BT-Drucksache 18/10198

Unregelmäßigkeiten bei Reaktorbauteilen der französischen Schmiede Creusot Forge (Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/9151)

Vom 3. November 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10198
18. Wahlperiode 03.11.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Annalena Baerbock, Harald Ebner,
Bärbel Höhn, Oliver Krischer, Stephan Kühn (Dresden), Steffi Lemke,
Peter Meiwald und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Unregelmäßigkeiten bei Reaktorbauteilen der französischen Schmiede Creusot
Forge (Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf
Bundestagsdrucksache 18/9151)

Ende April 2016 gab der französische Nuklearkonzern AREVA Unregelmäßig-
keiten bei der Fertigungskontrolle von Reaktorbauteilen bekannt. Die Bauteile
stammen aus der Tochterfirma, der Schmiede Creusot Forge. Laut Aussage der
französischen Atomaufsicht Autorité de Sûreté Nucléaire (ASN) handelt es sich
um 400 Unregelmäßigkeiten seit dem Jahr 1965. Bekanntgeworden sind die Un-
regelmäßigkeiten durch Untersuchungen, die AREVA aufgrund von Anomalien
in Deckel und Bodenkalotte des Reaktordruckbehälters beim Atomkraftwerkneu-
bauvorhaben Flamanville 3 durchführen musste (vgl. ASN „Areva a informé
l’ASN d’irrégularités concernant des composants fabriqués dans son usine de
Creusot Forge“ vom 3. Mai 2016, online abrufbar unter www.asn.fr/Informer/
Actualites/Irregularites-concernant-des-composants-fabriques-dans-l-usine-Areva-
de-Creusot-Forge). Nachdem mehrere Reaktoren wegen Überprüfungen vom
Netz genommen wurden, hat die französische Atomaufsicht am 19. Oktober 2016
wegen Sicherheitsbedenken die außerplanmäßige Abschaltung von fünf weiteren
Atomreaktoren angeordnet. Betroffen sind die Atomkraftwerke Fessenheim,
Civeaux, Gravelines und Tricastin. Hier soll insbesondere der Stahl der Dampf-
erzeuger kontrolliert werden, die in der japanischen Schmiede Japan Casting and
Forging Cooperation hergestellt wurden (vgl. ASN „L’ASN prescrit la réalisation
sous trois mois de contrôles sur les générateurs de vapeur de cinq réacteurs
d’EDF dont l’acier présente une concentration élevée en carbone“ vom 19. Ok-
tober 2016. Online abrufbar unter www.asn.fr/Informer/Actualites/Controles-
complementaires-sur-les-generateurs-de-vapeur-de-cinq-reacteurs-d-EDF).
Bereits im Juni 2016 war die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Frage
zu den Unregelmäßigkeiten nachgegangen (vgl. Bundestagsdrucksache 18/8935).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Um welche konkreten Unregelmäßigkeiten, Veränderungen oder Lücken

handelt es sich laut Kenntnis der Bundesregierung bei den Bauteilen der
Schmiede Creusot Forge?

Drucksache 18/10198 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Welche Bauteile sind laut Kenntnis der Bundesregierung konkret in welchem
Atomkraftwerk bzw. welcher Atomanlage betroffen (bitte nach Reaktoren
unterteilen und jeweils mit Angabe, ob es sich um ein sicherheitstechnisch
wichtiges Bauteil handelt oder nicht; wo keine bauteilspezifischen Kennt-
nisse vorliegen, bitte hilfsweise zumindest die betreffenden Atomkraftwerke
bzw. Atomanlagen angeben)?

3. Kann die Bundesregierung mittlerweile praktisch ausschließen, dass deut-
sche Atomkraftwerke von Bauteilen betroffen sind, die
a) für den Reaktordruckbehälter oder
b) für andere Bereiche des Atomkraftwerks vorgesehen sind?
Falls ja, warum kann sie dies ausschließen?

4. Liegt der Bundesregierung eine Liste aller betroffenen Atomkraftwerke im
Ausland (insbesondere der grenznahen AKW) vor?
Wenn nein, was unternimmt die Bundesregierung, um eine solche Liste von
AREVA zu erhalten und Interessierten zur Verfügung zu stellen?

5. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung dazu, dass auch fehlerhafte
Bau- bzw. Schmiedeteile aus dem japanischen Guss- und Schmiedewerk Ja-
pan Casting and Forging Cooperation (JCFC) stammen?

6. Könnten nach Kenntnis der Bundesregierung auch fehlerhafte Bau- bzw.
Schmiedeteile aus dem japanischen Stahlwerk Japan Steel Works (JSW)
stammen?

7. Welche Konsequenz ergibt sich für die Bundesregierung daraus, dass an-
scheinend nicht nur in der Schmiede Creusot Forge fehlerhafte Bau- bzw.
Schmiedeteile hergestellt worden sind, sondern auch in anderen Schmieden
(bitte erläutern)?

8. Welche Atomkraftwerke bzw. welche Meiler sind nach Kenntnis der Bun-
desregierung bisher für Überprüfungen heruntergefahren worden?

9. Welche konkreten Überprüfungen werden nach Kenntnis der Bundesregie-
rung an diesen Meilern durchgeführt?

10. Kann die Bundesregierung praktisch ausschließen, dass grenznahe Atom-
kraftwerke von Bauteilen betroffen sind, die
a) für den Reaktordruckbehälter oder
b) für andere Bereiche des Atomkraftwerks vorgesehen sind?
Falls ja, warum kann sie dies ausschließen?
Falls nein, welche Konsequenz zieht sie daraus für die Sicherheit – besonders
der im Grenzgebiet lebenden Bevölkerung?

11. Was konkret unternimmt die Bundesregierung, damit die betroffenen grenz-
nahen AKW – zumindest vorübergehend und bis zur endgültigen Klärung –
vom Netz genommen werden?

12. Hat die Bundesregierung Kenntnisse zu Fälschungen und Vertuschungen bei
dem italienischen Hersteller Mangiarotti (wenn ja, welche Bauteile welcher
Atomkraftwerke sind nach Kenntnis der Bundesregierung betroffen)?

13. Hat die Bundesregierung Kenntnisse zu Fälschungen und Vertuschungen bei
dem französischen Hersteller SBS Forge (wenn ja, welche Bauteile welcher
Atomkraftwerke sind nach Kenntnis der Bundesregierung betroffen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10198

14. Wurde nach Kenntnis der Bundesregierung z. B. im Rahmen der Deutsch-

Französischen Kommission für Fragen der Sicherheit kerntechnischer Anla-
gen (DFK) auch darüber gesprochen, dass die Atomaufsicht noch im Som-
mer 2016 nach der Abschaltung von Fessenheim 2 versicherte, wegen Fes-
senheim 1 müsse man sich keine Sorgen machen und dies jetzt revidiert wer-
den musste (wenn nein, warum nicht, vgl. z. B. Badische Zeitung vom
1. Juli 2016 „Nicht mehr Pannen als anderswo auch“ und 21. Juli 2016
„Atomaufsicht legt Reaktor 2 still“)?

15. Wie bewertet die Bundesregierung diese gravierende Meinungsänderung sei-
tens der französischen Atomaufsichtsbehörde Autorité de Sûreté Nucléaire
(ASN), und was bedeutet das aus ihrer Sicht für alle weiteren, von der ASN
als sicher eingestuften, Reaktoren?

16. Welche konkreten Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Maßnahmen
zur Verbesserung von internen Überprüfungsprozessen sowie der Sicher-
heits- und Qualitätskultur in der Schmiede Creusot Forge, nachdem die Un-
regelmäßigkeiten entdeckt worden sind, und sofern es Erkenntnisse gibt, hält
sie diese für ausreichend, um weitere Missstände zu verhindern?

17. Wird nach Kenntnis der Bundesregierung bei AREVA, ein Untersuchungs-
programm für eine Nachbewertung der Sicherheit der einzelnen Bauteile er-
arbeitet?
Wenn ja, welche weiteren Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu Art, Um-
fang und Dauer des Untersuchungsprogramms für die Nachbewertung?
Wenn nein, wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass AREVA
eine umfassende Nachbewertung vornimmt?

Berlin, den 3. November 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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