend ausgebildetes Personal“ gehan-
delt, das die „Bourbon Argos“ als verdächtiges Fahrzeug einstufte und durch Ab-
gabe von Warnschüssen zum Anhalten zwingen wollte (Bundestagsdrucksache
18/9965). Dabei sei es zu „nicht beabsichtigten Treffern“ gekommen.
Am 7. September 2016 wurden zwei Helfer der Rettungsmission Sea-Eye auf See
festgenommen, angeblich weil sie mit ihrem Schnellboot aus tunesischen Gewäs-
sern kommend in libysches Hoheitsgebiet eingedrungen waren (ZEIT Online vom
11. September 2016). Nach drei Tagen wurden die Crew-Mitglieder freigelassen
und an das deutsche Marineschiff „Werra“ übergeben, mit dem sich die Bundes-
wehr an der EU-Militärmission EUNAVFOR MED im zentralen Mittelmeer be-
teiligte. Das Speed-Boat, mit dem die Seenotretter unterwegs waren, wurde von
der Küstenwache beschlagnahmt und bislang nicht herausgegeben.
Im Oktober 2016 wurde das Schiff „Iuventa“ der Organisation Jugend Rettet von
einem Schiff der libyschen Küstenwache geentert (ZEIT Online vom 26. Oktober
2016). Die Besatzung hat dabei mit Kalaschnikow-Gewehren auf die Retter ge-
zielt. Nach einer Kontrolle hätten die Uniformierten die „Iuventa“ wieder verlas-
sen. Laut dem Bericht seien die Seenotretter vor dem Entern nicht wie üblich auf
dem Notfallkanal angesprochen worden.
Am 21. Oktober 2016 folgte ein Übergriff auf eine Rettungsaktion der Sea-
Watch, in dessen Folge bis zu 30 Geflüchtete ertranken (siehe den Einsatzbericht
der Sea-Watch: http://gleft.de/1ut). Ein Schiff der libyschen Küstenwache hatte
zunächst die Rettungsaktion in internationalen Gewässern, mit der das Schiff
„Sea Watch 2“ von der Rettungsleitstelle in Rom beauftragt worden war, behin-
dert. Die Küstenwache schob sich zwischen ein Schnellboot der Sea Watch und
das zu rettende Schlauchboot und unterband dadurch die Versorgung der Ge-
flüchteten mit Rettungswesten. Ein Uniformierter enterte das Schlauchboot und
schlug auf die an Bord befindlichen Personen ein, mutmaßlich um den Außen-
bordmotor zu stehlen. Bei der Aktion beschädigte das Heck des Küstenwachschif-
fes eine Kammer des Schlauchbootes, das daraufhin an Luft verlor. Im Schlauch-
boot brach Panik aus, fast alle der etwa 150 Insassen fielen ins Wasser, viele er-
tranken dabei. Daraufhin verließ die Küstenwache den Ort des Geschehens. Die
Bundesregierung schreibt zehn Tage später, ihr lägen zum Ort des Geschehens
und den eigentlichen Vorgang „widersprüchliche Aussagen“ vor, dies beträfe
auch die außer der „Sea-Watch 2“ beteiligten Schiffe (Schriftliche Frage 11 der
Abgeordneten Inge Höger auf Bundestagsdrucksache 18/10202). Jedoch ist der
Überfall von einem professionellen Fotografen Christian Ditsch dokumentiert,
das Schiff der libyschen Küstenwache und das Hoheitszeichen der Einheit ist auf
den Bildern eindeutig zu erkennen: http://gleft.de/1uu. Es handelt sich um das
gleiche Fahrzeug, das zuvor die „Iuventa“ von Jugend Rettet geentert hat
(http://gleft.de/1uq). Das Schiff ist nach Kenntnis der Fragesteller ein niederlän-
disches Fabrikat, das in gleicher Ausführung von mehreren Einheiten und anderer
Nummerierung der Küstenwache genutzt wird. Ein Video des Senders Al Jazeera
von vor einem Jahr zeigt ein Interview mit einem Sprecher der Küstenwache
Misrata, in der ein solches Schiff zu sehen ist (http://gleft.de/1ur).
Die Küstenwache operiert laut dem Auswärtigen Amt mit 3 500 Mitarbeitern von
acht Basen in den sechs Sektoren Zuwara, Tripolis, Misrata, Benghazi, Derna und
Tobruk (Bundestagsdrucksache 18/8659). In einigen der Häfen übten demnach
Milizen Einfluss aus. Die neue, international anerkannte libysche Einheitsregie-
rung in Tripolis hat lediglich die Befehlsgewalt über „Teile“ der Seegrenzen im
Raum Tripolis (Bundestagsdrucksache 18/9262). Die Küstenwache soll dort über
drei Boote in Tripolis, drei in Misrata und zwei in Zuwara verfügen (Bundestags-
drucksache 18/9965). Hinzu käme eine unbekannte Anzahl von Festrumpf-
schlauchbooten. Zu den Zuständigkeiten Libyens außerhalb der Zwölfseemeilen-
zone sowie den Seenotrettungsgebieten (Maritime Search and Rescue Regions)

