BT-Drucksache 18/10223

Informelles Treffen europäischer Innenminister und US-Behörden in Rom

Vom 4. November 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10223
18. Wahlperiode 04.11.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth,
Heike Hänsel, Inge Höger, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu und der
Fraktion DIE LINKE.

Informelles Treffen europäischer Innenminister und US-Behörden in Rom

Das jüngste Treffen der sogenannten Gruppe der Sechs (G6) wurde am 20. und
21. Oktober 2016 in Rom abgehalten (dpa vom 21. Oktober 2016). Als G6 wer-
den die sechs Staaten der Europäischen Union bezeichnet, die die meisten Ein-
wohner haben: Deutschland, Italien, Frankreich, Spanien, Polen und Großbritan-
nien. Die G6 sind eine Zusammenarbeitsform der Innenminister dieser sechs ein-
wohnerstärksten EU-Mitgliedstaaten.
Das informelle Treffen geht auf eine Initiative des früheren Bundesministers
des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble, zurück (Bundestagsdrucksache 18/5599).
Dr. Wolfgang Schäuble war es auch, der dafür sorgte, dass die US-Regierung (ge-
wöhnlich vertreten durch Justiz- und Heimatschutzminister und -ministerinnen)
mittlerweile regelmäßig an dem Treffen der sechs großen EU-Mitgliedstaaten
teilnimmt. Das Bundesministerium des Innern beschreibt diese seit dem Jahr 2007
existierende Kooperation als „traditionsgemäß“ und nennt das Format deshalb
„G6+1“.
An dem Treffen in Rom nahm neben der US-Justizministerin Loretta Lynch
und dem US-Heimatschutzminister Jeh Johnson auch Bundesinnenminister
Dr. Thomas de Maizière (CDU) teil. Ebenfalls zugegen waren der EU-Kommis-
sar Dimitris Avramopoulos sowie die Polizeiagentur Europol, die Grenzagentur
Frontex und die Polizeiorganisation Interpol. Zu den behandelten Themen gehör-
ten laut den Medienberichten „Sicherheit und Terrorismus-Prävention in Europa“
sowie die Bekämpfung irregulärer Migration.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Tagesordnung hatte das „G6+1“-Treffen in Rom (bitte wie auf Bun-

destagsdrucksache 17/9904 darstellen), und welche einzelnen Themen, Initi-
ativen oder Maßnahmen wurden unter den einzelnen Tagesordnungspunkten
behandelt?

2. Welche deutschen Behörden oder sonstigen Stellen nahmen an dem „G6+1“-
Treffen in Rom mit welchen Abteilungen bzw. Referaten teil?

3. Welche weiteren Treffen am Rande des „G6+1“ haben nach Kenntnis der
Bundesregierung in zeitlicher Nähe stattgefunden, sofern diese im organisa-
torischen und/oder inhaltlichen Bezug zum Treffen in Rom standen?

Drucksache 18/10223 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Welche Angehörigen anderer Regierungen außer EU-Agenturen, „Wissen-
schaftler und Experten“ oder sonstige Institutionen und Personen nahmen
nach Kenntnis der Bundesregierung mit welchem Personal an dem „G6+1“-
Treffen bzw. den in zeitlicher Nähe stattfindenden Treffen teil (bitte auch
deren Zugehörigkeit zu Behörden und anderen Einrichtungen angeben)?

5. Nach welchem Verfahren sowie nach welchen Kriterien hat der italienische
Vorsitz der „G6+1“ nach Kenntnis der Bundesregierung festgelegt, an wel-
chen Tagesordnungspunkten oder Arbeitsgruppen die Europäische Kommis-
sion, die teilnehmenden US-Behörden sowie die übrigen Regierungen anwe-
send sein dürfen und von welchen sie ausgeschlossen blieben?

6. An welchen einzelnen Tagesordnungspunkten oder Arbeitsgruppen haben
die USA sowie die Europäische Kommission oder andere EU-Einrichtungen
schließlich mit welchem Personal teilgenommen?

7. Welche eigenen Beiträge haben diese nach Kenntnis der Bundesregierung
hierzu verteilt oder gehalten (bitte nicht nur Titel und Untertitel nennen, son-
dern in groben Zügen skizzieren)?

8. Welche Dokumente oder „zur Strukturierung und Eingrenzung der Diskus-
sion“ oder „vorab mit Fragen versehene Gesprächsunterlagen“ wurden ver-
teilt (Bundestagsdrucksache 17/9904; bitte nicht nur ihren Zweck benennen,
sondern den Inhalt, soweit bekannt, in groben Zügen skizzieren)?