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verfügt die Bundesregierung über keine Informationen. Libyen sei zwar dem In-
ternationalen Übereinkommen über den Such- und Rettungsdienst auf See von
1979 (SAR Convention 79) beigetreten, sei jedoch den Verpflichtungen aus dem
Abkommen bis heute nicht nachgekommen. Bislang habe die libysche Regierung
keine Informationen zu den Grenzen seiner SAR-Region bekannt gegeben. Auch
eine zuständige und verantwortliche Rettungsleitstelle (Rescue Coordination
Centre – RCC) wurde nicht benannt. Die Leitstelle zur Koordination der Seenot-
rettung in Rom hat bislang keine offiziellen libyschen Ansprechpartner und
spricht deshalb von einer „selbsternannten“ Küstenwache („self-styled Coast Gu-
ard“). Die Bundesregierung benutzt den Begriff „sogenannte libysche Küstenwa-
che“ (Bundestagsdrucksache 18/8659).
Am 27. Oktober 2016 hat die Europäische Union unter Beteiligung der Bundes-
wehr mit Ausbildungsmaßnahmen für die libysche Küstenwache auf Kriegsschif-
fen der Mission EUNAVFOR MED begonnen (Mitteilung des Auswärtigen
Dienstes vom 27. Oktober 2016). Die Trainings wurden im August 2016 mit
der Unterzeichnung eines Memorandum of Understanding zwischen den Kom-
mandierenden von EUNAVFOR MED und der libyschen Küstenwache verein-
bart (Mitteilung des Auswärtigen Dienstes vom 23. August 2016). 81 „Trainees”
und fünf Supervisoren wurden mit dem italienischen Kriegsschiff „San Giorgio”
in Misrata abgeholt und auf ein Schiff von EUNAVFOR MED verbracht
(http://gleft.de/1us).
Entgegen der Auffassung der Bundesregierung, die Schusswaffeneinsätze der li-
byschen Küstenwache seien auf „unerfahrenes und nicht entsprechend ausgebil-
detes Personal“ zurückzuführen (Bundestagsdrucksache 18/9965), gehen die Fra-
gesteller davon aus, dass die Einheiten selbst in Geschäfte mit „Menschen-
schmuggel“ involviert sind. Der Verweis der Bundesregierung, „umso wichtiger“
sei nun die am Mittwoch, den 26. Oktober 2016 begonnene Ausbildung dieser
Küstenwache, ist daher nicht zielführend (Schriftliche Fragen 12 und 11 der Ab-
geordneten Andrej Hunko und Inge Höger auf Bundestagsdrucksache 18/10202).
Stattdessen müssen die Vorfälle vollumfänglich aufgeklärt werden. Auch die
Bundesregierung ist hierzu in der Pflicht.