9. Was ist der Bundesregierung über etwaige Pläne oder Initiativen des neuen
Kommissars für die Sicherheitsunion Julian King bekannt, die Polizeiagentur
Europol stärker mit der der geheimdienstlichen „Plattform“ der „Counter
Terrorism Group“ (CTG) in Den Haag zu verzahnen?
a) Welche Treffen des Kommissars für die Sicherheitsunion oder Europols

haben hierzu seit Beantwortung der Bundestagsdrucksache 18/9323 statt-
gefunden?

b) Inwiefern sollten dabei auch neue Möglichkeiten des Informationsaus-
tauschs ausgelotet werden, und welche Ergebnisse sind der Bundesregie-
rung dazu bekannt?

c) Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern die Er-
nennung des neuen Kommissars für die Sicherheitsunion bedeutet, dass
die Arbeit des Anti-Terrorismus-Koordinators Gilles de Kerchove nun-
mehr (in Teilen oder in Gänze) überflüssig wird?

10. Inwiefern wurden auf dem „G6+1“-Treffen in Rom auch Möglichkeiten von
Finanzermittlungen behandelt, und wer trug dazu mit welchem Inhalt vor?
a) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, auf welche Weise die Eu-

ropäische Union Finanzermittlungen auch verstärkt zur Bekämpfung von
„illegaler Migration“ einsetzen will?

b) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, welche Treffen oder Kon-
ferenzen hierzu in diesem Jahr bei der Polizeiagentur Europol stattfanden?

c) Inwiefern ist auch das Bundeskriminalamt mit Finanzermittlungen zur
Bekämpfung von „illegaler Migration“ befasst (etwa mit der dort ange-
siedelten Financial Intelligence Unit)?

11. Inwiefern wurden auf dem „G6+1“-Treffen in Rom auch Fragen zur Ver-
schlüsselung von Telekommunikation und entsprechenden Gegenmaßnah-
men zur Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr behandelt, und wer trug dazu
mit welchem Inhalt vor?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10223

12. Inwiefern wurden auf dem „G6+1“-Treffen in Rom auch Maßnahmen zur

Beobachtung des Internets oder zur Entfernung dort vorgefundener Inhalte
behandelt, und wer trug dazu mit welchem Inhalt vor?
a) Mit welchen Angehörigen welcher Behörden nahm die Bundesregierung

an dem Europol-Seminar zu „Open Source Intelligence“ (OSINT) bei Eu-
ropol teil (https://twitter.com/Europol/status/791547177562697728)?

b) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, ob bei der Konferenz auch
„Internetauswertegruppen“ oder die „Internetauswertungskoordinierungs-
gruppe“ teilnahmen oder dort vortrugen (Bundestagsdrucksache
18/6699)?

13. Inwiefern wurden auf dem „G6+1“-Treffen in Rom auch Maßnahmen zur
Vereinfachung der Rechtshilfe zwischen den Behörden der EU-Mitgliedstaa-
ten und den USA (etwa „Direktanfragen“ von Strafverfolgungsbehörden bei
Internetanbietern in den USA) behandelt, und wer trug dazu mit welchem
Inhalt vor?

14. Inwiefern ist nach Kenntnis der Bundesregierung geplant, die Rechtshilfeer-
suchen zur Herausgabe von Kommunikationsdaten bei Internetdienstleistern
in den USA durch eine gemeinsame Herangehensweise der EU-Mitgliedstaa-
ten zu vereinfachen (etwa durch das Ermöglichen von Direktanfragen bei den
Anbietern)?

15. Mit welchem Ergebnis hat die Bundesregierung „praktische Fragen der Zu-
sammenarbeit“ für die Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden mit
den Unternehmen Facebook, Google, Twitter und Apple erörtert (Bundes-
tagsdrucksache 18/9762)?

16. Was ist der Bundesregierung über Pläne, Initiativen oder Maßnahmen der
Europäischen Kommission bekannt, „mit allen Beteiligten Rahmenbedin-
gungen [zur direkten Erlangung von Bestandsdaten] auszuarbeiten, die eine
möglichst einheitliche Handhabung dieser Art der Zusammenarbeit sicher-
stellen sollen“ (Bundestagsdrucksache 18/9266), wobei dies nicht nur das
Verhältnis der EU-Mitgliedstaaten untereinander, sondern auch zu Drittstaa-
ten wie die USA betreffen soll?

17. Inwiefern wurden auf dem „G6+1“-Treffen in Rom auch die Einrichtung
neuer EU-Reiseregister (etwa Passagierdatenregister, Ein-/Ausreisesystem,
Reiseinformations- und Genehmigungssystem) behandelt, und wer trug dazu
mit welchem Inhalt vor?
a) Welche Haltung vertritt die Bundesregierung mittlerweile zur Frage, in-

wiefern ein „Ein-/Ausreisesystem“ der Europäischen Union auch für
Drittstaatsangehörige mit längerfristiger Aufenthaltsberechtigung (Vi-
sum) oder EU-Staatsangehörige ausgeweitet werden sollte (Bundestags-
drucksache 18/9266), bzw. wann wird ihre Positionierung zu dieser Frage
vermutlich abgeschlossen sein?

b) Wann will die Europäische Kommission nach Kenntnis der Bundesregie-
rung ihre Prüfung der Notwendigkeit und des Mehrwerts einer solchen
Erfassung der Ein- und Ausreisen von Personen, die das Recht auf Frei-
zügigkeit genießen, abgeschlossen haben?