Wir fragen die Bundesregierung
1. Welche neueren Details sind der Bundesregierung mittlerweile zu dem Vor-

fall vom 24. April 2016 bekannt, bei dem Bewaffnete ein Schiff der Ret-
tungsorganisation Sea Watch außerhalb libyscher Hoheitsgewässer stürmten
und die Besatzung mit Warnschüssen einschüchterten (Telepolis vom 9. Juni
2016)?
a) Auf welche Weise sind das Auswärtige Amt und die Botschaft Tripolis

zur Aufklärung und Verfolgung des Übergriffs auf die deutschen Staats-
angehörigen tätig geworden?

b) Inwiefern und mit welchem Ergebnis wurde dieser Vorfall nach Kenntnis
der Bundesregierung von der libyschen Küstenwache untersucht?

2. Welche neueren Details sind der Bundesregierung mittlerweile zu dem Vor-
fall vom 17. August 2016 bekannt, bei dem das Rettungsschiff „Bourbon
Argos“ der Organisation Ärzte ohne Grenzen von einem zunächst nicht iden-
tifizierten Schnellboot beschossen und geentert wurde?
a) Wie kommt die Bundesregierung zur Einschätzung, die 13 Einschläge au-

tomatischer Waffen in der Brücke der „Bourbon Argos“ seien eine Folge
von „nicht beabsichtigten Treffern“?

b) Welche Stelle der libyschen Küstenwache oder Marine war für die „in-
terne Untersuchung“ des Vorfalls zuständig?

Drucksache 18/10245 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
c) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, ob die Untersuchung über-
haupt noch betrieben wird?

3. Sofern der Bundesregierung oder dem taktischen Einsatzhauptquartier von
EUNAVFOR MED keine Ergebnisse zu der Untersuchung der 13 Einschläge
automatischer Waffen in der Brücke der „Bourbon Argos“ vorliegen
(Schriftliche Frage 11 der Abgeordneten Inge Höger auf Bundestagsdruck-
sache 18/10202), über welche Möglichkeiten verfügt sie, um diese Ergeb-
nisse in Erfahrung zu bringen oder Druck auf die libyschen Behörden auszu-
üben, diese Untersuchung voranzutreiben, damit geklärt werden kann, ob es
sich tatsächlich um „unerfahrenes und nicht entsprechend ausgebildetes [li-
bysches] Personal“ gehandelt hat?

4. Welche neueren Details sind der Bundesregierung mittlerweile zu dem Vor-
fall vom 7. September 2016 bekannt, bei dem zwei Helfer der Rettungsmis-
sion Sea-Eye festgenommen wurden, angeblich weil sie mit ihrem Schnell-
boot aus tunesischen Gewässern kommend in libysches Hoheitsgebiet einge-
drungen waren (ZEIT Online vom 11. September 2016)?
a) Inwiefern trifft der Vorwurf des Eindringens in libysches Hoheitsgebiet

nach Kenntnis der Bundesregierung zu oder nicht zu?
b) Auf welche Weise sind das Auswärtige Amt und die Botschaft Tripolis

zur Aufklärung und Verfolgung des Übergriffs auf die deutschen Staats-
angehörigen tätig geworden?

c) In welchem Verfahren wurde zwischen welchen Beteiligten verabredet,
die freigelassenen Crew-Mitglieder an das deutsche Marineschiff
„Werra“ zu übergeben?

d) Was ist der Bundesregierung über den Verbleib des von der Küstenwache
weiterhin beschlagnahmten Speed-Boats bekannt, mit dem die Seenotret-
ter unterwegs waren, und inwiefern bemüht sie sich um dessen Heraus-
gabe?