Drucksache 18/10223 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

18. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, welche EU-Mitgliedstaaten

bereits Passagierdaten (PNR) für Risikoprognosen einsetzen?
a) Welche Erfahrungen zum Einsatz von Passagierdaten (API oder PNR) hat

die Bundesregierung hierzu in jüngster Zeit gegenüber EU-Ratsarbeits-
gruppen oder Ratspräsidentschaft mitgeteilt?

b) Was ist der Bundesregierung über eine Entwicklungsgruppe zur Umset-
zung des beschlossenen EU-Passagierdatenregisters bekannt, wer gehört
dieser Gruppe an, und welche Ratsarbeitsgruppe ist dabei federführend?

19. Inwiefern wurden auf dem „G6+1“-Treffen in Rom auch die Pläne für vor-
gelagerte US-Einreisekontrollen an europäischen Flughäfen (Bundestags-
drucksache 18/9266) behandelt, und wer trug dazu mit welchem Inhalt vor?

20. Wie viele Daten über „Gefährder/relevante Personen“ hat das Bundeskrimi-
nalamt im Rahmen des „vereinbarten Verfahrens zum Austausch von Grund-
daten zur Identität bekannter oder mutmaßlicher Terroristen“ seit Bestehen
des Abkommens bislang als Erkenntnisanfrage an das Terrorist Screening
Center (TSC) bzw. die „Terrorist Screening Database“ in den USA geliefert
bzw. dort abgefragt (Bundestagsdrucksache 18/9762)?
a) In wie vielen Fällen wurden weitere „Hintergrundinformationen“ ausge-

tauscht und gespeichert?
b) Gegen wie viele der übermittelten Personen wurden Ermittlungsverfahren

wegen Mitgliedschaft und/oder Unterstützung einer terroristischen Verei-
nigung geführt?

c) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, welche einzelnen Daten-
banken das TSC im Rahmen einer deutschen Erkenntnisanfrage in der
„Terrorist Screening Database“ abfragt?

d) Liegt der Bundesregierung mittlerweile der auf Bundestagsdrucksache
18/9132 erfragten Regelungsrahmen des US-TSC vor?

e) Welche Länder werden von den USA nach Kenntnis der Bundesregierung
derzeit als „Countries of Concern“ geführt, wonach für den am 18. De-
zember 2015 im US-Kongress beschlossenen „Visa Waiver Program Im-
provement and Terrorist Travel Prevention Act of 2015“ derzeit Verschär-
fungen für die Länder Libyen, Jemen und Somalia gelten (Bundestags-
drucksache 18/9266)?

f) Wann in der zweiten Jahreshälfte will das OSZE-Sekretariat nach Kennt-
nis der Bundesregierung auf Anregung des deutschen Vorsitzes einen Pro-
jektvorschlag für ein „Aus- und Fortbildungsprojekt“ zum Austausch von
Fluggastdaten (API) vorlegen (Bundestagsdrucksache 18/9266)?

21. Was ist damit gemeint, wenn das US-Heimatschutzministerium die Bereit-
schaft für weitere Maßnahmen zum vereinfachten Screening von Migrantin-
nen und Migranten erklärt („bilateral information sharing programs“, Pres-
semitteilung vom 21. Oktober 2016)?

22. Wie bewertet die Bundesregierung den Erfolg des „G6+1“-Treffens in Rom,
und welche gemeinsamen Maßnahmen mit den dortigen Teilnehmenden
könnten nunmehr ergriffen werden?

23. Mit welchen der Teilnehmenden (auch US-Delegationen oder EU-Agentu-
ren) führten das Bundesinnenministerium bzw. der Bundesinnenminister am
Rande des „G6+1“-Treffens in Rom weitere bilaterale Gespräche?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/10223

24. Wann und wo fand das letzte Treffen der früher sogenannten G11-Gruppe

und mittlerweile aus mindestens 14 Regierungen bestehenden informellen
Gruppe statt (Bundestagsdrucksache 18/10113, bitte wie auf Bundestags-
drucksache 17/9904 darstellen), und welche einzelnen „Maßnahmen, durch
die sich die kollektive Fähigkeit zur Bekämpfung des internationalen Ter-
rorismus auf europäischer Ebene verbessern lässt“ wurden dort behandelt?

25. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, wann und wo die nächsten
Treffen der „G6+1“ sowie der „G11“ abgehalten werden?

Berlin, den 4. November 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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