5. Welche Details sind der Bundesregierung mittlerweile zu dem Vorfall vom
Oktober 2016 bekannt, bei dem das Schiff „Iuventa“ der Organisation Jugend
Rettet von einem Schiff der libyschen Küstenwache geentert wurde (ZEIT
Online vom 26. Oktober 2016)?
a) Wo trug sich der Vorfall zu, und inwiefern ist es zutreffend, dass die Be-

satzung nicht wie üblich auf dem Notfallkanal angesprochen worden war
und schließlich mit automatischen Waffen bedroht wurde?

b) Inwiefern wird der Vorfall durch die libysche Küstenwache oder Marine
untersucht bzw. welche Ergebnisse sind der Bundesregierung hierzu be-
kannt?

6. Welche neueren Details sind der Bundesregierung mittlerweile zu dem Vor-
fall vom 21. Oktober 2016 bekannt, bei dem eine Rettungsaktion der Orga-
nisation SeaWatch behindert wurde und in dessen Folge bis zu 30 Geflüch-
tete ertranken (siehe den Einsatzbericht: http://gleft.de/1ut) und den die Bun-
desregierung zunächst damit kommentierte, die bislang gewonnenen Er-
kenntnisse ergäben „bisher kein eindeutiges Lagebild“ (Schriftliche Frage 12
des Abgeordneten Andrej Hunko auf Bundestagsdrucksache 18/10202)?
a) Welche „widersprüchliche[n] Aussagen“ sind der Bundesregierung

hierzu bekannt?
b) Welche weiteren Informationen zu neben der SEA WATCH 2 beteiligten

Schiffen liegen der Bundesregierung nunmehr vor?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/10245
c) Auf welche Weise sind das Auswärtige Amt und die Botschaft Tripolis
zur Aufklärung und (auch strafrechtlichen) Verfolgung des Übergriffs auf
die deutschen Staatsangehörigen tätig geworden?

d) Inwiefern teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Fragesteller,
wonach es sich bei dem Überfall (siehe die Bilder des mitfahrenden
Fotografen Christian Ditsch: http://gleft.d/1uu) um das gleiche Schiff
handelt, das zuvor die „Iuventa“ von Jugend Rettet geentert hat
(http://gleft.de/1uq) und auch auf einem Video des Senders Al Jazeera von
vor einem Jahr zu sehen ist, das die Küstenwache Misrata porträtiert
(http://gleft.de/1ur)?

7. Auf welche Weise hat sich die Bundesregierung für die weitere Aufklärung
des Vorfalls im Rahmen der Zusammenarbeit von EUNAVFOR MED und
mit der libyschen Küstenwache eingesetzt (Schriftliche Frage 12 des Abge-
ordneten Andrej Hunko auf Bundestagsdrucksache 18/10202), und welche
Ergebnisse zeitigten diese Bemühungen?

8. Auf welche Weise wurden die fünf in der Vorbemerkung beschriebenen Vor-
fälle im Rahmen der EU-Militärmission EUNAVFOR MED aufgearbeitet,
nachverfolgt oder zur Anzeige gebracht?

9. Inwiefern wurden oder werden die fünf in der Vorbemerkung beschriebenen
Vorfälle im Rahmen der EU-Militärmission EUNAVFOR MED auch mit
den Auszubildenden der libyschen Küstenwache thematisiert, etwa um dar-
über Erkenntnisse zu den Urhebern der Überfälle zu erlangen?

10. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern die libysche Küs-
tenwache auch im Hafen von Zawiya stationiert ist und dort Schiffe oder
Festrumpfschlauchboote stationiert (Bundestagsdrucksache 18/8659)?

11. Welche (auch mutmaßlichen) Vorfälle sind der Bundesregierung auf dem
Mittelmeer bekannt, bei denen sich Unbekannte wie von Enrico Credendino,
dem Admiral der Mission EUNAVFOR MED behauptet, mit Uniformen als
Angehörige der Küstenwache tarnen, es sich dabei jedoch um „Schleuser“
handelt („In some cases we cannot be sure that it’s the coast guard... it’s the
traffickers who are masquerading“, AFP vom 2. November 2016)?

12. Bei welchen dieser Vorfälle wurden Schlauchboote („Zodiacs“), und bei
welchen dieser Vorfälle wurden Schnellboote eingesetzt?

13. Über welche Seegrenzen übt die neue, international anerkannte libysche Ein-
heitsregierung in Tripolis nach derzeitigem Stand die Befehlsgewalt aus
(Bundestagsdrucksache 18/9262)?

14. Welche dieser Seegrenzen bzw. Häfen werden von welchen der Einheitsre-
gierung loyal gegenüber stehenden Milizen kontrolliert?

15. Inwiefern hat die libysche Regierung mittlerweile eine zuständige und ver-
antwortliche Rettungsleitstelle (Rescue Coordination Centre – RCC) be-
nannt?

16. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit Beste-
hen der Mission EUNAVFOR MED in wie vielen Missionen von den dort
beteiligten Schiffen gerettet oder an Bord genommen?
a) Wie viele dieser Personen wurden in wie vielen Missionen (etwa auf Wei-

sung des MRCC in Rom) lediglich an Bord genommen, nachdem diese
von anderen Schiffen gerettet wurden?

b) In wie vielen dieser Missionen von EUNAVFOR MED übernahmen die
dort beteiligten Kriegsschiffe die Rolle als „On Scene Coordinator“ (so-
fern die Bundesregierung hierzu über keine Zahlen verfügt, bitte für die
Bundeswehr ausweisen)?

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17. Welche Konventionen und Verträge zum internationalen Seerecht hat die li-

bysche Regierung nach Kenntnis der Bundesregierung unterzeichnet und ra-
tifiziert, und welche dieser Konventionen und Verträge setzt sie wie vorge-
schrieben um?

18. Welche Bestimmungen des internationalen Seerechts müssen von der liby-
schen Regierung auch ohne Unterzeichnung oder Ratifizierung befolgt wer-
den?

19. Auf welche Weise kann die libysche Küstenwache wie beim Vorfall am
21. Oktober 2016 aus Sicht der Bundesregierung dafür belangt werden, in
gefährlicher Weise in einen Rettungseinsatz eingegriffen zu haben, mit dem
die Sea Watch von der Rettungsleitstelle beauftragt und somit vor Ort „On
Scene Coordinator“ war?

20. Auf welche Weise könnte die libysche Küstenwache aus Sicht der Bundes-
regierung wie beim Vorfall am 21. Oktober 2016 wegen eines gefährlichen
Eingriffs in den Schiffs- und Seeverkehr, das Misshandeln von Menschen in
Seenot, den versuchten Diebstahl von Bootsausrüstung, die absichtliche oder
unabsichtliche Beschädigung des zu rettenden Schlauchbootes, die dadurch
ausgelöste Notlage sowie eine Situation, in der die Insassen in eine hilflose
Lage versetzt wurden, belangt werden?
a) Inwiefern und von welcher Stelle muss ein solcher Vorfall (gefährlicher

Eingriff in den Schiffs- und Seeverkehr, Eingriff in Rettungsmaßnahme,
Unterlassen von Hilfeleistung, Misshandeln von Menschen in Seenot,
Diebstahl von Bootsausrüstung, absichtliche oder unabsichtliche Beschä-
digung des zu rettenden Schlauchbootes, Herbeiführen einer Notlage,
Entfernen vom Ort des Geschehens) aus Sicht der Bundesregierung auch
ohne Anzeige ermittelt und strafrechtlich verfolgt werden?

b) Sofern die Ermittlung und Strafverfolgung aus Sicht der Bundesregierung
erst nach einer Anzeige erfolgen kann, wo und von wem kann der Vorfall
angezeigt werden, wer wäre für die Ermittlungen zuständig, und wo
würde eine etwaige Anklage erhoben werden können?

21. Da es sich in vier von fünf Fällen um Übergriffe auf deutsche Rettungsorga-
nisationen und deutsche Staatsangehörige handelt, welche Pflichten ergeben
sich für die Bundesregierung über das Auswärtige Amt und die Botschaft
Tripolis zur weiteren Aufklärung und Verfolgung der Vorfälle?

Berlin, den 7. November 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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